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Karl Liebknecht 19140519 Nicht ein Hofopernhaus, sondern ein Volksopernhaus bauen!

Karl Liebknecht: Nicht ein Hofopernhaus, sondern ein Volksopernhaus bauen!

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus zum Etat der Bauverwaltung

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 22. Legislaturperiode, II. Session 1914/15, 6. Bd., Berlin 1914, Sp. 7246-7248 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 7, S. 353-356]

Meine Herren, die Billettpolitik des Königlichen Opernhauses ist eine der Masse der Bevölkerung außerordentlich ungünstige und eine der Ausbreitung der Kunstkultur, soweit sie vom Opernhaus ausgeht, außerordentlich feindliche. Das Opernhaus, um dessen Bau es sich jetzt handelt, soll auch nach dem Hoffmannschen Entwurf den ausgeprägten Charakter eines Hofopernhauses haben. Es sollen die Repräsentationsräume für Hofzwecke einen ganz unbemessenen Raum einnehmen; es soll ein Riesenaufwand wesentlich für Hofluxuszwecke gemacht werden. Kurzum, es soll diesem ganzen Bau ein Charakter gegeben werden, der die Verwertung der darin entfalteten künstlerischen Kraft für die Masse der Bevölkerung fast ausschließt. Wir sind dennoch der Ansicht, dass die Art von Luxusbauten, wie das Opernhaus einen darstellen soll, darum für unsere künstlerische Entwicklung noch nicht nachteilig, verwerflich ist. Ich habe wiederholt als Standpunkt meiner Partei zum Ausdruck gebracht, dass wir der Fortentwicklung der Architektur und der Pflege der Oper, der darstellenden Kunst alle Unterstützung auch dort gern zuteil werden lassen, wo diese Kunst leider noch nicht der Masse der Bevölkerung, sondern ausschließlich den oberen Zehntausend zugute kommt.

Aber, meine Herren, es muss hier doch hervorgehoben werden, wie dieser gewaltige Aufwand für einen Hofluxusbau, dessen künstlerische Bedeutung ich durchaus nicht verkleinern will, in einer schroffen Dissonanz steht mit der Tatsache, dass die Staatsregierung sich außerstande erklärt, für die dringendsten Bedürfnisse der Beamtenbesoldung und für andere soziale Zwecke nennenswerte Aufwendungen zu machen. In einer Zeit, in der dieser Daumendruck auf die Gurgel der Sozialpolitik noch dazu von Preußen aus auf das Reich hinüber wirkt, so dass auch im Reich jegliche nennenswerte Aufbesserung der Reichsbeamten aufs äußerste erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird, wird es einem, wenn man sich als Vertreter der allgemeinen Interessen und in erster Linie als Vertreter der Arbeiterklasse fühlt, allerdings ungemein schwer, sich für ein Projekt einzusetzen wie das hier fragliche. Ich habe schon wiederholt betont, dass die Sozialdemokratie ihre Bewilligung für diesen Bau nur unter der Voraussetzung und in der Erwartung aussprechen kann, dass die Regierung und die Opernhausverwaltung ihre Pflichten auch gegenüber der Masse der Bevölkerung und nicht nur gegenüber dem Hof und nicht nur gegenüber den oberen Zehntausend erfüllen. Wir erwarten also – und wir haben noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben, dass diese Erwartung sich erfüllen wird –, dass sowohl in Bezug auf die Billettpolitik des Königlichen Opernhauses wie auch in Bezug auf die Einzelheiten der inneren Ausgestaltung auf die allgemeinen Bedürfnisse mehr Rücksicht genommen wird, als es bisher der Fall ist, und wir erwarten insbesondere, dass das Königliche Opernhaus in bei weitem größerem Umfange als bisher zu Volksvorstellungen zu mäßigen Preisen zur Verfügung gestellt wird, damit die Masse der Bevölkerung für den gewaltigen Aufwand, der hier gemacht wird, auch die Möglichkeit hat, künstlerische Erhebung zu finden.

Wenn ein Opernhaus wie dieses gebaut wird, so wird es nicht für wenige Jahre, sondern für Generationen gebaut, und wir haben die gute Hoffnung und die sichere Überzeugung, dass dies Haus noch zu einer Zeit stehen wird, wo es den Charakter eines Hofopernhauses verloren haben,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. – Große Heiterkeit.)

wo es ein Volksopernhaus sein wird, und wo die Prunkräume der Allgemeinheit, dem Volke dienen werden.

(Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. von Krause: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, wegen dieser letzten Äußerung rufe ich Sie zur Ordnung.

(Wiederholter lebhafter Beifall rechts. – Lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Liebknecht: Ich stelle fest, dass mir eben ein Herr von der Rechten zugerufen hat, er habe eine richtigere Vorstellung von der Revolution als ich. Also Sie scheinen ein Spezialist auf dem Gebiet zu sein!

Nun, meine Herren, Tatsache ist, dass der Entwurf ja in den wesentlichen Teilen technischer Art – künstlerisch erwarten wir von der Akademie des Bauwesens nichts – der Akademie für das Bauwesen überwiesen werden soll; und wir möchten den dringenden Wunsch aussprechen – und unter dieser Voraussetzung erteilen wir unsere Zustimmung –, dass gerade auf die Gesichtspunkte der allgemeinen Volks Wohlfahrt und die Zugänglichkeit der Kunst für die breite Masse auch bei diesen Nachprüfungen der Akademie für das Bauwesen Rücksicht genommen werden möge. Unter diesem Gesichtspunkt stellen wir uns dem Antrage, den Budgetkommissionsvorschlag wieder aufzunehmen, freundlich gegenüber und werden für ihn stimmen.

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