W. M. 19320201 Präsidentenwahl und Einheitsfront

W[erner?] M[üller?]: Präsidentenwahl und Einheitsfront

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 3 (Anfang Februar 1932), S. 2 f. Trotzki kritisierte den Artikel]

Brünings Versuch, durch Verhandlungen mit den verschiedenen Parteien die Verlängerung der Präsidentschaft Hindenburgs durch verfassungsändernden Mehrheitsbeschluss des Reichstags zu erreichen, ist am Widerstand der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten gescheitert. Begründet haben diese ihre Ablehnung mit «verfassungsmäßigen Bedenken». Dieselben Kräfte, die bisher die Weimarer Verfassung aufs Schärfste bekämpft haben, spielen sich heute als deren Hüter auf. Ihr bedeutender Massenanhang erlaubt ihnen diese Taktik, durch die sie sich als regierungsfähig erweisen wollen, um dann im Besitz staatlicher Machtmittel ihre konterrevolutionären Pläne umso ungestörter verfolgen zu können. Nach dem Willen des Faschismus wird es also nun zur Volkswahl kommen, wobei aber zur Stunde noch fraglich ist, ob die Nationalsozialisten einen eigenen Kandidaten aufstellen oder ob sie, wenn ihr Wunsch nach Rücktritt Brünings erfüllt wird. Hindenburgs Wiederwahl unterstützen werden.

Die SPD hat in der Frage der Präsidentschaftskandidatur ebenfalls noch nicht klar Stellung genommen. Wahrscheinlich wird sie sich schließlich für Hindenburg oder sonst einen bürgerlichen Kandidaten einsetzen. was ja auch vollkommen der Taktik des «kleineren Übels» entsprechen würde. Die «eiserne Front» wäre dann glücklich so weit ausgedehnt, dass sie den ehemaligen kaiserlichen Feldmarschall mit umfassen würde, und es wäre dann wirklich schwer festzustellen, wo eigentlich diese Front aufhört und wo der Feind, gegen den sie sich angeblich richtet, nämlich der Faschismus, anfängt.

Es ist klar, dass sich die Masse der deutschen Arbeiterschaft eine wirkliche Einheitsfront gegen den Faschismus anders vorstellt. Sie kann den Unterzeichner der ungezählten Verordnungen der wirtschaftlichen Ausplünderung und politischen Entrechtung des Proletariats nicht als den Vertreter ihrer Interessen betrachten, und sie kommt auch mehr und mehr zur Überzeugung, dass die reformistische Koalitions- und Tolerierungspolitik nur immer tiefer in die Sackgasse hineinführt und dass nur die einheitliche außerparlamentarische Klassenaktion der Arbeiterschaft den Faschismus schließlich überwinden kann.

Von der wirklichen Herstellung einer solchen einheitlichen Kampffront sind wir allerdings heute noch weit entfernt. Und leider trifft die Schuld hierfür nicht allein die Führer der SPD, die z. T. jetzt schon mit dem Faschismus, wenn er nur vorerst auf «legalem» Boden bleibt, liebäugeln, sondern auch die Leitung der KPD, die durch eine falsche Einschätzung der Lage, durch eine prinzipielle Ablehnung jeder die engen Parteischranken durchbrechenden Einheitsfront breite proletarische Massen daran hindert, den Weg des einheitlichen proletarischen Klassenkampfes gegen Faschismus und Notverordnungsdiktatur zu beschreiten.

Mit besonderer Deutlichkeit tritt die fehlerhafte Taktik der Partei bei der bevorstehenden Reichspräsidentenwahl zutage. Hier hätte die Parteiführung die Möglichkeit gehabt zu beweisen, dass ihr die «rote Einheitsfront» mehr ist als eine bloße Phrase. Sie hätte an die übrigen proletarischen Organisationen herantreten müssen zwecks Verhandlungen über die Aufstellung einer gemeinsamen Kandidatur. Und sie hätte diese konkrete Möglichkeit der Einheitsfront offen, vor allem in den Betrieben und in den Gewerkschaften, zur Diskussion stellen und damit ihre Bereitschaft zur Verwirklichung der Einheitsfront beweisen müssen. Mag es auch noch so falsch sein, sich von einer Präsidentenwahl an sich Illusionen zu machen, die Aufstellung einer von mehreren proletarischen Organisationen anerkannten Kandidatur wäre doch von gewaltiger propagandistischer Bedeutung gewesen in einer Zeit, wo im Proletariat das Verlangen nach einheitlichem Vorgehen über die Schranken einer Partei hinweg so mächtig ist wie gegenwärtig. Und hätten dann auch die sozialdemokratischen Führer den kommunistischen Vorschlag abgelehnt. so wären eben sie als die Saboteure der Einheitsfront vor ihren Mitgliedern und vor der ganzen Arbeiterschaft dagestanden und die Massen hätten sich von ihnen abgewandt.

Statt diesen Weg einzuschlagen, hat jetzt das ZK der KPD von vornherein Thälmann als den Kandidaten der «roten Einheitsfront» aufgestellt. Diese engstirnige Taktik kann nur den «Erfolg» haben, dass sie das Vertrauen breiter Arbeitsmassen zur Partei weiter untergräbt. Denn was hat es noch für einen Sinn, fortgesetzt von Einheitsfront zu reden, wenn man sich diese nur so vorstellt, dass alles sich willig der heutigen Führung der KPD unterordnet und alle übrigen proletarischen Organisationen als mehr oder weniger «sozialfaschistisch» bekämpft? Es ist gar nicht verwunderlich, wenn angesichts einer solchen Einstellung der KPD-Leitung eine Partei wie die SAP Zulauf erhält. Die KPD könnte dieser Partei die wichtigsten Argumente aus der Hand schlagen, wenn sie eine weniger starre und parteiegoistische Taktik befolgen würde.

Da der eigentliche Wahlkampf um die Präsidentschaft noch nicht begonnen hat und die übrigen proletarischen Organisationen sich auf einen bestimmten Kandidaten noch nicht festgelegt haben, besteht noch die Möglichkeit, den gemachten Fehler wieder gutzumachen. Wir richten deshalb an das ZK der KPD die Forderung, sofort Verhandlungen mit dem Ziel der Aufstellung eines gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten einzuleiten.

Sicher handelt es sich hier lediglich um eine parlamentarische Aktion, aber in der heutigen Lage könnte daraus bei einer richtigen Taktik der Parteiführung eine machtvolle Demonstration des proletarischen Einheitsfrontwillens entstehen.

Es ist noch nicht zu spät! Viele tausende klassenbewusste Arbeiter, die heute abseits von der Partei stehen, würden den von uns vorgeschlagenen Schritt als eine beginnende Abkehr von der Politik der Selbstherrlichkeit und des scheinradikalen Phrasentums aufs freudigste begrüßen.

W. M.

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