W. M. 19310800 1. August und II. Internationale

W. M.: 1. August und II. Internationale

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 2 (August 1931), S. 10 f.]

Siebzehn Jahre sind jetzt vergangen seit den Tagen, wo die Gegensätze zwischen den großen bürgerlichen Staaten einen solchen Grad erreicht hatten, dass sie nur noch mit den Waffen ausgetragen werden konnten. Es begann ein Morden, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Allein an im Kampf Getöteten hat der Moloch Imperialismus in jenen Jahren etwa 10 Millionen Menschen verschlungen.

Ist der Ausbruch des Weltkrieges von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der imperialistischen Gegensätze, so bedeutet er einen nicht minder wichtigen Einschnitt im Werdegang der proletarischen Weltbewegung. Zeigte sich doch in jenen Tagen, wie innerlich schwach noch die internationale sozialistische Bewegung war. Und gerade die deutsche Sozialdemokratie, die vor dem Kriege mit einem gewissen Recht als theoretisch geschulteste und organisatorisch stärkste der Welt galt, sie war mit am stärksten an jenem ungeheuren Betrug beteiligt, den damals der größte Teil der sozialdemokratischen Führer an den proletarischen Massen aller kriegführenden Länder beging.

Nur ein kleines Häuflein war es. das zu Beginn und dann im weiteren Verlauf der imperialistischen Schlächterei die Fahne des revolutionären Klassenkampfes hochhielt und die Losung Bürgerkrieg gegen den imperialistischen Krieg herauszugeben wagte. Mit einer Konsequenz handelte besonders die bolschewistische Partei in Russland gemäß dieser Parole, und der Oktobersieg des Proletariats im Jahre 1917 war nur möglich dadurch; dass die Bolschewiki unter ihren Führern Lenin, Trotzki u. a. schon beim Beginn des Weltkrieges den Sturz der zaristischen Gewaltherrschaft als ihr Ziel proklamierten.

Heute muss man sich darüber wundern, wie wenig das europäische Proletariat bisher von der Geschichte gelernt hat und fast widerstandslos die Verbote der Antikriegsdemonstrationen durch sozialdemokratischen Minister und Polizeipräsidenten hinnimmt. Noch folgt die Mehrheit der Arbeiter den reformistischen Führern, die immer so viel davon reden, wie herrlich weit wir es in der Nachkriegszeit gebracht haben. Die Wahrheit aber ist, dass heute in Europa weit mehr Menschen unter Waffen stehen als vor dem Ausbruch des Weltkrieges und dass die einzelnen Staaten durch weit höhere Schutzzollmauern von einander abgeschlossen sind als 1914.

In Wien sind gerade jetzt die Führer der II. Internationale zusammengekommen und haben viel von Weltfrieden und Völkerverständigung geredet. Da aber jede der reformistischen Parteien mit der Bourgeoisie und dem Staatsapparat ihres «Vaterlandes» eng verbunden ist, so muss die II. Internationale im Ernstfall genau so schmählich zusammenbrechen, wie vor siebzehn Jahren. Vandervelde sagte auf dem Kongress, dass die «II. Internationale geschlossen bleiben wird im Falle eines neuen Krieges». Wir glauben den Vandervelden, denn der «nächste Krieg» ist der gegen die Sowjetunion.

Die Entwicklung im Zeichen des «Völkerbundes» ist durchaus nicht so, dass man von einer wirklichen Sicherung des Weltfriedens sprechen könnte. Der Gegensatz der imperialistischen Mächte zur Sowjetunion wie auch in immer neueren Formen zutage tretende Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten selbst können sich in ganz kurzer Zeit so verschärfen, dass kriegerische Zusammenstöße daraus entstehen.

So ist die ganze Weltlage auch heute nur eine Bestätigung der kommunistischen Auffassung, dass erst der Sturz der bürgerlichen Herrschaft die Kriegsgefahr beseitigen und eine Wiederholung des Mordens von 1914-1918 unmöglich machen kann. Solange aber die proletarische Herrschaft auf ein Land beschränkt ist, ist der Imperialismus in seinen Grundfesten noch nicht erschüttert. Es ist die Aufgabe des internationalen Proletariats, besonders in Europa, alle Kräfte zur endgültigen Überwindung der Kriegsgefahr anzuspannen und durch die Niederringung des Kapitalismus die erste Etappe auf dem Weg zu einem friedlichen Weltreich des Sozialismus zu vollenden, die vereinigten Sowjetstaaten von Europa.

W. M. [= Werner Müller?]

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