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Karl Radek 19200527 An den Parteivorstand der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Karl Radek: An den Parteivorstand

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

[Manifest, Richtlinien, Beschlüsse des Ersten Kongresses. Aufrufe und offene Schreiben des Exekutivkomitees bis zum Zweiten Kongress. Hamburg 1920, S. 284-286]

Werte Genossen!

Die Exekutive der Kommunistischen Internationale stellt mit Bedauern fest, dass der Parteivorstand der Deutschen Unabhängigen Sozialdemokratie ihr Schreiben vom 5. Februar 1920 unbeantwortet gelassen hat. Dieses Schreiben behandelte alle Streitfragen, die zwischen uns und der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands bestehen. Eine klare Antwort auf unsere Ausführungen würde ganz gewiss zur Klärung der Beziehungen des Parteivorstandes der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands zu der Dritten Internationale beigetragen haben.

Mehr noch als diese Unterlassung bedauert die Exekutive der Kommunistischen Internationale die Tatsache, dass der Parteivorstand der Unabhängigen Sozialdemokratie es für möglich hielt, unser Schreiben an ihn den Mitgliedschaften vorzuenthalten. Das Verhältnis der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands zur Kommunistischen Internationale ist Sache nicht nur des Parteivorstandes, sondern der Million der deutschen Arbeiter, die hinter der deutschen Sozialdemokratie stehen und auf deren energisches Drängen der Parteivorstand der Unabhängigen Sozialdemokratie genötigt war, in Beziehungen zu uns zu treten. Für das wirkliche Verhältnis der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands zur Kommunistischen Internationale ist die Meinung der unabhängigen Arbeitermasse entscheidend, denn nicht das halbe Dutzend von Männern und Frauen, die im Parteivorstand der Unabhängigen Sozialdemokratie sitzen, sondern die Million unabhängiger Arbeiter entscheidet durch ihre Taten, ob sie zur Kommunistischen Internationale gehört oder nicht. Wir sind überzeugt, dass es genügt, den unabhängigen Arbeitern den Sinn ihres eigenen Kampfes zum Bewusstsein zu bringen, damit sie sich bewusst für die Kommunistische Internationale entscheiden. Die Verheimlichung unseres Schreibens bedeutet also objektiv nichts anderes als den Versuch der Verschleppung der Entscheidung der USPD-Massen in der Sache ihres Verhältnisses zur Kommunistischen Internationale. Jeder Versuch der Entschuldigung dieser Sabotage der Beschlüsse des Leipziger Kongresses der Unabhängigen durch den Parteivorstand der Unabhängigen Sozialdemokratie, der bisher in Ausführung des Parteitagsbeschlusses sich zur Absendung eines einzigen Briefes aufgeschwungen hat, mit äußeren Schwierigkeiten, mit dem Kapp-Putsch und den Wahlvorbereitungen wird zunichte gemacht durch die einfache Tatsache, dass für den Kampf der deutschen Arbeiterklasse die Frage des internationalen Zusammenschlusses eine Lebensfrage ist. Ganz abgesehen aber davon hat die Veröffentlichung unseres Schreibens durch unser westeuropäisches Sekretariat bewiesen, dass eine technische Möglichkeit der Veröffentlichung vorhanden war.

Da uns der ernste Wille der großen Mehrheit der unabhängigen Arbeiter zum Eintritt in die Kommunistische Internationale bekannt ist, halten wir es für unsere Pflicht, ungeachtet der Hindernisse, die der Frage der internationalen Einigung des Proletariats seitens des Parteivorstandes der Unabhängigen Sozialdemokratie gestellt werden, Sie aufzufordern, Ihre Vertreter nach Moskau zu entsenden, damit wir ihnen die Leitsätze der Exekutive der Kommunistischen Internationale über die taktischen Fragen des Kampfes um die Diktatur des Proletariats unterbreiten können und sie zur Klärung der Frage gelangen, welche Gründe den Vorstand der Unabhängigen Sozialdemokratie zur Verzögerung ihres Anschlusses an die Kommunistische Internationale bewegen. Dann wird es die Sache der unabhängigen deutschen Arbeiter sein, zu entscheiden, ob sie mit dem Parteivorstand der USPD oder mit der Exekutive der Kommunistischen Internationale einverstanden sind.

Unüberwindbare technische Schwierigkeiten stehen der Reise der Vertreter der USPD nicht im Wege. Wenn südafrikanischen, australischen, amerikanischen und deutschen Arbeitern die Reise möglich ist, die oft fast auf eigene Hand zu uns gelangen, so werden auch die Vertreter einer Millionenpartei den Weg zu uns finden können, wenn sie ihn nur ernstlich suchen wollen.

Mit kommunistischem Gruß

für die Exekutive der Kommunistischen Internationale

Sekretär: K. Radek

27. Mai 1920

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