Leo Trotzki‎ > ‎1917‎ > ‎

Leo Trotzki 19170821 Erklärung an die Untersuchungskommission über den Fall des 3. bis 5. Juli

Leo Trotzki: Erklärung an die Untersuchungskommission über den Fall des 3. bis 5. Juli

[„Voruntersuchung zum Fall des 3. bis 5. Juli", eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 1. Москва-Ленинград, 1924]

Von Lew Davidowitsch Trotzki

I.

Um die Umstände und Bedingungen meines Lebens und meiner Arbeit in Wien zu klären, ist es notwendig, als Zeuge den Arbeitsminister, Michail Skobelew, zu befragen. Wir veröffentlichten zusammen mit ihm dort die „illegale" Zeitung „Prawda", die nach Russland geliefert wurde. M. I. Skobelew war Mitglied der Redaktion und Kassierer des Verlags. Er führte zu einem bedeutenden Teil die Beziehungen zu den österreichischen sozialdemokratischen Organisationen, darunter auch diejenigen zu den heute verhafteten tschechischen Kriegsgefangenen Beneš und Knoflitschek, das heißt, mit der Organisation der tschechischen Internationalisten.

In Bezug auf die letzte Periode meines Aufenthaltes in Wien (1913-1914), sowie auf meinen Umzug von Wien in die Schweiz, meine Einstellung zur Politik Deutschlands und Österreichs, meine öffentlichen Reden zu diesem Thema usw. hat der Assistent des Oberbefehlshabers des Moskauer Militärbezirks V. V. Scher, umfassende Information, mit dem wir gemeinsam von Wien aus die Petrograder Zeitschrift „Borjba" (1914) veröffentlichten.

Das Zeugnis dieser beiden Personen wird die Untersuchung mit erschöpfendem Material versehen und wird die grelle Unzulässigkeit eines Verdachts einer Verbindung meinerseits mit dem österreichisch-deutschen Imperialismus offenbaren, da es eine völlig uninformierte Ermittlungsbehörde für möglich und notwendig hält, die schmutzigen Unterstellungen der Herren Alexinski und Burzew nachzuprüfen. Auf das erste Verlangen der Ermittlungsbehörden kann ich Dutzende und Hunderte von Personen benennen, vor deren Augen meine Aktivitäten im Ausland stattgefunden haben.

Der österreichische Kriegsgefangene Otto Bauer, ein bekannter deutscher sozialistischer Schriftsteller, der in Petrograd ist, kann bestätigen, dass ich während des Aufenthaltes in Österreich mündlich und in der Presse einen Kampf gegen den Nationalismus der Führer der österreichischen Sozialdemokratie und gegen ihre versöhnliche Haltung gegenüber dem österreichisch-ungarischen Imperialismus führte. Natürlich habe ich diesen Kampf nicht als Verteidiger der zaristischen Diplomatie geführt, sondern als russischer sozialistischer Internationalist.

II.

Wie die Aussage mir unbekannter Zeugen betrifft, wonach ich einen „bewaffneten Aufstand" forderte und sogar Demonstranten empfahl, „Bourgeois zu schlagen" (oder so ähnlich), so stelle ich noch einmal fest, dass eine derartige offensichtlich bösartige Aussage mir Handlungen unterschiebt, die direkt das Gegenteil meine wirklichen Handlungen sind.

Der Landwirtschaftsminister V. M. Tschernow hörte meine Rede an die Demonstranten wegen dem Versuch zwielichtiger Personen, ihn zu verhaften, eine Rede, die mit den Worten endete: „Wer hierher kam, um Gewalt anzuwenden, hebe seine Hand!" Das Mitglied des Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der Menschewist Joffe, ein Gegner meiner Position, stand während der Demonstration am Eingang des Taurischen Palastes und forderte mich auf, mich mit Reden an die Soldaten zu wenden – gerade weil alle meine Reden in einem Aufruf endeten: „Keine Gewalt! Geht friedlich nach Hause!". Dasselbe kann bestätigt werden durch das Mitglied des Präsidiums des Zentralen Exekutivkomitees Sakian, Sozialrevolutionär, das Mitglied des Petrograder Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten Lew Michailowitsch Karachan und Hunderte von anderen Personen, die ich mit Hilfe der Untersuchungsbehörde benennen kann: Dafür muss sie sich nur an das Smolny-Institut, an das Präsidium des ZEK zu wenden.

Auf jeden Fall bitte ich Sie, die oben genannten Personen so schnell wie möglich zu befragen.

III.

Wie man mir berichtet, befinden sich unter den versiegelten Papieren, die in der Druckerei Trud beschlagnahmt wurden, Manuskripte von zwei meiner Broschüren, die vor den Ereignissen des 3. bis 5. Juli geschrieben wurden: „Verleumder" und „Jahre der Großen Katastrophe"1. Da diese beiden Manuskripte direkte und unmittelbare Bedeutung für die Themen haben, die Gegenstand der Untersuchung sind, bitte ich darum, diese Manuskripte den Untersuchungsmaterialien beizufügen.

Abschließend möchte ich mein Vertrauen ausdrücken, dass die Ermittlungsbehörden, wenn sie nicht darauf abzielten, das Unbeweisbare zu beweisen, sondern einen ernsthaften Versuch machten, ihre Daten in der von mir angegebenen Richtung zu überprüfen, sich dann in vierundzwanzig Stunden davon überzeugen würden, dass sie kein Recht haben, mich im Gefängnis festzuhalten.

Kresty", Zelle 487, 8. August 1917

1 Trotz aller ergriffenen Maßnahmen wurden diese Broschüren nicht gefunden.

Kommentare