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Leo Trotzki 19170908 Für sauberes Wasser!

Leo Trotzki: Für sauberes Wasser!

[„Rabotschij Put" Nr. 5, 8./21. September 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 1. Москва-Ленинград, 1924]

Die Moskauer Zeitung „Utro Rossii" hat neue Daten über die Verhandlungen zwischen Sawinkow und Kornilow auf direkter Leitung veröffentlicht. Diese Daten sind von außergewöhnlichem Interesse. Natürlich ist aus den Tatsachen klar, was uns klar war: die Verschwörung des Generals Kornilow gegen die „Kerenski-Regierung" erwuchs aus einer anderen, breiteren Verschwörung, die von Kerenski zusammen mit Kornilow gegen das revolutionäre Russland vorbereitet wurde.

Zunächst einmal die Fakten.

In seinen Gesprächen mit Sawinkow verwies General Kornilow auf jeden Fall auf den von V. N. Lwow ihm übermittelten Vorschlag einer Diktatur, der, wie er sagte, ihm im Auftrag von Kerenski gemacht wurde. Lwow schlug Kornilow laut letzterem vor, dass er seine Ansichten über die drei Diktaturen zum Ausdruck bringe, die Kerenski geplant habe. Erstens: Kerenski tritt zurück, die Regierung wird abschafft, Kornilow übernimmt die Diktatur. Zweitens: Kerenski und Kornilow teilen die diktatorische Macht. Drittens: Die Kerenski-Regierung selbst übergibt Kornilow die Diktatur, nach der sie sich freiwillig beseitigt.

Kornilow antwortete, dass in seiner tiefen Überzeugung der einzige Ausweg darin bestehe, eine Diktatur zu errichten und das ganze Land in den Kriegszustand zu versetzen. Kornilow beauftragte Lwow, Kerenski zu übermitteln, dass er es für notwendig halte, dass an der Regierung der Diktatur außer ihm selbst Kerenski und Sawinkow teilnähmen. Beiden hat er „beharrlich" vorgeschlagen, sofort auf eine endgültige Entscheidung zu setzen, und erklärte, dass nach seiner „genauen Information" über einen bolschewistischen Aufruhr, der in Petrograd vorbereitet werde, Kerenskis und Sawinkows Anwesenheit in der Hauptstadt äußerst gefährlich sei. Kornilow fuhr fort, den „allgemeinen Sachverhalt" mit dem Hohen Kommissar Filonenko zu besprechen, die beide zu dem Schluss kamen, dass „die unmittelbare Errichtung einer kollektiven Diktatur in Form eines Verteidigungsrates mit der notwendigen Beteiligung von Kerenski Sawinkow, Filonenko und Kornilow notwendig ist, um das Land zu retten.“

Das ist das Wesen der Enthüllungen, die – wir wiederholen – gar nicht unerwartet veröffentlicht werden. Im Gegenteil, nur im Lichte dieser Daten wird der Verlauf des Kornilow-Aufstands und vor allem seiner Unterdrückung in seinen Hauptmerkmalen deutlich. Am 22. Juli erhielt Kerenski ein Telegramm von Kornilow, in dem letzterer die Bedingungen bezeichnete, unter denen er bereit sei, das Oberkommando zu übernehmen. „Erstens, Verantwortung vor dem eigenen Gewissen und den ganzen Volk. Zweitens, völlige Nicht-Einmischung in meine operativen Befehle ... Drittens die Ausweitung von Maßnahmen, die vor kurzem an der Front und in (angrenzenden) Regionen des Hinterlands ergriffen wurden ... und viertens die Annahme meiner Vorschläge, die telegraphisch an den Oberbefehlshaber (Brusilow) beim Treffen am 18. Juli übermittelt wurden.“ So wurden einige besondere Forderungen gestellt, über die zu informieren Kerenski nicht für notwendig hielt, als er ein Telegramm an die Presse schickte.

Den ganzen August fanden fortlaufend Verhandlungen zwischen Kornilow und Kerenski statt, und dieselben Filonenko und Sawinkow fungierten immer als Vermittler. In seinem Brief an die Zeitung Djen leugnet Filonenko überhaupt nicht, dass er in die Pläne und Absichten des Generals Kornilow eingeweiht war. Und wie konnte er es leugnen? Der Aufstand wurde eine Reihe von Wochen lang vorbereitet, und vor Filonenkos Augen fanden die Auswahl der Offiziere, die agitatorische Arbeit des Stabes und das Bewegen von militärischen Einheiten statt, die weit davon entfernt waren, durch operative Bedürfnisse hervorgerufen zu sein. Am 2. August kam Sawinkow im Hauptquartier an, wo er zusammen mit Filonenko an einem Treffen von Kommissaren und Vertretern von Armeeorganisationen teilnahm. Es war drei Tage vor der offenen Rebellion. Sawinkow konnte nicht umhin zu wissen, dass er nach einer der Optionen für einen der Sitze in der Militärdiktatur bestimmt war. Die Suworinsche Malenkaja Gaseta wusste das sehr gut, die beharrlich wiederholte, dass die Diktatur in der Person von Kornilow, Sawinkow und Kerenski unvermeidlich geworden sei und in naher Zukunft realisiert werden sollte. Eine weitere Suworin-Zeitung Nowoje Wremja entwickelte zur Zeit von Sawinkows Reise zum Hauptquartier eine andere Version des gleichen Themas. „Die ganze Regierung, alle Sozialisten und Nicht-Sozialisten, die Russland retten wollen, müssen alle ihre Kräfte dem vollständigen unbestrittenen Befehl des Oberbefehlshabers unterstellen, damit er bei den Leuten, die Massen in den Händen halten, keinen einzigen Protest oder Hindernis sieht.“ So schrieb am 23. August in der „Nowoje Wremja" ein gewisser Eingeweihter, der sich unter dem Kürzel O. B-t versteckte. Die Mitglieder der Regierung informierten ihrerseits regelmäßig die Presse über gewisse Verhandlungen zwischen Kerenski und Kornilow, und das Thema dieser Verhandlungen wurde niemals benannt.

In seinem ersten Appell erklärte General Kornilow unverblümt, dass es Kerenski war, der ihn in den Aufruhr gezogen habe; das Verhalten der Vertreter der provisorischen Regierung bezeichnete Kornilow als Provokation. Natürlich ist keiner verpflichtet, Kornilows Wort zu glauben, obwohl wir ehrlich gesagt keinen Grund haben, Kornilow weniger als seinen Partnern zu vertrauen. Aber der Punkt ist, dass Kornilows Worte nicht widerlegt wurden. Der Vermittler Lwow bestätigt nach den Zeitungen Kornilows Aussage. Sawinkow schweigt. Filonenko, Kornilows Innenminister-Kandidat, antwortete im „Djen" mit einem geheimnisvollen Brief, der indirekt den schlimmsten Verdacht bestätigt, der sich aus Kornilows Worten und vor allem aus der ganzen Logik der Tatsachen ergibt. Was Kerenskis Verhalten gegenüber den Kornilow-Leuten betrifft, so ist es, als ob er in ihnen nicht Politiker sehe, die „Verschwörer" und „Rebellen" waren, sondern solche, die ein wenig weiter gingen, als es Kerenski gemäß den Bedingungen des Augenblicks nützlich schien.

Die politische Stellung des Vorsitzenden der provisorischen Regierung war bekanntlich ein Leerstelle, die während der Revolution zunehmend mit imperialistischem und daher konterrevolutionärem Inhalt gefüllt wurde. Schon vor den Tagen des 3. bis 5. Juli enthüllte Kerenski durch all seine Handlungen, wie sehr er auf dem Weg einer offenen imperialistischen Degeneration seiner Politik nicht nur durch die Kontrolle der „revolutionären Demokratie" belastet wurde, sondern auch durch einfachen Kontakt mit ihr. Kerenski brauchte einen energischen Druck auf sich von rechts, von kapitalistischen Cliquen, verbündeten Botschaften und vor allem vom Hauptquartier, um ihm zu helfen, endlich seine Hände freizubekommen. Kerenski wollte die allgemeine Meuterei benutzen, um seine Diktatur zu festigen. In seinem Narzissmus und seiner provinziellen Einfachheit erwartete er, dass er die Generäle im Rahmen der „Klugheit" halten werde. Aber die meuterten Generäle waren natürlich nicht geneigt, als politisches „Kanonenfutter“ im Dienste der diktatorischen Kombinationen von Herrn Kerenski zu dienen. Darüber hinaus hatten die Vermittler zwischen Kerenski und Kornilow, Sawinkow und Filonenko, eigene Pläne, die offensichtlich sowohl bei der Zusammenarbeit als auch bei den Konflikten ihrer Gönner mitspielten. Kornilow und seine Inspiratoren setzten klar auf Sawinkow und Filonenko für die endgültige Zähmung von Kerenski. Und Sawinkow und Filonenko hielten sich, wie die Tatsachen und Aussagen zeigen, gleich gut für die Militär- wie für die zivile Diktatur geeignet.

Während Kerenski angesichts der Ereignisse an der Front, des inneren Ruins und der politischen Unruhe zögerte, von diktatorischer Arroganz zu weinerlicher Erschöpfung überging, machte das Hauptquartier unaufhörlich seine Arbeit und am 27. August stellte es ein Ultimatum, und weder Kornilow noch Kerenski noch ihr Vermittler wussten genau, ob dies Kornilows Ultimatum an Kerenski oder ihr gemeinsames Ultimatum an die „revolutionäre Demokratie" war.

Dies ist der Ablauf der Ereignisse nach allen uns bisher bekannten Umständen des Falles. Aber nicht alle Umstände sind bekannt. Und es ist zu klar, dass nicht nur der Angeklagte, sondern auch die derzeitigen Staatsanwälte daran interessiert sind, dass die Umstände der Kornilow-Verschwörung nicht vollständig offenbart werden. Und diese Frage ist jetzt eng mit der Frage der Macht verbunden. Die herrschenden Bonapartisten können der Sowjetmacht nicht freiwillig zustimmen, da diese den Umfang der jetzt durchgeführten Untersuchung zwangsläufig ausdehnen würde und einige Reputationen nicht nur einen politischen Schaden erleiden würden. Auf der anderen Seite schließt, wer jetzt eine vollständige und umfassende Untersuchung der Kornilow-Verschwörung fordert, damit die Möglichkeit einer Koalition aus. Dies wurde von den hellsten Publizisten des „Djen“ verstanden: Sie haben vor ein paar Tagen eine Reihe von äußerst sensiblen Fragen zur Rolle von Filonenko, Sawinkow und Kerenski bei der Vorbereitung der Kornilow-Revolte gestellt. Aber nach dem Selbstmordbrief von Filonenko verstummten die kleinen publizistischen Makler der Bankenzeitung sofort: Sie erkannten sofort, dass ihre „ehrliche Koalition" nicht nur ernsthafte soziale Reformen ausgeschlossen hätte, sondern auch eine einfache, ehrliche Untersuchung des militärischen Komplotts der Konterrevolution.

Desto entschlossener wird die Partei der Revolution dafür kämpfen, alle Verschwörer zu sauberem Wasser zu bringen.

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