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Leo Trotzki 19180131 Notiz für den Genossen Lenin

Leo Trotzki: Notiz für den Genossen Lenin1

[Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 17, часть 1. Москва-Ленинград, 1926, S. 96 f.]

Smolny, an den Genossen Lenin von Trotzki.

Unter den zahllosen Gerüchten und Informationen in der deutschen Presse gab es eine lächerliche Nachricht, dass wir demonstrativ keinen Friedensvertrag unterschreiben werden, dass es Meinungsverschiedenheiten unter den Bolschewiki in dieser Angelegenheit gebe usw. usf. Ich beziehe mich auf diese Art Telegramm aus Stockholm mit Verweis auf „Politiken“. Wenn ich mich nicht irre, ist „Politiken“ Höglunds Organ. Konnte er nicht erkennen, wie seine Redaktion solchen monströsen Unsinn druckt, falls tatsächlich eine solche Nachricht in dieser Zeitung abgedruckt wurde? Da die bürgerliche Presse voller Klatsch ist, legen die Deutschen dem kaum eine Bedeutung bei. Aber hier ist es eine Zeitung des linken Flügels, deren Herausgeber in Petrograd ist. Dies verleiht der Botschaft eine gewisse Glaubwürdigkeit, ist aber indessen nur in der Lage, Verwirrung in die Gedanken unserer Kontrahenten zu bringen. Wir hatten nur ein rein formales Treffen. Die Deutschen verzögern die Verhandlungen extrem, offenbar wegen der internen Krise. Die deutsche Presse begann zu klingen, als wollten wir gar keinen Frieden, sondern nur die Revolution in andere Länder übertragen. Diese Esel können nicht verstehen, dass unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der europäischen Revolution ein früher Friede für uns von großer Bedeutung ist.

Ihr Trotzki.

Brest.

31. Januar 1918

1 Diese Notiz ist das einzige Dokument aus der Zeit von Brest, das im Archiv des Genossen Trotzki aus seiner Korrespondenz mit Genossen Lenin aufbewahrt wird. Auf Bitte der Redaktion über den äußerst merkwürdigen Charakter dieser Notiz berichtete Genosse Trotzki folgendes:

Die Notiz ruft zur Klarstellung auf: Die Verhandlungen über direkten Draht wurden offiziell als abhör- oder abfangsicher betrachtet, aber wir hatten allen Grund zu glauben, dass die Deutschen in Brest unsere Korrespondenz über direkten Draht abfingen: wir hatten genügend Respekt vor ihrer Technik. Es war nicht möglich, alles zu verschlüsseln und wir verließen uns nicht sehr auf den Code. Indessen leistete uns Höglunds Zeitung Politiken mit unangebrachten Informationen einen schlechten Dienst. Deshalb wurde die ganze Notiz nicht so sehr geschrieben, um Lenin zu warnen, dass das Geheimnis unserer Entscheidung bereits im Ausland verbreitet wurde, sondern um die Deutschen irrezuführen. Das unhöfliche Wort „Esel" wurde zum gleichen Zwecke eingeführt. Inwiefern der Trick Kühlmann getäuscht hat, kann ich nicht sagen."

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