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Leo Trotzki 19310217 Die Krise der deutschen Linksopposition

Leo Trotzki: Die Krise der deutschen Linksopposition

(Brief an alle Sektionen der Internationalen Linken)

[nach Internationales Bulletin der Komunistischen Linksopposition, No. 6, April 1931, S. 1-17]

Die Entwicklung der internationalen Linksopposition geht in scharfen Krisen vor sich, die den Kleinmütigen und Kurzsichtigen in Pessimismus verfallen lassen können. In Wirklichkeit sind diese Krisen vollkommen unvermeidlich. Es genügt auch nur die Korrespondenz Marxens und Engels aufmerksam zu lesen, oder sich ernst mit der Entwicklungsgeschichte der bolschewistischen Partei vertraut zu machen, um zu begreifen, wie kompliziert, schwierig und widerspruchsvoll der Prozess der Herausarbeitung revolutionärer Kader ist.

Wenn der erste Abschnitt der russischen Revolution (1917-1923) den revolutionären Tendenzen im Weltproletariate einen mächtigen Anstoß gab, so hat der zweite Abschnitt nach dem Jahre 1923 eine fürchterliche Verwirrung in die Köpfe hineingetragen. Überblickt man diese Periode in ihrer Gesamtheit, so fühlt man sich genötigt zu sagen: Nur ein schreckliches Erdbeben kann auf den Gebiete der materiellen Kultur solche Verwüstungen anrichten, wie sie die administrative Wirtschaft der Epigonen auf den Gebiete der Prinzipien, Ideen und Methoden des Marxismus angerichtet hat.

Die Linksopposition hat zur Aufgabe, den historischen Faden der marxistischen Kontinuität in Theorie und Politik wiederherzustellen. Indes sind die verschiedenen Gruppen der Linksopposition in den verschiedenen Ländern unter den Einfluss der verschiedensten nationalen, provinzialen und rein persönlichen Gründe entstanden und haben, formell mit dem Banner des Leninismus verdeckt, ihre Kader nicht selten in einen vollkommen anderen, oft entgegengesetzten Geiste erzogen.

Die österreichische Opposition.

Man darf die Augen nicht vor Tatsachen verschließen. Man muss offen sagen: Manche oppositionelle Gruppen oder Grüppchen stellen eine Karikatur auf die offizielle Partei dar. Sie besitzen alle deren Laster, manchmal in übertriebener Form, haben aber nicht deren Vorzüge, die schon allein durch das Vorhandensein eines zahlreicheren Arbeiterbestandes bedingt sind.

Die vollendetsten negativen Muster einer „Linksopposition“ liefert ohne Zweifel Österreich. In meiner Broschüre „Die österreichische Krise" versuchte ich eine Erklärung der Stärke und Widerstandsfähigkeit der österreichischen Sozialdemokratie zu umreißen. Auf diese Frage zurückzukommen, ist an dieser Stelle unmöglich. Tatsache ist, dass die österreichische Kommunistische Partei, die ihrerseits alles tat, der Sozialdemokratie zu helfen, ein klägliches Dasein im Hinterhofe der Arbeiterbewegung fristet. Alle Krankheiten der KI erhalten in der KPÖ ihren schärfsten Ausdruck. Die oppositionellen Splitter der KPÖ – ohne internationalen Boden unter den Füßen, ohne internationale Methode, den Kopf ohne Kontakt mit den Massen, mit engem österreichischen Horizont vor den Blicken – entarten sehr rasch in prinzipienlose Cliquen. Diese Gruppen kommen in die Internationale Opposition und verlassen sie wie ein Café.

Besonders lehrreich ist in dieser Hinsicht das Schicksal der Mahnrufgruppe. In die klägliche, um nicht zu sagen skandalöse Geschichte dieser Gruppe muss jeder Oppositionelle sich hineindenken, nicht nur in Österreich sondern auch in allen anderen Ländern, besonders aber in Deutschland. In den letzten zwei Jahren, in deren Verlauf ich die Möglichkeit hatte, die Gruppe durch ihre Presse und den Briefwechsel mit ihren Repräsentanten zu beobachten, hat diese Gruppe folgende Evolution durchgemacht: 1) Zuerst schwor sie pathetisch auf den Namen der Russischen Opposition; 2) dann erklärte sie unerwartet, sich keiner internationalen Fraktion anzuschließen; 3) weiters machte sie den Versuch, alle Oppositionen zu vereinigen, mit Einschluss der Rechten; 4) hierauf löste sie ihren Block mit den Brandlerianern und bekundete von neuen ihre Treue zu Internationalen Linken; 5) später nahm sie sozusagen für die Vereinigung, in Wirklichkeit zur Selbsterhaltung, eine Plattform in Geiste des Gen. Landau an; 6) sodann sagte sie sich von Landaus Plattform los und nahm die Kapitulationsplattform des G. Graef an; 7) schließlich spaltete sie sich von Graef ab und erklärte neuerdings, auf den Standpunkt der Internationalen Linken zu stehen. Sieben Ideenschwenkungen in Laufe von zwei Jahren,wobei manche der Etappen nach Tagen messen. Ohne Zweifel gibt es im Bestande dieser Gruppe eine kleinere Zahl ehrlicher, aber verwirrter Arbeiter. Jedoch man muss eine Gruppe als politisches Ganzes nennen, mit ihrer Führung und ihrer „Tradition". Kann man zu dieser Gruppe das geringste Vertrauen hegen? Kam man solche Gruppen in den Bestand der Internationalen Linken zulassen? Während sie binnen 24 Stunden ihre Position in den Grundfragen des Marxismus wechselt, legt die Mahnrufgruppe gleichzeitig eine ganz unerhörte Energie an den Tag im Kampfe um die Rettung ihrer Führung, wobei sie vor den vergiftetsten Griffen nicht halt macht.

Wie ärgerlich es auch ist, die eigene und die fremde Zeit mit Kleinigkeiten zu vergeuden, ist es doch notwendig, zumindest die traurige Erfahrung der Mahnrufgruppe auszunützen, so wie man die Impfung gegen die Krankheit ausnützt. Ich greife ein Beispiel heraus, das mir entscheidend scheint.

Eines der Mitglieder der Mahnrufgruppe, ein gewisser K., war zur Freygruppe übergegangen (die etwas zahlreicher ist und eine geringere Zahl von Schwenkungen vollbracht hat, aber noch genügend weit von uns steht). Der Übertritt von K. aus einer Gruppe in die andere genügte, damit die Mahnrufführung K. zu einen Provokateur proklamierte und die Freygruppe der bewussten Deckung des Provokateurs beschuldigte. Beweise? Keine! Die russischen revolutionären Organisationen, die jahrzehntelang im Unterirdischen lebten, haben eine genügend große Erfahrung auf den Gebiete des Kampfes mit Provokation, der Verdächtigungen, Beschuldigungen, Nachforschungen, wobei diese Frage nicht selten sich schnitt mit dem Kampfe der verschiedenen Fraktionen untereinander (Bolschewiki, Menschewiki, Sozialrevolutionäre, Anarchisten usw.). Aber ich entsinne mich nicht eines Falles solch verbrecherischen Spiels mit den schwerwiegendsten Beschuldigungen wie seitens des „Mahnruf". Von Standpunkt der revolutionären Selbsterhaltung der Organisation ist für uns vollkommen unmaßgebend, ob die Mahnrufgruppe selbst an ihre beiden Beschuldigungen glaubte oder nicht: an die Adresse K.'s und an die Adresse der Freygruppe (an die zweite Beschuldigung konnte sie jedenfalls nicht glauben). Wir haben in beiden Fällen einen völligen Mangel revolutionärer Moral und politischen Verantwortungsgefühls vor uns. Allein diese Symptome genügen, um zu sagen: vor uns ist eine Kombination von Leichtsinn und Zynismus, das heißt Züge, die sehr charakteristisch sind für halbkommunistische und viertelkommunistische Bohemezirkel, sich aber im vollen Gegensatz befinden mit der Psychologie eines proletarischen Revolutionärs. Hätten wir in Wien wirklich revolutionäre Gruppen, die miteinander einen ernsten ideellen Kampf führen, müssten sie trotz ihrer Differenz gemeinsam and einmütig aus ihren Reihen Leute verjagen, die Schuld sind an der Vergiftung der Brunnen der Revolution. Das würde zur revolutionären Erziehung junger Genossen mehr beitragen, als das prinzipienlose politische Getriebe von Journalisten, die sich „unversöhnlich“ gebärden.

Die revolutionäre Organisation wählt und erzieht die Menschen nicht für Cliquenintrigen sondern für große Kämpfe. Alles stellt sehr harte Anforderungen an die Kader und noch mehr an die „Führer" oder die Prätendenten auf die Führerrolle. Momente der Krisen haben in jeder Organisation, so schmerzlich sie auch sein mögen, diese politische Bedeutung, dass sie die wirkliche politische Physiognomie der Menschen enthüllen: was für ein Geist in jedem steckt, in wessen Namen er kämpft, ob er zu Ausdauer befähigt ist; usw..

Selbstverständlich hat die politische Bewertung von Menschen, besonders von jungen, in der Mehrzahl der Fälle keinen endgültigen Charakter. Die Menschen können auf Grund der Erfahrung lernen, die einen Züge unterdrücken, andere entfalten. Aber gerade um eine solche kollektive Erziehung zustande zu bringen, muss die internationale Linke im Ganzen und jede ihrer Sektionen einzeln, aufmerksam jedes ihrer Mitglieder verfolgen, insbesondere die verantwortlichen Arbeiter, mit besonderer Aufmerksamkeit in der Zeit von Krisen, und nicht ungestraft lassen das Spiel mit Prinzipien, journalistischen Leichtsinn, moralische Haltlosigkeit und gemimte „Unversöhnlichkeit" – im Namen persönlicher Ränke. Nur so kann die Organisation vor katastrophalen Überraschungen in der Zukunft versichert werden. Zirkelkumpanei (Du für mich, ich für Dich) ist die abscheulichste der Organisationskrankheiten. Mit Hilfe der Kumpanei kann man eine Clique um sich sammeln, aber nicht eine Fraktion von Gesinnungsgenossen.

Das Internationale Sekretariat hat sich in dem Sinne ausgesprochen, beide österreichische Gruppen als nicht zum Bestande der Kommunistischen Linken gehörig anzusehen. Die Freygruppe ist bekanntlich selbst aus der Internationalen Opposition ausgetreten, nachdem sie zum Schlusse gekommen war, dass sie mit uns nicht den gleichen Weg hat. Die Mahnrufgruppe kennzeichnet sich durch alle ihre Handlungen als Fremdkörper in unserer Mitte.

Ich glaube, dass alle Sektionen in voller Einmütigkeit den Vorschlag des Sekretariats bekräftigen und ihn dadurch in einen endgültigen Beschluss umwandeln müssen.A

Die österreichische Erfahrung auf deutschen Boden

Die deutschen Bedingungen unterscheiden sich scharf von den österreichischen schon allein durch das Vorhandensein einer starken kommunistischen Partei. Wenn man jedoch die Geschichte Deutschlands von 1914 an bewertet, muss man sagen, dass die jetzige Kommunistische Partei die schwächste von allen Kommunistischen Parteien darstellt, die unter den ausnehmenden Bedingungen der deutschen Entwicklung gebildet werden konnten. Die objektiven Bedingungen haben für den Kommunismus gearbeitet, die Parteiführung gegen den Kommunismus. Als Resultat – eine tiefgehende Erschütterung der Partei, Enttäuschung, Misstrauen zur Parteiführung, Wachstum von Skeptizismus usw. All dies schafft in der Arbeiterklasse eine ungeheure Menge zerstäubter, unzufriedener und oppositioneller Elemente, von denen die einen vollkommen ermüdet sind, verausgabt (nochmals hochbringen kann sie wohl nur die Revolution), während die anderen die revolutionäre Frische bewahrt haben, aber die richtige Linie und eine zuverlässige Führung nicht finden können. Man muss noch hinzufügen, dass nicht nur die Geschichte der Partei im Ganzen, sondern auch die Geschichte der linken Fraktion in Deutschland voller Widersprüche, Zickzacks, Fehler und Enttäuschungen ist. Daher eine bedeutende Anzahl von Sekten mit ihren üblichen Rezepten „gegen" die Teilnahme an den Gewerkschaften, „gegen" Parlamentarismus usw. Es heißt also, die Linke Opposition schaffen auf einem Boden, der überhäuft ist mit den Resten und Splittern vergangener Zusammenbrüche. In diesen Bedingungen gewinnt die Rolle der Führung eine ausnehmende Bedeutung.

Was kritisch denkende linke Arbeiter, nicht nur außerhalb der Partei sondern auch in der Partei bei der Führung jetzt vor allem suchen, das ist nicht politische Unfehlbarkeit – diese ist unmöglich – sondern revolutionäre Ergebenheit, persönliche Standhaftigkeit, revolutionäre Sachlichkeit und Ehrlichkeit. Dieses Kriterium, das früher in der revolutionären Partei sich von selbst verstand, hat gegenwärtig eine ausnehmende Bedeutung gewonnen angesichts des in den letzten Jahren hereingebrochenen bürokratischen Verfalls: Führer werden von oben bestimmt, Apparatleute gemietet wie vom Kaufmann der Kommis, die Parteifunktionäre wechseln ihre Meinung auf Kommando, hetzen und lügen, wenn ihnen dies befohlen wird usw.

Die Zersetzungsprozesse können unmöglich nicht auch einzelne Zwischenschichten der Opposition erfassen, umso mehr als sich der Opposition, insbesondere in der ersten Zeit, nicht nur Revolutionäre anschlossen, sondern mitunter auch gekränkte Karrieristen. Das führt seinerseits dazu, dass unter den oppositionellen Arbeitern die Stimmung skeptischer Gleichgültigkeit in der Frage der Führer entsteht: Alle sind sie mehr oder minder Karrieristen, dafür kann dieser wenigstens Artikel schreiben, aber jener trifft nicht einmal das." Dies erklärt erstens, dass viele kritisch denkende Arbeiter sich mit dem Parteiregime aussöhnen – sie haben kein anderes gesehen! – Zweitens, dass die Mehrheit der oppositionellen Arbeiter außerhalb der Organisation bleibt; drittens, dass innerhalb der Opposition die weniger anspruchsvollen Arbeiter sich mit Intriganten aussöhnen, indem sie sie als „Spezialisten", als unvermeidliches Übel ansehen, d.h.so wie z.B. der russische Arbeiter auf die bürgerlichen Ingenieure blickt. Dies alles, ist die Folge großer Niederlagen einerseits, des Zersetzenden bürokratischen Regines andererseits.

Die deutsche Linksopposition entwickelt sich nicht im luftleeren Raum. Nicht nur im Leninbund, sondern auch in der Organisation der Bolschewiki-Leninisten habe ich in den letzten zwei Jahren solche Methoden beobachtet, die absolut nichts gemein haben mit dem Regine einer proletarischen revolutionären Organisation. Mehr als einmal fragte ich mich mit Staunen: Hält man etwa solche Methoden für Methoden der bolschewistischen Erziehung? Wie dulden intelligente deutsche Arbeiter Illoyalität und Eigenmächtigkeit in ihrer Organisation? Ich versuchte in Briefen meine Erwägungen einzelnen Genossen zu äußern, überzeugte mich jedoch, dass die Begründungen, die mir elementar schienen, für einen proletarischen Revolutionär seitens mancher Leiter der Opposition keinen Widerhall fanden, bei denen sich bereits eine bestimmte konservative Psychologie herausgebildet hat. Man kann sie so charakterisieren: äußerste, manchmal krankhafte Empfindlichkeit in Bezug auf alles, was ihren eigenen intimen Kreis betrifft, und recht große Gleichgültigkeit zu allem, was die übrige Welt anbelangt. Ich versuchte in Zirkularschreiben und Artikeln, ohne jemanden beim Namen zu nennen, d.h. die Eigenliebe junger Genossen zu treffen, ihre Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit einer entscheidenden Veränderung des inneren Regimes der Linksopposition zu lenken. Auf Einwände bin ich nicht gestoßen, im Gegenteil, ich fand nicht selten später die gleichen Formulierungen in offiziellen Publikationen der deutschen Opposition. Jedoch die Praxis ging den direkt entgegengesetzten Weg. Als ich neuerdings in Briefen auf diesen Zwiespalt hinzuweisen suchte, stieß ich bloß auf Gereiztheit. Mit diesen Versuchen und Anstrengungen, die Sache ohne scharfe organisatorische Krise zu regeln, verstrich ein Jahr. Die Genossen, deren Politik mir besonders gefährlich erschien, beschäftigten sich im Laufe dieser Zeit hauptsächlich mit der Befestigung der Positionen ihres Zirkels. Sie erzielten darin manchen Erfolg – auf Kosten der ideellen und organisatorischen Interessen der deutschen Opposition. In der allgemeinen Arbeit der Letzteren ist Mangel an Initiative .Stillstand, Auf-der-Stelle-Treten zu bemerken. Dafür wird ein wütender Kampf um die Selbsterhaltung des leitenden Zirkels entfaltet. Letzten Endes führt dies zu einer tiefen inneren Krise, deren Grundlage im Widerspruch zwischen den progressiven Bedürfnissen der Entwicklung der Opposition und der konservativen Politik der Führung besteht.

Im Laufe der letzten Wochen erhielt ich aus Sachsen, Berlin, Hamburg eine Reihe in höchsten Grade besorgniserregender Nachrichten und Dokumente, und auch dringende Aufforderungen nach Einmischung der Internationalen Opposition in die deutsche Krise. Das sind die Umstände, die mich zwingen, eine Reihe mit dieser Krise verbundener Fragen zur Beurteilung durch alle Sektionen der Internationalen Linken aufzurollen.

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Einer der extremsten Repräsentanten des Zirkelkonservatismus ist Gen. Landau. Seine Schule ist die typische „österreichische“ Schule Im oben angeführten Sinne. Landau ist der Begründer, Erzieher und Beschirmer der österreichischen Mahnrufgruppe .Wir haben diese Gruppe in der Aktion gesehen. Sie kann auf ihre Ideen verzichten, aber nicht auf ihre Führer. Schon die Tatsache allein ist hinlänglich beredt, dass G. Landau sich überhaupt entschließt, im revolutionären Milieu die Mahnrufgruppe zu verteidigen und für sie eine führende Stelle in der Opposition zu fordern. Dass diese Leute heute mit Brandler, morgen mit uns sind, um sich mit Graef zu vereinigen und wieder auf den alten, leeren Platz zurückzukehren, dass diese Leute im Kampfe um ihren leeren Platz mit vergifteten Waffen im Lager der Linksopposition arbeiten, all das mögen ja „Fehler" sein (heute erkennt Landau dies an), aber all diese Fehler treten in den Hintergrund vor der Tatsache, dass diese Leute die politischen Klienten Landaus selbst sind.

Das ist eben das Bild der Clique, d.h. einer Gruppe, die sich um die Person und nicht um Ideen schart.B

Nicht minder falsch ist die Position des G. Landau in der französischen Frage, wenn es auch leider hier für die deutschen Arbeiter schwieriger ist, die Entwicklung des Ideenkampfes zu verfolgen als in Österreich, Der Syndikalismus ist gegenwärtig die spezifische Form des Opportunismus in Frankreich. Der Abgang vom Kommunismus und der proletarischen Revolution nimmt am Häufigsten und Leichtesten in Frankreich syndikalistische Formen an. Unter dieser Form sogleich den opportunistischen Inhalt erkennen und entlarven zu helfen, ist die erste Pflicht des französischen Kommunisten. Die alte Leitung der Ligue vermochte dies nicht zu tun, trotz Warnungen und Ratschlägen. Dies führte dazu, dass sich innerhalb der Ligue eine halb syndikalistische Fraktion herausbildete, die, in den Gewerkschaften arbeitend, zu einer Scheidewand zwischen der Ligue und den Gewerkschaften wurde, statt als Verbindung zwischen ihnen zu dienen. Als Resultat wurde das Wachstum der linken Opposition für eine lange Reihe von Monaten aufgehalten. G. Landau hatte die volle Möglichkeit, die Entwicklung der französischen Krise zu verfolgen, da er französisch liest, an der französischen Presse mitarbeitet. Meinerseits drängte ich in einer Reihe von Briefen darauf, die deutsche Leitung möge angesichts des ungeheuren Ernstes der Frage sich aufmerksam mit der französischen Krise vertraut machen und den französischen Genossen mit der deutschen Erfahrung helfen: darin drückt sich doch auch der Internationalismus in der Praxis aus! Da aber die persönlichen Verbindungen des Zirkels Landaus auf Seite jener französischen Gruppe waren, die eine falsche Politik führte, verhinderte Landau systematisch die deutsche Opposition, in dieser Kernfrage eine richtige Position einzunehmen. Die Politik des Verschweigens, der Klauseln und Manöver in der französischen Frage wird von der deutschen Leitung bis zum heutigen Tage fortgeführt. Noch mehr: G. Landau lässt keine Gelegenheit verstreichen, die Genossen der neuen Leitung der Ligue anzugreifen, die bemüht sind, die alten Fehler gutzumachen. Das ist die unverfärbte Wahrheit, die morgen jedem oppositionellen Arbeiter klar werden wird.

Berlin und Leipzig.

Die Zirkelpolitik, die Politik der persönlichen Verbindungen und Kombinationen tritt vor uns noch krasser hervor, wenn wir besehen, wie G. Landau sich zu jenen Elementen der Linksopposition in Deutschland und zu den Arbeiterorganisationen verhält, die sich eine kritische Einstellung zu seinen Handlungen gestatten.

Die Leipziger Organisation ist die stakste und aktivste Organisation der Linksopposition in Deutschland. Die positiven Züge dieser Organisation sind unzweifelhaft: aktives und erfolgreiches Bestreben, in die Reihen der Partei zu dringen; proletarische Sachlichkeit; organisatorische Initiative; überhaupt die Eigenschaften, welche gerade bisher der Linksopposition fehlen. Eben deshalb, weil die Leipziger Organisation ihr gesundes Wachstum fühlte und auf eigenen Füßen stand, äußerte sie Sorge um die eigene Selbständigkeit, forderte sie, dass ihre Mitteilungen und Auffassungen im Organ der Fraktion Platz finden, und duldete kein nacktes Kommando über sich. Man darf nicht vergessen, dass, wenn wir Zentralisten sind, so nicht anders als demokratische Zentralisten, wobei wir den Zentralismus für die revolutionäre Sache brauchen und nicht in Namen des „Prestiges" der Obrigkeit. Wer die Geschichte der bolschewistischen Partei kennt, der weiß, welche breite Autonomie die Lokalorganisationen stets genossen. Sie gaben eigene Zeitungen heraus, in denen sie, wenn sie es für nötig fanden, offen und scharf die Handlungen des Zentralkomitees kritisierten. Hätte im Falle prinzipieller Meinungsverschiedenheiten das Zentralkomitee versucht, die Lokalorganisation auseinanderzujagen oder sie der Literatur, des Feuers und Wassers, zu berauben, bevor die Partei sich ausgesprochen hatte, ein solches Zentralkomitee hätte sich selbst unmöglich gemacht. Selbstverständlich, sobald es nötig war, wusste das bolschewistische Zentralkomitee zu befehlen, aber man ordnete sich ihn nur deshalb unter, weil man die absolute Loyalität des ZK jedem Parteimitglied gegenüber kannte, die ständige Bereitschaft der Führung, dem Gerichte der Partei jegliche ernsthafte Meinungsverschiedenheit zu überantworten. Und schließlich, was das Wichtigste ist, das Zentralkomitee besaß eine ungeheure theoretische und politische Autorität, die es allmählich in Laufe einer Reihe von Jahren erworben hatte, nicht durch Kommando, nicht durch Niederschreien, nicht durch Zerschlagungen, sondern durch richtige Führung, überprüft durch die Tat in großen Ereignissen und Kämpfen.

Das Unglück der von G. Landau geführten Berliner Leitung besteht darin, dass sie auch nur eine geringe Autorität zu erwerben nicht erreicht und nicht vermocht hat. Es genügt zu erinnern, dass diese Leitung in Oktober eine unerhört klägliche Konferenz durchgeführt hat, die zu keiner einzigen politischen Frage einen Beschluss fasste. Solcher Beispiele gibt es nicht viele in der Geschichte revolutionärer Organisationen. Vollkommen offenkundig ist die Schwäche der Leitung in Fragen wirklicher revolutionärer Führung. An sich ist diese Schwäche vollkommen erklärlich. Der Mangel an Vorbereitung und Erfahrung kann nur in Laufe der Zeit beseitigt werden. Jedoch die tiefe Schuld der Leitung und vor allen des G. Landau besteht darin, dass je weniger ihre Führung der Organisation gibt, umso mehr sie von der Organisation blinden Gehorsam verlangt.

Im vergangenen Brief zitierte ich die Bestimmung der Reichsleitung vom 13, 1., die anordnet, dass in der Frage der Politik der französischen Ligue folglich nicht in der Frage einer unaufschiebbaren praktischen Aktion in Deutschland, sondern in der Frage einer prinzipiellen internationalen Diskussion – alle Mitglieder der Organisation nicht ihre Meinung, sondern die Meinung der Leitung zu vertreten haben. Welche Meinung? Die, welche die Leitung nicht hat. Sie bereitet sich erst noch vor, diese herauszuarbeiten. Ich überlas diese Bestimmung mehrere Male und rieb mir die Augen. Und noch jetzt muss ich immer wieder mich daran erinnern, dass es um eine Tatsache und nicht um eine schlechte Anekdote geht. Dieses Beispiel gestattet mehr als alle journalistischen Übungen, in das Bewusstsein mancher oppositioneller Führer hineinzusehen. Wenn ein Mensch eine Seelenmesse für seinen Vater hält, werde ich, sogar ohne etwas über ihn zu kennen, mit Gewissheit sagen: mit dem Materialismus hat er nichts gemein. Genau so, wenn ich die Bestimmung der deutschen Leitung lese, die den Mitgliedern der deutschen Organisation verbietet, über die französische Frage anders zu denken als G. Landau (der selbst noch nicht Zeit gefunden hat, nachzudenken), muss ich sagen: hier ist eine solche Verquickung von journalistischem Hochmut und frühreifem Bürokratismus, die in ihrer Unfruchtbarkeit und Lächerlichkeit alle Muster übertrifft, die von der Stalin und Thälmannbürokratie geliefert werden. Eine mildere Bewertung kann ich nicht finden.C

Nun, es ist nicht verwunderlich, wenn bei solchen Sitten die Selbständigkeit der sächsischen Organisation der unfehlbaren Leitung sogleich als „Föderalismus" und ähnliche Todsünden erschien. Es begann seitens der Leitung ein Krieg, kleinlich, verzehrend und pririzipienlos. Während Monaten beobachtete ich mit wachsender Sorge diesen Kampf, versuchte die führenden Genossen Berlins und Leipzigs zu bewegen, bei dem Abhandensein prinzipieller Differenzen zu einer praktischen Vereinbarung zu kommen, damit die im letzten Herbst bevor gestandene Konferenz nicht den kleinen Scherereien, sondern den Fragen des revolutionären Kampfes gewidmet werden könnte. Es ging vor alles um den G. Landau als den anerkannten Führer der Leitung und um den Genossen Well als den anerkannten Führer der sächsischen Organisation.

Auf eine Reihe meiner eindringlichen Briefe antwortete mir Landau am 5. September v. J. mit einem Schreiben, das auf mich einen vollkommen günstigen Eindruck machte. Ich bringe ein wörtliches Zitat aus diesem Briefe: „Bei uns herrscht jetzt ziemliche Ruhe; ich hoffe sehr, dass sich ein friedliches und loyales Zusammenarbeiten zwischen Well und uns dauernd herstellen lassen wird; dies erscheint mir persönlich umso wichtiger, als Well der Einzige ist, der die politische Arbeit weiter leiten kann, wenn ich Berlin verlassen sollte. Diese Erwägungen gehen nicht von fraktionellen Spielereien aus, sondern von der Tatsache, dass wir „Emigranten" aus der Komintern den Krankheitserscheinungen der Emigration häufig zum Opfer fallen; untergeordnete politische und taktische Fehler oder Differenzen führen bei gespannten und feindseligen persönlichen Beziehungen zu schweren Erschütterungen, die zu vermeiden sind, wenn man ihre Ursachen und Gefahren kennt."

Diese Zeilen sind in Wesen vollkommen richtig. Besonders interessant ist für uns die Bewertung, die hier über Well gegeben wird, als der einzigen Person, fähig, die gesamte Organisation in Falle der Abreise Landaus zu leiten. Da es um eine revolutionäre proletarische Organisation geht, ist es klar, dass Landau durch seine Charakteristik Well als prinzipiell standhaften Revolutionär und Kommunisten anerkennt, der zu einer führenden Rolle bestimmt ist. Man kann kaum eine lobendere Charakteristik geben.

Am 30. Jänner schreibt der gleiche Landau mir: „Und die Gruppe Well? Nun, wir werden den zentristischen Charakter dieser Gruppe sehr eingehend der Internationalen Opposition darlegen. Es wird Ihnen schwer fallen, den Auffassungen zuzustimmen, die die Gruppe Well vertritt, noch schwerer wird es der Fraktion Well fallen, ihre Verleumdungen aufrechtzuerhalten und ihre Liquidierung durch die Reichsleitung zu verhindern."

Die Leitung selbst spricht in ihrem Schreiben von 5. Februar von der „Säuberung der deutschen Opposition" von der zentristischen Fraktion Well. In den Versammlungen spricht man direkt von der Unerlässlichkeit des Ausschlusses der Fraktion Well; d.h. von der Spaltung. Auf diese Weise verwandelte der Genosse Well sich in Laufe weniger Wochen, die er zudem noch außerhalb Deutschlands verbrachte, aus dem besten (nach Landau selbst) und einzigen (in Falle Landaus Abreise) Führer der Deutschen Opposition – in einen Zentristen, den man zerschlagen, ausschließen und vernichten muss. Es geht hier nicht um eine Person, sondern um eine Organisation.

Was bedeutet das? Welches sind die politischen Kriterien Landaus, die ihm gestatten, so leicht das Beste in das Schlechteste umzuwandeln? Und kann man sich ernst verhalten zu den Bewertungen, die Gen. Landau in so wichtigen Fragen gibt?

In seinen Briefe von 6. Januar führt Gen. FrankelD unter anderem ebenfalls die oben zitierte höchst schmeichelhafte Bewertung Wells an. Was tut nun G. Landau, solch erdrückender Widersprüche überführt? Er verstummt für eine Zeit – für fünf Tage – und überlässt das Wort der Leitung. Hier, was diese am 25. Januar schrieb: „Die Reichsleitung stellt fest, dass die vom G. Landau gegebene Einschätzung des G. Well nichts mit den Auffassungen der RL zu tun hat. Die Reichsleitung sieht in einer solchen Einschätzung den Ausdruck der bekannten vorsöhnlerischen Einstellung des G. Landau gegenüber einer prinzipienlosen und politisch völlig geschlagenen Fraktion (Well), die auf der Hefe des sächsischen Föderalismus hochkam … usw.“

So „desavouierte" die Leitung Landau, der, wie sich zeigt, bekannt (!) ist für eine versöhnlerische Einstellung zur „prinzipienlosen Fraktion" Well. Ob G. Landau selbst diese Zeilen über sich geschrieben, ob er sonst wem anderen sie angeordnet hat, diese Frage der Technik interessiert uns nicht. Das Spiel Ist durch und durch sichtbar; Pontius entlarvt Pilatus. Aber politisch stellt sich die Sache jedenfalls äußerst kläglich dar, wie für die Leitung so für Landau. Was ist Versöhnlertum? Versöhnlertum ist versteckter, maskierter Opportunismus oder Zentrismus. Wenn G. Landau „bekannt" ist für sein Versöhnlertum gegenüber einer prinzipienlosen Fraktion, so heißt das, dass sein versteckter Opportunismus oder Halbopportunismus „bekannt" ist. Aber warum denn beruft sich die Leitung darauf, als ob es um eine Lappalie ginge? Warum verhält sich Pontius so nachsichtig zu Pilatus?

Doch die Sache steht noch ärger. Worin und wie zeigt sich in der Tat das Versöhnlertum gegen den Zentrismus? Darin, dass der Versöhnler sich nicht genügend Rechenschaft ablegt über die Gefährlichkeit des Zentrismus und daher geneigt ist, seine Opposition gegen ihn abzumildern. Dies ist gegenwärtig die Position Graefs. Er ist ein typischer Versöhnler gegenüber dem Zentrismus. Aber die Septemberposition Landaus hat nichts damit gemein. Landau sagt nicht: Man muss den Kampf mit den Zentristen Well herab mildern. Nein, Landau sagt: man muss Well an die Spitze der Organisation stellen, da er der einzige Mensch ist, der sie zu leiten befähigt ist. Wo ist denn da Versöhnlertum?

In Wirklichkeit sagt die Leitung etwas ganz anderen und zwar: Gen. Landau ist unfähig, einen Menschen, den man an die Spitze der Organisation stellen muss, zu unterscheiden von einem Menschen, den man ausschließen muss. Das ist es, was die Leitung sagt! Aber ach, das Gleiche sagt Landau von sich. Denn nachdem er diesmal sein „bekanntes Versöhnlertum" vergessen hat, wiederholt er, fünf Tage später (30.Januar), die Worte der Leitung von der Notwendigkeit, die zentristische Fraktion Wells zu zertrümmern, schon im eigenen Namen!

Die Unversöhnlichkeit des Versöhnlers Landau der sächsischen Organisation gegenüber wird besonders beredt im Vergleich mit der Einstellung Landaus zur Mahnrufgruppe. Dort geht es um eine Gruppe, die Montag – mit der Linksopposition, Dienstag – mit den Brandlerianern, Donnerstag – mit Graef ist. Dafür aber ist es „seine" Gruppe. Jeder, der sie kritisiertest ein Feind. Die Gen. Molinier und Mill, die eine vollkommen unvoreingenommene Bewertung dieser Gruppe gegeben haben, werden ganz unzulässigen Attacken seitens Landaus ausgesetzt. Eine andere Sache ist die sächsische Organisation. Allerdings, sie hat nicht von links nach rechts gependelt. Dafür aber will sie selbständig überlegen, beurteilen und an den Beschlüssen teilhaben, und nicht einfach sich dem Kommando der hohen Leitung unterordnen. Diese Organisation muss man zertrümmern, Man muss die Organisation von ihr säubern. Hier, zweierlei Maß. Woher entspringt es? Einen kommunistischen Kriterium? Revolutionären Interessen? Nun, Landau selbst hat es uns im oben zitierten Brief von 5. September gesagt: er nannte seine eigene Krankheit die Emigrantenkrankheit und umriss sie richtig als künstliches Entfachen politischer Differenzen infolge feindseliger persönlicher Beziehungen. Das Wort „Emigration" trifft hier allerdings nicht ganz zu. Genauer wäre zu sagen Clique. Dann klären sich die schreienden Widersprüche vollends. Sie entspringen den wechselnden Bedürfnissen einer Clique, die um ihre Existenz und ihr Obrigkeitstum kämpft, um jeden Preis und allen zu Trotz.

Also man verspricht uns in der nächsten Zukunft zu beweisen, dass die „Fraktion" Well zerschlagen werden muss. Aber bisher ist dies noch nicht bewiesen. Niemand hat auch nur einen Artikel gelesen, der diese Anklagen begründen würde. Indessen hat die Zertrümmerung bereits begonnen. In Hamburg werden Genossen ausgeschlossen, die mit Leipzig solidarisch sind, aber nicht solidarisch mit Berlin. Die Beziehungen zwischen Berlin und Leipzig sind faktisch abgebrochen. Die Leipziger Mitglieder der Leitung werden schon nicht mehr zu den Sitzungen eingeladen. Wo ist die prinzipielle Grundlage aller dieser Spaltungshandlungen? Landau verspricht, sie uns „sehr eingehend" zu erklären, offenbar nachdem die Spaltung vollzogen sein wird. Leider, hier ist alles auf den Kopf gestellt .Dort wo es um einen wirklichen Kampf von Tendenzen geht und nicht um einen Kampf von Cliquen, hat der Prozess gerade entgegengesetzten Charakter: zuerst entstehen diese oder jene politische Differenzen; sie werden in Versammlungen und in der Presse geklärt; verantwortliche Revolutionäre sorgen dabei dafür, dass die prinzipielle Diskussion nicht die organisatorische Einheit störe; die ausländischen Sektionen erhalten die volle Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern usw. Erst wenn sich als Resultat dieses ganzen ideellen Kampfes die wirkliche Unversöhnlichkeit der Anschauungen zeigt, schlägt die Stunde der Spaltung. So ging es in Bezug auf den Leninbund, wo die tiefe prinzipielle Diskussion internationalen Charakter gehabt hatte, bevor Urbahns die Internationale Linke verließ. So war es in der Belgischen Opposition, wo die Diskussion in der Presse und in Versammlungen Monate hindurch geführt worden war, unter Teilnahme der Russischen und Französischen Opposition, ehe es zur Spaltung kam. In Frankreich wurde die Diskussion zweimal geführt (in der Frage der „Wendung" der Komintern und in der Gewerkschaftsfrage), in den Spalten der Presse und in Versammlungen, unter Teilnahme anderer nationaler Sektionen, wobei ohne Spaltung der Wechsel der politischen Linie erzielt wurde.

Wie steht die Sache in Deutschland? Faktisch hat die Leitung bereits den Spaltungszustand proklamierte Indes ist die prinzipielle Polemik bloß erst für die Zukunft versprochen. Der Cliquenkampf ist eine Karikatur des Ideenkampfes. Und in Karikaturen nehmen die Füße oft den Platz des Kopfes ein, während der Kopf sich an Stelle der Füße befindet,

Die „theoretische" Begründung der Spaltungspolitik des G. Landau.

Während wir diese Zeilen schrieben, traf die Februarnummer des Berliner „Kommunist" ein, mit den Artikel „Zentristische Strömungen". Der Artikel hat rein rituellen Charakter: das ist die Seelenmesse nach einem Ermordeten, nicht aber eine offene Diskussion. Zum Glück sind die Ermordeten gesund und lebendig, und wir hoffen mit ihnen noch in gemeinsamen Reihen gegen den Klassenfeind zu kämpfen. Wir hoffen gleichzeitig, dass auch Landau – vielleicht nicht sogleich – seinen Platz in unseren Reihen findet und lernen wird, den Ideenkampf von der prinzipienlosen Cliquenrauferel zu unterscheiden.

Vorderhand beweist der Artikel des „Kommunist", dass die Redaktion diese Unterscheidung zu machen nicht Imstande ist. Formell richtet sich der Artikel gegen Graef und sogar gegen die Mahnrufgruppe. Faktisch hat er zur Aufgabe, die Zerschlagung der sogenannten Fraktion Well zu rechtfertigen. Der ganze Artikel ist eine Maskierung, Imitation, um nicht zu sagen Ideenfälschung. Landau erfasst Ideen überhaupt leicht und formuliert sie leicht. Aber ich fürchte sehr, dass gerade deshalb er sie nicht bis zu Ende denkt, Wollte man den Artikel einer ernsten Kritik unterziehen, und sei es auch zehnmal nachsichtiger als die Kritik Landaus selbst gegenüber den Sachsen, müsste man ein sehr hartes Urteil aussprechen. Die Argumente Landaus gegen Graef haben Wortcharakter und schlagen in der Mehrzahl neben das Ziel, Ökonomischer Argumente entledigt sich Landau mit allgemeinen Formeln, die auf die von Graef gestellten Fragen keine Antwort geben.

Soweit Graef gegen Bourgeoisie und Sozialdemokratie sagt, der primäre Grund des Aufschwungs der Kollektivierung sei nicht administrativer Druck gewesen, sondern ökonomische Faktoren, ist er im Recht. Sobald sich Landau summarisch dagegen wendet, macht er von fremden, richtigen Gedanken durchaus unrichtigen Gebrauch und erleichtert Graef die Aufgabe.

Sobald Landau von Wachstun der kapitalistischen Elemente in der UdSSR spricht, ohne zu präzisieren, was er darunter versteht, gibt er Graef eine Waffe in die Hand, der zum Unterschied von Landau die Tatsachen und Ziffern kennt, das ökonomische Leben der UdSSR verfolgt, wenn er auch in der Wurzel falsche Schlüsse aus seinen Kenntnissen zieht.

Ebenso zeigt Landau in seinen Thesen zur Konferenz, die eine äußerst nachlässige Zusammenstoppelung aus alten Arbeiten der russischen Opposition darstellen, wie leicht und sorglos er sich zu programmatischen Fragen verhält, indem er im Fluge fertige Formeln erhascht, aber weitaus nicht immer deren Verbindung mit den lebendigen Prozess der Entwicklung auffängt. Über all dies würde ich in einem anderen Tone zu sprechen vorziehen, in propagandistischen Artikeln, teils sogar in Privatbriefen an Landau, ihn auf seine Fehler verweisen, ihm helfen, die Fragen zu bewältigen. Doch dazu ist seitens Landaus der Wunsch, ernst zu lernen, notwendig. Leider ist die gesamte Aufmerksamkeit Landaus auf eine andere Seite hingewandt. Ohne gewissenhaft zu versuchen, die ihm unklaren oder für ihn strittigen Fragen zu klären, setzt er hinter den Kulissen Insinuationen gegen alle die in Gang, die nicht gewillt sind, gemeinsam mit ihm die „Fraktion Well" zu zerschlagen. Nur das zwingt mich auch, darauf hinzuweisen, dass die überflüssige Entschlossenheit unseres Chirurgen sich damit erklärt, dass er die Anatomie nicht kennt und bereit ist, zu schneiden, wo er gerade hin trifft, wenn dies durch Erwägungen des „Prestige" erfordert wird.

Der Artikel des „Kommunist" hat zu seiner wirklichen Aufgabe, Landau die Hände zu lösen nicht nur gegen die Sachsen, sondern auch gegen das Internationale Sekretariat, gegen die russische Opposition, gegen die Mehrheit der französischen Opposition, und – ich nehme an – gegen die Mehrheit der anderen nationalen Sektionen. Um sich die Aufgabe zu erleichtern, beginnt Landau damit, sein politisches Alibi in Bezug auf die Heldentaten seiner Wiener Freunde zu schaffen. Landau weist den Mahnruf zurecht, erteilt ihm eine väterliche Rüge und wirft seinen Schülern vor, sie hätten nicht jene „Unversöhnlichkeit" gezeigt, die von ihnen Landau erwartete. Ja, nur „Unversöhnlichkeit" fehlt dem „Mahnruf"!!!! Aber gleichzeitig ist aus den Artikel, der politisch vom Anfang bis zum Ende falsch ist, klar zu sehen dass Landau seine Arme weit dem „Mahnruf" öffnend, sich vorbereitet, die Sachsen, die Hamburger, das Internationale Sekretariat und alle anderen zu zerschlagen. Wenn allerdings die sich zerschlagen ließen.

Aber worin besteht denn doch der Zentrismus der Sachsen? Die ganze Sache geht, wie sich zeigt, zurück auf die Frage einer strittigen Formulierung betreffend die UdSSR. Die sächsischen Genossen machen Einwände gegen den von mir gebrauchten Ausdruck über „Elemente der Doppelherrschaft" in der UdSSR, da nach ihrer Meinung ein solcher Ausdruck Grund zu falschen Schlüssen im Geiste Urbahns geben kann, und zwar, dass die Diktatur des Proletariats in der UdSSR nicht mehr bestehe. Jedoch, das Beste ist, die eigene Formulierung der sächsischen Genossen aus ihrem Dokument von 23. Januar zu bringen:

Die Formulierung ,Elemente der Doppelherrschaft' sagt mehr (als Elemente des Thermidor, Elemente des Bonapartismus, L.T. ). Sie bezieht sich auf die konkrete Situation zwischen Februar und Oktober 1917, wo neben dem bürgerlichen Herrschaftsapparat, provisorische Regierung, bereits der proletarische Herrschaftsapparat, Sowjets, bestand. Angewendet auf die heutige Situation in Russland, würde das also heißen, dass neben dem proletarischen Staatsapparat, Sowjets, ein Apparat der Konterrevolution besteht, der im Falle der Konterrevolution eine ähnliche Rolle spielen würde, wie die Sowjets im umgekehrten Falle. Ein derartiger Apparat besteht unseres Erachtens noch nicht, ist uns in der Diskussion noch nicht gezeigt worden. Wir sind darum gegen die Verwendung des Ausdruckes „Elemente der Doppelherrschaft", weil er, ganz abgesehen davon, dass er der alten Urbahnsistischen Verwirrung neue Nahrung gibt, zu falschen politischen Prognosen Veranlassung geben kann. Wir glauben bei der Ablehnung dieses Ausdruckes gerade im Geiste des Gen.Trotzki zu handeln, der sich ja in letzter Zeit recht scharf gegen die schematische Verwendung geschichtlicher Analogien gewendet hat. Nach all dem glauben wir, dass kein Widerspruch besteht, wenn wir die Formulierung „Elemente der Doppelherrschaft" ablehnen und gleichzeitig unsere Übereinstimmung mit der Internationalen Opposition in den Grundfragen der Lage in Russland bekunden."

Die elementarste Gewissenhaftigkeit hätte verlangt, dass der "Kommunist", sobald er beschlossen hat, gegen die sächsischen Genossen in dieser Frage eine Polemik zu eröffnen, deren eigene Formulierung anführe. Das hätte dem Leser die Möglichkeit geboten, über die wirklichen Ausmaße der Differenzen zu urteilen. Die Russische Opposition hat Jahre hindurch gegen die empörende Methode der Stalinschen Bürokratie protestiert, die aus unseren Dokumenten einzelne Sätze oder Worte herausreißen und auf dieser Grundlage eine wütende Hetze gegen die Opposition eröffnen. Eine ehrliche Information ist die Grundlage des geistigen Lebens der Partei. Die ehrliche Information ist der erste Buchstabe der Parteidemokratie. Die Redaktion des „Kommunist" gibt keine ehrliche Information. Sie kann sich nicht entschließen, wörtlich jenes Zitat anzuführen, auf dessen Grundlage sie ihre ganze Anklage baut. Indem er sich auf den bloßen Hinweis beschränkt, die Sachsen leugneten das Vorhandensein von Elementen der Doppelherrschaft, nähert der „Kommunist" sie Graef. All das ist notwendig, um irgendwie die Ideologie des Zentrismus zusammenzufügen. Der in September durch sein Versöhnlertum bekannte, im Februar aber vollständig unversöhnliche Landau erklärt: „Diese Frage ist das Hauptkriterium der Internationalen Opposition." Welche Frage? Das Wesen der Sache oder die Formulierung? Auf einer Unterschiebung des Inhalts durch die Form, auf einem platten Sophismus, auf einem Wortspiel wird die ganze Doktrin der Spaltung aufgebaut.

Ich glaube, dass die Befürchtungen, die die sächsischen Genossen hinsichtlich meiner Formulierung äußern, unrichtig sind. Ich sehe hier aber keine prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten. Die sächsischen Genossen irren, wenn sie schreiben, ich hätte den strittigen Ausdruck nur einmal angewandt. Er befindet sich sogar in der Plattform der Russischen Opposition, wenn auch in sehr vorsichtiger außerordentlich abgemilderter Form. Auf einer der ersten Seiten der Plattform wird als Aufgabe der Partei die Abschwächung des Wachstuns der feindlichen Kräfte bezeichnet, „indem sie gehindert werden, die Lage der faktischen, wenn nach verborgenen Doppelherrschaft herzustellen, nach der sie streben." Diese Formulierung war das Resultat langer Diskussionen. Ich verteidigte einen kategorischeren Ausdruck, der den direkten Hinweis darauf enthielt, dass im Lande schon gewisse Elemente der Doppelherrschaft bestehen. Manche Genossen hatten im Allgemeinen Einwände, annähernd aus den gleichen Erwägungen heraus wie die sächsischen Genossen, gegen die Erwähnung der Doppelherrschaft. Nach Widerstreiten kam es zu der oben angeführten vorsichtigen Formulierung. Niemand von uns hielt den Streit um die Formulierung für einen prinzipiellen. Wir waren im Grunde solidarisch und beurteilten den Effekt dieser oder jener Formulierung vom propagandistischen Standpunkt.

Die sächsischen Genossen haben recht, wenn sie sagen, wir hatten uns gewöhnt, die Doppelherrschaft nur mit der Periode von Februar bis Oktober 1917 In Russland zu verbinden. In Wirklichkeit charakterisiert die Doppelherrschaft oder zumindest Elemente der Doppelherrschaft (dies ist durchaus nicht ein und dasselbe) alle revolutionären und alle konterrevolutionären Perioden, oder, allgemeiner gesprochen, alle Epochen, wo sich der Wechsel der Klassen am Steuer der Macht vorbereitet oder vollzieht. Ich kann jedoch an dieser Stelle mich nicht bei dieser im nächsten Grade wichtigen Frage aufhalten; ihr ist ein Kapitel meiner „Geschichte der Russischen Revolution" gewidmet, die anfangs April erscheinen soll. Hier erwähne ich nur eines: historische Analogien sind in Allgemeinen nur in bestimmten Grenzen berechtigt, missbrauchen kann man auch Thermidor, wie Bonapartismus – nicht minder als Elemente der Doppelherrschaft. Aber außerhalb historischer Analogien kann man dennoch politisch nicht denken, denn die Menschheit kann ihre Geschichte nicht jedes Mal von Neuem beginnen.

Die sächsischen Genossen geben zu, „dass der proletarische Staatsapparat durchsetzt ist mit Elementen (z.T. Parteimitgliedern) die auf einen konterrevolutionären Umsturz hinsteuern": das ist ein wörtliches Zitat. Jedoch soweit diese Elemente den Staatsapparat durchsetzen, soweit folglich in ihren Händen irgendeinen Teil der Staatsmacht ist und sie stoßen, nach Lenins Ausdruck, die Staatsmaschine nicht dorthin, wo das Proletariat es braucht, sondern dorthin wo es die Bourgeoisie braucht. Das heißt auch, dass es neben dem Machtapparat des Proletariats Elemente der Macht einer anderen Klasse gibt. Das Regime im Ganzen zeigt somit Elemente der Doppelherrschaft. Aber die Konterrevolutionäre besitzen noch nicht einen solchen Apparat – wenden die sächsischen Genossen ein, wie ihn die Revolution während der Kerenskiade hatte. Vollkommen richtig! Aber gerade deshalb sprechen wir nicht von Doppelherrschaft, sondern nur von Elementen der Doppelherrschaft.

Der Streit hat, wie wir sehen, formellen, fast terminologischen Charakter. Genau so bewerten die Meinungsverschiedenheiten auch die sächsischen Genossen selbst. Sie schreiben dabei: „Aus diesem Grunde halten und hielten wir eine breite Diskussion über diese Frage für überflüssig, Es ist bezeichnend, dass immer und immer wieder versucht wird, eine Diskussion über diese Frage zu entfachen, während man einer Diskussion über brennende deutsche Fragen geflissentlich aus dem Wege geht. Hier dürften wohl andere Bestrebungen als rein sachliche zugrunde liegen." Vollkommen wahr! Und der Grund ist völlig klar. Er bezieht sich gänzlich auf das Gebiet kleinlicher Diplomatie. Da die sächsischen Genossen sich gegen eine bestimmte Formulierung der Russischen Opposition ausgesprochen haben, hofft Landau auf diese Weise künstliche Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und der sächsischen Organisation zu schaffen. Und auf solche Dinge verausgabt G. Landau in der Hauptsache seine Kräfte, seine Erfindungsgabe, seine Aufmerksamkeit. Damit zwingt er auch uns, Zeit zu vergeuden, mit dem Aufknüpfen mit Vorbedacht verknüpfter Knoten. Wehe dem Führer, der in die Arbeiterköpfe Verwirrung trägt, statt Klarheit!

Über die Vorbereitung des Bonapartismus.

Es ist bemerkenswert, dass anlässlich meiner Worte: „Die parteimäßige Vorbereitung des Bonapartismus ist vollbracht", derselbe Artikel des „Kommunist" erklärt: „Wir verlangen von niemandem, dass er diese Worte als unantastbar betrachte". Aber warum sollen dann die Sachsen eine andere Formulierung, d.h andere „Worte" als unantastbar betrachten? Bei Landau ist wie immer eine Regel für die „Seinen", eine andere für die „Fremden". Darin liegt der Kern!

Weder die eine noch die andere Formulierung ist natürlich „unantastbar", es wäre lächerlich, davon auch nur zu sprechen. Doch der Unterschied zwischen Landau und den Sachsen besteht darin, dass die letzteren vollkommen klar und deutlich aussprechen, womit sie in meiner Formulierung übereinstimmen und womit sie nicht übereinstimmen, während Landau sich auf den geheimnisvollen Satz beschränkt: „Wir verlangen von niemandem, dass er diese Worte als unantastbar betrachte." Diese Klausel weist deutlich darauf hin, dass Landau in irgendetwas nicht übereinstimmt. Warum sagt er nicht klar, womit? Unterdessen schreibt man mir, dass Landau und seine Freunde in Versammlungen Rakowski des Urbahnsismus beschuldigen, und Trotzki – des Versöhnlertums gegenüber Rakowski, Aber Landau, der liebt, ein Alibi in Vorrat zu haben, entschließt sich nicht, diesen Unsinn in die Presse zu tragen. Damit ihn jedoch seine Freunde nicht des Mangels geistigen Mutes verdächtigen, macht er in seinem Artikel eine Andeutung, eine Klausel, zwinkert mit den Augen. Leider, solche Griffe zeugen ja gerade von Mangel geistigen Mutes.

Die parteimäßige Vorbereitung des Bonapartismus ist vollbracht". Was bedeutet das? Die Partei ist die wesentliche Waffe des Proletariats im Kampfe gegen die Konterrevolution. Existiert gegenwärtig in der UdSSR das, was wir alle bisher unter Partei verstanden haben? Nein, es existiert nicht. Wenn alle Beschlüsse unabhängig von der Partei gefasst werden, wo der Kongress auf ein Jahr verschoben werden kann, auf zwei, auf drei„ wobei niemand ein Wort des Protestes wagen darf, wo Syrzow, der Vorsitzende des Sownarkom1, gezwungen ist, die Fehler des Fünfjahresplanes auf einer illegalen (!) Versammlung zu diskutieren, während Bessedowski den Vorsitz der Kommission für Parteisäuberung führt, am Vorabend seines Sprunges über die Mauer – dort gibt es die Partei nicht. Sie lebt in den Traditionen des Proletariats, im Bewusstsein der Fortgeschrittensten, in der stummen Geistesarbeit der Massen, in den geheimen Beratungen von Zirkeln, in den Losungen der Linksopposition. Aber das sind Splitter und Elemente der Partei, deren Kräfte man nicht ermessen, deren Evolution man nicht überprüfen kann. Die offizielle Partei ist eine rein plebiszitäre Organisation geworden. Selbstverständlich ist diese Entartung auf der Grundlage des Diktatur des Proletariat vor sich gegangen, die nicht durch die offizielle Partei gehalten wird, sondern durch andere, tiefe, aber nicht geformte Kräfte und Tendenzen. Was indes die offizielle Partei betrifft, so hat im Moment der Zerschlagung der Rechtsopposition die Herrschaft des Apparates über die Klasse, und Stalins über den Apparat den Höhepunkt erreicht. Weiter kann man auf diesem Wege nicht gehen. Was für ein Teil des Apparates und was für ein Teil der einfachen Parteimitglieder wird sich im Falle der Konterrevolution auf der anderen Seite der Barrikaden erweisen? Es gibt keinerlei Möglichkeit, diese Frage vorwegzunehmen. Das plebiszitäre Regime hat die Kontrolle über die Wechselbeziehungen der Klassenkräfte durch die Partei unmöglich gemacht. Und die GPU ist dazu – leider! – nicht ausreichend, umso mehr als die GPU selbst, die die Blumkin erschießt und durch die Agabekow ersetzt, der Kontrolle bedarf. In diesem Sinne sage ich, dass auf der Ebene der offiziellen Partei alles getan ist zur Erleichterung des bonapartistischen Umsturzes. Dieser Teil des Prozesses hat seinen Abschluss gefunden. Graef sieht in einer solchen Analyse Kautskyanismus. Aber Graef ist nicht originell: Bucharin hat uns des Kautskyanismus zu gleicher Zeit beschuldigt, als wir das erste Mal die Worte von der thermidorianistischen Gefahr aussprachen. Landau meint, der Satz über die Vorbereitung des Bonapartismus sei nicht „unantastbar". Geht es nicht klarer, genauer, kühner?

Ich kann leider infolge Platzmangels mich an dieser Stelle nicht bei der spezifischen und unerträglichen „Arbeiterliebe" aufhalten, die den Nerv der Demagogie des G. Landau bildet. Sobald er seine österreichischen Klienten verteidigt, die unwürdige Handlungen vollbracht haben, verteidigt er „Arbeiter" gegen die Anklagen seitens „Intellektueller". Wenn er die sächsische Organisation angreift, so deshalb, weil an deren Spitze „Intellektuelle" stehen, usw. usw. Diese Einschmeichelei des Intellektuellen Landau bei den Arbeitern verdeckt Methoden, die den Geiste der proletarischen Organisation absolut fremd und feind sind. Wie unbarmherzig haben einst Marx und Engels Griffe solcher Art gepeitscht! Die Arbeiter brauchen nicht Einschmeichelei, sondern eine richtige Politik.

Über das Wesen der Aufgaben der deutschen Opposition habe ich mich besonders in der Broschüre „Die Wendung der Komintern und die Lage in Deutschland" geäußert. Im Prozesse der Vorbereitung einer wirklichen Konferenz werde ich Sorge tragen, weiteren Anteil an der Diskussion der programmatischen, politischen und organisatorischen Aufgaben der deutschen Linksopposition teilzunehmen und fordere hierzu eindringlichst ebenso alle bewanderten Genossen aus den anderen nationalen Sektionen auf.

Im gegebenen Moment geht es darum, den aventuristischen Schlag abzuwenden und der deutschen Opposition zu helfen, aus der Krise mit den geringsten Schwierigkeiten und Verlusten hervorzugehen.

Welche Ziele verfolgt der vorliegende Brief?

Die Notwendigkeit dieses Briefes erwuchs, wie bereits gesagt, daraus, dass alle vorangehenden Versuche, den Gen. Landau auf den Wege der Privatkorrespondenz von der Unrichtigkeit seiner Handlungsweise und der Verderblichkeit seiner Methoden zu überzeugen, zu nichts führten, oder, richtiger gesagt, zum gegenteiligen Ergebnis führten: Landau beschäftigt sich gegenwärtig weitaus mehr mit der Kulissenarbeit der Schaffung seiner eigenen internationalen Fraktion als mit den revolutionären Aufgaben der Deutschen Opposition. Fortgerissen von der Logik seiner falschen Position hat G. Landau in Briefen, Reden, Zirkularschreiben eine vollkommen unerhörte Hetzkampagne nicht nur gegen seine Gegner in Deutschland eröffnet, sondern auch gegen die Internationale Opposition, insbesondere gegen das Sekretariat, das eine so verantwortungsvolle Arbeit ausübt, gegen die Mehrheit der Französischen Opposition und gegen die Russische Opposition. Unter diesen Bedingungen verbleibt mir nichts anderes als die strittigen Fragen einer offenen Diskussion zuzuweisen. Was sich auf individuellem Wege nicht erreichen ließ (durch Überzeugung, Briefwechsel), wird vielleicht erreicht werden auf kollektiven Wege. Die Deutsche Opposition, wie die Internationale muss, scheint mir, die Methoden des Gen. Landau zurückweisen, ihn zur Ordnung rufen, richtigere Wege der Arbeit aufzeigen und gesündere Organisationsformen.

Einer der sehr „kühnen" Ausfälle Landaus ist seine Erklärung, ich schicke mich angeblich an, mit „administrativen Methoden" seine Gruppe zu liquidieren. Dem stellt er seinerseits die Forderung des offenen Ideenkampfes entgegen. Wir haben von neuem Imitation, Mimikry und Mimung fremder Auffassungen vor uns. Seine Kulissenmachination, Ausschlüsse und Zertrümmerung von Organisationen und Gruppen, ohne jegliche prinzipielle Begründung, nennt Landau Ideenkampf. Meinen Vorschlag, den organisatorischen Machinationen ein Ende zu setzen und ehrlich eine Konferenz vorzubereiten, nennt er „mechanische administrative Maßnahmen". Glaubt Landau wirklich ernstlich, dass er durch solche Art Äquilibristik ernste Menschen überzeugen wird oder das Vertrauen zu sich festigen?

Unnötig zu sagen, wie weit ich von dem Gedanken entfernt bin, dass man die Leipziger Organisation als mustergültig ansehen muss (sie denkt dies, hoffe ich, selbst nicht) und wie wenig ich bereit bin, die Verantwortung für alle Handlungen des G. Well auf mich zu nehmen. Im Gegenteil, ich stimmte mit ihm mehr als einmal nicht überein und verhehlte ihr, in den Briefen meine Meinung nicht, wenn ich dachte, dass er ernste Fehler begangen hat. Sie äußerten sich hauptsächlich darin, dass im Verlaufe der Verteidigung und in Ausbrüchen einer zum großen Teil gerechten Empörung Well sich auf den Weg Landau begab, indem er keine andere Methode sah als die Spaltung. Indessen ist die Losung „Ausschluss Landaus" unrichtig, gefährlich, schädlich. Das Unglück besteht doch nicht darin, das Landau unzulässige Methoden hat, sondern darin, dass ein bedeutender Teil der oppositionellen Arbeiter diese Methoden duldet. Die Aufgabe ist eben, diese Arbeiter von der Unverträglichkeit des Landauschen Regimes mit dem Regime einer revolutionären, proletarischen Organisation zu überzeugen. Und sobald dies gelingt, wird vielleicht – ich zumindest will dies hoffen – auch G. Landau selbst umlernen und umrüsten. So und nur so steht heute die Frage, wie sie morgen stehen wird – wird der morgige Tag zeigen. Hier hängt gar viel vom Verhalten Landaus selbst ab, denn man darf die Augen nicht davor verschließen, dass zur Wahrung der Einheit der gute Willen von beiden Seiten notwendig ist. Unsererseits besteht dieser vollends. G. Landau hat ihn noch in der Tat zu beweisen.

Führer lehren nicht nur, sondern lernen auch. Die deutschen Arbeiter-Oppositionellen müssen solche Bedingungen schaffen, bei denen die G. Landau und Well in gemeinsamen Gespann, einander ergänzend, gehen würden.

Weder die sächsische Organisation noch die Landaugruppe stellen gegenwärtig irgendwelche selbständige Strömungen dar, umso weniger – unversöhnliche. Aber der prinzipienlose , organisatorische Kampf kann, rechtzeitig nicht abgestellt, unmerklich sich mit fremden politischen Inhalt füllen. Hat doch schon heute Landau sich mit künstlichen ideologischen Rechtfertigungen seiner Politik befasst und, unmerklich für sich, den Kampf gegen Well umgewandelt in einen Kampf – gegen die Internationale Linke. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass auf diesem Wege die Landaugruppe – ohne theoretisches Gepäck, ohne revolutionäre Tradition, ohne politische Erfahrung – nur in undurchdringlichen Kot geraten kann. Wir sagen daher den Berliner Leitern: Haltet ein, solange es nicht zu spät ist! Und wir warnen die Arbeiter, die heute mit Landau gehen: Man führt Euch auf gefährlichem Wege!

Wie auf den richtigen Weg zurückkehren? Das kann jetzt nicht ohne aktive internationale Hilfe für die deutschen Genossen geschehen. Die unaufschiebbarsten Maßnahmen ergeben sich klar aus der geschaffenen Lage.

Praktische Vorschläge.

1) Es ist nötig, jegliche Repressionen, Ausschlüsse und Absetzungen in Verbindung mit dem Fraktionskampf in der Deutschen Opposition einzustellen. Soweit es um rein individuelle Fälle geht, müssen die Fragen auf Verlangen einer der Parteien überprüft werden, unter Teilnahme von Vertretern des Internationalen Sekretariats.

2) Eine spezielle, möglichst autoritative Kontrollkommission beim Internationalen Sekretariat muss die Berufungen seitens der bereits ausgeschlossenen Genossen (Hamburg usw.) überprüfen und ihren Beschluss fällen.

3) Die Konferenz muss im Voraus in einer solchen Weise vorbereitet werden, dass die Vertretungsart keinerlei Grund zu Verdächtigungen und Beschuldigungen bietet.

4) In allen Fällen, wo sich organisatorische Zusammenstöße und Vorwürfe äußern, muss die Prüfung natürlich dem Internationalen Sekretariat unter Hinzuziehung besonders verlässlicher und unvoreingenommener Genossen aus anderen Sektionen obliegen.

5) Der „Kommunist" muss den Artikeln beider Gruppen Raum bieten im Wege der Diskussion.

6) Die Thesen und Gegenthesen zur Deutschen Konferenz müssen im Internationalen Bulletin in einigen Sprachen veröffentlicht werden, nicht weniger als 4 Wochen vor Eröffnung der Konferenz.

Wenn diese Vorschlage oder andere, im gleichen Geiste, von Internationalen Sekretariat and den Sektionen der Internationalen Linken befürwortet werden, bleibt zu fragen: sind sie für die Landaugruppe annehmbar? Diese Frage kann man auch jetzt schon stellen. Vom Standpunkt der politischen Zweckmäßigkeit wie auch von Standpunkt des demokratischen Zentralismus sind die oben angeführten Vorschläge vollkommen unstrittig. Wenn wir Internationalisten nicht in Worten sondern in der Tat sind, können wir nicht die Kontrolle der Internationalen Organisation über die nationalen Teile ablehnen. Allerdings, unsere internationale Organisation ist noch äußerst unvollkommen. Aber auch die nationalen stehen nicht auf größerer Höhe. Jedenfalls hat die Internationale Organisation mehr Autorität, mehr Erfahrung und, was in gegebenen Falle sehr wichtig ist, mehr Unvoreingenommenheit als die nationale Leitung, die sich in den Stab einer der beiden kämpfenden Fraktionen umgewandelt hat.

Kann die Berliner Leitung auf die Hilfeleistung der Internationalen Opposition verzichten, die bemüht ist, die Einheit der Deutschen Opposition zu wahren und die Einberufung einer gut vorbereiteten und gewissenhaft organisierten Konferenz zu sichern?

Ich glaube, die Berliner Leitung hat weder Recht noch Möglichkeit auf die Mitwirkung zu verzichten, die andererseits die Internationale Opposition zu erweisen verpflichtet ist.

Das Wort hat somit die Berliner Leitung!

Prinkipo, den 17. Februar 1931.

Leo Trotzki.

Übersetzung aus dem Russischen.

A Wir berühren hier nicht die dritte Gruppe, die plötzlich aus Splittern der anderen Gruppen entstanden ist. Gen. Graef, der Führer dieser Gruppe, hat in Übereinstimmung mit den Sitten der Austroopposition, in kurzer Zeit radikal sein ideologisches Gepäck revidiert und eine Plattform ausgearbeitet in der alles verständlich ist außer einem: warum und wozu zählt Graef sich zur Linken Opposition? Die Plattform Graefs ist die Plattform der Mitläufer der Stalinschen Bürokratie, d.h. der linken Spießer, die sich der siegreichen Revolution angeschlossen haben. Barbusse könnte diese Plattform unterschreiben, wie auch alle anderen „Freunde der Sowjetunion", von denen soviel Nutzen kommt, wie vom Ziegenbock Milch, die aber bereitwilligst auf Sowjet-Jubiläen fahren und nebenbei Rakowski den Kautskyanismus beschuldigen. Um offenbar nicht aus dem Stil der österreichischen Karikatur zu fallen, hat Graef mit der ernstesten Miene vorgeschlagen, seine Plattform zur Grundlage der Plattform der Internationalen Linken zu machen. Wir werden in nächster Zeit eine gewisse Zahl von Zeilen dieser Abart des Austrokommunismus zu widmen haben. Aber es ist ohne Weiteres klar, dass Mitläufer keinerlei Fraktion zu bilden imstande sind, Graefs Parteigänger werden zu Stalin übergehen oder in Nichts verfallen. Graef wird nach seinen Schwankungen wieder in die Ausgangsposition zurückkehren. Ob er etwas aus seiner Erfahrung gelernt haben wird, wird die Zukunft zeigen. Einstweilen ist es schade: von der austrokommunistischen Schule unterscheidet sich Graef dadurch, dass er ernster als die anderen lernte und sich nicht begnügte, Artikel über alles und nichts zu schreiben. Aber nichts zu tun: „Platon ist mein Freund, doch die Wahrheit ist mir teurer."

B Mit welcher Gewissenhaftigkeit G. Landau die lokalen Organisationen informiert, zeigt ein an mich gerichteter Brief aus Ludwigshafen vom 2. Februar, der besagt: „Was die Position des G. Landau in der österreichischen Frage anbetrifft, so haben Vorgänge in Österreich sie bestätigt." Braucht man hier Kommentare?

C Es ist nicht überflüssig zu bemerken, dass während er unbedingten Gehorsam von den lokalen Organisationen fordert, Landau selbst nicht die geringste Neigung bezeugt, sich den Beschlüssen der Intern. Opp. unterzuordnen. Nachdem das Büro mit zwei Stimmen gegen die Stimme Landaus das Plattform-Projekt für die österreichische Oppos. angenommen hatte, schlug Landau hinter den Rücken des Büros, in dem er in der Minderheit geblieben war, schriftlich den ihn nahestehenden Elementen in Wien vor, das Projekt des Büros zu ignorieren. und sein.Landaus Projekt.anzunehmen. Leute, bar innerer Disziplin fordern diese umso kühner von den anderen.

D Indem er auf den Brief des G. Frankel mit kleinen Kniffen antwortet, versucht G. Landau, wie man es immer im prinzipienlosen Kampfe zu tun pflegt, Frankel persönlich zu kompromittieren: grüner Student, Trotzkis Sekretär usw. Wenn ich nicht irre, gehört Frankel der gleichen sozialen Kategorie der Angestellten an wie Landau.Trotz seines jugendlichen Alters nimmt G. Frankel bereits seit 7 Jahren an der revolutionären Bewegung teil, seit 1927 als Oppositioneller in der Tschechoslowakei und in Frankreich, wo er auf der Internationalen Aprilkonferenz die tschechische Gruppe vertrat zu einer Zeit, wo ich von seiner Existenz nichts wusste. Wenn Frankel mir bei der Arbeit hilft, so deshalb, weil es die – gemeinsame Arbeit ist, in der er seine Ansichten zu haben und zu verfechten kein geringeres Recht besitzt als Landau. Aber der Unterschied liegt darin, dass der Brief Frankels aus unbestreitbaren Tatsachen und politischer Kritik besteht, die Antwort Landaus dagegen aus Finten und Insinuationen.

1Sownarkom = Sowjet Narodnych Komissarow = Совет Народных Комиссаров = Rat der Volkskommissare

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