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Karl Marx 18570700 Bastiat und Carey

Karl Marx: [Bastiat und Carey]1

[Nach Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Band 42, Berlin 1983, S. 3-13]

||III-1| Bastiat. Harmonies Économiques. 2 édit. Paris. 1851.

Avantpropos2

Die Geschichte der modernen politischen Ökonomie endet mit Ricardo und Sismondi, Gegensätze, von denen der eine englisch, der andere französisch spricht – ganz wie sie am Ende des 17. Jahrhunderts beginnt mit Petty und Boisguillebert. Die spätere politisch-ökonomische Literatur verläuft sich entweder in eklektische, synkretistische Kompendien, wie z. B. das Werk von J. St. Mill, oder in tiefere Ausarbeitung einzelner Zweige, wie z. B. Tookes „History of Prices“ und im allgemeinen die neueren englischen Schriften über Zirkulation – der einzige Zweig, worin wirklich neue Entdeckungen gemacht worden sind, da die Schriften über Kolonisation, Grundeigentum (in seinen verschiedenen Formen), Population usw. eigentlich nur durch größere stoffliche Fülle sich vor den älteren auszeichnen – oder Reproduktion alter ökonomischer Streitfragen für ein ausgedehnteres Publikum und die praktische Lösung von Tagesfragen, wie die Schriften über free trade3 und protection4 – oder endlich in tendenziöse Zuspitzungen der klassischen Richtungen, ein Verhältnis, worin z. B. Chalmers zu Malthus und Gülich5 zu Sismondi stehen und in gewisser Hinsicht MacCulloch und Senior in ihren älteren Schriften zu Ricardo. Es ist durchaus eine Epigonenliteratur, Reproduktion, größere Ausbildung der Form, breitere Aneignung des Stoffs, Pointierung, Popularisierung, Zusammenfassung, Ausarbeitung der Details, Mangel an springenden und entscheidenden Entwicklungsphasen, Aufnehmen des Inventariums auf der einen Seite, Zuwachs im einzelnen auf der anderen.

Ausnahme machen scheinbar nur die Schriften von Carey, dem Yankee, und Bastiat, dem Franzosen, von denen der letztere gesteht, dass er sich auf den ersteren stützt. Beide begreifen, dass der Gegensatz gegen die politische Ökonomie – Sozialismus und Kommunismus – seine theoretische Voraussetzung in den Werken der klassischen Ökonomie selbst findet, speziell in Ricardo, der als ihr vollendetster und letzter Ausdruck betrachtet werden muss. Beide finden es daher nötig, den theoretischen Ausdruck, den die bürgerliche Gesellschaft in der modernen Ökonomie geschichtlich gewonnen hat, als Missverständnis anzugreifen und die Harmonie der Produktionsverhältnisse da zu beweisen, wo die klassischen Ökonomen naiv ihren Antagonismus zeichneten. Die durchaus verschiedene, selbst widersprechende nationale Umgebung, aus der heraus beide schreiben, treibt sie nichtsdestoweniger zu denselben Bestrebungen.

Carey ist der einzige originelle Ökonom der Nordamerikaner. Einem Land gehörig, wo die bürgerliche Gesellschaft nicht auf der Grundlage des Feudalwesens sich entwickelt, sondern von sich selbst begonnen hat; wo sie nicht als das überlebende Resultat einer jahrhundertalten Bewegung erscheint, sondern als der Ausgangspunkt einer neuen Bewegung; wo der Staat, im Unterschied von allen früheren nationalen Gestaltungen, von vornherein der bürgerlichen Gesellschaft, deren Produktion untergeordnet war und nie die Prätention eines Selbstzwecks machen konnte; wo endlich die bürgerliche Gesellschaft selbst, die Produktivkräfte einer alten Welt mit dem ungeheuren Naturterrain einer neuen verbindend, sich in bisher unbekannten Dimensionen und unbekannter Freiheit der Bewegung entwickelt, alle bisherige Arbeit in ||2| Überwältigung der Naturkräfte weit überflügelt hat und wo endlich die Gegensätze der bürgerlichen Gesellschaft selbst nur als verschwindende Momente erscheinen. Dass die Produktionsverhältnisse, in denen diese ungeheure neue Welt so rasch, so überraschend und glücklich sich entwickelt hat, von Carey als die ewigen Normalverhältnisse gesellschaftlicher Produktion und Verkehrs betrachtet werden, in Europa, speziell England, was für ihn eigentlich Europa ist, nur gehemmt und beeinträchtigt durch die übermachten Schranken der Feudalperiode, dass ihm diese Verhältnisse von den englischen Ökonomen nur verzerrt und verfälscht angeschaut, wiedergegeben, oder verallgemeinert erscheinen, indem sie zufällige Verkehrungen derselben mit ihrem immanenten Charakter verwechselten – was natürlicher? Amerikanische Verhältnisse gegen englische: Darauf reduziert sich seine Kritik der englischen Theorie vom Grundeigentum, Salair, Population, Klassengegensätzen usw. Die bürgerliche Gesellschaft existiert nicht rein, nicht ihrem Begriff entsprechend, nicht sich selbst adäquat in England. Wie sollten die Begriffe der englischen Ökonomen von der bürgerlichen Gesellschaft der wahre, ungetrübte Ausdruck einer Realität sein, die sie nicht kannten? Die störende Einwirkung traditioneller, nicht aus dem Schoß der bürgerlichen Gesellschaft selbst hervorgewachsener Einflüsse auf ihre natürlichen Verhältnisse reduziert sich in letzter Instanz für Carey im Einfluss des Staats auf die bürgerliche Gesellschaft, in seinen Übergriffen und Eingriffen. Das Salair z. B. wächst naturgemäß mit der Produktivität der Arbeit. Finden wir die Realität diesem Gesetz nicht entsprechend, so haben wir nur, sei es in Hindostan oder England, die Einflüsse der Regierung zu abstrahieren, Steuern, Monopole etc. Die bürgerlichen Verhältnisse an sich selbst betrachtet, d. h. nach Abzug der Staatseinflüsse, werden in der Tat immer die harmonischen Gesetze der bürgerlichen Ökonomie bestätigen. Inwiefern diese Staatseinflüsse, public debt6, taxes7 etc. selbst aus den bürgerlichen Verhältnissen hervorwachsen – und daher in England z. B. keineswegs als Resultate des Feudalismus, sondern vielmehr seiner Auflösung und Überwältigung erscheinen und in Nordamerika selbst die Macht der Zentralregierung mit der Zentralisation des Kapitals wächst –, untersucht Carey natürlich nicht. Während so Carey den englischen Ökonomen gegenüber die höhere Potenz der bürgerlichen Gesellschaft in Nordamerika geltend macht, macht Bastiat8 den französischen Sozialisten gegenüber die niedere Potenz der bürgerlichen Gesellschaft in Frankreich geltend. Ihr glaubt gegen die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft zu revoltieren in einem Lande, wo diesen Gesetzen nie erlaubt war, sich zu realisieren! Ihr kennt sie nur in der verkümmerten französischen Form und betrachtet als immanente Form derselben, was nur ihre nationale französische Verzerrung ist. Seht nach England herüber. Hierzulande gilt es, die bürgerliche Gesellschaft von den Fesseln, die ihr der Staat anlegt, zu befreien. Ihr wollt diese Fesseln vermehren. Arbeitet erst die bürgerlichen Verhältnisse rein heraus, und dann wollen wir uns wieder sprechen. (Bastiat hat insofern recht, als in Frankreich infolge seiner eigentümlichen sozialen Gestaltung manches für Sozialismus gilt, was in England politische Ökonomie ist.)

Carey indes, dessen Ausgangspunkt die amerikanische Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft vom Staat [ist], endet mit dem Postulat der Staatseinmischung, damit die reine Entwicklung der bürgerlichen Verhältnisse nicht, wie es in Amerika faktisch geschehen, durch Einfluss von außen gestört werde. Er ist Protektionist, während Bastiat Freetrader ist. Die Harmonie der ökonomischen Gesetze erscheint in der ganzen Welt als Disharmonie, und die Anfänge dieser Disharmonie frappieren Carey selbst in den Vereinigten Staaten. Woher dieses sonderbare Phänomen? Carey erklärt es aus der vernichtenden Einwirkung Englands mit seinem Streben nach industriellem Monopol auf den Weltmarkt. Ursprünglich sind die englischen Verhältnisse durch die falschen Theorien seiner Ökonomen verrückt worden, im Innern. Jetzt, nach außen hin, ||3| als die gebietende Macht des Weltmarkts, verrückt England die Harmonie der ökonomischen Verhältnisse in allen Ländern der Welt. Diese Disharmonie ist eine wirkliche, keine bloß in der subjektiven Auffassung der Ökonomen gegründete. Was Russland politisch für Urquhart, ist England ökonomisch für Carey. Die Harmonie der ökonomischen Verhältnisse basiert nach Carey auf der harmonischen Kooperation von Stadt und Land, Industrie und Agrikultur. Diese Grundharmonie, die England in seinem eigenen Innern aufgelöst hat, zerstört es durch seine Konkurrenz überall auf dem Weltmarkt und ist so das destruktive Element der allgemeinen Harmonie. Schutz dagegen können nur die Schutzzölle – die gewaltsame, nationale Absperrung gegen die Destruktivkraft der englischen großen Industrie bilden. Die letzte Zuflucht der „harmonies économiques“ ist daher der Staat, der ursprünglich als der einzige Störenfried dieser Harmonien gebrandmarkt wurde. Einerseits spricht Carey hier wieder die bestimmte nationale Entwicklung der Vereinigten Staaten aus, ihren Gegensatz zu und ihre Konkurrenz mit England. Es geschieht dies in der naiven Form, dass er den Vereinigten Staaten vorschlägt, den von England propagierten Industrialismus dadurch zu zerstören, dass sie ihn bei sich selbst durch Schutzzölle rascher entwickeln. Von dieser Naivetät abgesehen, endet bei Carey die Harmonie der bürgerlichen Produktionsverhältnisse mit der vollendetsten Disharmonie dieser Verhältnisse, wo sie auf dem großartigsten Terrain, dem Weltmarkt, in der großartigsten Entwicklung als die Verhältnisse produzierender Nationen auftreten. Alle jene Verhältnisse, die ihm innerhalb bestimmter Landesgrenzen oder auch in der abstrakten Form von allgemeinen Verhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft harmonisch erscheinen – Konzentration des Kapitals, Teilung der Arbeit, Salariat etc. –, erscheinen ihm als disharmonisch, wo sie in ihrer entwickeltsten Form – in ihrer Weltmarktsform auftreten – als die inneren Verhältnisse, die die englische Herrschaft auf dem Weltmarkt produzieren und die als destruktive Wirkungen die Folge dieser Herrschaft sind. Es ist harmonisch, wenn innerhalb eines Landes die patriarchalische Produktion der industriellen Platz macht, und der Auflösungsprozess, der diese Entwicklung begleitet, wird nur nach seiner positiven Seite aufgefasst. Aber es wird disharmonisch, wenn die englische große Industrie die patriarchalischen oder kleinbürgerlichen oder andere auf niederen Stufen sich befindenden Formen fremder nationaler Produktion auflöst. Die Konzentration des Kapitals innerhalb eines Landes und die auflösende Wirkung dieser Konzentration bietet ihm nur positive Seite dar. Aber das Monopol des konzentrierten englischen Kapitals und seine auflösenden Wirkungen auf die kleineren nationalen Kapitalien anderer Völker ist disharmonisch. Was Carey nicht begriffen hat, dass diese weltmarktlichen Disharmonien nur die letzten adäquaten Ausdrücke der Disharmonien sind, die in den ökonomischen Kategorien als abstrakte Verhältnisse fixiert [werden] oder in dem kleinsten Umfang eine lokale Existenz besitzen. Kein Wunder, dass er andererseits den positiven Gehalt dieser Auflösungsprozesse – die einzige Seite, die er den ökonomischen Kategorien in ihrer abstrakten Form oder den realen Verhältnissen innerhalb bestimmter Länder, wovon sie abstrahiert sind, ansieht – in ihrer weltmarktlichen, vollen Erscheinung vergisst. Wo ihm die ökonomischen Verhältnisse in ihrer Wahrheit, d. h. in ihrer universellen Realität gegenübertreten, schlägt er daher von seinem prinzipiellen Optimismus um in einen denunzierenden und gereizten Pessimismus. Dieser Widerspruch bildet die Originalität seiner Schriften und gibt ihnen ihre Bedeutung. Er ist ebensowohl Amerikaner in seiner Behauptung der Harmonie innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft als in Behauptung der Disharmonie derselben Verhältnisse in ihrer weltmarktlichen Gestalt. Bei Bastiat nichts von alledem. Die Harmonie dieser Verhältnisse ist ein Jenseits, das grade da anfängt, wo die französischen Grenzen aufhören, das in England und Amerika existiert. Es ist bloß die eingebildete, ideale Form der unfranzösischen englisch-amerikanischen Verhältnisse, nicht die wirkliche, wie sie ihm auf seinem eigenen Grund und Boden gegenübertritt. Während daher bei ihm die Harmonie keineswegs aus der Fülle lebendiger Anschauung hervorgeht, sondern vielmehr das gespreizte Produkt einer dünnen und gespannten, gegensätzlichen Reflexion ist, ist das einzige Moment der Realität bei ihm die Forderung an den französischen Staat, seine ökonomischen Grenzen aufzugeben. Carey sieht die Widersprüche der ökonomischen Verhältnisse, sobald sie als englische Verhältnisse erscheinen, auf dem Weltmarkt. Bastiat, der sich die Harmonie bloß einbildet, fängt nur da an, ihre Realisation zu sehen, wo Frankreich aufhört und alle national getrennten Bestandteile der bürgerlichen Gesellschaft, von der Oberaufsicht des Staats befreit, untereinander konkurrieren. Diese seine letzte Harmonie selbst – und die Voraussetzung aller seiner frühem, eingebildeten – ist indes selbst wieder ein bloßes Postulat, das durch die Freihandelsgesetzgebung realisiert werden soll.

||4| Wenn Carey daher, ganz abgesehen von dem wissenschaftlichen Wert seiner Forschungen, wenigstens das Verdienst besitzt, in abstrakter Form die großen amerikanischen Verhältnisse auszusprechen, und zwar im Gegensatz zur alten Welt, so wäre der einzig reale Hintergrund bei Bastiat die Kleinheit der französischen Verhältnisse, die überall aus seinen Harmonien ihre langen Ohren herausstrecken. Indes ist das Verdienst überflüssig, weil die Verhältnisse eines so alten Landes hinlänglich bekannt sind und am wenigsten nötig haben, auf solch negativem Umweg bekannt zu werden. Carey ist daher reich an sozusagen Bonafide-Forschungen in der ökonomischen Wissenschaft, wie über den Kredit, Rente, etc. Bastiat ist nur beschäftigt mit zufriedenstellenden Paraphrasen im Kontrast endender Forschungen; l’hypocrisie du contentement9. Careys Allgemeinheit ist Yankeesche Universalität. Frankreich und China sind ihm gleich nah. Allemal der Mann, der am Stillen Ozean und am Atlantik wohnt. Bastiats Allgemeinheit ist Wegsehen von allen Ländern. Als echter Yankee nimmt Carey den massenhaften Stoff von allen Seiten auf, den ihm die alte Welt bietet, nicht um die immanente Seele dieses Stoffs zu erkennen und ihm so sein Recht des eigentümlichen Lebens zuzugestehen, sondern um ihn für seine Zwecke, seine von seinem Yankee Standpunkt abstrahierten Sätze als tote Belege, als gleichgültiges Material zu verarbeiten. Daher sein Herumstreichen in allen Ländern, massenhafte und unkritische Statistik, katalogartige Belesenheit. Bastiat gibt dagegen phantastische Geschichte, seine Abstraktionen einmal in der Form von Räsonnement und das andere Mal in der Form von supponierten Ereignissen, die indes niemals und nirgends passiert sind, so wie der Theologe die Sünde einmal als Gesetz des menschlichen Wesens, das andere Mal als die Geschichte vom Sündenfall behandelt. Beide sind daher gleich unhistorisch und antihistorisch. Aber das ungeschichtliche Moment in Carey ist das gegenwärtige geschichtliche Prinzip von Nordamerika, während das ungeschichtliche Element in Bastiat bloß Reminiszenz der französischen Verallgemeinerungsmanier des 18. Jahrhunderts ist. Carey ist daher formlos und diffus, Bastiat affektiert und formell logisch. Das Höchste, wozu er es bringt, sind Gemeinplätze, paradox ausgedrückt, en facettes geschleift10. Bei Carey ein paar allgemeine Thesen, in lehrsatzartiger Form vorausgeschickt. Ihnen nachfolgend ein ungestaltiges Material, Sammelwerk als Beleg – der Stoff seiner Thesen keineswegs verarbeitet. Bei Bastiat besteht das einzige Material – abstrahiert von einigen Lokalexempeln oder phantastisch zugestutzten englischen Normalerscheinungen – nur in den allgemeinen Thesen der Ökonomisten. Careys Hauptgegensatz Ricardo, kurz die modernen englischen Ökonomisten; Bastiats die französischen Sozialisten.11

||5| XIV. Des Salaires12

Folgendes sind Bastiats Hauptsätze: Die Menschen streben alle nach Fixität in der Einnahme, fixed revenue13. {Echt französisches Beispiel: 1. Jeder Mensch will Beamter sein oder seinen Sohn zum Beamten machen (Siehe p. 371).} Das Salair ist eine fixe Form der Remuneration (p. 376) und daher eine sehr vervollkommnete Form der Assoziation, in deren ursprünglicher Form „das Aleatorische“ vorherrscht, sofern „tous les associés à toutes les chances de l’entreprise“14 unterworfen sind. {Wenn das Kapital das Risiko auf seine Rechnung nimmt, fixiert sich die Remuneration der Arbeit unter dem Namen Salair. Will die Arbeit die guten und schlechten Folgen auf sich nehmen, so löst sich die Remuneration des Kapitals los und fixiert sich unter dem Namen Zins (382).} (Sieh über diese Zusammenstellung weiter p. 382,383.) Indes wenn ursprünglich in der condition de l’ouvrier15 das Aleatorische vorherrscht, so ist die Stabilität im Salariat noch nicht hinreichend gesichert. Es ist ein „degré intermédiaire qui sépare l'aléatoire de la stabilité“16. Diese letzte Stufe wird erreicht durch „épargner, aux jours de travail, de quoi satisfaire aux besoins des jours de vieillesse et de maladie“17 (p. 388). Die letzte Stufe entwickelt sich durch die „sociétés de secours mutuels“18 (l.c.) und in letzter Instanz durch „la caisse de retraite des travailleurs“19 (p. 393).20 (Wie der Mensch vom Bedürfnis ausging, Beamter zu werden, so endet er mit der Genugtuung, eine Pension zu beziehen.)

ad 1. Gesetzt, alles was Bastiat über die Fixität des Salairs sagt, sei richtig. So würden wir den eigentlichen Charakter des Salairs, seine charakteristische Bestimmtheit noch nicht damit kennen, dass das Salair unter die fixed revenues subsumiert wird. Eine Beziehung desselben – die ihm mit anderen Einnahmequellen gemein ist – wäre betont. Weiter nichts. Dies wäre allerdings schon etwas für den Advokaten, der die Vorzüge des Salariats plädieren will. Es wäre noch nichts für den Ökonomisten, der die Eigentümlichkeit dieses Verhältnisses in seinem ganzen Umfang verstehen will. Eine einseitige Bestimmung eines Verhältnisses, einer ökonomischen Form fixieren, sie panegyrisieren gegenüber der umgekehrten Bestimmung: diese ordinäre Advokaten- und Apologistenpraxis zeichnet den Raisonneur Bastiat aus. Also setze statt Salair: Fixität der Einnahme. Ist Fixität der Einnahme nicht gut? Liebt nicht jeder, auf Gewisses rechnen zu können? Speziell jeder spießbürgerliche, kleinfühlende Franzose? l’homme toujours besogneux?21 Die Leibeigenschaft ist in derselben Weise, und vielleicht mit größerem Recht, verteidigt worden. Das Umgekehrte könnte auch behauptet werden und ist behauptet worden. Setze Salair gleich Nichtfixität, i. e. Weiterkommen über einen bestimmten Punkt. Wer liebt nicht voranzukommen statt stehenzubleiben? Ist also ein Verhältnis schlecht, das die Chancen eines bürgerlichen progressus in infinitum22 möglich macht? Bastiat selbst macht natürlich an einer anderen Stelle das Salariat als Nichtfixität geltend. Wie anders als durch die Nichtfixität, durch die Schwankungen, könnte es dem Arbeiter möglich werden, aufzuhören zu arbeiten, Kapitalist zu werden, wie B. will? Also das Salariat ist gut, weil es Fixität ist; es ist gut, weil es Nichtfixität ist; es ist gut, weil es weder das eine noch das andere, aber sowohl eines wie das andere ist. Welches Verhältnis ist nicht gut, wenn es auf eine einseitige Bestimmung reduziert wird und diese als Position, nicht als Negation betrachtet wird? Alles reflektierende Hin- und Herschwatzen, alle Apologetik, alle biedermännische Sophisterei beruht auf solcher Abstraktion.

Nach dieser allgemeinen Vorbemerkung kommen wir zu Bastiats wirklicher Konstruktion. Nebenbei sei nur noch bemerkt, dass sein metayer23 der Landes24, der Kerl, der nur Unglück des Lohnarbeiters mit dem Pech des kleinen Kapitalisten in sich vereinigt, in der Tat sich glücklich fühlen möchte, wenn er auf fixen Lohn gesetzt würde. – Proudhons histoire descriptive und philosophique25 erreicht kaum die seines Gegners Bastiat. Der ursprünglichen Form der Assoziation gegenüber, worin alle associes alle Chancen des Zufalls teilen, folgt als höhere und freiwillig von beiden Seiten |[6| eingegangene Stufe der Assoziation die, worin die Remuneration des Arbeiters fixiert ist. Wir wollen hier nicht auf die Genialität aufmerksam machen, die erst auf der einen Seite einen Kapitalisten und auf der anderen einen Arbeiter voraussetzt, um dann hinterher durch Verabredung zwischen beiden das Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit entstehen zu lassen.

Die Form der Assoziation, worin der Arbeiter allen zufälligen Chancen des Erwerbs ausgesetzt ist – worin alle Produzenten gleichmäßig diesen Chancen ausgesetzt sind – und die dem Salair, worin die Remuneration der Arbeit Fixität gewinnt, stabil wird, unmittelbar vorausgeht, als These der Antithese – ist, wie wir von B. hören, der Zustand, worin Fischerei, Jagd, Hirtenwesen die herrschenden Produktions- und Gesellschaftsformen bilden. Erst der vagabondierende Fischer, Jäger, Hirt – und dann der Lohnarbeiter. Wo und wann hat sich dieser historische Übergang aus dem halbwilden Zustand in den modernen zugetragen? Höchstens im „Charivari“. In der wirklichen Geschichte geht die Lohnarbeit hervor aus der Auflösung von Sklaverei und Leibeigenschaft – oder dem Verfall des Gemeineigentums, wie bei orientalischen und slawischen Völkern – und in ihrer adäquaten epochemachenden, das ganze gesellschaftliche Dasein der Arbeit ergreifenden Form, aus [dem] Untergang der Zunftwirtschaft, des Ständewesens, der Naturalarbeit und des Naturaleinkommens, der als ländlichem Nebenzweig betriebnen Industrie, der noch feudalen kleinen Landwirtschaft etc. In allen diesen wirklich historischen Übergängen erscheint die Lohnarbeit als Auflösung, als Vernichtung von Verhältnissen, worin die Arbeit nach allen Seiten hin fixiert war, ihrem Einkommen, ihrem Inhalt, ihrer Lokalität, ihrem Umfang etc. nach. Also als Verneinung der Fixität der Arbeit und ihrer Remuneration. Der direkte Übergang von dem Fetisch des Afrikaners zum être suprême26 Voltaires oder des Jagdgeräts eines nordamerikanischen Wilden zum Kapital der Bank von England ist nicht so abgeschmackt geschichtswidrig wie der Übergang von Bastiats Fischer zum Lohnarbeiter. (In allen diesen Entwicklungen zeigt sich außerdem nichts von freiwilligen, aus wechselseitiger Übereinkunft hervorgegangenen Veränderungen.) Dieser historischen Konstruktion – worin B. seine flache Abstraktion in der Form einer Begebenheit sich vorlügt – ganz würdig ist die Synthese, worin die englischen friendly societies27 und die Sparkassen als das letzte Wort des Salariats und Aufhebung aller sozialen Antinomien erscheinen.

Also geschichtlich die Nichtfixität Charakter des Salariats: Gegenteil von B’s Konstruktion. Aber wie kam er überhaupt auf die Konstruktion der Fixität als der alles kompensierenden Bestimmung des Salariats? Und wie kam er dazu, das Salariat in dieser Bestimmtheit als höhere Form der Remuneration, der Remuneration der Arbeit in anderen Gesellschafts- oder Assoziationsformen, historisch darstellen zu wollen?

Alle Ökonomen, sobald sie das gegebene Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit, von Profit und Salair besprechen und dem Arbeiter beweisen, dass er keinen Anspruch habe, an den Chancen des Gewinns teilzunehmen, ihn überhaupt über seine untergeordnete Rolle gegenüber dem Kapitalisten beruhigen wollen, heben ihm hervor, dass er im Gegensatz zum Kapitalisten eine gewisse Fixität des Einkommens, mehr oder weniger unabhängig von den großen adventures28 des Kapitals, besitzt. Ganz wie Don Quixote den Sancho Pansa tröstet, dass, wenn er zwar alle Prügel bezieht, er es auch nicht nötig hat, tapfer zu sein. Eine Bestimmung also, die die Ökonomen dem Salariat im Gegensatz zum Profit beilegen, verwandelt Bastiat in eine Bestimmung des Salariats im Gegensatz zu früheren Formen der Arbeit und als einen Fortschritt zur Remuneration der Arbeit in diesen früheren Verhältnissen. Ein Gemeinplatz, der sich in das gegebene Verhältnis stellt, der die eine Seite desselben gegen die andere vertröstet, wird von dem Herrn B. aus diesem Verhältnis herausgenommen und zur historischen Grundlage seiner Entstehung gemacht. In dem Verhältnis von Salair zu Profit, Lohnarbeit zu Kapital, sagen die Ökonomisten, kommt dem Salair der Vorzug der Fixität zu. Die Fixität, sagt Herr Bastiat, d. h. eine der Seiten im Verhältnis von Salair zu Profit, ist der historische Entstehungsgrund des Salariats (oder kommt dem Salair zu nicht im Gegensatz zum Profit, sondern zu den frühem Remunerationsformen der Arbeit), also auch des Profits, also des ganzen Verhältnisses. So verwandelt sich ihm unter der Hand ein Gemeinplatz über eine Seite des Verhältnisses von Salair und Profit in den historischen Grund dieses ganzen Verhältnisses. Dies geschieht, weil er beständig mit der Reflexion auf den Sozialismus behaftet ist, der überall dann als die erste Form der Assoziation geträumt wird. Dies ein Beispiel, welche wichtige Form die in den ökonomischen Entwicklungen nebenbei laufenden apologetischen Gemeinplätze in B’s Hand annehmen.

||7| Zu den Ökonomen zurückzukehren. Worin besteht diese Fixität des Salairs? Ist der Lohn unveränderlich fix? Dies würde dem Gesetz von Nachfrage und Zufuhr durchaus widersprechen, der Grundlage der Lohnbestimmung. Die Schwankungen, Steigen und Fallen des Lohnes, leugnet kein Ökonom. Oder ist der Lohn unabhängig von Krisen? Oder von Maschinen, die die Lohnarbeit überflüssig machen? Oder von Teilungen der Arbeit, die sie deplatzieren? Alles dies wäre heterodox zu behaupten und wird nicht behauptet. Was gemeint wird, ist, dass in einem gewissen Durchschnitt der Arbeitslohn eine ziemliche Durchschnittshöhe realisiert, d. h. das Bastiat so sehr verhasste Minimum des Salairs für die ganze Klasse, und dass eine gewisse Durchschnittskontinuität der Arbeit stattfindet, z. B. der Lohn fortdauern kann selbst in Fällen, wo der Profit fällt oder momentan ganz verschwindet. Nun, was heißt das anders, als dass, vorausgesetzt die Lohnarbeit als die herrschende Form der Arbeit, als die Grundlage der Produktion, die Arbeiterklasse vom Lohn existiert und der einzelne Arbeiter29 im Durchschnitt die Fixität besitzt, für Lohn zu arbeiten? In anderen Worten Tautologie. Wo Kapital und Lohnarbeit das herrschende Produktionsverhältnis ist, existiert durchschnittliche Kontinuität der Lohnarbeit, insofern Fixität des Lohns für den Arbeiter. Wo die Lohnarbeit existiert, existiert sie. Und dies wird von Bastiat als ihre alles kompensierende Eigenschaft angesehen. Dass ferner [in] d[em] Gesellschaftszustand, worin das Kapital entwickelt ist, die gesellschaftliche Produktion im Ganzen regelmäßiger, kontinuierlicher, allseitiger – also auch die Einnahme für die in derselben beschäftigten Elemente „fixer“ –, als wo sich das Kapital, d. h. die Produktion, noch nicht auf diese Stufe entwickelt, ist eine andere Tautologie, die mit dem Begriff des Kapitals und einer auf ihm ruhenden Produktion selbst gegeben ist. In anderen Worten: dass das allgemeine Dasein der Lohnarbeit eine höhere Entwicklung der Produktivkräfte voraussetzt, als in den der Lohnarbeit vorhergehenden Stufen, wer leugnet es? Und wie fiele es den Sozialisten ein, höhere Forderungen zu machen, wenn sie nicht diese höhere Entwicklung der durch die Lohnarbeit hervorgebrachten gesellschaftlichen Produktivkräfte voraussetzten? Das letztere ist vielmehr die Voraussetzung ihrer Forderungen.

Note. Die erste Form, worin der Arbeitslohn allgemein auftritt – der militärische Sold, der beim Untergehen der Nationalheere und Bürgermilizen erscheint. Erst werden die Bürger selbst besoldet. Dem folgt bald, dass an ihre Stelle Söldlinge treten, die aufgehört haben, Bürger zu sein.

2. (Es ist unmöglich, diesen Nonsense weiter zu verfolgen. We, therefore, drop Mr. Bastiat.30)

1 Die unvollendete Skizze „Bastiat und Carey“ schrieb Marx im Juli 1857. Die Überschrift „Bastiat. Harmonies Économiques. 2 edit. Paris. 1851“ lässt darauf schließen, dass Marx die Absicht hatte, eine umfangreiche Rezension dieses Buches zu schreiben. In Bastiat sah Marx einen klassischen Repräsentanten „der heruntergekommenen neuesten Ökonomie“, wie er im November 1857 in den „Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie“ schrieb. Wahrscheinlich war dies der Grund für seine Absicht, das letzte Buch von Bastiat äußerst kritisch zu beurteilen. Im Verlauf der Arbeit erkannte Marx jedoch sehr bald, dass das Buch keine gründliche Besprechung verdiente, so dass er seine Absicht aufgab.

Die Skizze über Bastiat und Carey war von Marx nicht für die Veröffentlichung vorgesehen und wurde zu Lebzeiten von Marx und Engels auch nicht veröffentlicht.

Zum ersten Mal publizierte Karl Kautsky diese Skizze unter dem Titel „Carey und Bastiat“ im März 1904 in „Die Neue Zeit“ (Stuttgart), 22. Jg. 1903-1904, Bd.2, S. 5-16.

Das Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der KPdSU(B) gab das Manuskript „Bastiat und Carey“ neu heraus in Karl Marx, „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Anhang 1850-1859“, Moskau 1941, S. 843-853.

2 Vorwort

3 Freihandel

4 Schutzzoll

5 in der Handschrift: Jülich

6 Staatsschuld

7 Steuern

8 in der Handschrift: macht ihnen. Bastiat

9 Heuchelei der Befriedigung

10 wie die Seiten von Edelsteinen geschliffen

11 In der Handschrift ist der untere Teil der vierten Seite unbeschrieben. Vermutlich wollte Marx nach dem „Avantpropos“, das die ersten drei Seiten und den oberen Teil der vierten Seite der Handschrift einnimmt und eine allgemeine Charakteristik der Ansichten von Frederic Bastiat und Henry Charles Carey enthält, Bastiats „Harmonies économiques“ eingehender charakterisieren.

12 „Des Salaires“ („ Über Löhne“) – es handelt sich um Kapitel 14 der 2. Auflage von Bastiats „Harmonies économiques“.

13 festem Einkommen

14 „alle Partner allen Zufällen des Unternehmens“

15 Stellung des Arbeiters

16 „Zwischenstadium, welches das vom Zufall regierte von der Beständigkeit trennt“

17 „in Tagen der Arbeit sparen, wovon im Alter und bei Krankheit die Bedürfnisse zu befriedigen sind“ „die

18 „Gesellschaften der gegenseitigen Hilfe“

19 Pensionskasse der Arbeiter“

20 Nach Bastiat sollten „die Pensionskassen der Arbeiter“ von den Arbeitern selbst finanziert werden, nur so könnten sie den gebührenden Grad der „Stabilität“ sichern.

21 der stets bedürftige Mensch?

22 unbegrenzten Fortschritts

23in der Handschrift: metaire

24 metayer der Landes – gemeint ist ein Pächter des Departements Landes in Frankreich.

25 Mit der beschreibenden und philosophischen Geschichte meint Marx Proudhons „Système des contradictions économiques, ou Philosophie de la misère“, die er in seinem „Elend der Philosophie“ kritisiert und als pseudowissenschaftlich charakterisiert hat.

26 höchsten Wesen

27 Hilfsvereine

28 Spekulationen

29 in der Handschrift: d. einzelne Arbeit

30 Wir trennen uns deshalb von Herrn Bastiat.

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