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Wladimir I. Lenin 19041200 Kommuniqué über die Bildung eines Organisationskomitees

Wladimir I. Lenin: Kommuniqué über die Bildung eines Organisationskomitees

und über die Einberufung des III. ordentlichen Parteitages

der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands1

[Geschrieben im Dezember 1904 Zum ersten Mal veröffentlicht 1926 im „Lenin-Sammelbuch" Nr. 5. Nach Nach Sämtliche Werke, Band 7, 1929, S. 27-30]

Die schwere Krise, die unsere Partei seit nunmehr anderthalb Jahren, seit dem II. Parteitag, durchmacht, hat zu dem unvermeidlichen und längst vorausgesehenen Ergebnis geführt, dem vollständigen Bruch der Zentralinstanzen mit der Partei. Wir wollen hier nicht die unerquickliche Geschichte der Krise wiederholen und nicht an Tatsachen erinnern, die in unserer Parteiliteratur im Allgemeinen und insbesondere in einer ganzen Reihe von Resolutionen und Erklärungen der russischen Komitees und Komiteekonferenzen genügend klargestellt worden sind. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass die letzte derartige Konferenz, die des Nordens, an der die Komitees von St. Petersburg, Riga, Twer, Moskau, des Nordgebiets und von Nischni-Nowgorod teilnahmen, ein Büro gewählt und dieses beauftragt hat, als Organisationskomitee aufzutreten zur sofortigen Einberufung des III. ordentlichen Parteitages der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands.

Das Büro hat den Ablauf aller vom Komitee dem sogenannten Zentralkomitee gesetzten Fristen für die Antwort abgewartet und sich nunmehr mit den Beauftragten der drei südrussischen (Odessa, Jekaterinoslaw, Nikolajew) und vier kaukasischen Komitees verständigt. Das Büro tritt jetzt als Organisationskomitee auf und beruft, ohne Zustimmung der Zentralinstanzen, die der Partei Rechenschaft schuldig sind, sich aber der Verantwortung vor der Partei entzogen haben, den III. ordentlichen Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands ein.

Russland durchlebt einen noch nie dagewesenen politischen Aufschwung und dem Proletariat fallen die größten historischen Aufgaben in dem Kampfe gegen den Absolutismus zu. Alle in Russland tätigen Sozialdemokraten wissen, welch ungeheurer Schaden durch die Zerfahrenheit unserer Partei für die Organisierung und den Kräftezusammenschluss des Proletariats entstanden ist, welche unermessliche Einbuße die Propaganda, Agitation und Vereinigung der Arbeiter in Russland durch den verderblichen Einfluss des ausländischen Zirkelwesens erlitten haben. Und wenn schon keine Möglichkeit besteht, die ausländischen Zirkel und ihre Getreuen zu vereinigen, so sollten sich wenigstens alle sozialdemokratischen Funktionäre in Russland, alle Anhänger einer konsequenten Richtung der revolutionären Sozialdemokratie vereinigen. Eine solche Vereinigung ist der einzig richtige Weg zu der künftigen, vollständigen und festen Einheit aller Sozialdemokraten Russlands.

Es lebe die Sozialdemokratie Russlands, es lebe die internationale revolutionäre Sozialdemokratie!

Was die Bedingungen für die Einberufung des Parteitages betrifft, so erachtet es das Organisationskomitee für notwendig, folgendes zur allgemeinen Kenntnis zu bringen:

1. Das Organisationskomitee erkennt das unbedingte Recht zur Teilnahme an dem III. ordentlichen Parteitag mit beschließender Stimme allen Komitees und Organisationen in Russland zu, die vom II. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands bestätigt worden sind (es sind dies die Komitees von Petersburg, Moskau, Charkow, Kiew, Odessa, Nikolajew, dem Dongebiet, Jekaterinoslaw, Saratow, Ural, Nordgebiet, Tula, Twer, Nischni-Nowgorod, Baku, Batum, Tiflis, die Komitees des Berg- und Hüttenreviers, Sibiriens und der Krim).

2. Das Organisationskomitee erkennt das bedingte Recht zur Teilnahme derjenigen Komitees am Parteitag an, die vom Zentralkomitee nach dem II. Parteitag bestätigt worden sind (die von Mingrelien, Astrachan, Orel-Brjansk, Samara, Smolensk, Riga, Kursk, Woronesch sowie die Auslandsliga). Alle diese Komitees sind von Zentralinstanzen bestätigt worden, die das, Vertrauen der Partei verloren haben. Wir sind verpflichtet, sie zum III. Parteitag einzuladen, jedoch kann nur der Parteitag selbst über die Frage ihrer Teilnahme endgültig entscheiden (Gültigkeit des Komitees, Recht auf beratende oder beschließende Stimme usw.).

3. Das Organisationskomitee bringt im Namen der Mehrzahl der russischen Komitees den Wunsch zum Ausdruck, dass an dem III. ordentlichen Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands alle, sowohl die ausländischen als auch die russischen Organisationen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands teilnehmen mögen, und besonders alle Arbeiterorganisationen, die sich als zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands gehörig betrachten. Die Teilnahme dieser letzteren erscheint uns besonders wünschenswert, weil die Parteikrise und die demagogische Propagierung des Wahlprinzips und einer „Rabotscheje-Djelo"-Demokratie bereits eine ganze Reihe von Spaltungen hervorgerufen haben. Der Parteitag muss dazu benutzt werden, unter Teilnahme der Vertreter der Mehrheit der russischen Komitees zu versuchen, diese Spaltungen aus der Welt zu schaffen oder den dadurch entstandenen Schaden zu mildern.

4. Das Organisationskomitee ladet daher alle, die am Parteitag teilzunehmen wünschen, ein, sich sofort zu äußern und mit ihm (durch Vermittlung eines der obengenannten dreizehn Komitees) in Verbindung zu treten.

5. Die Bedingungen der Einladung zum Parteitag sollen im Streitfalle durch den Beschluss der zwei nächstliegenden Komitees und einer dritten Person vom Organisationskomitee bestimmt werden.

6. Die Bedingungen der Teilnahme am Parteitage (ob mit beratender oder beschließender Stimme) von Komitees und anderen Organisationen, die vom II. Parteitag nicht bestätigt worden sind, wird der III. Parteitag selbst bestimmen.

7. Zeit und Ort des Parteitages wird das Organisationskomitee bestimmen.

1 Der Entwurf des Kommuniqués über die Bildung eines Organisationskomitees zur Einberufung des III. Parteitages wurde von Lenin in der ersten Dezemberhälfte 1904 geschrieben und an die Mitglieder des Büros, d. h. des Organisationskomitees versandt. Dieser Zeitpunkt ergibt sich einwandfrei aus dem Brief Lenins an Bogdanow und Gussew, der vom 11. Februar 1905 datiert ist und in dem es heißt: „Vor zwei Monaten sandte ich meinen Entwurf an alle Mitglieder des Büros". Das Büro der Komitees der Mehrheit hat seine Mitteilung über die Einberufung des III. Parteitages erst in Nr. 8 des „Wperjod" vom 15./28. Februar 1905 veröffentlicht. Dem Text lag der Leninsche Entwurf zugrunde. Bei einem Vergleich des Leninschen Entwurfes mit der vom Büro der Komitees der Mehrheit veröffentlichten Mitteilung muss der Umstand beachtet werden, dass zwischen beiden Dokumenten der „blutige Sonntag" liegt, d. h. die Ereignisse des 9./22. Januar 1905. Davon abgesehen, besteht zwischen beiden Dokumenten nur ein geringfügiger Unterschied über organisatorische Fragen.

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