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Wladimir I. Lenin 19080429 Block von Kadetten und Oktobristen?

Wladimir I. Lenin: Block von Kadetten und Oktobristen?

[Proletarij" Nr. 29, 29. (16.) April 1908. Nach Sämtliche Werke, Band 12, Wien-Berlin 1933, S. 238 f.]

Ein Privattelegramm aus Petersburg an die „Frankfurter Zeitung" vom 1. (14.) April meldet:

Seit Ende März werden geheime Verhandlungen zwischen den Oktobristen, den gemäßigten Rechten, den Kadetten und der Partei der friedlichen Erneuerung geführt über die Möglichkeit, einen Block zu bilden. Die Idee geht von den Oktobristen aus, die nicht mehr auf die Unterstützung der äußersten Rechten rechnen können. Letztere, die besonders wegen der Interpellation über General Dumbadse1 gegen die Oktobristen aufgebracht sind, will mit der Opposition gegen das Zentrum stimmen, was die Arbeit der Duma gefährden würde, denn die Vereinigung der äußersten Rechten mit der Opposition ergibt 217 Stimmen gegen 223 Stimmen des Zentrums und der gemäßigten Rechten. Die erste Verhandlung (über den Block) von 30 proportionell gewählten Vertrauensmännern fand am 12. April (30. März alten Stils) statt, verlief jedoch resultatlos, und es wurde eine neue Beratung im Laufe der Woche beschlossen."

Wie weit diese Nachricht richtig ist, wissen wir nicht. Jedenfalls aber ist das Schweigen der russischen Presse kein Beweis für das Gegenteil, und wir halten es für notwendig, unsere Leser über diese Mitteilung der ausländischen Presse zu informieren.

In prinzipieller Hinsicht ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass solche Geheimverhandlungen geführt werden. Durch ihre ganze politische Geschichte – zuerst durch den Besuch Struves bei Witte im November 1905, später durch die hinter den Kulissen mit Trepow und Co. gepflogenen Verhandlungen im Sommer 1906 usw., usw.–haben die Kadetten bewiesen, dass das innerste Wesen ihrer Taktik darin besteht, über die Hintertreppe die Machthaber aufzusuchen. Doch selbst wenn die Nachricht von diesen Verhandlungen sich als falsch herausstellen sollte, bleibt die Tatsache bestehen, dass in der III. Duma zwischen Kadetten und Oktobristen faktisch ein stillschweigender Block auf Grundlage einer Rechtsschwenkung der Kadetten besteht. Eine ganze Reihe kadettischer Abstimmungen in der III. Duma beweist das unwiderleglich – ganz abgesehen vom Inhalt der kadettischen Reden und vom Charakter ihres politischen Auftretens.

In der III. Duma gibt es zwei Mehrheiten, sagten wir bereits vor ihrem Zusammentritt (sieheProletarij" und die Resolution der Allrussischen Konferenz der SDAPR vom November 1907). Wir führten bereits damals aus, dass, wer – wie die Menschewiki – diese Tatsache und in erster Linie den Klassencharakter der kadettisch-oktobristischen. Mehrheit nicht anerkennen will, sich vom bürgerlichen Liberalismus am Gängelband führen lässt.

Die Klassennatur der Kadetten kommt immer deutlicher zum Vorschein: wer es 1906 nicht sehen wollte, den werden die Tatsachen zwingen, es heute einzusehen oder aber ganz und gar zum Opportunismus abzugleiten.

1 Am 9. April (27. März) 1908 interpellierten die Oktobristen die Regierung über die gesetzwidrigen Handlungen des Generals Dumbadse in Jalta. In der gleichen Sitzung wurde mitgeteilt: „Die Interpellation ist nicht als dringlich gemeldet und wird daher der Interpellationskommission überwiesen". Die vom General Dumbadse der Kommission eingesandten Erklärungen wurden von ihr als unbefriedigend erklärt, und sie beantragte daher „Annahme der Interpellation", aber das Duma-Präsidium schob die Angelegenheit auf die lange Bank, so dass sie in der III. Duma nicht mehr zur Behandlung kam. Auf diesem Boden kam es zwischen Oktobristen und Rechten zu Reibereien.

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