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Wladimir I. Lenin 19180800 Genossen, Arbeiter! Auf in den letzten entscheidenden Kampf!

Wladimir I. Lenin: Genossen, Arbeiter!

Auf in den letzten entscheidenden Kampf!

[Geschrieben in der ersten Augusthälfte 1918. Zum ersten Mal veröffentlicht 1925 in einer Sonderausgabe des Lenin-Instituts. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 261-265]

Die Sowjetrepublik ist von Feinden umringt. Aber sie wird sowohl die äußeren als auch die inneren Feinde besiegen. Schon ist unter den Arbeitermassen der Aufschwung sichtbar, der den Sieg sichert. Schon sieht man die Funken und die Ausbrüche der revolutionären Feuersbrunst in Westeuropa häufiger werden, die uns die Überzeugung von dem nicht mehr fernen Sieg der internationalen Arbeiterrevolution geben.

Der äußere Feind der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik, das ist im gegenwärtigen Augenblick der englisch-französische und der japanisch-amerikanische Imperialismus. Dieser Feind greift gegenwärtig Russland an, er raubt uns unser Land, er hat Archangelsk besetzt und ist (wenn man den französischen Zeitungen glauben soll) von Wladiwostok bis Nikolsk-Ussurijsk vorgedrungen. Dieser Feind hat die Generale und Offiziere des tschechoslowakischen Korps bestochen. Dieser Feind geht gegen das friedliche Russland ebenso brutal und räuberisch vor, wie die Deutschen im Februar vorgingen, jedoch mit dem Unterschied, dass es die Engländer und Japaner darauf abgesehen haben, nicht nur russisches Land an sich zu reißen und auszuplündern, sondern auch die Sowjetmacht zu stürzen, um „die Front wiederherzustellen", d. h. um Russland wieder in den imperialistischen (einfacher gesagt: den räuberischen) Krieg Englands gegen Deutschland hineinzuziehen.

Die englischen und japanischen Kapitalisten wollen die Macht der Gutsbesitzer und Kapitalisten in Russland wiederherstellen, um gemeinsam die im Kriege zusammengeraubte Beute zu teilen, um die russischen Arbeiter und Bauern zu Sklaven des englischen und fianzösischen Kapitals zu machen, um aus ihnen die Zinsen für ilie Milliardenanleihen herauszupressen, um den Brand der sozialistischen Revolution zu löschen, der bei uns ausgebrochen ist und immer mehr auf die ganze Welt überzugreifen droht.

Die Kräfte der Bestien des englischen und japanischen Imperialismus werden nicht ausreichen, um Russland zu besetzen und es sich zu unterwerfen. Selbst die Kräfte des uns benachbarten Deutschland reichen dazu nicht aus, wie seine „Erfahrung" mit der Ukraine bewiesen hat. Die Engländer und Japaner rechneten damit, uns zu überrumpeln. Das ist ihnen nicht gelungen. Die Arbeiter Petrograds, dann Moskaus und nach Moskau auch des ganzen zentralen Industriegebietes erheben sich immer geschlossener, immer energischer, in immer größeren Massen, immer begeisterter. Das ist die Bürgschaft unseres Sieges.

Die englischen und japanischen kapitalistischen Räuber rechnen bei ihrem Feldzug gegen das friedliche Russland außerdem auf ihr Bündnis mit dem inneren Feind der Sowjetmacht. Wir wissen wohl, wer dieser innere Feind ist. Das sind die Kapitalisten, die Gutsbesitzer, die Kulaken und ihre Söhnchen, die voller Hass sind gegen die Staatsmacht der Arbeiter und werktätigen Bauern, der Bauern, die nicht das Blut ihrer Dorfgenossen aussaugen.

Eine Welle von Kulakenaufständen breitet sich über Russland aus. Der Kulak hasst die Sowjetmacht wütend und ist bereit, Hunderttausende von Arbeitern zu erdrosseln, niederzumetzeln. Gelänge es den Kulaken zu siegen, so würden sie, das wissen wir ausgezeichnet, hunderttausende Arbeiter erbarmungslos niedermachen, ein Bündnis mit den Gutsbesitzern und Kapitalisten eingehen, für die Arbeiter wieder ein Zuchthausleben schaffen, den Achtstundentag aufheben, die Betriebe wiederum unter das kapitalistische Joch bringen.

So war es in allen früheren europäischen Revolutionen, wenn es den Kulaken infolge der Schwäche der Arbeiter gelang, von der Republik wieder zur Monarchie, von der Macht der Werktätigen zur Allmacht der Ausbeuter, der Reichen, der Schmarotzer zurückzukommen. So geschah es vor unseren Augen in Lettland, in Finnland, in der Ukraine, in Georgien. Überall verband sich das gierige, vollgefressene, entmenschte Kulakentum mit den Gutsbesitzern und den Kapitalisten gegen die Arbeiter und gegen die Armen überhaupt. Überall ging das Kulakentum mit unerhörter Mordlust gegen die Arbeiterklasse vor. Überall schloss es ein Bündnis mit ausländischen Kapitalisten gegen die Arbeiter des eigenen Landes. So verfuhren und so verfahren die Kadetten, die rechten Sozialrevolutionäre, die Menschewiki; es genügt, sich ihre Heldentaten in der „Tschechoslowakei" ins Gedächtnis zurückzurufen. So handeln aus äußerster Dummheit und Charakterlosigkeit auch die linken Sozialrevolutionäre, die durch ihren Moskauer Aufstand den Weißgardisten in Jaroslawl, den Tschechoslowaken und den Weißen in Kasan Hilfe erwiesen haben. Nicht umsonst ernteten diese linken Sozialrevolutionäre das Lob Kerenskis und seiner Freunde, der französischen Imperialisten.

Keinerlei Zweifel sind hier möglich. Die Kulaken sind erbitterte Feinde der Sowjetmacht. Entweder werden die Kulaken unendlich viele Arbeiter hinschlachten, oder die Arbeiter werden die Aufstände der räuberischen kulakischen Minderheit des Volkes gegen die Staatsmacht der Werktätigen erbarmungslos niederschlagen. Einen Mittelweg kann es hier nicht geben. Frieden kann es nicht geben: es ist möglich, sogar leicht möglich, den Kulaken mit dem Gutsbesitzer, dem Zaren und dem Popen zu versöhnen, selbst wenn sie sich einmal miteinander überworfen haben, aber zwischen dem Kulaken und der Arbeiterklasse kann es niemals eine Aussöhnung geben.

Und darum nennen wir den Kampf gegen die Kulaken den letzten, entscheidenden Kampf. Das bedeutet nicht, dass es nicht noch häufig Kulakenaufstände oder Feldzüge des fremdländischen Kapitalismus gegen die Sowjetmacht geben kann. Das Wort „letzter" Kampf bedeutet, dass die letzte und zahlreichste der Ausbeuterklassen unseres Landes sich gegen uns erhoben hat.

Die Kulaken sind die vertiertesten, rohesten, brutalsten Ausbeuter, die in der Geschichte anderer Länder mehr als einmal die Macht der Gutsbesitzer, der Könige, Pfaffen und Kapitalisten wiederhergestellt haben. Kulaken gibt es mehr als Gutsbesitzer und Kapitalisten. Aber dennoch sind die Kulaken nur eine Minderheit im Volk.

Nehmen wir an, dass es bei uns in Russland etwa 15 Millionen Ackerbau treibender Bauernfamilien gibt, wobei das frühere Russland gemeint ist, bevor die Räuber ihm die Ukraine und andere Gebiete entrissen hatten. Von diesen 15 Millionen sind sicherlich gegen 10 Millionen arme Bauern, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, oder die sich als Knechte den reichen Bauern verdingen, oder die keine Getreideüberschüsse besitzen und durch die Lasten des Krieges besonders ruiniert worden sind. Etwa 3 Millionen muss man auf die Mittelbauernschaft rechnen, und wohl kaum mehr als 2 Millionen sind Kulaken, Reiche, Getreidespekulanten. Diese Blutsauger haben sich während des Krieges an der Not des Volkes bereichert, sie haben tausende und hunderttausende Rubel zusammengerafft, indem sie die Preise für Getreide und andere Produkte hinaufschraubten. Diese Spinnen mästeten sich auf Kosten der durch den Krieg ruinierten Bauern, auf Kosten der hungernden Arbeiter. Diese Blutegel saugten das Blut der Werktätigen und wurden um so reicher, je mehr der Arbeiter in den Städten und Fabriken hungerte. Diese Vampire brachten und bringen den Boden der Gutsbesitzer an sich, sie zwingen die armen Bauern immer und immer wieder in Schuldknechtschaft.

Erbarmungsloser Krieg gegen diese Kulaken! Tod ihnen! Hass und Verachtung den sie verteidigenden Parteien: den rechten Sozialrevolutionären, den Menschewiki und den heutigen linken Sozialrevolutionären! Mit eiserner Faust müssen die Arbeiter die Aufstände der Kulaken niederschlagen, die mit fremdländischen Kapitalisten gegen die Werktätigen ihres Landes ein Bündnis schließen.

Die Kulaken machen sich die Unwissenheit, die Vereinzelung, die Zersplitterung der Dorfarmut zunutze. Sie hetzen sie gegen die Arbeiter auf, bestechen sie manchmal dadurch, dass sie ihr die Möglichkeit geben, an der Getreidespekulation einen Hunderter zu „verdienen" (und gleichzeitig plündern sie diese Armen um viele Tausende aus). Die Kulaken bemühen sich, den Mittelbauern auf ihre Seite zu ziehen, und manchmal gelingt ihnen das auch.

Doch die Arbeiterklasse ist absolut nicht verpflichtet, mit dem Mittelbauern auseinanderzugehen. Die Arbeiterklasse kann sich nicht mit dem Kulaken aussöhnen, aber mit dem Mittelbauern kann sie Verständigung suchen, und sucht sie auch. Die Arbeiterregierung, d. h. die bolschewistische Regierung, hat das durch Taten und nicht durch bloße Worte bewiesen.

Wir haben es dadurch bewiesen, dass wir das Gesetz über die „Sozialisierung des Grund und Bodens" angenommen haben und es streng durchführen; dieses Gesetz enthält viele Zugeständnisse an die Interessen und Auffassungen des Mittelbauern.

Wir haben es dadurch bewiesen, dass wir (in diesen Tagen) die Getreidepreise verdreifachten, denn wir erkennen vollkommen an, dass der Verdienst des Mittelbauern häufig den gegenwärtigen Preisen der Industrieprodukte nicht entspricht und erhöht werden muss.

Jeder klassenbewusste Arbeiter wird das dem Mittelbauern erklären und wird ihm geduldig, beharrlich immer und immer wieder beweisen, dass der Sozialismus für den Mittelbauern unendlich vorteilhafter ist als die Macht der Zaren, der Gutsbesitzer und der Kapitalisten.

Die Arbeitermacht hat dem Mittelbauern niemals Unrecht getan und wird ihm auch nie Unrecht tun. Die Macht der Zaren, der Gutsbesitzer, der Kapitalisten, der Kulaken hingegen hat dem Mittelbauern nicht nur stets Unrecht getan, sondern ihn in allen Ländern ohne jede Ausnahme, auch in Russland, direkt gewürgt, ausgeplündert und ruiniert.

Engstes Bündnis und völlige Verschmelzung mit der Dorfarmut; Zugeständnisse an den Mittelbauern und Verständigung mit ihm; erbarmungslose Niederhaltung der Kulaken, dieser Blutsauger und Vampire, dieser Volksausplünderer, dieser Spekulanten, die sich am Hunger bereichern – das ist das Programm des klassenbewussten Arbeiters. Das ist die Politik der Arbeiterklasse.

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