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Wladimir I. Lenin 19180830 Rede in einer Versammlung im früheren Michelson-Werk

Wladimir I. Lenin: Rede in einer Versammlung im früheren

Michelson-Werk

30. August 1918. Kurzer Zeitungsbericht

[„Iswestija" Nr. 188 (452). 1. September 1918. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 258-260]

Uns Bolschewiki macht man ständig den Vorwurf, wir wichen von den Parolen der Gleichheit und Brüderlichkeit ab. Wir wollen uns darüber klipp und klar aussprechen.

Welche Regierung löste die zaristische Herrschaft ab? Die Regierung Gutschkow-Miljukow, die daran ging, in Russland eine Konstituierende Versammlung einzuberufen. Was verbarg sich aber in Wirklichkeit hinter dieser Arbeit an Nützlichem für das vom tausendjährigen Joch befreite Volk? Hinter Gutschkow und den sonstigen Menschenfreunden sammelte sich ein Rudel von Kapitalisten, die ihre imperialistischen Ziele verfolgten. Und als dann die Kumpanei der Kerenski, Tschernow und anderer ans Ruder gekommen war, da hatte diese schwankende und jeder Basis bare Regierung keine andere Sorge als die für die ureigensten Interessen der ihr nahestehenden Bourgeoisie. Die Macht, die den werktätigen Massen absolut nichts gab, ging faktisch in die Hände der Kulaken über. Das gleiche sehen wir auch in anderen Ländern. Nehmen wir Amerika, das freieste und zivilisierteste Land. Dort besteht eine demokratische Republik. Und was zeigt sich da? Frech herrscht ein Häuflein nicht etwa von Millionären, sondern von Milliardären, das ganze Volk jedoch befindet sich in Sklaverei und Unfreiheit. Wenn die Fabriken, Werke, Banken und alle Reichtümer des Landes den Kapitalisten gehören, und wenn wir unter der demokratischen Republik Millionen von Werktätigen in leibeigener Knechtschaft und hoffnungslosem Elend sehen, so müssen wir fragen: wo ist da eure viel gerühmte Gleichheit und Brüderlichkeit?

Nein! Dort, wo Demokraten herrschen, – dort herrscht unverhüllter, echter Raub. Wir kennen die wahre Natur der sogenannten Demokratien.

Die Geheimverträge der französischen Republik, Englands und sonstiger Demokratien haben uns handgreiflich Wesen und Hintergrund der ganzen Sache gezeigt. Die Ziele und Interessen sind ebenso verbrecherisch und räuberisch wie diejenigen Deutschlands. Der Krieg hat uns die Augen geöffnet, und wir sehen klar, wie sich die Vaterlandsverteidiger als unverschämte Räuber und Plünderer entpuppen. Diesem Vorstoß der Räuber muss die revolutionäre Aktion, die revolutionäre schöpferische Arbeit entgegengestellt werden. Gewiss, es ist sehr schwer, in einer so außergewöhnlichen Zeit den Zusammenschluss insbesondere der bäuerlichen revolutionären Elemente durchzuführen, aber wir glauben an die schöpferische Kraft und an den sozialen Elan der Avantgarde der Revolution, – des Industrieproletariats. Haben doch die Arbeiter ausgezeichnet begriffen: solange in den Köpfen das Blendwerk der demokratischen Republik und der Konstituierenden Versammlung lebendig ist, werden nach wie vor täglich 50 Millionen Rubel für Kriegszwecke, die für sie verhängnisvoll sind, ausgegeben, werden sie niemals einen Ausweg aus der kapitalistischen Unterdrückung erblicken. Als sie das begriffen hatten, haben sie ihre Sowjets geschaffen.

Genau so hat das reale, praktische Leben die Arbeiter verstehen gelehrt, dass die Versammlungsfreiheit eine Fiktion ist und nur die Freiheit bedeutet, sich etwa im Jenseits zu versammeln, solange die Gutsbesitzer sich in den Palästen und wunderbaren Schlössern herrlich eingerichtet haben. Ihr müsst zugeben, dass es eigentlich nicht nach Freiheit und Gleichheit riecht, wenn den Arbeitern die Freiheit versprochen wird und gleichzeitig die Paläste, der Grund und Boden, die Fabriken und alle Reichtümer in den Händen der Kapitalisten und Gutsbesitzer verbleiben. Wir jedoch haben nur eine Losung, nur eine Parole: Jeder, der arbeitet, hat das Recht, die Güter des Lebens zu genießen. Den Müßiggängern und Parasiten, die dem werktätigen Volke das Blut aussaugen, müssen diese Güter entzogen sein. Und wir proklamieren: Alles den Arbeitern, alles den Werktätigen!

Wir wissen, wie schwer das alles durchzuführen ist, wir kennen den erbitterten Widerstand der Bourgeoisie, doch glauben wir an den Endsieg des Proletariats, denn nachdem es einmal vermocht hat, aus den ungeheuerlichen Nöten des imperialistischen Kriegsschreckens herauszukommen und auf den Trümmern des von ihm zerstörten Gebäudes das Gebäude der sozialistischen Revolution zu errichten, muss es unbedingt siegen.

Und tatsächlich geht auch überall der Zusammenschluss der Kräfte vor sich. Dank der von uns durchgeführten Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden vollzieht sich jetzt eine lebendige Vereinigung des Proletariats von Stadt und Land. Die Klärung des Klassenbewusstseins der Arbeiter tritt auch im Westen immer deutlicher in Erscheinung. Die Arbeiter Englands, Frankreichs, Italiens und anderer Länder treten immer häufiger mit Aufrufen und Forderungen hervor, die vom nahen Triumph der Sache der Weltrevolution zeugen. Und unsere Tagesaufgabe ist: unter Missachtung des ganzen heuchlerischen und unverschämten Geschreis und Gezeters der räuberischen Bourgeoisie unsere revolutionäre Arbeit zu leisten. Wir müssen alles an die tschechoslowakische Front werfen, um diese ganze Bande zu zermalmen, die sich hinter Losungen von Freiheit und Gleichheit versteckt und dabei die Arbeiter und Bauern zu Hunderten und Tausenden erschießt.

Wir haben nur einen Ausweg: Sieg oder Tod!

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