Lenin‎ > ‎1920‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19201222 Bericht über die Tätigkeit des Rates der Volkskommissare

Wladimir I. Lenin: Bericht über die Tätigkeit des Rates der Volkskommissare

22. Dezember

[Veröffentlicht in dem Buch: „VIII. Allrussischer Kongress der Sowjets der Arbeiter-, Bauern-, Rotarmisten- und Kosakendeputierten. Stenographischer Bericht“.’Staatsverlag 1921. Nach Sämtliche Werke, Band 26, Moskau 1940, S. 27-60]

Genossen! Ich soll einen Bericht über die Außen- und Innenpolitik der Regierung erstatten. Die Aufgabe meines Berichtes fasse ich nicht so auf, dass ich euch die Gesetzentwürfe und Maßnahmen der Arbeiter- und Bauernmacht, und seien es auch nur die größten und bedeutendsten, aufzähle. Ich glaube, es wäre für euch auch nicht von Interesse und hätte keine wesentliche Bedeutung, wenn ich die Ereignisse dieser Zeit schildern wollte. Mir scheint, man solle versuchen, die wichtigsten Lehren zu verallgemeinern, die wir im Laufe dieses Jahres erhalten haben – eines Jahres, das an jähen Wendungen in der Politik nicht weniger reich war als die früheren Revolutionsjahre –, und aus der Verallgemeinerung der Lehren der Erfahrungen dieses Jahres die dringendsten politischen und wirtschaftlichen Aufgaben abzuleiten. Es sind die Aufgaben, vor denen wir stehen und auf die die Sowjetmacht sowohl durch ihre Gesetzentwürfe, die euch zur Beratung und Bestätigung vorgelegt sind, als auch durch ihre gesamten Maßnahmen jetzt die meisten Hoffnungen setzt, Aufgaben, denen sie die größte Bedeutung beilegt und von deren Durchführung sie ernsthafte Erfolge für unseren wirtschaftlichen Aufbau erwartet. Erlaubt mir deshalb, mich lediglich auf kurze Bemerkungen über die internationale Lage der Republik und die Hauptergebnisse des vergangenen Jahres auf dem Gebiet der Außenpolitik zu beschränken.

Ihr alle wisst natürlich, wie die polnischen Gutsbesitzer und Kapitalisten unter dem Druck und dem Drängen der kapitalistischen Länder Westeuropas, und nicht nur Westeuropas allein, uns den Krieg aufzwangen. Ihr wisst, dass wir im April dieses Jahres der polnischen Regierung den Frieden unter Bedingungen anboten, die für sie unvergleichlich vorteilhafter waren als die jetzigen, und dass wir nur unter dem Druck der äußersten Notwendigkeit, nach dem völligen Scheitern unserer Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Polen, uns gezwungen sahen, einen Krieg zu führen, der trotz der außerordentlich schweren Niederlage, die unsere Truppen bei Warschau infolge ihrer unzweifelhaften Übermüdung durch den Krieg erlitten, für uns dennoch mit einem Frieden endete, der vorteilhafter ist als der, den wir Polen im April angeboten hatten. Der Vorfrieden mit Polen ist unterzeichnet, und jetzt finden Verhandlungen über die Unterzeichnung des endgültigen Friedens statt. Wir verschließen uns keineswegs der Gefahr, die in dem Druck einiger der hartnäckigsten kapitalistischen Länder sowie in dem Druck bestimmter Kreise der russischen Weißgardisten liegt, die zu verhindern suchen, dass diese Verhandlungen mit einem Frieden enden. Aber wir müssen sagen, dass die Politik der Entente, die auf die militärische Einmischung und die militärische Unterdrückung der Sowjetmacht gerichtet ist, immer mehr und mehr zusammenbricht und dass wir eine immer größere Anzahl von Staaten, die zweifellos einen sowjetfeindlichen Standpunkt einnehmen, für unsere Friedenspolitik gewinnen. Die Zahl der Staaten, die Friedensverträge unterzeichnet haben, vergrößert sich, und es ist sehr wahrscheinlich, dass der endgültige Friedensvertrag mit Polen in der allernächsten Zeit unterzeichnet wird. Auf diese Weise wird dem Bund der kapitalistischen Kräfte, die uns die Macht mit militärischen Mitteln zu entreißen suchen, ein weiterer sehr ernster Schlag versetzt werden.

Genossen! Ihr wisst natürlich auch, dass unsere zeitweiligen Misserfolge im Kriege mit Polen und unsere schwere Lage in einigen Momenten des Krieges dadurch bedingt waren, dass wir gegen Wrangel kämpfen mussten, der von einem imperialistischen Staat offiziell anerkannt war und gewaltige materielle, militärische und andere Hilfe erhielt. So mussten wir, um den Krieg so rasch wie möglich zu beenden, zu einer schnellen Konzentration der Truppen unsere Zuflucht nehmen, um Wrangel einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Ihr wisst natürlich, welch außergewöhnlichen Heldenmut die Rote Armee an den Tag legte, sie überrannte Hindernisse und Befestigungen, die sogar Militärfachleute und -autoritäten für uneinnehmbar gehalten hatten. Eines der glänzendsten Kapitel in der Geschichte der Roten Armee ist der völlige, entscheidende und bewunderungswürdig schnelle Sieg, den wir über Wrangel errungen haben. Auf diese Weise ist der uns von den Weißgardisten und Imperialisten aufgezwungene Krieg beendet worden.

Wir können jetzt mit viel größerer Zuversicht und Festigkeit an das uns naheliegende, dringliche und uns schon seit langem lockende Werk des wirtschaftlichen Aufbaus gehen, mit der Gewissheit, dass es den kapitalistischen Herrschaften nicht gelingen wird, diese Arbeit so leicht wie früher zu durchkreuzen. Selbstverständlich müssen wir aber auf der Hut sein. Wir können auf keinen Fall sagen, dass wir gegen den Krieg schon eine Garantie besäßen. Und dieses Fehlen einer Garantie besteht keineswegs darin, dass wir noch keine Friedensverträge in aller Form haben. Wir wissen wohl, dass die Reste der Wrangelarmee nicht vernichtet sind, sondern in nicht sehr weiter Entfernung versteckt gehalten werden, dass sie unter Obhut und Schutz der kapitalistischen Mächte stehen und mit deren Hilfe wiederhergestellt werden, dass die russischen weißgardistischen Organisationen angestrengt daran arbeiten, von neuem diese oder jene Truppenteile zu bilden und im geeigneten Augenblick sie zusammen mit den Kräften, über die Wrangel verfügt, für einen neuen Ansturm gegen Russland bereitzustellen.

Darum müssen wir auf jeden Fall unsere militärische Bereitschaft bewahren. Ohne uns auf die dem Imperialismus bereits versetzten Schläge zu verlassen, müssen wir unsere Rote Armee um jeden Preis in ihrer ganzen Kampfbereitschaft.erhalten und ihre Kampffähigkeit steigern. Das hindert natürlich nicht, einen gewissen Teil der Armee frei zu machen und rasch zu demobilisieren. Wir rechnen darauf, dass die gewaltige Erfahrung, die die Rote Armee und ihre Führer während des Krieges erworben haben, uns helfen wird, jetzt die Leistungsfähigkeit der Roten Armee zu heben. Und wir werden erreichen, dass wir bei der Verminderung der Armee einen Kern behalten, dessen Unterhalt keine übermäßige Bürde für die Republik sein wird. Gleichzeitig werden wir bei einer zahlenmäßig geringeren Stärke der Armee besser als vorher die Möglichkeit sichern, im Notfall abermals eine noch größere Streitmacht auf die Beine zu bringen und zu mobilisieren.

Und wir sind überzeugt, dass alle Nachbarstaaten, die infolge ihrer Unterstützung der weißgardistischen Verschwörungen gegen uns schon viel verloren haben, die unzweideutige Lehre der Erfahrung zur Genüge in Rechnung gestellt und unsere Versöhnlichkeit, die von allen als unsere Schwäche ausgelegt wurde, richtig eingeschätzt haben. Sie mussten sich nach den Erfahrungen der drei Jahre davon überzeugen, dass wir, wenn wir den festesten Friedenswillen kundtun, gleichzeitig militärisch bereit sind. Und jeder Versuch eines Krieges gegen uns wird für die Staaten, die sich in einen solchen Krieg einlassen, eine Verschlechterung der Bedingungen bedeuten, die sie ohne Krieg und vor dem Kriege haben können im Vergleich mit denen, die sie als Ergebnis des Krieges und nach dem Krieg bekommen würden. Das ist in Bezug auf mehrere Staaten bewiesen worden. Und das ist unsere Errungenschaft, auf die wir nicht verzichten werden und die keine einzige der uns umgebenden oder in politischen Kontakt mit Russland stehenden Mächte vergessen wird. Dank dieser Tatsache verbessern sich beständig unsere Beziehungen zu den Nachbarstaaten. Ihr wisst, dass der Friede endgültig unterzeichnet ist mit einer ganzen Reihe von Staaten an der Westgrenze Russlands, die zum ehemaligen Russischen Reich gehörten und die von der Sowjetmacht, entsprechend den Grundprinzipien unserer Politik, die vorbehaltlose Anerkennung ihrer Unabhängigkeit, ihrer Souveränität erhalten haben. Ein Friede auf diesen Grundlagen hat alle Aussichten, von größerer Dauerhaftigkeit zu sein, als es die Kapitalisten und manche westeuropäische Staaten möchten.

Über die lettländische Regierung muss ich sagen, dass uns eine Zeitlang gewissermaßen eine Verschlechterung der Beziehungen drohte, die sogar den Gedanken eines Abbruchs der diplomatischen Beziehungen aufkommen ließ. Aber gerade der letzte Bericht unseres Vertreters in Lettland weist darauf hin, dass bereits eine Änderung der Politik eingetreten ist, dass viele Missverständnisse und berechtigte Anlässe zur Unzufriedenheit beseitigt sind. Es besteht die ernste Hoffnung, dass wir in der nächsten Zeit enge wirtschaftliche Beziehungen zu Lettland haben werden, das für den Warenaustausch mit Westeuropa für uns begreiflicherweise noch nützlicher sein wird, als es Estland und andere an die RSFSR grenzende Staaten sind.

Ich muss ferner vermerken, Genossen, dass unsere Politik im Osten in diesem Jahr große Erfolge erzielt hat. Wir müssen die Bildung und Festigung der Sowjetrepubliken Buchara, Aserbaidschan und Armenien begrüßen, die nicht nur ihre völlige Unabhängigkeit wiederhergestellt, sondern auch die Macht in die Hände der Arbeiter und Bauern gelegt haben. Diese Republiken sind ein Beweis und eine Bestätigung dafür, dass die Ideen und Prinzipien der Sowjetmacht verständlich und unverzüglich durchführbar sind nicht nur in Ländern, die industriell entwickelt sind, nicht nur in Ländern mit einer sozialen Stütze wie das Proletariat, sondern auch mit einer Basis wie. die Bauernschaft. Die Idee der Bauernräte hat gesiegt. Die Macht in den Händen der Bauern ist gesichert; in ihren Händen befindet sich der Grund und Boden, befinden sich die Produktionsmittel. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den bäuerlichen Sowjetrepubliken und der Sozialistischen Republik Russland sind bereits durch die praktischen Ergebnisse unserer Politik verankert worden.

Wir können auch die bevorstehende Unterzeichnung des Vertrages mit Persien begrüßen; die freundschaftlichen Beziehungen zu Persien sind dadurch gesichert, dass die Lebensinteressen aller Völker, die unter dem Joch des Imperialismus schmachten, miteinander übereinstimmen.

Wir müssen auch vermerken, dass unsere freundschaftlichen Beziehungen zu Afghanistan und noch mehr zur Türkei immer mehr in Ordnung kommen und sich festigen. Gegenüber der Türkei haben die Ententestaaten ihrerseits alles getan, um halbwegs normale Beziehungen zwischen der Türkei und den westeuropäischen Ländern unmöglich zu machen. Dieser Umstand, in Verbindung mit der Festigung der Sowjetmacht, gewährleistet mehr und mehr, dass trotz allem Gegenwirken und aller Intrigen der Bourgeoisie, trotzdem rings um Russland bürgerliche Staaten erhalten geblieben sind, das Bündnis und die freundschaftlichen Beziehungen Russlands zu den unterdrückten östlichen Nationen gestärkt werden, denn die wichtigste Tatsache in der gesamten Politik ist die imperialistische Gewaltpolitik gegenüber den Völkern, die nicht das Glück hatten, unter die Siegerstaaten zu geraten, und diese Weltpolitik des Imperialismus ruft die Annäherung, das Bündnis, die Freundschaft aller unterdrückten Völker hervor. Und der Erfolg, den wir in dieser Beziehung auch im Westen in Bezug auf Staaten errungen haben, die europäisierter sind als wir, zeigt, dass die gegenwärtigen Grundlagen unserer Außenpolitik richtig sind und dass die Besserung unserer internationalen Lage eine feste Basis hat. Wir sind überzeugt, dass bei der Fortsetzung unserer Politik der Friedensliebe, bei Zugeständnissen, die wir machen werden (und wir müssen sie machen, um einen Krieg zu vermeiden), trotz aller Intrigen und Pläne der Imperialisten, die natürlich stets imstande sind, diesen oder jenen Staat gegen uns aufzubringen, – dass trotz alledem die Grundlinie unserer Politik und die Hauptinteressen, die sich aus dem eigentlichen Wesen der imperialistischen Politik ergeben, das ihre tun und immer mehr und mehr die RSFSR veranlassen, sich mit einer wachsenden Zahl von Nachbarstaaten enger zu verbünden. Und das ist eine Bürgschaft dafür, dass wir uns dem Werk des wirtschaftlichen Aufbaus werden gründlich widmen können und imstande sein werden, ruhig, fest und zuversichtlich eine längere Zeit hindurch zu arbeiten.

Ich muss auch sagen, dass gegenwärtig Verhandlungen mit England über die Unterzeichnung eines Handelsabkommens gepflogen werden. Leider ziehen sich diese Verhandlungen viel mehr in die Länge, als wir es möchten, aber uns trifft absolut keine Schuld dafür. Noch im Juli, als die englische Regierung zur Zeit der größten Erfolge der Sowjettruppen uns offiziell den Text eines Abkommens vorlegte, das die Möglichkeit von Handelsbeziehungen sicherstellte, gaben war unser volles Einverständnis, aber unterdessen hat der Kampf der Richtungen innerhalb der englischen Regierung und des englischen Staates diese Sache gebremst. Wir sehen Schwankungen der englischen Regierung, vernehmen Drohungen, alle Beziehungen zu uns abzubrechen und die Flotte unverzüglich nach Petersburg auslaufen zu lassen. Wir haben das gesehen, aber wir haben gleichzeitig auch gesehen, wie sich ganz England als Antwort auf diese Drohung mit einem Netz von „Aktionsausschüssen“ bedeckte. Wir haben gesehen, wie die extremsten Anhänger der opportunistischen Richtung und ihre Führer unter dem Druck der Arbeiter den Weg einer ganz „unkonstitutionellen“ Politik einschlagen mussten, die sie selbst gestern noch verurteilten. Es stellte sich heraus, dass der Druck der arbeitenden Massen trotz aller menschewistischen Vorurteile, die bisher in der englischen Gewerkschaftsbewegung geherrscht hatten, sich so stark geltend machte, dass er der Kriegspolitik der Imperialisten die Spitze abbrach. Und nun stehen wir, an unserer Friedenspolitik festhaltend, auf dem Boden jenes Juli-Entwurfes, den die englische Regierung vorgeschlagen hat. Wir sind bereit, das Handelsabkommen sofort zu unterzeichnen; wenn es bisher nicht unterzeichnet ist, so liegt die Schuld ausschließlich bei jenen Strömungen und Tendenzen in den englischen herrschenden Kreisen, die das Handelsabkommen zum Scheitern bringen wollen, die nicht nur gegen den Willen der Mehrheit der Arbeiter, sondern sogar gegen den Willen der Mehrheit der englischen Bourgeoisie noch einmal die Möglichkeit erlangen wollen, mit nichtgebundenen Händen einen Überfall auf Sowjetrussland zu unternehmen. Das ist ihre Sache.

Je länger diese Politik in gewissen einflussreichen Kreisen Englands, in den Kreisen des Finanzkapitals und der Imperialisten, fortgesetzt wird, desto mehr verschärft sie die finanzielle Lage, desto mehr schiebt sie die halbe Verständigung hinaus, die jetzt zwischen dem bürgerlichen England und der Sowjetrepublik notwendig ist, desto mehr führt sie die Imperialisten dazu, dass sie später nicht eine halbe, sondern eine ganze Verständigung werden akzeptieren müssen.

Genossen, ich muss sagen, dass im Zusammenhang mit diesem Handelsabkommen mit England eine Frage auftaucht, die eine der bedeutendsten Fragen unserer Wirtschaftspolitik ist: die Frage der Konzessionen. Zu den wichtigsten Gesetzen, die von der Sowjetmacht in der Berichtsperiode erlassen worden sind, gehört das Gesetz vom 23. November dieses Jahres über die Konzessionen. Ihr alle kennt natürlich den Wortlaut dieses Gesetzes. Ihr alle wisst, dass wir jetzt ergänzendes Material veröffentlicht haben, das alle Delegierten des Sowjetkongresses über diese Frage aufs Eingehendste unterrichten soll. Wir haben in einer besonderen Broschüre nicht nur den Text dieses Dekrets, sondern auch eine Liste der wichtigsten Konzessionsobjekte – Lebensmittel-, Wald- und Bergbaukonzessionen – veröffentlicht. Wir haben Maßnahmen ergriffen, damit der Wortlaut dieses Dekrets möglichst schnell in den westeuropäischen Staaten veröffentlicht werde, und wir hoffen, dass unsere Politik der Konzessionen auch nach ihrer praktischen Seite hin Erfolg haben wird. Wir verhehlen uns keineswegs die Gefahren, die mit dieser Politik für die Sozialistische Sowjetrepublik, die noch dazu ein schwaches und rückständiges Land ist, verbunden sind. Solange unsere Sowjetrepublik ein alleinstehendes Randgebiet der ganzen kapitalistischen Welt bleibt, wäre es ganz lächerliche Phantastik und Utopisterei, an unsere völlige wirtschaftliche Unabhängigkeit und an das Verschwinden dieser oder jener Gefahren zu denken. Solange diese grundlegenden Gegensätze bestehen bleiben, bleiben natürlich auch die Gefahren bestehen, und man kann ihnen nicht entrinnen. Wir müssen bloß festen Boden unter den Füßen haben, um diese Gefahren zu überwinden, um zu verstellen, Gefahren von größerer Bedeutung und Gefahren von kleiner Bedeutung voneinander zu unterscheiden und die weniger bedeutenden den größeren vorzuziehen.

Unlängst wurde uns mitgeteilt, dass auf der Tagung der Sowjets des Kreises Arsamas, im Gouvernement Nischni-Nowgorod, ein parteiloser Bauer zur Frage der Konzessionen folgendes erklärte: „Genossen, wir schicken euch zum Allrussischen Kongress und erklären, dass wir Bauern bereit sind, noch drei Jahre zu hungern und zu frieren, Leistungspflichten zu erfüllen, verkauft nur nicht Mütterchen Russland als Konzession.“ Mit der größten Freude begrüße ich diese Stimmungen, die sehr, sehr weit verbreitet sind. Ich glaube, dass für uns gerade die Tatsache bezeichnend ist, dass unter den parteilosen werktätigen Massen, nicht nur unter den Arbeitern, sondern auch unter den Bauern, in den drei Jahren jene politische und wirtschaftliche Erfahrung herangereift ist, die es erlaubt und dazu zwingt, die Befreiung von den Kapitalisten über alles zu schätzen, die dazu zwingt, jeden Schritt, der die Möglichkeit neuer Gefahren im Sinne einer Wiederherstellung des Kapitalismus in sich birgt, mit dreifach geschärftem Blick und außerordentlichem Misstrauen zu verfolgen. Kein Zweifel, solchen Erklärungen schenken wir aufs Aufmerksamste Gehör, aber wir müssen sagen, dass von einem Verkaufen Russlands an die Kapitalisten keine Rede ist, dass es sich um Konzessionen handelt, wobei jeder Konzessionsvertrag für eine bestimmte Frist festgesetzt, durch ein bestimmtes Abkommen bedingt und mit allen Garantien versehen ist, die sorgfältig durchdacht sind, die mit euch auf diesem Kongress und auf allen künftigen Beratungen noch mehr als einmal durchdacht und besprochen werden sollen. Diese zeitweiligen Verträge sehen nicht aus wie Verkauf. Sie haben nichts gemein mit einem Verkaufen Russlands, aber sie sind ein gewisses ökonomisches Zugeständnis an die Kapitalisten, damit wir auf diese Weise die Möglichkeit bekommen, uns schnellstens die notwendigen Maschinen und Lokomotiven anzuschaffen, ohne die wir unsere Wirtschaft nicht wiederherstellen können. Wir haben nicht das Recht, etwas zu verschmähen, das geeignet wäre, auch nur einigermaßen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter und Bauern beizutragen.

Wir müssen ein Maximum dessen tun, was für eine rasche Wiederherstellung der Handelsbeziehungen möglich ist. Und die diesbezüglichen Verhandlungen spielen sich jetzt halblegal ab. Wir bestellen Lokomotiven und Maschinen in einer bei weitem nicht genügenden Anzahl, aber wir haben angefangen, sie zu bestellen. Wenn wir die Verhandlungen legal führen, dann werden wir diese Möglichkeiten in gewaltigem Umfang entwickeln. Mit Hilfe der Industrie werden wir vieles erreichen, und zwar in kürzerer Frist; aber sogar bei großen Erfolgen wird sich diese Frist auf Jahre, auf eine Reihe von Jahren erstrecken. Man darf eines nicht vergessen: wenn wir jetzt den militärischen Sieg davongetragen, Frieden bekommen haben, so lehrt uns anderseits die Geschichte, dass keine einzige große Frage, dass keine einzige Revolution anders entschieden worden ist als durch eine Reihe von Kriegen. Und diese Lehre werden wir nicht vergessen. Jetzt haben wir einer ganzen Reihe von mächtigen Staaten das Kriegführen gegen uns abgewöhnt, ob aber auf lange, dafür können wir nicht bürgen. Man muss darauf gefasst sein, dass sich die imperialistischen Räuber bei der geringsten Änderung der Lage abermals gegen uns wenden werden. Darauf muss man gefasst sein. Darum muss man vor allen Dingen die Wirtschaft wiederherstellen, sie auf feste Füße stellen. Ohne Ausrüstung, ohne Maschinen aus den kapitalistischen Ländern lässt sich das in kurzer Frist nicht erreichen. Und uns darf dabei nicht leid tun, dass die Kapitalisten Extraprofite einstecken – wenn wir nur die Wiederherstellung der Wirtschaft erreichen. Notwendig ist, dass die Arbeiter und Bauern von der gleichen Stimmung durchdrungen seien wie jene parteilosen Bauern, die da erklärten, dass sie keine Opfer und Entbehrungen scheuen. Da sie die Gefahr der kapitalistischen Einmischung erkennen, betrachten sie die Konzessionen nicht von einem sentimentalen Standpunkt aus, sondern sehen in ihnen eine Fortsetzung des Krieges, wobei der erbarmungslose Kampf lediglich auf ein anderes Gebiet verlegt wird; sie sehen die Möglichkeit neuer Versuche der Bourgeoisie, den alten Kapitalismus wiederherzustellen. Das ist ausgezeichnet, das gibt uns die Gewähr, dass die Überwachung und der Schutz unserer Interessen nicht allein Sache der Organe der Sowjetmacht, sondern Sache eines jeden Arbeiters und eines jeden Bauern sein wird. Und dann werden wir, davon sind wir überzeugt, imstande sein, den Schutz unserer Interessen sogar bei der Realisierung der Konzessionsverträge auf eine Grundlage zu stellen, auf der von einer Wiederkehr der Macht der Kapitalisten nicht einmal die Rede sein kann; und wir werden es erreichen, dass wir diese Gefahr auf ein Minimum herabsetzen, dass sie geringer wird als die Kriegsgefahr, dass das die Wiederaufnahme des Krieges erschwert und uns die Möglichkeit gibt, in kürzerer Frist, in weniger Jahren (es handelt sich um eine ziemlich lange Reihe von Jahren), unsere Wirtschaft wiederaufzubauen und zu entwickeln.

Genossen! Die wirtschaftlichen Aufgaben, die Wirtschaftsfront, erstehen vor uns jetzt immer wieder und wieder als das Wichtigste und Grundlegende. Als ich das Material zum Gesetzentwurf durchsah, über den ich euch Bericht zu erstatten habe, da überzeugte ich mich davon, dass die gewaltige Mehrzahl der Maßnahmen und Beschlüsse sowohl des Rates der Volkskommissare als auch des Rates für Landesverteidigung augenblicklich aus einzelnen, durchweg ganz geringfügigen Teilmaßnahmen besteht, die mit dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen. Ihr erwartet natürlich von mir nicht eine Aufzählung dieser Maßnahmen. Das wäre außerordentlich langweilig und ganz uninteressant. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir schon bei weitem nicht zum ersten Mal darauf zurückkommen, die Arbeitsfront in den Vordergrund zu rücken. Erinnern wir uns an die Resolution, die das Allrussische Zentralexekutivkomitee am 29. April 1918 angenommen hat. Das war die Zeit, da der uns aufgezwungene Brester Friede Russland wirtschaftlich zerschnitt und wir durch diesen unsagbar räuberischen Vertrag in eine außerordentlich schwere Lage gerieten. Damals zeigte sich die Möglichkeit, mit einer Atempause zu rechnen, die uns die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der friedlichen wirtschaftlichen Arbeit bot, und sofort – heute wissen wir freilich, dass die Atempause sehr kurzfristig war – richtete das Allrussische Zentralexekutivkomitee in seiner Resolution vom 29. April seine ganze Aufmerksamkeit auf diesen wirtschaftlichen Aufbau. Diese Resolution, die nicht aufgehoben worden ist und die für uns Gesetz bleibt, gibt uns eine richtige Perspektive zur Einschätzung dessen, wie wir diese Aufgaben in Angriff nahmen und worauf wir jetzt bei unserer Arbeit, bei ihrer Vollendung, am meisten das Augenmerk richten müssen.

Sieht man sich diese Resolution an, so wird klar, dass viele der Fragen, mit denen wir uns jetzt abgeben müssen, bereits im April 1918 ganz bestimmt, nachdrücklich und mit genügender Entschiedenheit gestellt worden sind. In Erinnerung dessen sagen wir: die Wiederholung ist die Mutter des Studiums. Wir lassen uns nicht dadurch beirren, dass wir jetzt die Grundwahrheiten des wirtschaftlichen Aufbaus wiederholen. Wir werden sie noch viele Male wiederholen, aber seht doch, was für ein Unterschied besteht zwischen der im Jahre 1918 erfolgten Proklamierung abstrakter Prinzipien und der wirtschaftlichen Arbeit, die schon praktisch in Angriff genommen worden ist. Und trotz der gigantischen Schwierigkeiten und der ständigen Störung unserer Arbeiten kommen wir immer näher und konkreter an die praktische Stellung der wirtschaftlichen Aufgaben heran. Wir werden uns noch sehr, sehr oft wiederholen. Ohne zahllose Wiederholungen, ohne ein gewisses Zurückkehren, ohne Prüfung, ohne einzelne Korrekturen, ohne neue Methoden, ohne Anspannung der Kräfte zur Überzeugung der Rückständigen und Unvorbereiteten kann man bei der Aufbauarbeit nicht auskommen.

Der ganze Kern des gegenwärtigen politischen Augenblicks besteht darin, dass wir gerade einen Umschwung, eine Übergangsperiode, eine gewisse Zickzackbewegung durchmachen, das heißt eine Periode, wo wir vom Krieg zum wirtschaftlichen Aufbau übergehen. Das kam auch früher vor, aber nicht in einem so großen Umfang. Das soll uns aber und abermals daran erinnern, welches die allgemeinen politischen Aufgaben der Sowjetmacht sind, worin die Eigenart dieses Überganges besteht. Die Diktatur des Proletariats war erfolgreich, weil sie es verstand, Zwang mit Überzeugung zu vereinen. Die Diktatur des Proletariats scheut nicht Zwang und schroffe, entschiedene, rücksichtslose Ausübung des staatlichen Zwanges, denn die fortgeschrittene Klasse, die durch den Kapitalismus am meisten unterdrückt wurde, hat das Recht, diesen Zwang anzuwenden, denn sie tut das im Namen der Interessen aller Werktätigen und Ausgebeuteten und besitzt Mittel des Zwanges und der Überzeugung, über die keine einzige der früheren Klassen verfügt hat, obwohl sie unvergleichlich mehr materielle Möglichkeiten der Propaganda und Agitation hatten als wir.

Stellt man die Frage nach dem Ergebnis unserer dreijährigen Erfahrung (denn es ist schwierig, in einigen Hauptpunkten die Ergebnisse eines Jahres zusammenzufassen), stellt man die Frage, wodurch schließlich unsere Siege über den Feind, der viel stärker war als wir, zu erklären seien, so muss man darauf antworten: dadurch, dass in der Organisation der Roten Armee die Folgerichtigkeit und Festigkeit der proletarischen Führung im Bündnis der Arbeiter und der werktätigen Bauernschaft gegen alle Ausbeuter glänzend verwirklicht wurde. Wie konnte das geschehen? Warum ist die gewaltige Masse der Bauernschaft so bereitwillig darauf eingegangen? Weil sie, die sich in ihrer erdrückenden Mehrheit aus parteilosen Bauern zusammensetzte, davon überzeugt war, dass es keine andere Rettung gibt als die Unterstützung der Sowjetmacht. Und sie gewann diese Überzeugung natürlich nicht aus Broschüren, nicht durch Propaganda, sondern durch die Erfahrung. Sie wurde überzeugt durch die Erfahrung des Bürgerkrieges, insbesondere durch das Bündnis unserer Menschewiki und Sozialrevolutionäre, das gewissen Grundzügen des bäuerlichen Kleinbetriebes verwandter ist. Die Erfahrung in Bezug auf das Bündnis dieser Parteien der kleinen Eigentümer mit den Gutsbesitzern und den Kapitalisten, aber auch die Erfahrung mit Koltschak und Denikin hat die Bauernmasse davon überzeugt, dass ein Mittelweg nicht möglich ist, dass die geradlinige Politik der Sowjetmacht richtig ist, dass die eiserne Führung des Proletariats das einzige Mittel ist, um den Bauer vor Ausbeutung und Gewaltmaßnahmen zu retten. Und nur weil wir die Bauern davon zu überzeugen vermochten, nur darum hat unsere Politik des Zwanges, die auf dieser festen und unbedingten Überzeugung beruhte, einen so riesigen Erfolg gehabt.

Gegenwärtig müssen wir dessen eingedenk sein, dass bei dem Übergang zur Arbeitsfront für uns sich dieselbe Aufgabe in einer neuen Situation, in größerem Maßstab ergibt; es ist die gleiche Aufgabe, vor der wir standen, als wir mit den Weißgardisten Kriege führten, als wir jenen Enthusiasmus und jene Anspannung der Energie der Arbeiter- und Bauernmassen sahen, die es in anderen Staaten in keinem einzigen Krieg gab und geben konnte. Die parteilosen Bauern haben genau so wie der Bauer von Arsamas, dessen Worte ich vorhin zitiert habe, wirklich aus der Beobachtung und der Kenntnis des Lebens die Überzeugung gewonnen, dass die Ausbeuter ein erbarmungsloser Feind sind und dass es einer erbarmungslosen Staatsmacht bedarf, um sie niederzuhalten. Und wir haben für das zielbewusste Verhalten zum Krieg und die aktive Unterstützung des Krieges eine solche Masse Volkes gewonnen wie nie zuvor. Dass alle samt und sonders mit dem Krieg sympathisierten, dass die der Partei angehörenden und die parteilosen Arbeiter sowie die parteilosen Bauern (die Bauern sind in ihrer Masse parteilos) ihn verstanden, – das hat es bisher unter keinem einzigen politischen Regime auch nur zum zehnten Teil gegeben. Hier bewahrheitet sich einer der tiefsten Gedanken des Marxismus, der gleichzeitig außerordentlich einfach und verständlich ist. Je größer der Schwung, je größer der Umfang des historischen Handelns, desto größer die Zahl der Menschen, die an diesem Handeln teilnehmen, und umgekehrt; je tiefer die Umgestaltung ist, die wir durchführen wollen, desto mehr muss man Interesse und bewusstes Verhalten zu ihr wecken und immer neue und neue Millionen und aber Millionen von dieser Notwendigkeit überzeugen. Unsere Revolution hat letzten Endes darum alle übrigen Revolutionen hinter sich gelassen, weil sie durch die Sowjetmacht viele Millionen Menschen zur aktiven Teilnahme am staatlichen Aufbau herangezogen hat, die früher an diesem Aufbau uninteressiert blieben. Nun geben wir von dieser Seite an die Frage der neuen Aufgaben heran, vor die wir gestellt worden sind, die in Dutzenden und Hunderten einzelner Beschlüsse der Sowjetmacht in dieser Zeit vor euch vorübergezogen sind, die zu neun Zehnteln die Arbeit des Rates für Arbeit und Landesverteidigung (darauf werden wir später noch zu sprechen kommen) und wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Arbeit des Rates der Volkskommissare in Anspruch genommen haben, zur Frage der wirtschaftlichen Aufgaben: der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsplanes, der Reorganisierung der Grundlagen der Ökonomik Russlands, der Grundlagen der kleinbäuerlichen Wirtschaft. Das sind Aufgaben, die die Heranziehung aller Gewerkschaftsmitglieder zu dieser von Grund aus neuen Sache erfordern, einer Sache, die ihnen unter dem Kapitalismus fremd war. Stellt jetzt die Frage, ob hier jene Bedingung für einen schnellen, unbedingten Sieg vorhanden ist, die während des Krieges geschaffen wurde und die in der Heranziehung der Massen zur Arbeit besteht. Sind die Gewerkschaftsmitglieder, ist die Mehrheit der Parteilosen von der Notwendigkeit unserer neuen Methoden, unserer gewaltigen Aufgaben des wirtschaftlichen Aufbaus überzeugt? Sind sie von alledem genau so überzeugt, wie sie von der Notwendigkeit überzeugt waren, alles für den Krieg hinzugeben, alles für den Sieg an der Front des Krieges zu opfern? Wenn ihr die Frage so stellt, so werdet ihr antworten müssen: ohne Zweifel, nein! Sie sind davon bei weitem nicht so überzeugt, wie es notwendig wäre.

Der Krieg war eine Sache, die im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtausenden begreiflich und zur Gewohnheit geworden war. Die alten Gewalttaten der Gutsbesitzer und ihre Brutalitäten waren so augenfällig, dass es leicht war, die Menschen zu überzeugen; es war nicht schwer, sogar die Bauernschaft der getreidereichsten Randgebiete, die am wenigsten mit der Industrie verbunden ist, sogar diese Bauernschaft davon zu überzeugen, dass wir einen Krieg für die Interessen der Werktätigen führen, und auf diese Weise fast bei der ganzen Masse Begeisterung hervorrufen. Schwieriger wird es zu erreichen sein, dass die Bauernmassen und die Gewerkschaftsmitglieder diese Aufgaben sofort begreifen, dass sie begreifen, dass man nicht mehr nach alter Weise leben kann, dass man die kapitalistische Ausbeutung, wie tief sie sich auch in Jahrzehnten eingewurzelt haben mag, überwinden muss. Man muss es dahin bringen, dass alle begreifen, dass Russland uns gehört, dass wir, die Arbeiter- und Bauernmassen, durch unsere Tätigkeit, durch unsere strenge Arbeitsdisziplin, dass nur wir allein die alten wirtschaftlichen Existenzbedingungen umgestalten und den großen Wirtschaftsplan ins Leben umsetzen können. Eine andere Rettung gibt es nicht. Wir stehen hinter den kapitalistischen Mächten zurück, und wir werden hinter ihnen zurückstehen; wir werden geschlagen werden, wenn wir nicht die Wiederherstellung unserer Wirtschaft erzielen. Darum eben müssen wir die alten Wahrheiten, die ich euch soeben ins Gedächtnis gerufen habe, die alten Wahrheiten von der Wichtigkeit der organisatorischen Aufgaben, von der Arbeitsdisziplin, von der unermesslich großen Rolle der Gewerkschaften, die in dieser Hinsicht ganz außerordentlich ist – denn eine andere Organisation, die die breiten Massen zusammenschließt, gibt es nicht –, müssen wir diese alten Wahrheiten nicht nur wiederholen, sondern wir müssen in aller Schärfe erkennen, dass der Übergang von den militärischen Aufgaben zu den wirtschaftlichen begonnen hat.

Auf militärischem Gebiet haben wir einen vollen Erfolg zu verzeichnen, und nun müssen wir einen ebensolchen Erfolg in schwierigeren Aufgaben vorbereiten, die von der gewaltigen Mehrheit der Arbeiter und der Bauern Enthusiasmus und Selbstaufopferung verlangen. Es gilt, hunderte Millionen von Menschen, die von Generation zu Generation in Knechtschaft und Unterdrückung lebten, in denen jede Initiative niedergehalten wurde, von den neuen Aufgaben zu überzeugen. Millionen Arbeiter, die in den Gewerkschaften organisiert, aber politisch noch nicht aufgeklärt, nicht gewohnt sind, sich als Herren zu fühlen, gilt es zu organisieren nicht zum Widerstand gegen die Staatsgewalt, sondern zur Unterstützung, zur Entfaltung der Maßnahmen ihres eigenen Arbeiterstaates, zur vollständigen Durchführung dieser Maßnahmen. Dieser Übergang ist mit Schwierigkeiten verbunden. Vom Standpunkt der einfachen Formulierung ist das keine neue Aufgabe, aber es ist insofern eine neue Aufgabe, als die wirtschaftliche Aufgabe jetzt zum ersten Male im Maßstab der Gesamtmasse gestellt wird, und wir müssen erkennen und uns einprägen, dass der Krieg an der Wirtschaftsfront schwieriger und langwieriger sein wird. Um an dieser Front zu siegen, wird man eine größere Zahl von Arbeitern und Bauern zu selbständigen, aktiven und der Sache treu ergebenen Menschen machen müssen. Und das kann man erreichen – dafür spricht die Erfahrung des wirtschaftlichen Aufbaus, die wir erworben haben –, weil das Bewusstsein der Leiden, des Frierens, des Hungerns und aller möglichen Entbehrungen infolge der ungenügenden Produktivkräfte tief in den Massen verwurzelt ist. Wir müssen jetzt die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die ganze Agitation und die ganze Propaganda von den politischen und militärischen Interessen auf das Gleis des Wirtschaftsaufbaus überführt werde. Wir haben das viele Male, aber noch nicht oft genug, verkündet, und ich glaube, dass unter den Maßnahmen, die die Sowjetmacht in diesem Jahr verwirklicht hat, besonders hervorsticht: die Gründung des Zentralbüros für Produktionspropaganda beim Allrussischen Zentralrat der Gewerkschaften, die Verbindung seiner Arbeit mit der Arbeit der Zentralstelle für politische Aufklärung, die Gründung neuer Zeitungen nach dem Produktionsplan, wobei nicht nur die Aufmerksamkeit auf die Produktionspropaganda übertragen, sondern diese auch im gesamtstaatlichen Umfang organisiert wird.

Die Notwendigkeit, die Produktionspropaganda im ganzen Lande zu organisieren, ergibt sich aus allen Besonderheiten des politischen Augenblicks. Notwendig ist das sowohl für die Arbeiterklasse als auch für die Gewerkschaften und für die Bauernschaft; das ist äußerst notwendig für unseren Staatsapparat, den wir bei weitem nicht genug für diesen Zweck ausgenutzt haben. Kenntnisse darüber, wie die Industrie zu leiten, wie die Massen zu interessieren sind, Bücherkenntnisse darüber haben wir tausendmal mehr, als wir diese Kenntnisse in der Praxis anwenden. Wir müssen es dahin bringen, dass durchweg alle Gewerkschaftsmitglieder an der Produktion interessiert sind und dass sie wissen, dass nur durch die Steigerung der Produktion, durch die Steigerung der Produktivität der Arbeit Sowjetrussland imstande sein wird zu siegen. Nur auf diese Weise wird Sowjetrussland die entsetzlichen Bedingungen, unter denen es lebt, das Hungern und Frieren, das es jetzt erduldet, um zehn Jahre verkürzen. Wenn wir diese Aufgabe nicht begreifen, können wir alle zugrunde gehen, denn bei der Schwäche unseres Apparats werden wir einen Rückzug antreten müssen, da die Kapitalisten zu jeder Zeit den Krieg gegen uns wiederaufnehmen können, sobald sie sich ein wenig erholt haben, wir aber werden dann nicht imstande sein, diesen Krieg weiterzuführen. Wir werden dann nicht imstande sein, den Druck unserer Millionenmassen in Erscheinung treten zu lassen, und werden in diesem letzten Krieg geschlagen werden. Die Frage steht eben so: eine lange Reihe von Kriegen hat bisher das Schicksal aller Revolutionen, aller gewaltigen Revolutionen entschieden. Auch unsere Revolution ist eine solche gewaltige Revolution. Wir haben eine Periode von Kriegen hinter uns, wir müssen uns auf die zweite vorbereiten; aber wann sie anbrechen wird, wissen wir nicht, und man muss alles tun, um auf der Höhe zu sein, sobald sie eintritt. Das ist der Grund dafür, warum wir nicht auf Zwangsmaßnahmen verzichten dürfen. Nicht nur, weil wir die proletarische Diktatur aufrechterhalten; sowohl die Massen der Bauernschaft als auch die parteilosen Arbeiter haben diese Diktatur bereits begriffen, sie wissen von unserer Diktatur alles, sie ist nichts Schreckliches für sie, sie fürchten sie nicht, sie sehen in ihr Rückhalt und Festigkeit, d. h. das, was sie den Gutsbesitzern und Kapitalisten entgegenstellen können und ohne das man nicht siegen kann.

Dieses Bewusstsein, diese Überzeugung, die der Bauernmasse in Bezug auf die militärischen und politischen Aufgaben schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, muss noch auf die wirtschaftlichen Aufgaben übertragen werden. Dieser Übergang wird vielleicht nicht mit einem Schlage gelingen. Er wird vielleicht nicht ohne gewisse Schwankungen und Rückfälle in die alte Lotterigkeit und kleinbürgerliche Ideologie vor sich gehen. Es gilt, noch angespannter und eifriger an diese Arbeit heranzugehen, eingedenk dessen, dass wir die parteilosen Bauern und die wenig klassenbewussten Gewerkschaftsmitglieder überzeugen werden; denn die Wahrheit ist auf unserer Seite, denn es lässt sich nicht leugnen, dass wir in der zweiten Kriegsperiode ohne die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Lebens unsere Feinde nicht besiegen können. Lasst uns nur dahin gelangen, dass die vielen Millionen dem Krieg an der Wirtschaftsfront mehr Klarheit entgegenbringen. Darin besteht die Aufgabe des Zentralbüros für Produktionspropaganda, darin besteht die Aufgabe des Allrussischen Zentralrats der Gewerkschaften, darin besteht die Aufgabe aller Parteifunktionäre, darin besteht die Aufgabe aller und jeglicher Apparate der Sowjetmacht, darin besteht die Aufgabe unserer ganzen Propaganda, durch die wir unsere Welterfolge erreicht haben; denn unsere Propaganda sagte und sagt in der ganzen Welt den Arbeitern und Bauern stets die Wahrheit, jede andere Propaganda aber belügt sie. Wir müssen jetzt unsere Propaganda auf etwas umstellen, was weitaus schwieriger ist: auf das, was die tagtägliche Arbeit der Arbeiter in der Werkstatt berührt, wenn auch die Bedingungen dieser Arbeit schwer, die Erinnerungen an die gestrige kapitalistische Ordnung stark sein mögen, die in den Arbeitern und Bauern das Misstrauen gegenüber der Staatsmacht großgezogen hat. Man muss sowohl die Arbeiter als auch die Bauern davon überzeugen, dass wir ohne eine neue Kombination der Kräfte, ohne neue Formen der staatlichen Zusammenfassung, ohne neue, mit diesem Zwang zusammenhängende Formen aus jenem Sumpf, aus jenem Abgrund des wirtschaftlichen Zerfalls, an dessen Rande wir stehen, nicht herauskommen werden. Wir sind aber schon dabei, herauszukommen.

Genossen, ich gehe jetzt zu einigen Tatsachen unserer Wirtschaftspolitik und zu unseren wirtschaftlichen Aufgaben über, die, wie mir scheint, eine Charakteristik des jetzigen politischen Augenblicks und der ganzen Wendung geben, die uns bevorsteht. Ich muss vor allen Dingen unseren Agrarentwurf nennen, den Gesetzentwurf des Rates der Volkskommissare über die Stärkung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und über die Hilfe für die Bauernwirtschaft. Dieser Gesetzentwurf wurde am 14. Dezember dieses Jahres veröffentlicht, und über seine Grundzüge wurden alle lokalen Funktionäre bereits vorher durch einen besonderen Funkspruch informiert, der das Wesen des Gesetzentwurfes erläuterte.

Wir müssen sofort dafür sorgen, dass dieser Gesetzentwurf auf dem Kongress selbst vom Standpunkt der örtlichen Erfahrungen aus (von denen er ausgeht) – draußen im Lande hat man das schon gemerkt – der gründlichsten Beratung unterzogen werde. Dasselbe muss auch durch die Vertreter der örtlichen Exekutivkomitees und der Abteilungen der Exekutivkomitees geschehen. Gewiss wird jetzt schon kein einziger Genosse anzutreffen sein, der an der Notwendigkeit spezieller und besonders energischer Hilfsmaßnahmen zweifeln würde, Maßnahmen nicht nur im Sinne des Anspornens, sondern auch im Sinne des Zwangs, um die landwirtschaftliche Produktion zu heben.

Wir waren ein kleinbäuerliches Land und sind es geblieben, und der Übergang zum Kommunismus ist für uns unermesslich schwieriger als unter allen anderen Verhältnissen. Damit dieser Übergang vollzogen werde, ist notwendig, dass die Bauern selber an ihm zehnmal mehr teilnehmen als am Krieg. Der Krieg konnte und musste einen Teil der erwachsenen männlichen Bevölkerung beanspruchen. Aber unser bäuerliches, auch jetzt noch erschöpftes Land muss buchstäblich die gesamte männliche und weibliche Arbeiter- und Bauernbevölkerung mobilisieren. Uns Kommunisten, Mitarbeiter der Landabteilungen, davon zu überzeugen, dass Pflichtleistungen an den Staat notwendig sind, ist nicht schwer. Darüber wird es, wie ich hoffe, hier bei der Beratung des euch zur Prüfung vorgelegten Gesetzentwurfes vom 14. Dezember nicht die Spur prinzipieller Meinungsverschiedenheiten geben. Man muss eine andere Schwierigkeit begreifen: die parteilosen Bauern zu überzeugen. Die Bauern sind keine Sozialisten. Und unsere sozialistischen Pläne so aufzubauen, als ob die Bauern Sozialisten seien, hieße auf Sand bauen, hieße unsere Aufgaben verkennen, hieße, in den drei Jahren nicht gelernt zu haben, unsere Programme an die ärmliche, mitunter bettelarme Wirklichkeit, in der wir uns befinden, anzupassen und die Maßnahmen dementsprechend durchzuführen. Hier muss man eine klare Vorstellung von den Aufgaben haben, vor denen wir stehen. Die erste Aufgabe besteht darin, die kommunistischen Mitarbeiter der Landabteilungen zu vereinigen, ihre Erfahrungen zu verallgemeinern, das aufzugreifen, was an Ort und Stelle geleistet worden ist, und es jenen Gesetzentwürfen einzufügen, die in der Hauptstadt im Namen der Staatsämter, im Namen des Allrussischen Sowjetkongresses herausgegeben werden sollen. Und wir hoffen, dass wir das zusammen mit euch fertigbringen werden. Das ist aber nur der erste Schritt. Der zweite Schritt ist, die parteilosen Bauern, gerade die parteilosen, zu überzeugen, denn sie sind die Masse, und wir können das, wozu wir imstande sind, nur dann leisten, wenn wir unter dieser Masse, die an sich aktiv ist und Initiative hat, das Bewusstsein steigern, dass sie ans Werk gehen müsse. Die bäuerliche Wirtschaft kann nicht mehr nach alter Weise leben. Wenn wir aus der ersten Periode der Kriege herauskommen konnten, so werden wir aus der zweiten Periode der Kriege nicht so leicht herauskommen, und darum muss man dieser Sehe der Sache besondere Aufmerksamkeit zuwenden.

Es ist notwendig, dass jeder parteilose Bauer diese unbestreitbare Wahrheit begreift, und wir sind überzeugt, dass er sie begreifen wird. Er hat nicht umsonst diese qualvollen, schweren sechs Jahre hinter sich. Er gleicht nicht mehr dem Bauern der Vorkriegszeit. Er hat schwer gelitten, er hat viel nachgedacht und viele solcher politischen und wirtschaftlichen Unbilden ertragen, die ihn gezwungen haben, viel Altes zu vergessen. Mir scheint, dass er selbst bereits begreift, dass man nicht mehr nach alter Weise leben kann, dass man anders leben muss, und wir müssen alle unsere Mittel der Propaganda, alle Möglichkeiten unseres Staates, unsere ganze Bildung, alle Mittel und Kräfte unserer Partei, – das alles dringlich darauf richten, den parteilosen Bauer zu überzeugen. Erst dann wird unser Agrargesetzentwurf – den ihr, hoffe ich, einstimmig annehmen werdet, natürlich mit entsprechenden Verbesserungen und Ergänzungen – eine wirkliche Grundlage erhalten. Er wird erst dann ebenso fest begründet sein, wie es unsere Politik ist, wenn wir die Mehrheit der Bauern überzeugen und für diese Sache gewinnen, denn der werktätige Mittelbauer und der werktätige Armbauer sind, wie Genosse Kurajew auf Grund der Erfahrungen in der Tatarenrepublik in einem Artikel mit Recht sagte, Freunde der Sowjetmacht, die Faulenzer dagegen sind ihre Feinde. Das eben ist die wirkliche Wahrheit, die nichts Sozialistisches an sich hat, die aber so unbestreitbar und augenfällig ist, dass sie in jeder beliebigen Dorfversammlung, in jeder Versammlung parteiloser Bauern in das Bewusstsein eindringen und zur Überzeugung der erdrückenden Mehrheit der bäuerlichen und werktätigen Bevölkerung werden wird.

Genossen, das möchte ich euch gegenüber vor allem jetzt betonen, wo wir uns von der Periode der Kriege zum wirtschaftlichen Aufbau gewandt haben. In einem kleinbäuerlichen Land besteht unsere wichtigste, unsere Hauptaufgabe darin, es zu verstehen, zum staatlichen Zwang überzugehen, um die bäuerliche Wirtschaft zu heben, angefangen mit den notwendigsten, unaufschiebbaren, dem Bauern durchaus zugänglichen, durchaus begreiflichen Maßnahmen. Und erreicht werden kann das nur dann, wenn wir verstehen, neue Millionen, die darauf nicht vorbereitet sind, zu überzeugen. Dafür müssen alle Kräfte eingesetzt und es muss dafür gesorgt werden, dass der Zwangsapparat, belebt und gestärkt, fundiert und entfaltet sei für einen neuen Schwung der Überzeugung. Dann werden wir diese Kriegskampagne siegreich beenden. Jetzt beginnt die Kriegskampagne gegen die Überreste der Trägheit, der Unwissenheit und des Misstrauens unter den Bauernmassen. Mit den alten Maßnahmen kann man hier nicht siegen; aber mit den Mitteln der Propaganda, der Agitation und der organisierten Einwirkung, die wir gelernt haben, werden wir den Sieg davontragen und werden erreichen, dass nicht nur Dekrete angenommen, Einrichtungen geschaffen werden, dass das Papier zu arbeiten anfange – es genügt nicht, dass Befehle fliegen –, sondern dass im Frühjahr die Aussaat besser durchgeführt werde als früher, dass eine gewisse Verbesserung in der Wirtschaft des Kleinbauern eintrete, sei sie auch noch so elementar – je vorsichtiger, desto besser –, aber sie muss um jeden Preis im Massenumfang durchgeführt werden. Wenn wir unsere Aufgabe richtig verstehen und dem parteilosen Bauern unsere ganze Aufmerksamkeit zuwenden, wenn wir unser ganzes Können, unsere ganze Erfahrung, die wir in den drei Jahren erworben haben, darauf konzentrieren, dann werden wir siegen. Ohne diesen Sieg, ohne praktische Verbesserung der Kleinbauernwirtschaft im Massenumfang gibt es keine Rettung für uns: ohne diese Grundlage ist keinerlei wirtschaftlicher Aufbau möglich und sind alle großen Pläne ein Nichts. Mögen die Genossen daran denken und das den Bauern beibringen; mögen sie den parteilosen Bauern von Arsamas – und solcher gibt es zehn, fünfzehn Millionen – sagen, dass es nicht angängig ist, endlos zu hungern und zu frieren, da man uns sonst in der nächsten Periode der Kriege stürzen würde. Das ist ein Staatsinteresse, das ist das Interesse unseres Staates. Wer hier die geringste Schwäche, die geringste Schlamperei an den Tag legt, ist der größte Verbrecher an der Arbeiter- und Bauernmacht, der hilft den Gutsbesitzern und den Kapitalisten. Der Gutsbesitzer und der Kapitalist aber haben ihre Armee bei der Hand, sie steht in Bereitschaft, um über uns herzufallen, sobald sie merken, dass wir schwächer werden. Und es gibt keine anderen Mittel, stärker zu werden, als unsere Hauptstütze, die Landwirtschaft und die städtische Industrie, zu heben, man kann sie aber nur dadurch heben, dass man den parteilosen Bauern überzeugt, dass man alle Kräfte zu seiner Unterstützung mobil macht und ihm diese Unterstützung wirklich erweist.

Wir bekennen uns als Schuldner des Bauern. Wir nahmen bei ihm Getreide für Papiergeld, wir borgten bei ihm, wir müssen ihm diese Schuld zurückerstatten, und wir werden sie zurückerstatten, wenn wir unsere Industrie wiederhergestellt haben werden. Um sie aber wiederherzustellen, bedarf es der Überschüsse der landwirtschaftlichen Produktion. Deshalb hat unser Agrargesetzentwurf nicht nur die Bedeutung, dass wir praktische Ergebnisse erlangen müssen, sondern auch die Bedeutung, dass sich um ihn als den Brennpunkt hunderte Beschlüsse und Gesetzentwürfe der Sowjetmacht gruppieren.

Nun komme ich dazu, wie sich bei uns augenblicklich die Grundlage für unseren industriellen Aufbau gestaltet, auf der wir mit der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Kräfte in Russland beginnen können. Und hier muss ich unter dem Haufen von Berichten, die ihr erhalten habt oder dieser Tage in allen Kommissariaten erhalten werdet, eure Aufmerksamkeit vor allem auf eine Stelle im Bericht unseres Kommissariats für die Lebensmittelversorgung lenken. Jedes Kommissariat wird euch in den nächsten Tagen Berge von Tatsachenmaterial in Form von Berichten vorlegen, ein Material, das in seiner Gesamtheit durch seine Fülle erdrückend wirkt. Aber man muss daraus das aussondern, was für die Erreichung eines, wenn auch noch so bescheidenen Erfolges am wesentlichsten ist; man muss das aussondern, was für die Durchführung unseres gesamten Wirtschaftsplanes, für die Wiederherstellung unserer Volkswirtschaft und unserer Industrie von grundlegender Bedeutung ist. Und eine dieser Grundlagen ist der Zustand unserer Lebensmittelbeschaffung. In diesem Büchlein hier, das an euch verteilt worden ist – es ist der Bericht des Volkskommissariats für die Lebensmittelversorgung für drei Jahre –, gibt es eine kleine Tabelle, aus der ich nur die Endziffern verlesen werde, und zwar abgerundet, denn es fällt einem schwer, Zahlen zu lesen und insbesondere anzuhören. Es sind die Zahlen der Jahresergebnisse der Lebensmittelbeschaffung. Vom 1. August 1916 bis zum 1. August 1917 wurden 320 Millionen Pud aufgebracht, im folgenden Jahr 50 Millionen und dann 100 und 200 Millionen Pud. Diese Zahlen – 320, 50, 100 und 200 – geben einen Grundriss der Wirtschaftsgeschichte der Sowjetmacht, der Arbeit der Sowjetmacht auf wirtschaftlichem Gebiet, der Vorbereitung des Fundaments; wenn wir das bewältigt haben, können wir mit unserem Aufbau ordentlich beginnen. 320 Millionen Pud vor der Revolution –das ist ungefähr das Mindestmaß, ohne das man beim Aufbau nicht auskommen kann. Im ersten Jahr der Revolution, bei 50 Millionen Pud, hatten wir Hunger, Kälte, Elend in hohem Maße; im zweiten Jahr hatten wir 100 Millionen, im dritten Jahr 200 Millionen. Also in jedem Jahr eine Verdoppelung. Nach den Informationen, die ich gestern von Swiderski bekommen habe, hatten wir am 15. Dezember 155 Millionen. Zum ersten Male kommen wir auf die Beine. Wir werden über einen Fonds von ungefähr 300 Millionen verfügen, vielleicht über mehr; ohne einen solchen Fonds aber ist es unmöglich, die Industrie des Landes wiederherzustellen, ist es unmöglich, an die Wiederbelebung des Verkehrswesens zu denken, ist es unmöglich, an die großen Aufgaben der Elektrifizierung Russlands auch nur heranzugehen. Ein sozialistisches Land ist als Staat der Arbeiter- und Bauernmacht undenkbar, wenn es nicht durch gemeinsame Anstrengungen der Arbeiter und Bauern einen Fonds an Lebensmitteln aufbringen kann, um die Ernährung der Industriearbeiter zu sichern, um die Möglichkeit zu haben, zehntausende und hunderttausende Arbeiter dahin zu bringen, wo die Sowjetmacht sie haben muss. Ohne das bleibt alles nur Gerede. Die wirkliche Grundlage der Wirtschaft ist der Lebensmittelfonds. Und hier haben wir gewaltige Erfolge erzielt. Ausgehend von diesen Erfolgen, im Besitz dieses Fonds, können wir zur Wiederherstellung der Volkswirtschaft schreiten. Wir wissen, dass diese Erfolge um den Preis ungeheurer Entbehrungen, um den Preis des Hungerns und des Futtermangels bei der Bauernschaft erreicht worden sind, was sich noch verstärken kann. Wir wissen, dass die Dürre dieses Jahres die Leiden und Entbehrungen der Bauern unerhört verschärft hat. Deshalb stellen wir die Hilfsmaßnahmen, die in dem von mir erwähnten Gesetzentwurf dargelegt sind, in den Vordergrund. Wir betrachten diesen Lebensmittelfonds als Fonds zur Wiederherstellung der Industrie, als Fonds zur Unterstützung der Bauernschaft. Ohne diesen Fonds wäre die Staatsmacht nichts. Ohne diesen Fonds würde die sozialistische Politik nur ein frommer Wunsch bleiben.

Und wir müssen uns vor Augen halten, dass zur Produktionspropaganda, die zu führen wir fest entschlossen sind, noch eine andere Methode der Einwirkung hinzukommt – die Prämierung in natura. Eines der wichtigsten Dekrete, einer der wichtigsten Beschlüsse des Rates der Volkskommissare und des Rates für Landesverteidigung war das Gesetz über die Naturalprämierung. Es gelang uns bei weitem nicht sofort, das Gesetz herauszugeben. Seit April, wie ihr euch erinnern werdet, läuft eine ganze lange Kette von Beschlüssen und Bestimmungen, und dieses Gesetz wurde erst dann herausgegeben, als es uns durch gewaltige Anstrengungen unseres Verkehrswesens gelungen war, einen Lebensmittelfonds von einer halben Million Pud zu schaffen. Eine halbe Million Pud ist eine sehr bescheidene Zahl. Die Berichte, die ihr gestern in den „Iswestija“ gewiss gelesen habt, zeigen, dass von den 500.000 Pud bereits 170.000 verbraucht sind. Der Fonds ist, wie ihr seht, nicht sehr erheblich und bei weitem nicht ausreichend, aber wir haben dennoch den Weg beschritten, den wir weitergehen werden. Das ist ein Beweis dafür, dass wir nicht nur durch Mittel der Überzeugung zu neuen Arbeitsmethoden übergehen werden. Es genügt nicht, den Arbeitern und den Bauern zu sagen: haltet straffe Arbeitsdisziplin. Man muss ihnen außerdem helfen, man muss diejenigen belohnen, die nach den unermesslichen Leiden weiterhin an der Arbeitsfront Heldenmut an den Tag legen. Wir haben einen Fonds geschaffen, aber er wird noch lange nicht befriedigend ausgenutzt: wir haben bei uns im Rat der Volkskommissare eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, dass in der Praxis die Prämierung in Form von Naturalien oft eine einfache Lohnzulage bedeutet. Hier muss noch viel gearbeitet werden. Und neben Beratungen und ergänzenden Entwürfen im Zentrum muss die Hauptarbeit vor sich gehen: die Arbeit draußen im Lande, unter den breiten Massen. Es ist nicht schwer zu begreifen, dass der Staat nicht nur mit Mitteln der Überzeugung arbeitet, sondern dass er auch diejenigen, die gut arbeiten, durch Gewährung besserer Lebensbedingungen belohnt. Um das zu begreifen, braucht man kein Sozialist zu sein, und hier ist uns die Sympathie der parteilosen Arbeiter- und Bauernmassen von vornherein sicher. Wir müssen nur diesen Gedanken mehr verbreiten und diese Arbeit in den örtlichen Organen praktischer anfassen.

Wenn wir jetzt zur Brennstofffrage übergehen, so werdet ihr in den Thesen des Genossen Rykow die Ziffern sehen, in denen die erreichte Besserung zum Ausdruck kommt, eine Besserung nicht nur beim Holz, sondern auch beim Erdöl. Jetzt, bei der gewaltigen Begeisterung, die die Arbeiter in der Republik Aserbaidschan bekunden, bei den freundschaftlichen Beziehungen, die sich zwischen uns herausgebildet haben, mit Hilfe der tüchtigen Leiter, die der Volkswirtschaftsrat gestellt hat, geht die Sache mit dem Erdöl vorwärts, und wir fangen an, auch in der Brennstofffrage auf eigenen Füßen zu stehen. Von monatlich 25 Millionen Pud Kohle im Donezbecken kommen wir auf 50 Millionen Pud, dank der Arbeit der bevollmächtigten Kommission, die unter dem Vorsitz des Genossen Trotzki nach dem Donezbecken geschickt war und die den Beschluss fasste, verantwortliche und erfahrene Funktionäre nach dem Donezbecken zur Arbeit zu schicken. Gegenwärtig ist Genosse Pjatakow dorthin zur Leitung geschickt worden.

Wir haben also einige Maßnahmen ergriffen, um auf dem Gebiet des Brennstoffs Erfolge zu erzielen. Das Donezbecken, eine unserer Hauptreserven, steht uns bereits zur Verfügung. Wir können in den Protokollen des Rates der Volkskommissare und des Rates für Landesverteidigung Beschlüsse finden, die das Donezbecken betreffen. In ihnen ist die Rede davon, höchst maßgebende Kommissionen ins Land hinauszuschicken, die Vertreter der Zentralmacht und lokale Funktionäre vereinigen. Wir müssen erreichen, dass die Arbeit in den Bezirken straffer angespannt werde, und mir scheint, dass es eben diesen Kommissionen gelingen wird, diese Anspannung zu erreichen. Ihr werdet die Ergebnisse der Arbeit dieser Kommissionen merken, die wir auch weiterhin organisieren werden.

Ich muss sagen, dass wir auf dem Gebiet des Brennstoffs einen der größten Erfolge mit der Methode der Hydrotorfgewinnung zu verzeichnen haben. Torf ist der Brennstoff, von dem wir sehr, sehr viel haben, den wir aber nicht auswerten konnten, weil wir bisher unter unerträglichen Verhältnissen arbeiten mussten. Nun wird uns diese neue Methode helfen, aus dem Brennstoffhunger herauszukommen, der für unsere Wirtschaftsfront eine der schrecklichsten Gefahren ist. Wir werden lange Jahre hindurch nicht imstande sein, aus dieser Sackgasse herauszukommen, wenn wir mit alten Methoden weiter wirtschaften werden. Die Mitarbeiter unseres Torfkomitees haben zwei russischen Ingenieuren geholfen, diese neue Erfindung vollkommen auszuarbeiten, und sie haben es so weit gebracht, dass diese neue Methode bald ihrer Vollendung nahe ist. Wir stehen also am Vorabend einer großen Revolution, die uns wirtschaftlich eine bedeutende Stütze bieten wird. Man darf nicht vergessen, dass wir unermessliche Schätze an Torf haben. Aber wir können sie nicht auswerten, weil wir keine Leute zu dieser Sträflingsarbeit schicken können. Die kapitalistische Ordnung konnte Leute zu Sträflingsarbeiten schicken. Im kapitalistischen Staat gingen die Menschen, vom Hunger getrieben, an diese Arbeit, im sozialistischen Staat aber können wir von niemand diese Sträflingsarbeit fordern, freiwillig aber wird sie niemand tun. Unter der kapitalistischen Ordnung wurde alles für die Oberschichten getan. Um die unteren Massen kümmerte man sich nicht.

Man muss überall mehr Maschinen einführen, muss zu einer möglichst breiten Anwendung der Maschinentechnik übergehen. Die Hydrotorfgewinnung, die der Oberste Volkswirtschaftsrat so erfolgreich gefördert hat, eröffnet die Möglichkeit der Gewinnung von Brennstoff in gewaltigen Mengen und macht die Heranziehung von gelernten Arbeitern entbehrlich, denn bei diesem Verfahren können auch ungelernte Arbeiter arbeiten. Wir haben diese Maschinen hergestellt. Ich würde den Delegierten empfehlen, sich den Film über die Torfgewinnung anzusehen, der in Moskau gezeigt worden ist und der den Delegierten des Kongresses vorgeführt werden kann. Er wird euch eine konkrete Vorstellung davon geben, wo eine der Voraussetzungen des Sieges über den Brennstoffhunger zu suchen ist. Wir haben die Maschinen gebaut, die bei dem neuen Verfahren angewendet werden, aber wir haben sie schlecht gebaut. Kommandierungen ins Ausland werden bei einem Funktionieren des Warenaustausches mit dem Ausland, sogar bei halblegalen Handelsbeziehungen, uns dazu verhelfen, diese Maschinen, die unsere Erfinder konstruiert haben, in ausgezeichneter Ausführung zu bekommen. Und die Zahl dieser Maschinen, der Erfolg der Tätigkeit der Torfzentralstelle und des Obersten Volkswirtschaftsrates auf diesem Gebiet werden ein Gradmesser aller unserer wirtschaftlichen Erfolge sein, denn ohne Sieg über den Brennstoffhunger können wir an der Wirtschaftsfront nicht siegen. Damit hängen auch die lebenswichtigsten Erfolge auf dem Gebiet der Wiederherstellung des Verkehrswesens zusammen.

Ihr habt übrigens schon aus den Thesen der Genossen Jemschanow und Trotzki gesehen, dass wir es hier mit einem wirklichen, für viele Jahre ausgearbeiteten Plan zu tun haben. Der Erlass Nr. 1042 war auf fünf Jahre berechnet, im Laufe von fünf Jahren können wir unser Verkehrswesen wiederherstellen, können wir die Zahl der reparaturbedürftigen Lokomotiven verringern. Wohl das Allerschwierigste, das ich hervorheben möchte, bestand darin, dass wir – worauf im Leitsatz 9 hingewiesen wird– diese Frist bereits verkürzt haben.

Nun aber finden sich, wenn große, auf viele Jahre berechnete Pläne auftauchen, nicht selten Skeptiker, die sagen: wozu auf viele Jahre hinaus Pläne schmieden? Gott gebe, dass wir das fertigbringen, was wir momentan brauchen. Genossen, man muss verstehen, das eine mit dem anderen zu verbinden; man kann nicht ohne einen Plan arbeiten, der auf eine längere Zeit berechnet ist und auf ernste Erfolge hinzielt. Dass dem tatsächlich so ist, zeigt die zweifellose Besserung in der Arbeit des Verkehrswesens. Ich mache euch auf die Stelle des 9. Leitsatzes aufmerksam, wo es heißt, dass die Frist für die Wiederherstellung des Verkehrswesens auf fünf Jahre angesetzt war, dass diese Frist aber bereits verkürzt worden ist, weil wir in der Arbeit die Norm überbieten. Die Frist wird auf dreieinhalb Jahre festgesetzt. So müssen wir auch in den anderen Wirtschaftszweigen arbeiten. Und darauf läuft immer mehr und mehr die praktische, reale Aufgabe des Rates für Arbeit und Landesverteidigung hinaus. An Hand der Erfahrungen von Wissenschaft und Praxis muss man im Lande unentwegt dahin streben, dass der Plan schneller durchgeführt werde, als vorgesehen war, damit die Massen sehen, dass die lange Periode, die uns von der vollständigen Wiederherstellung der Industrie trennt, durch die Praxis verkürzt werden kann. Das hängt von uns selber ab. Lasst uns in jeder Werkstatt, in jedem Depot, auf jedem Gebiete die Wirtschaft verbessern, dann werden wir die Frist verkürzen. Und wir verkürzen sie auch. Habt keine Angst vor Plänen, die auf eine lange Reihe von Jahren berechnet sind: ohne sie ist die wirtschaftliche Wiedergeburt nicht zu erreichen, lasst uns also draußen im Lande auf ihre Durchführung drängen.

Es ist unerlässlich, dass die Wirtschaftspläne nach einem bestimmten Programm durchgeführt werden und dass die immer wachsende Erfüllung dieses Programms hervorgehoben und angespornt wird: die Massen müssen nicht nur wissen, sondern auch fühlen, dass die Verkürzung der Zeit des Hungerns, des Frierens und der Armut vollkommen von der schnellsten Durchführung unserer Wirtschaftspläne durch sie abhängt. Alle Pläne der einzelnen Produktionszweige müssen streng koordiniert, miteinander verknüpft werden und müssen zusammen jenen einheitlichen Wirtschaftsplan bilden, den wir so dringend brauchen.

Im Zusammenhang damit stehen wir vor der Aufgabe, die Wirtschaftskommissariate zu einer einheitlichen Wirtschaftszentrale zusammenzufassen. An diese Aufgabe sind wir herangetreten, und wir haben euch einen Beschluss des Rates der Volkskommissare und des Rates für Arbeit und Landesverteidigung über die Reorganisation des Rates für Arbeit und Landesverteidigung zur Prüfung vorgelegt.

Ihr werdet diesen Entwurf prüfen, und ich hoffe, dass er mit den notwendigen Verbesserungen einstimmig angenommen werden wird. Er ist seinem Inhalt nach sehr bescheiden, aber er ist von nicht geringer Bedeutung, denn wir brauchen ein Organ, das seine Aufgabe genauer kennt und die ganze Wirtschaftsarbeit zusammenfasst, die nun in den Vordergrund rückt.

In der vor dem Kongress erschienenen Literatur hat Genosse Gussew in seiner Broschüre, die, nebenbei gesagt, nicht so gelungen ist wie seine vorhergehende Broschüre, dieselbe Frage angeschnitten. In der Broschüre wird ein weitläufiger Plan der Organisation des Rates für Arbeit und Landesverteidigung aufgestellt und die Versetzung vieler bekannter Funktionäre, darunter auch Trotzkis und Rykows, in diesen Rat für Arbeit und Landesverteidigung verlangt. Ich möchte sagen: etwas weniger Phantasterei dieser Art! Aus einem Apparat herausspringen, der im Laufe von drei Jahren geschaffen worden ist, können wir nicht. Wir kennen seine riesigen Mängel, wir werden über sie auf diesem Kongress ausführlich sprechen. Diese Frage ist als eine der wichtigsten Fragen auf die Tagesordnung gesetzt worden. Ich meine die Frage der Verbesserung des Sowjetapparats. Aber wir müssen jetzt vorsichtig arbeiten und unseren Apparat nur in dem Maß, wie es notwendig wird, auf Grund der praktischen Erfahrungen ändern. Genosse Gussew macht sich über den von uns eingebrachten Entwurf lustig und erklärt, wir schlügen vor, dem Rat für Arbeit und Landesverteidigung das Kommissariat für Landwirtschaft anzuschließen. Das stimmt, wir bringen einen solchen Entwurf auch ein. In dem Entwurf räumen wir dem Rat für Arbeit und Landesverteidigung einen sehr bescheidenen Platz ein, und zwar in Gestalt einer dem Rat der Volkskommissare unterstellten Kommission für Arbeit und Landesverteidigung. Bisher haben wir im Rat für Arbeit und Landesverteidigung ohne jedes Statut gearbeitet. Die Kompetenzen des Rates der Volkskommissare und des Rates für Arbeit und Landesverteidigung waren ungenau bestimmt; mitunter gingen wir über die uns gesetzten Schranken hinaus und handelten wie eine gesetzgebende Körperschaft. Aber auf diesem Boden gab es kein einziges Mal Konflikte. Wir entschieden diese Fälle dadurch, dass wir sie sofort in den Rat der Volkskommissare übertrugen. Als die Notwendigkeit zutage trat, aus dem Rat für Arbeit und Landesverteidigung ein Organ zu machen, das die Wirtschaftspolitik mehr zusammenfasst, da wurden wir vor die Frage gestellt, wie diese Beziehungen auf dem Wege der Gesetzgebung festzulegen seien. Zwei Pläne liegen uns vor. Erstens die Abgrenzung der Kompetenzen des Rates der Volkskommissare und des Rates für Arbeit und Landesverteidigung. Aber um das durchzuführen, muss man für die Kodifizierung viele Kräfte in Anspruch nehmen, muss man eine Unmenge Papier vollschreiben, und trotzdem werden wir vor Fehlern nicht sicher sein.

Schlagen wir einen anderen Weg ein. Der Rat für Arbeit und Landesverteidigung galt als eine dem Rat der Volkskommissare fast gleichgestellte Körperschaft. Geben wir diesen Gedanken auf. Soll er eine Kommission des Rates der Volkskommissare sein. Auf diese Weise beseitigen wir eine Menge Reibungen und kommen der praktischen Verwirklichung näher. Wenn irgendein Mitglied des Rates der Volkskommissare unzufrieden ist, dann kann es sich an den Rat der Volkskommissare wenden, den man ja binnen weniger Stunden einberufen kann. Auf diese Weise werden wir die Reibungen zwischen den einzelnen Instanzen beseitigen und aus dem Rat für Arbeit und Landesverteidigung ein rasch arbeitendes Organ machen. Das ist keine leichte Aufgabe. Sie hängt mit der wirklichen Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsplans zusammen. Die Aufgabe, für die wir immerhin einige Arbeit geleistet haben und die im Laufe von zwei Jahren vorbereitet worden ist, besteht darin, dass wir eine Zusammenfassung der Wirtschaftskommissariate erreichen. Deshalb lenke ich eure Aufmerksamkeit auf diesen Gesetzentwurf über den Rat für Arbeit und Landesverteidigung und hoffe, dass ihr ihn mit den notwendigen Ergänzungen bestätigen werdet. Dann wird die Arbeit der Zusammenfassung der Wirtschaftskommissariate glatter, schneller, sicherer und entschiedener vor sich gehen.

Ich will auf den letzten Punkt eingehen, auf die Frage der Elektrifizierung, die auf der Tagesordnung des Kongresses als besondere Frage steht. Ihr werdet ein Referat über diese Frage entgegennehmen. Ich glaube, dass wir uns hier an einem sehr wichtigen Wendepunkt befinden, der jedenfalls vom Beginn großer Erfolge der Sowjetmacht zeugt. Auf der Tribüne der Allrussischen Kongresse werden fortan nicht nur Politiker und Administratoren, sondern auch Ingenieure und Agronomen auftreten. Das ist der Beginn der glücklichsten Epoche, wo es immer weniger und weniger Politiker geben wird, wo man immer seltener und nicht so weitläufig über Politik reden wird, sondern mehr die Ingenieure und Agronomen zu Worte kommen. Um an das Werk des wirtschaftlichen Aufbaus richtig heranzugehen, muss man mit diesem Brauch auf dem Allrussischen Sowjetkongress anfangen und ihn von oben bis unten in allen Sowjets und Organisationen, in allen Zeitungen, in allen Organen der Propaganda und Agitation, in allen Institutionen einführen.

Politik treiben haben wir zweifellos gelernt, hier kann man uns nichts vormachen, hier haben wir eine Basis. Mit der Wirtschaft aber steht es schlecht. Die beste Politik ist von nun an – weniger Politik. Setzt mehr die Ingenieure und Agronomen in Bewegung, lernt von ihnen, überprüft ihre Arbeit, verwandelt die Kongresse und Konferenzen nicht in Organe zum Abhalten von Versammlungen, sondern in Organe der Überprüfung der wirtschaftlichen Erfolge, in Organe, in denen wir den wirtschaftlichen Aufbau gründlich erlernen können.

Ihr werdet den Bericht der Staatskommission für Elektrifizierung entgegennehmen, die durch den Beschluss des Allrussischen Zentralexekutivkomitees vom 7. Februar 1920 geschaffen worden ist. Am 27. Februar hat das Präsidium des Obersten Volkswirtschaftsrates den endgültigen Beschluss über die Zusammensetzung dieser Kommission unterzeichnet, und eine ganze Reihe der besten Fachleute und Mitarbeiter des Obersten Volkswirtschaftsrates und der Volkskommissariate für Verkehrswesen und für Landwirtschaft, über 100 an der Zahl, haben sich dieser Arbeit ganz gewidmet. Wir haben vor uns die Ergebnisse der Arbeiten der Staatskommission für die Elektrifizierung Russlands in Gestalt dieses Bändchens, das an euch alle heute oder morgen verteilt werden wird. Ich hoffe, dass ihr vor diesem Bändchen nicht erschrecken werdet. Ich glaube, es wird mir nicht schwerfallen, euch von der besonderen Bedeutung dieses Bändchens zu überzeugen. Meiner Meinung nach ist das unser zweites Parteiprogramm. Wir haben unser Parteiprogramm, das von den Genossen Preobraschenski und Bucharin in einem weniger dicken, aber höchst wertvollen Buch ausgezeichnet erläutert worden ist. Das ist das politische Programm, das ist die Aufzählung unserer Aufgaben, die Erläuterung der Beziehungen zwischen den Klassen und den Massen. Aber man muss auch dessen eingedenk sein, dass es an der Zeit ist, diesen Weg in der Praxis zu beschreiten und seine praktischen Ergebnisse zu ermessen. Unser Parteiprogramm kann nicht bloß ein Programm der Partei bleiben. Es muss sich in ein Programm unseres wirtschaftlichen Aufbaus verwandeln, sonst taugt es auch als Parteiprogramm nichts. Es muss durch ein zweites Parteiprogramm, durch einen Plan des Wiederaufbaus der gesamten Volkswirtschaft und ihrer Hebung auf das Niveau der modernen Technik, ergänzt werden. Ohne einen Elektrifizierungsplan können wir zum wirklichen Aufbau nicht übergehen. Wenn wir von der Wiederherstellung des Ackerbaus, der Industrie und des Verkehrswesens, von ihrer harmonischen Zusammenfassung reden, können wir nicht umhin, gleichzeitig von einem großzügigen Wirtschaftsplan zu reden. Wir müssen es dahin bringen, dass ein bestimmter Plan angenommen wird. Das wird natürlich ein Plan sein, der nur als erste Orientierung angenommen, der nur im Sinne einer ersten Annäherung angenommen wird. Dieses Programm der Partei wird nicht so unveränderlich sein wie unser eigentliches Programm, das nur auf Parteitagen abgeändert werden kann. Nein, dieses Programm wird tagaus, tagein in jeder Werkstatt, in jedem Landbezirk verbessert, gründlicher ausgearbeitet, vervollkommnet und modifiziert werden. Wir brauchen dieses Programm als einen ersten Entwurf, der vor ganz Russland als großer Wirtschaftsplan erstehen wird, als der große Wirtschaftsplan, berechnet für nicht weniger als zehn Jahre, ein Plan, der zeigt, wie Russland auf die wirkliche ökonomische Grundlage übergeleitet werden soll, die für den Kommunismus notwendig ist. Wenn wir an der Kriegsfront kämpften und erfolgreich siegten, was war da eine der mächtigen Triebfedern, die unsere Kräfte, unsere Energie verzehnfachte? Das Bewusstsein der Gefahr. Alle fragten: können die Gutsbesitzer und Kapitalisten nach Russland zurückkehren? Und sie antworteten darauf: jawohl, sie können. Darum spannten wir unsere Kräfte hundertfach an, spannten sie an und siegten.

Nehmt die Wirtschaftsfront und fragt: kann der Kapitalismus in Russland wirtschaftlich wieder seinen Einzug halten? Wir haben gegen die „Sucharewka“ Kampf geführt. Vor einigen Tagen, zur Eröffnung des Allrussischen Sowjetkongresses, hat der Moskauer Sowjet der Arbeiter- und Rotarmistendeputierten diese wenig angenehme Institution geschlossen. Die „Sucharewka“ ist geschlossen, aber gefährlich ist nicht die „Sucharewka“, die geschlossen worden ist. Geschlossen ist die ehemalige „Sucharewka“ am Sucharew-Platz. Sie zu schließen, ist nicht schwer. Gefährlich ist die „Sucharewka“, die im Herzen und in den Handlungen eines jeden kleinen Unternehmers lebt. Diese „Sucharewka“ muss man schließen. Diese Sucharewka“ ist die Grundlage des Kapitalismus. Solange sie existiert, können die Kapitalisten nach Russland zurückkehren und können stärker werden als wir. Das muss man klar erkennen. Das muss die wichtigste Triebfeder unserer Arbeit und die Voraussetzung, der Gradmesser unserer wirklichen Erfolge sein. Solange wir in einem kleinbäuerlichen Lande leben, besteht für den Kapitalismus in Russland eine festere ökonomische Basis als für den Kommunismus. Das darf man nicht vergessen. Jeder, der aufmerksam das Leben auf dem Lande beobachtet und es mit dem Leben in der Stadt verglichen hat, weiß, dass wir die Wurzeln des Kapitalismus nicht ausgerissen und das Fundament, die Basis des inneren Feindes nicht untergraben haben. Dieser Feind behauptet sich dank dem Kleinbetrieb, und um ihm den Boden zu entziehen, gibt es nur ein Mittel: die Wirtschaft des Landes, auch die Landwirtschaft, auf eine neue technische Grundlage, auf die technische Grundlage der modernen Großproduktion zu stellen. Eine solche Grundlage bildet nur die Elektrizität.

Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes. Sonst wird das Land ein kleinbäuerliches Land bleiben, und das müssen wir klar erkennen. Wir sind schwächer als der Kapitalismus, nicht nur im Weltmaßstab, sondern auch im Innern unseres Landes. Das ist allbekannt. Wir haben das erkannt, und wir werden es dahin bringen, dass die wirtschaftliche Grundlage aus einer kleinbäuerlichen zu einer großindustriellen wird. Erst dann, wenn das Land elektrifiziert ist, wenn die Industrie, die Landwirtschaft und das Verkehrswesen eine moderne großindustrielle technische Grundlage erhalten, erst dann werden wir endgültig gesiegt haben.

Wir haben bereits einen vorläufigen Plan zur Elektrifizierung, des Landes ausgearbeitet. An diesem Plan haben 200 unserer besten wissenschaftlichen und technischen Kräfte gearbeitet. Es ist ein Plan ausgearbeitet worden, der uns auf eine längere Reihe von Jahren, auf nicht weniger als zehn Jahre, eine materielle und finanzielle Vorausberechnung gibt. Dieser Plan zeigt, wie viele Millionen Fass Zement und wie viel Millionen Ziegel wir für die Durchführung der Elektrifizierung brauchen. Um die Aufgaben der Elektrifizierung in finanzieller Hinsicht zu erfüllen, ist voraussichtlich 1–1,2 Milliarde Goldrubel notwendig. Ihr wisst, dass wir mit unserem Goldfonds bei weitem nicht diese ganze Summe decken können. Auch unser Lebensmittelfonds ist nicht groß. Deshalb müssen wir diese Berechnungen durch Konzessionserteilungen decken auf Grund des Planes, von dem ich gesprochen habe. Ihr werdet die Berechnung sehen, wie auf dieser Grundlage der Wiederaufbau unserer Industrie und unseres Verkehrswesens geplant ist.

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, in einer entlegenen Gegend des Moskauer Gouvernements, im Kreis Wolokolamsk, an einem Bauernfest teilzunehmen. Dort haben die Bauern elektrische Beleuchtung. Es wurde eine Versammlung auf der Straße veranstaltet, und einer der Bauern trat auf und hielt eine Rede, in der er dieses neue Ereignis im Leben der Bauern begrüßte. Er sagte: Wir Bauern waren Menschen, die in Finsternis lebten, und nun ist bei uns ein Licht aufgegangen, ein „unnatürliches Licht, das unsere bäuerliche Finsternis erhellen wird“. Ich persönlich war über diese Worte nicht verwundert. Gewiss, für die parteilose Bauernmasse ist das elektrische Licht ein „unnatürliches“ Licht, für uns aber ist es unnatürlich, dass die Bauern und die Arbeiter jahrhunderte-, jahrtausendelang in solcher Finsternis, in solchem Elend, in der Unterdrückung durch die Gutsbesitzer und Kapitalisten leben konnten. Aus dieser Finsternis kann man nicht so schnell herausspringen. Aber wir müssen es jetzt dahin bringen, dass jedes Kraftwerk, das wir bauen, wirklich zu einem Stützpunkt der Aufklärung werde, dass es sich sozusagen mit der elektrischen Bildung des Volkes beschäftige. Wir haben einen Elektrifizierungsplan ausgearbeitet, aber die Realisierung dieses Planes ist auf Jahre berechnet. Wir müssen diesen Plan um jeden Preis realisieren und die Frist seiner Realisierung verkürzen. Hier muss dasselbe geschehen, was mit einem unserer ersten Wirtschaftspläne geschehen ist, mit dem Plan zur Wiederherstellung des Verkehrswesens – mit dem Erlass Nr. 1042 –, der auf fünf Jahre berechnet war, aber jetzt schon auf dreieinhalb Jahre verkürzt wurde, weil er über die Norm hinaus erfüllt wird.

Man muss aber wissen und darf nicht vergessen, dass die Elektrifizierung nicht durchzuführen ist, wenn wir Analphabeten haben. Es genügt nicht, dass unsere Kommission sich bemüht, das Analphabetentum zu liquidieren. Sie hat viel getan im Vergleich mit dem, was vorher war, aber wenig im Vergleich mit dem, was nottut. Außer Menschen, die des Lesens und Schreibens kundig sind, brauchen wir kulturell hochstehende, zielbewusste, gebildete Werktätige; es ist notwendig, dass die Mehrheit der Bauern eine bestimmte Vorstellung von den Aufgaben habe, vor denen wir stehen. Dieses Programm der Partei muss das Hauptlehrbuch werden, das in alle Schulen eingeführt werden sollte. Ihr werdet in diesem Buch neben dem allgemeinen Plan der Elektrifizierung ausgearbeitete Spezialpläne für jeden einzelnen Bezirk Russlands finden. Und jeder Genosse, der ins Land hinausfährt, wird einen bestimmten Plan haben für die Durchführung der Elektrifizierung seines Bezirks, für ein Hinausschreiten aus der Finsternis in normale Lebensverhältnisse. Genossen! Man darf und soll die euch vorgelegten Richtlinien an Ort und Stelle vergleichen, weiter bearbeiten, überprüfen und dafür sorgen, dass in jeder Schule, in jedem Zirkel auf die Frage, was denn Kommunismus sei, nicht nur das geantwortet wird, was im Parteiprogramm steht, sondern dass auch davon gesprochen wird, wie aus dem Zustand der Finsternis herauszukommen ist.

Die besten Funktionäre, die besten Fachleute der Wirtschaft haben die ihnen gestellte Aufgabe, einen Plan für die Elektrifizierung Russlands und die Wiederherstellung seiner Wirtschaft auszuarbeiten, erfüllt. Jetzt gilt es zu erreichen, dass die Arbeiter und die Bauern wissen, wie groß und schwierig diese Aufgabe ist, wie man an sie herangehen und wie man sie in Angriff nehmen muss.

Wir müssen es dahin bringen, dass jede Fabrik, jedes Kraftwerk sich in einen Herd der Aufklärung verwandle, und wenn Russland sich mit einem dichten Netz von elektrischen Kraftwerken und mächtigen technischen Anlagen bedeckt haben wird, dann wird unser kommunistischer Wirtschaftsaufbau zum Vorbild für das kommende sozialistische Europa und Asien werden.

Kommentare