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Wladimir I. Lenin 19201221 Referat über die Konzessionen

Wladimir I. Lenin: Referat über die Konzessionen,

gehalten in der Sitzung der KPR(B)-Fraktion des VIII. Sowjetkongresses

21. Dezember 1920

[Veröffentlicht in dem Buch: „VIII. Allrussischer Kongress der Sowjets der Arbeiter-, Bauern-, Rotarmisten- und Kosakendeputierten. Stenographischer Bericht“.’Staatsverlag 1921. Nach Sämtliche Werke, Band 26, Moskau 1940, S. 3-27]

Genossen! Nach den uns vorliegenden Informationen hat die Frage der Konzessionen überall, nicht nur in Parteikreisen und unter den Arbeitermassen, sondern auch unter den breiten Massen der Bauernschaft, nicht wenig Erregung, ja sogar Unruhe hervorgerufen. Alle Genossen wiesen darauf hin, dass nach dem Dekret vom 23. November dieses Jahres in den meisten Versammlungen, die sich mit verschiedenen Fragen beschäftigten, die mündlichen und schriftlichen Anfragen am häufigsten die Konzessionen betrafen, und dass der Grundton sowohl dieser Anfragen als auch der Äußerungen die Befürchtung war: die eigenen Kapitalisten haben wir davongejagt, die fremden aber wollen wir zulassen. Ich glaube, diese Befürchtungen, dieses starke Interesse für die Konzessionen, das beileibe nicht nur Parteigenossen an den Tag legten, sind ein günstiges Zeichen dafür, dass in den drei Jahren des unermesslich schweren Kampfes die Arbeiter- und Bauernmacht sich so gestärkt hat und die mit den Kapitalisten gemachten Erfahrungen sich so eingeprägt haben, dass die breiten Massen die Arbeiter- und Bauernmacht für genügend stark halten, um ohne Konzessionen auskommen zu können, sich selbst aber für genügend belehrt, um ohne äußerste Notwendigkeit nicht auf irgendwelche Abmachungen mit den Kapitalisten eingehen zu müssen. Eine derartige Kontrolle von unten, derartige Befürchtungen, die von den Massen ausgehen, diese Erregung der außerhalb der Partei stehenden Kreise zeugen davon, dass sie auf die Beziehungen zwischen uns und den Kapitalisten außerordentlich scharf aufpassen. Ich glaube, von dieser Seite her müssen wir solche Befürchtungen als ein Kennzeichen für die Stimmung der breiten Massen unbedingt begrüßen. Nichtsdestoweniger werden wir, glaube ich, doch zu der Überzeugung gelangen, dass man sich bei der Frage der Konzessionen nicht von diesem revolutionären Instinkt allein leiten lassen darf. Nach Erwägung aller Seiten der Frage werden wir uns von der Richtigkeit der Politik überzeugen, die wir eingeschlagen haben und die im Anbieten von Konzessionen besteht. Ich kann ganz kurz sagen, dass das Hauptthema meines Referats, oder genauer gesagt, dieser Wiederholung der Besprechung, die ich unlängst in Moskau mit einigen Hundert verantwortlichen Funktionären hatte – denn ein Referat habe ich nicht vorbereitet und kann es nicht vorlegen –, dass das Hauptthema meiner Besprechung der Beweis von zwei Thesen ist: erstens, dass jeder Krieg die Fortsetzung der Politik der Friedenszeit, nur mit anderen Mitteln, ist; zweitens, dass die Konzessionen, die wir erteilen, die wir notgedrungen erteilen müssen, die Fortsetzung des Krieges in anderer Form, mit anderen Mitteln sind. Um diese beiden Thesen, oder, genauer gesagt, nur die zweite zu beweisen, weil die erste keines besonderen Beweises bedarf, werde ich mit der politischen Seite der Frage anfangen. Ich will auf die Beziehungen zwischen den modernen imperialistischen Mächten eingehen, die für das Verständnis der ganzen heutigen Außenpolitik wesentlich sind. Das ist wesentlich, will man verstehen, warum wir diese Politik eingeschlagen haben.

Der Amerikaner Vanderlip wandte sich an den Rat der Volkskommissare mit einem Schreiben, in dem er erklärte: „Wir Republikaner, die zur Partei der Republikaner Amerikas, der Partei des größten Finanzkapitals, gehören und am wenigsten gebunden sind an die Erinnerungen des Befreiungskriegs gegen die Südstaaten, sind jetzt nicht an der Macht.“ Das schrieb er noch vor den Wahlen, die im November stattfanden. „Wir werden im November bei den Wahlen siegen“ (nun haben sie gesiegt), „und im März wird der Präsident unser sein. Unsere Politik wird nicht die Dummheiten wiederholen, durch die Amerika in die europäischen Angelegenheiten verwickelt wurde, wir werden uns mit unseren eigenen Interessen beschäftigen. Unsere amerikanischen Interessen bringen uns in Konflikt mit Japan, mit Japan werden wir Krieg führen. Vielleicht ist es für Sie nicht ohne Interesse zu erfahren, dass unsere Flotte im Jahre 1923 stärker sein wird als die englische. Um Krieg zu führen, müssen wir Erdöl in unseren Händen haben; ohne Erdöl können wir keinen modernen Krieg führen. Wir müssen nicht nur Erdöl haben, sondern müssen auch Maßnahmen ergreifen, damit der Gegner kein Erdöl habe. Japan befindet sich in dieser Beziehung in einer schlechten Lage. Ganz in der Nähe von Kamtschatka gibt es irgendeine Bucht (ich habe vergessen, wie sie heißt), wo Erdölquellen vorhanden sind, und wir wollen nicht, dass die Japaner in den Besitz dieses Erdöls kommen. Wenn Sie uns dieses Gebiet verkaufen, so garantiere ich: unser Volk wird darüber so begeistert sein, dass wir Ihre Regierung sofort anerkennen. Verkaufen Sie dieses Gebiet nicht, sondern erteilen uns nur Konzessionen, so will ich nicht sagen, dass wir die Prüfung eines solchen Projektes ablehnen, aber eine Begeisterung, die die Anerkennung der Sowjetunion garantieren würde, kann ich nicht versprechen.“

Der Brief Vanderlips hat, ganz offen, mit unglaublichem Zynismus den Standpunkt des Imperialisten dargelegt, der klar sieht, dass ein Krieg mit Japan heranrückt, und der unumwunden, offen die Frage stellt: schließt einen Pakt mit uns, dann werdet ihr gewisse Vorteile erlangen. Die Frage stand folgendermaßen: der Ferne Osten, Kamtschatka und ein Stück Sibiriens befinden sich jetzt faktisch im Besitz Japans, da seine Streitkräfte dort schalten und walten, da, wie ihr wisst, die Umstände uns zur Bildung eines Pufferstaates in Gestalt der Republik des Fernen Ostens gezwungen haben und wir sehr gut wissen, welch maßlose Leiden die sibirischen Bauern durch den japanischen Imperialismus zu erdulden haben, welch unerhörte Unzahl von Bestialitätsakten die Japaner in Sibirien begangen haben. Das wissen die Genossen aus Sibirien. In den von ihnen unlängst herausgegebenen Schriften wird darüber ausführlich erzählt. Aber nichtsdestoweniger können wir keinen Krieg mit Japan führen und müssen alles tun, um zu versuchen, den Krieg mit Japan nicht nur hinauszuschieben, sondern, wenn möglich, ohne ihn fertig zu werden, denn jetzt sind wir aus begreiflichen Gründen diesem Kriege nicht gewachsen. Gleichzeitig fügt uns Japan dadurch, dass es uns vom Welthandel über den Stillen Ozean abschneidet, einen kolossalen Schaden zu. Unter diesen Umständen, da der Konflikt, der Gegensatz zwischen Amerika und Japan sich vor unseren Augen verschärft – denn wegen des Stillen Ozeans und der Beherrschung seiner Küsten geht bereits seit vielen Jahrzehnten ein überaus hartnäckiger Kampf zwischen Japan und Amerika vor sich, und die ganze diplomatische, Wirtschafts- und Handelsgeschichte des Stillen Ozeans und seiner Küsten enthält eine Fülle von ganz bestimmten Fingerzeigen darauf, wie dieser Konflikt sich verschärft und den Krieg zwischen Amerika und Japan unvermeidlich macht –, geraten wir in dieselbe Lage, in der wir uns drei Jahre lang befunden haben: die sozialistische Republik, umgeben von imperialistischen Staaten, die in militärischer Hinsicht ungleich stärker sind als wir, die alle Mittel der Agitation und Propaganda in Bewegung setzen, um den Hass gegen die Sowjetrepublik zu steigern, die sich keine einzige Gelegenheit zur militärischen Intervention, wie sie es nennen, d. h. zur Erdrosselung der Sowjetmacht, entgehen lassen werden.

Wenn wir uns das vor Augen halten und unter dem Gesichtswinkel der internationalen Lage der Sowjetrepublik einen allgemeinen Blick auf die verflossenen drei Jahre werfen, so wird es klar, dass wir uns nur deshalb behaupten und den ungeheuer mächtigen Bund der Ententestaaten, der von unseren Weißgardisten unterstützt wurde, besiegen konnten, weil unter diesen Staaten keinerlei Einigkeit bestand. Wir konnten bisher nur dank der tiefsten Zwietracht unter den imperialistischen Staaten siegen, nur dank dem Umstand, dass die Zwistigkeiten keine zufälligen inneren Parteizwistigkeiten waren, sondern dass es sich um den tiefsten, unausrottbaren Widerstreit der wirtschaftlichen Interessen der imperialistischen Länder handelt, die, solange sie auf der Basis des Privateigentums an Grund und Boden und Kapital stehen, unvermeidlich die Raubpolitik treiben müssen, bei der die Versuche einer Zusammenfassung ihrer Kräfte gegen die Sowjetmacht sich als fruchtlos erwiesen haben. Wenn wir Japan nehmen, das fast ganz Sibirien in seinen Händen hielt und natürlich jederzeit Koltschak helfen konnte, so ist die Hauptursache, warum Japan das nicht getan hat, die, dass seine Interessen mit den Interessen Amerikas radikal auseinandergehen, dass es für das amerikanische Kapital nicht die Kastanien aus dem Feuer holen wollte. Da wir diese Schwäche kennen, so konnten wir natürlich keine andere Politik treiben, als eine Politik, die sich zur Aufgabe macht, diesen Widerstreit zwischen Amerika und Japan so auszunutzen, dass wir selber erstarken und die Möglichkeit einer Verständigung Japans und Amerikas gegen uns hinausschieben. Dass eine solche Verständigung möglich ist, dafür haben wir bereits ein Beispiel: in den amerikanischen Zeitungen wurde der Text eines Abkommens all der Länder veröffentlicht, die Koltschak Beistand versprochen hatten.

Gewiss, dieses Abkommen ist hinfällig geworden, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass man bei der ersten besten Gelegenheit versuchen wird, dieses Abkommen zu erneuern. Und je mehr in die Tiefe, je drohender die kommunistische Bewegung wachsen wird, desto häufiger werden sie neue Versuche machen, unsere Republik zu erdrosseln. Und daher unsere Politik der Ausnutzung des Zwistes der imperialistischen Staaten, um ein Abkommen zu erschweren oder nach Möglichkeit zeitweilig zu vereiteln. Das ist seit drei Jahren die Grundlinie unserer Politik, die die Notwendigkeit der Unterzeichnung des Friedens von Brest-Litowsk, die Notwendigkeit der Unterzeichnung des Vertrags mit Bullitt hervorgerufen hat, eines für uns außerordentlich ungünstigen Vertrags über Frieden und Waffenstillstand. Diese Linie gestaltet sich jetzt für uns so, dass wir nach einem Angebot, wie es die Konzessionen sind, mit beiden Händen greifen müssen. Wir geben jetzt Amerika Kamtschatka, das im Grunde genommen sowieso nicht uns gehört, denn dort stellen japanische Truppen. Mit Japan den Kampf aufzunehmen, sind wir momentan nicht imstande. Wir übergeben Amerika zur wirtschaftlichen Nutznießung ein Gebiet, wo wir weder See- noch Landstreitkräfte haben und wohin wir auch keine schicken können. Indem wir das tun, spielen wir den amerikanischen Imperialismus gegen den japanischen und gegen die am nächsten von uns befindliche japanische Bourgeoisie aus, die bis auf den heutigen Tag die Republik des Fernen Ostens in Händen hält.

Unsere Hauptinteressen bei den Verhandlungen über die Konzessionen waren also die politischen Interessen. Und die Ereignisse der letzten Zeit haben ganz klar bewiesen, dass wir schon allein durch die Verhandlungen über diese Konzessionen gewonnen haben. Wir haben noch keine Konzession erteilt und können sie nicht erteilen, bevor der amerikanische Präsident sein Amt antritt. Das aber wird nicht vor März der Fall sein. Außerdem haben wir die Möglichkeit, bei der detaillierten Ausarbeitung des Vertrags die Unterzeichnung abzulehnen.

Wirtschaftlich ist das also eine ganz untergeordnete Frage, ihr ganzer Sinn liegt im politischen Interesse. Dass wir dabei gewonnen haben, beweisen alle Publikationen in der Presse, von denen wir Kenntnis erhalten haben. Vanderlip hat selbst darauf bestanden, dass einstweilen das Projekt über die Konzessionen geheimgehalten werde. Es sollte so lange geheimgehalten werden, bis die republikanische Partei gesiegt hätte. Und wir erklärten uns damit einverstanden, sein Schreiben und den ganzen vorläufigen Entwurf nicht zu veröffentlichen. Es stellte sich aber heraus, dass ein solches Geheimnis sich nicht lange verbergen lässt. Kaum war Vanderlip in Amerika angekommen, da begannen auch schon alle möglichen Enthüllungen. Als Kandidat für die Präsidentenwahl war in Amerika Harding aufgestellt worden, der nun schon gesiegt hat. Dieser Harding dementierte in den Zeitungen die Meldungen, dass er durch Vanderlip Beziehungen zur Sowjetmacht unterhalte. Sein Dementi war in einem sehr kategorischen Ton gehalten, es lautete etwa folgendermaßen: „Ich kenne Vanderlip nicht und erkenne keinerlei Beziehungen zur Sowjetmacht an.“ Es ist aber durchaus begreiflich, wodurch ein solches Dementi hervorgerufen worden ist. Am Tage vor den Wahlen im bürgerlichen Amerika in den Ruf eines Anhängers der Verständigung mit der Sowjetmacht zu kommen, bedeutete für Harding, vielleicht einige hunderttausend Stimmen zu verlieren, und deshalb beeilte er sich, öffentlich zu erklären, dass er überhaupt keinen Vanderlip kenne. Kaum aber waren die Wahlen zu Ende, da begannen wir aus Amerika Nachrichten ganz anderen Charakters zu erhalten. Vanderlip empfiehlt in einer Reihe von Zeitungsartikeln auf jegliche Weise eine Verständigung mit der Sowjetmacht, und in einer Zeitung schrieb er sogar, dass er Lenin mit Washington vergleiche. So ist es gekommen, dass wir in bürgerlichen Ländern Propagandisten für eine Verständigung mit uns haben, und diese Propagandisten sind nicht der Sowjetbotschafter oder irgendwelche Journalisten, sondern Vertreter der Ausbeuter schlimmster Sorte, wie Vanderlip einer ist.

Als ich in der Versammlung der verantwortlichen Funktionäre Gelegenheit hatte, das zu erzählen, was ich jetzt erzähle, da äußerte ein Genosse, der aus Amerika zurückgekehrt war, wo er in den Betrieben Vanderlips gearbeitet hatte, sein Entsetzen und erklärte, dass er eine solche Ausbeutung, wie er sie in den Betrieben Vanderlips gesehen, nirgendwo an anderer Stelle gesehen habe. Und nun haben wir in der Person dieses kapitalistischen Haifischs einen Propagandisten für Handelsbeziehungen mit Sowjetrussland bekommen, und wenn wir sogar außer dem geplanten Konzessionsvertrag nichts bekämen, so könnte man auch dann sagen, dass wir dabei gewonnen haben. Wir haben eine ganze Reihe von Meldungen, natürlich vertraulicher Natur, dass die kapitalistischen Länder die Absicht nicht aufgegeben haben, im Frühjahr von neuem Krieg gegen Sowjetrussland zu beginnen. Wir haben eine ganze Reihe von Meldungen, dass einige kapitalistische Staaten vorbereitende Schritte unternehmen, und man darf wohl sagen, dass die Weißgardisten die Vorarbeit in allen Staaten leisten. Deshalb ist unser Hauptinteresse, eine Wiederherstellung der Handelsbeziehungen zu erlangen; dazu aber müssen wir wenigstens einen gewissen Teil der Kapitalisten auf unserer Seite haben.

In England geht seit langem ein Kampf vor sich. Wir haben schon dadurch Gewinn erzielt, dass Vertreter der schlimmsten kapitalistischen Ausbeutung für eine Politik der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Russland eintreten. Der Vertrag mit England, das Handelsabkommen mit England ist noch nicht unterzeichnet. Krassin führt augenblicklich in London rege Verhandlungen über diese Frage. Die englische Regierung hat uns ihren Entwurf überreicht, wir haben unseren Gegenentwurf überreicht, aber trotzdem sehen wir, dass die englische Regierung das Abkommen hinausschiebt, dass dort die reaktionäre Militärpartei, die bisher die Oberhand behalten hat und die Aufnahme der Handelsbeziehungen verhindert, intensiv am Werke ist. Unser direktes Interesse und unsere direkte Pflicht ist es, alles zu unterstützen, was geeignet ist, die Parteien und Gruppen zu stärken, die den Abschluss dieses Vertrages mit uns anstreben. In der Person Vanderlips haben wir einen solchen Anhänger bekommen. Das ist kein bloßer Zufall. Das kann man nicht allein dadurch erklären, dass Vanderlip besonders unternehmungslustig sei oder dass Vanderlip Sibirien sehr gut kenne. Hier haben wir es mit tieferen Ursachen zu tun, zusammenhängend mit der Entwicklung der Interessen des englischen Imperialismus, der eine ungeheuerliche Zahl von Kolonien besitzt. Hier haben wir den tiefen Widerstreit zwischen dem amerikanischen und englischen Imperialismus, und es ist unsere unbedingte Pflicht, uns darauf zu stützen...

Ich habe erwähnt, dass Vanderlip ein besonderer Kenner Sibiriens ist. Als unsere Verhandlungen zu Ende gingen, meinte Genosse Tschitscherin, man sollte Vanderlip empfangen, weil das eine sehr gute Wirkung auf sein weiteres Auftreten in Westeuropa haben werde. Und obwohl die Aussicht auf eine Unterredung mit einem solchen kapitalistischen Haifisch gewiss nicht zu den angenehmen gehört, konnte mich, nachdem ich von Amts wegen mich sehr höflich sogar mit dem verstorbenen Mirbach unterhalten musste, auch eine Unterredung mit Vanderlip natürlich nicht schrecken. Interessant ist folgendes: als Vanderlip und ich alle möglichen Liebenswürdigkeiten austauschten und er im Scherz davon zu reden anfing, dass die Amerikaner ein außerordentlich praktisches Volk seien und niemand Glauben schenken, bevor sie sich nicht selbst mit eigenen Augen überzeugen, da antwortete ich ihm ebenfalls halb scherzhaft: „Nun werden Sie ja sehen, wie gut es in Sowjetrussland ist, und Sie werden dasselbe auch bei sich in Amerika einführen.“ Darauf antwortete er mir, aber nicht mehr in englischer, sondern in russischer Sprache: „Vielleicht.“ „Wie! Sie verstehen sogar Russisch?“ Darauf er: „Ich habe vor vielen Jahren 5000 Werst in Sibirien zurückgelegt, und Sibirien hat mich außerordentlich interessiert.“ Dieser scherzhafte Austausch von Liebenswürdigkeiten mit Vanderlip endete damit, dass Vanderlip beim Weggehen erklärte: „Ja, ich muss zugeben, dass Mister Lenin keine Hörner hat, und ich werde das allen meinen Bekannten in Amerika sagen müssen.“ Es wäre natürlich keine bedeutungslose Bagatelle, wenn die europäische Presse keine Meldungen mehr brächte, dass die Sowjetmacht ein Ungeheuer sei, dass man zu ihr keine Beziehungen unterhalten könne. Wir haben die Möglichkeit bekommen, einen Stein in diesen Sumpf zu werfen, und das dank Vanderlip, der Anhänger der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit uns ist.

Gab es denn auch nur eine einzige Meldung aus Japan, in der nicht von einer außerordentlichen Erregung in den japanischen Handelskreisen die Rede wäre! Die japanische öffentliche Meinung erklärt, dass sie niemals ihre Interessen preisgeben werde, dass sie gegen Konzessionsabmachungen mit der Sowjetmacht sei. Mit einem Wort: wir haben eine kolossale Verschärfung der Feindschaft zwischen Japan und Amerika und dadurch eine unzweifelhafte Abschwächung des Drucks von Japan und Amerika gegen uns erzielt.

In der Versammlung der verantwortlichen Funktionäre von Moskau, in der ich von dieser Tatsache Mitteilung machte, wurde in der Diskussion eine Frage dieser Art gestellt: „Also“, schrieb ein Genosse, „treiben wir Japan und Amerika zu einem Krieg, kämpfen aber werden die Arbeiter und Bauern. Das sind zwar imperialistische Staaten, aber geziemt es denn uns als Sozialisten, zwei Staaten zu einem Krieg zu treiben und ein Vergießen von Arbeiterblut herbeizuführen?“ Darauf habe ich geantwortet: Wenn wir wirklich die Arbeiter und Bauern zu einem Krieg trieben, so wäre das ein Verbrechen. Aber unsere ganze Politik und Propaganda ist keineswegs darauf gerichtet, die Völker in den Krieg zu treiben, sondern darauf, dem Krieg ein Ende zu bereiten. Und die Erfahrung hat zur Genüge gezeigt, dass einzig und allein die sozialistische Revolution der Ausweg aus den ewigen Kriegen ist. Unsere Politik besteht also nicht im Hetzen zum Krieg. Wir haben nichts getan, was direkt oder indirekt einen Krieg zwischen Japan und Amerika rechtfertigen könnte. Unsere ganze Propaganda und alle unsere Zeitungsartikel sind voller Aufklärung über die Wahrheit, dass ein Krieg zwischen Amerika und Japan ein ebensolcher imperialistischer Krieg wäre, wie es der Krieg der englischen Gruppe mit der deutschen Gruppe im Jahre 1914 war; dass die Sozialisten nicht an die Verteidigung des Vaterlandes werden denken müssen, sondern an den Sturz der Macht der Kapitalisten, an die Arbeiterrevolution. Aber wenn wir, die wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um diese Revolution zu beschleunigen, uns in der Lage der schwachen Sozialistischen Republik befinden, die von den imperialistischen Räubern überfallen wird, ist da unsere Politik richtig, die die Widersprüche zwischen ihnen ausnutzt, um einen Zusammenschluss gegen uns zu erschweren? Natürlich ist eine solche Politik richtig. Wir haben sie vier Jahre lang getrieben. Und die wichtigste Tatsache der Äußerung dieser Politik war der Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Solange der deutsche Imperialismus Widerstand leistete, konnten wir uns durch Ausnutzung der Gegensätze der Imperialisten untereinander sogar zu einer Zeit behaupten, als die Rote Armee noch nicht geschaffen war.

Das ist die Lage, in der unsere Konzessionspolitik in Bezug auf Kamtschatka entstanden ist. Diese Art Konzession ist ziemlich selten. Ich werde später davon sprechen, wie sich die übrigen Konzessionsobjekte gestalten. Jetzt will ich mich auf die politische Seite der Frage beschränken. Ich möchte darauf hinweisen, dass in den Beziehungen zwischen Japan und Amerika die Erklärung dafür zu finden ist, warum das Anbieten von Konzessionen oder das Locken durch Konzessionen für uns vorteilhaft ist. Die Konzession setzt diese oder jene Wiederherstellung von friedlichen Abkommen, die Wiederherstellung von Handelsbeziehungen voraus, setzt die Möglichkeit voraus, dass wir mit direkten großen Ankäufen der für uns notwendigen Maschinen beginnen können. Und wir müssen alle Anstrengungen darauf richten, um das durchzuführen. Das ist noch nicht geschehen.

Der Genosse, der die Frage nach der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit England stellt, fragt, warum sich die Unterzeichnung des Abkommens mit England verzögert. Ich antworte darauf: sie verzögert sich, weil die englische Regierung schwankt. Die Mehrheit der Handels- und Industriebourgeoisie Englands ist für die Wiederaufnahme der Beziehungen und sieht ganz klar, dass Schritte zur Unterstützung des Krieges ein außerordentliches Risiko und eine Beschleunigung der Revolution bedeuten. Ihr erinnert euch, wie die englische Regierung während unseres Vormarschs auf Warschau uns mit einem Ultimatum drohte und erklärte, dass sie ihrer Flotte den Befehl erteilen werde, nach Petrograd auszulaufen. Ihr erinnert euch, wie ganz England sich mit einem Netz von „Aktionsausschüssen“ bedeckte und die menschewistischen Führer erklärten, dass sie gegen den Krieg seien, dass sie diesen Krieg nicht zulassen würden. Andererseits ist der reaktionäre Teil der englischen Bourgeoisie und die Militärclique am Hofe für die Fortsetzung des Krieges. Kein Zweifel, dass die Verzögerung der Unterzeichnung des Handelsabkommens ihrem Einfluss zuzuschreiben ist. Die einzelnen Verwicklungen dieser Handelsbeziehungen mit England, dieses Vertrages über die Handelsbeziehungen mit England, will ich nicht schildern, weil das mich viel zu weit führen würde. Im Zentralkomitee der Partei haben wir uns mit dieser heiklen Frage in der letzten Zeit sehr eifrig beschäftigen müssen. Wir kehrten zu dieser Frage außergewöhnlich oft zurück, wobei unsere Politik ganz klar auf größte Nachgiebigkeit abgestimmt war. Unser Ziel ist gegenwärtig, ein Handelsabkommen mit England zu erlangen, um einen regelmäßigeren Warenaustausch aufzunehmen, um für unseren großzügigen Plan des Wiederaufbaus der Volkswirtschaft die Möglichkeit zu bekommen, die notwendigen Maschinen aufs Schnellste einzukaufen. Je schneller wir das tun, eine desto festere Grundlage werden wir für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von den kapitalistischen Ländern haben. Gerade jetzt, wo sie sich bei dem militärischen Überfall auf Russland die Finger verbrannt haben, können sie nicht sofort an eine Wiederaufnahme des Krieges denken. Wir müssen den Augenblick ergreifen und alle Kräfte darauf richten, um Handelsbeziehungen zu erlangen, sei es auch um den Preis maximaler Zugeständnisse, denn wir glauben keinen einzigen Augenblick an dauerhafte Handelsbeziehungen mit den imperialistischen Staaten. Das wird eine zeitweilige Pause sein. Die Erfahrung der Geschichte der Revolutionen, der großen Konflikte lehrt, dass Kriege, dass eine Reihe von Kriegen unvermeidlich ist. Eine solche Frage aber wie die Existenz der Sowjetrepublik neben den kapitalistischen Ländern – der Sowjetrepublik, umgeben von kapitalistischen Ländern – ist etwas so Unzulässiges für den Kapitalismus, dass er nach jeder Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Krieges greifen wird. Gegenwärtig sind die Völker durch den imperialistischen Krieg ermüdet, sie drohen mit Empörung, wenn der Krieg fortgesetzt wird. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kapitalisten nach Verlauf weniger Jahre den Krieg wieder aufnehmen können. Darum eben müssen wir alle Kräfte darauf richten, um die Möglichkeit, soweit sie vorhanden ist, auszunutzen und Handelsbeziehungen aufzunehmen.

Im Juli, als Polen die völlige Niederlage drohte, als Polen die Vernichtung durch die Rote Armee drohte, legte England den vollständigen Text eines Abkommens vor, in dem es hieß: Ihr müsst prinzipiell erklären, dass ihr keine offizielle Propaganda treiben und nichts gegen die Interessen Englands im Osten unternehmen werdet. Diese Frage wird auf einer späteren politischen Konferenz behandelt werden, jetzt aber wollen wir einen bestimmten Handelsvertrag schließen. Wollt ihr unterzeichnen? Wir antworteten: jawohl. Wir erklären auch jetzt, dass wir dieses Abkommen unterzeichnen. Durch eine politische Konferenz werden die Interessen Englands im Osten genauer fixiert werden. Wir haben ebenfalls gewisse Interessen im Osten, und sobald es die Notwendigkeit verlangt, werden wir sie ausführlich darlegen. England kann nicht direkt erklären, dass es sein Angebot vom Juli zurücknimmt. Deshalb verschleppt es die Sache und verheimlicht vor dem eigenen Volke die Wahrheit über die Verhandlungen. Die Verhandlungen befinden sich in einem Stadium der Ungewissheit, wir können keine Gewähr dafür leisten, dass das Abkommen unterzeichnet werden wird. Höchst einflussreiche Kreise in England, die Hof- und Militärkreise, arbeiten gegen dieses Abkommen. Aber wir sind jetzt zu maximalen Zugeständnissen bereit und glauben, dass es in unserem Interesse ist, ein Handelsabkommen zu erlangen und möglichst rasch einige der wichtigsten Objekte für die Wiederherstellung des Transportwesens, d. h. Lokomotiven, für die Wiederherstellung der Industrie, für die Elektrifizierung einzukaufen. Das ist für uns das Allerwichtigste. Wenn wir das bekommen, so werden wir in einigen Jahren so erstarkt sein, dass, wenn nach einigen Jahren schlimmstenfalls sogar eine militärische Intervention unternommen werden sollte, sie misslingen wird, weil wir stärker sein werden als wir jetzt sind. Unsere Politik im Zentralkomitee bewegt sich auf der Linie maximaler Zugeständnisse an England. Und wenn diese Herrschaften glauben, uns auf irgendwelche Versprechungen hin zu fangen, so erklären wir, dass unsere Regierung keinerlei offizielle Propaganda treiben wird, dass wir keinerlei Interessen Englands im Osten anzutasten gedenken. Wenn sie hoffen, dadurch den Rahm abzuschöpfen, dann sollen sie es nur versuchen. Wir werden dabei nicht zu Schaden kommen.

Nun komme ich zur Frage der Beziehungen zwischen England und Frankreich. Sie sind verworren. Einerseits sitzen England und Frankreich im Völkerbund und sind verpflichtet, zusammenzuarbeiten, andererseits fehlt bei jeder Verschärfung der Lage die Zusammenarbeit unter ihnen. Als Genosse Kamenew in London war und zusammen mit Krassin die Verhandlungen führte, da trat das ganz klar zutage. Frankreich war für die Unterstützung Polens und Wrangels, die englische Regierung aber erklärte: „Wir werden mit Frankreich nicht zusammengehen.“ Konzessionsverträge sind für England annehmbarer als für Frankreich, das noch von einer Bezahlung der Schulden träumt, während in England halbwegs geschäftstüchtige Kapitalisten aufgehört haben, daran zu denken. Und unter diesem Gesichtspunkt ist es für uns vorteilhaft, den Gegensatz zwischen England und Frankreich auszunutzen; deshalb müssen wir auf dem politischen Angebot von Konzessionen an England bestehen. Jetzt liegt der Entwurf eines Vertrags über Waldkonzessionen im Hohen Norden vor. Wir befinden uns in einer Lage, da es, dank der Tatsache, dass keine politische Einigkeit zwischen England und Frankreich besteht, unsere Pflicht ist, sogar ein gewisses Risiko nicht abzulehnen, wenn wir nur dadurch erreichen, dass ein militärisches Bündnis Englands und Frankreichs gegen uns erschwert wird. Ein neuer Krieg gegen uns, den England und Frankreich unterstützen werden, wird uns (selbst bei der Voraussetzung, dass wir ihn durchaus siegreich beenden, so, wie wir jetzt den Krieg mit Wrangel beendet haben) ungeheure Lasten aufbürden, wird unsere wirtschaftliche Entwicklung erschweren, wird die Lage der Arbeiter und Bauern verschlechtern. Deshalb müssen wir auf alles eingehen, was uns weniger Verluste bringt. Dass aber die Verluste durch die Konzessionen nichts sind im Vergleich mit einer Verzögerung unseres wirtschaftlichen Aufbaus und dem Untergang von tausenden Arbeitern und Bauern, wenn es nicht gelingen sollte, dem Bund der Imperialisten standzuhalten, – das ist klar. Und eines jener Mittel, ihrem Bund standzuhalten, sind die Verhandlungen mit England über Konzessionen. Das ist die politische Seite der Frage.

Nehmen wir schließlich das Verhältnis Englands und der ganzen Entente zu Deutschland. Deutschland ist, abgesehen von Amerika, das fortgeschrittenste Land. Was die Entwicklung des Elektrizitätswesens betrifft, so steht Deutschland technisch sogar höher. Und dieses Land, das durch den Versailler Vertrag gebunden ist, befindet sich in unmöglichen Existenzbedingungen. In dieser Lage wird Deutschland natürlich zu einem Bündnis mit Russland getrieben. Als die russischen Truppen sich Warschau näherten, da brodelte es in ganz Deutschland. Ein Bündnis zwischen Russland und diesem Lande, das abgewürgt worden ist, das die Möglichkeit hat, gewaltige Produktivkräfte in Bewegung zu setzen! Das gab den Anstoß dazu, dass in Deutschland ein politisches Durcheinander entstand: die deutschen Reaktionäre trafen sich in ihrer Sympathie für die russischen Bolschewiki mit den Spartakusleuten. Und das ist durchaus begreiflich, denn das ergibt sich aus den wirtschaftlichen Ursachen, das bildet das Fundament der gesamten wirtschaftlichen Lage und unserer Außenpolitik.

Unsere Außenpolitik besteht, solange wir allein dastehen und die kapitalistische Welt stark ist, einerseits darin, dass wir die Meinungsverschiedenheiten ausnutzen müssen (alle imperialistischen Mächte zu besiegen, wäre natürlich das Angenehmste, aber wir werden noch ziemlich lange nicht imstande sein, das zu tun). Unsere Existenz hängt einerseits davon ab, dass eine grundlegende Differenz zwischen den imperialistischen Staaten besteht, andererseits aber davon, dass der Sieg der Entente und der Frieden von Versailles die gewaltige Mehrheit der deutschen Völker in unmögliche Existenzbedingungen gebracht haben. Der Frieden von Versailles hat eine Situation geschaffen, da Deutschland von einer Atempause nicht einmal träumen kann, nicht davon träumen kann, dass man es nicht ausraube, ihm nicht die Existenzmittel nehme, seine Bevölkerung nicht zum Hungern und Aussterben verdamme, und es ist natürlich, dass für Deutschland das einzige Mittel, sich zu retten, nur ein Bündnis mit Sowjetrussland ist, auf das die Deutschen auch ihre Blicke richten. Sie sind wütende Feinde Sowjetrusslands, sie hassen die Bolschewiki, sie erschießen ihre Kommunisten, so wie es echte Weißgardisten tun. Die deutsche bürgerliche Regierung hegt einen tollen Hass gegen die Bolschewiki, aber die Interessen der internationalen Lage treiben sie gegen ihren eigenen Willen zum Frieden mit Sowjetrussland. Das, Genossen, ist die zweite Hauptsäule unserer internationalen, unserer Außenpolitik: den Völkern, die sich der kapitalistischen Unterdrückung bewusst werden, zu beweisen, dass für sie keine andere Rettung besteht als die Sowjetrepublik. Und da die Sowjetrepublik drei Jahre lang dem Ansturm der Imperialisten standgehalten hat, so spricht das davon, dass es ein Land auf der Welt gibt, nur ein Land, das diese Unterjochung durch den Imperialismus erfolgreich abwehrt. Mag das ein Land der „Räuber“, „Plünderer“, „Banditen“, der Bolschewiki usw. sein, mag dem so sein, und doch kann man ohne dieses Land die wirtschaftliche Lage nicht bessern.

In dieser Situation erlangt die Frage der Konzessionen noch eine andere Bedeutung. Vor mir liegt eine Broschüre: das Dekret vom 23. November über die Konzessionen. Sie wird an alle Mitglieder des Kongresses verteilt werden. Wir haben die Absicht, die Broschüre über die Konzessionen in einigen Sprachen im Ausland herauszugeben.1 Unser Ziel ist, unverzüglich alles zu tun, um das Interesse für die Konzessionen unter der Bevölkerung möglichst vieler Länder zu wecken, und gerade der Länder, die am meisten unterdrückt sind. Der Interessengegensatz zwischen Japan und Amerika ist sehr groß. Sie sind nicht imstande, China sowie eine Reihe von Inseln usw. untereinander aufzuteilen. Der Interessengegensatz zwischen Deutschland und der Entente ist anderer Art. Die Existenz Deutschlands ist unmöglich infolge der Bedingungen, die von der Entente geschaffen worden sind. Dort stirbt das Volk, weil die Entente die Motoren und das Vieh fortnimmt. Diese Lage treibt Deutschland zur Annäherung an Sowjetrussland. Ich kenne nicht die Einzelheiten des Vertrags zwischen Deutschland und der Entente, aber es ist jedenfalls bekannt, dass in diesem Vertrag direkte Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Sowjetrussland untersagt sind. Die Existenzbedingungen zwingen das deutsche Volk in seiner Gesamtheit, die deutschen Reaktionäre und Kapitalisten nicht ausgenommen, Beziehungen zu Sowjetrussland zu suchen. Es ist also klar, dass wir Konzessionen als wirtschaftliches Mittel vorschlagen müssen, sogar unabhängig davon, inwieweit die Verwirklichung des Projekts gelingen wird. Das Interesse für Konzessionen tritt so klar zutage, dass selbst wenn es uns nicht gelänge, auch nur eine einzige Konzession unterzubringen, selbst wenn kein einziger unserer Verträge unterzeichnet werden sollte (noch ist das durchaus möglich), selbst wenn es so käme, würden wir doch einen Gewinn erzielt haben, würden wir doch diese Politik treiben müssen, weil wir damit den Feldzug der imperialistischen Staaten gegen uns erschweren.

Unabhängig davon müssen wir uns insgesamt an alle unterdrückten Völker wenden mit dem Hinweis – und das ergibt sich aus dem Versailler Vertrag –, dass ein Häuflein Staaten anderen Völkern die Kehle zuschnürt. Diese Völker wenden sich, offen oder versteckt, bewusst oder unbewusst, um Hilfe an uns, sie gewöhnen sich jedenfalls daran, die wirtschaftliche Notwendigkeit eines Bündnisses mit Sowjetrussland gegen den internationalen Imperialismus anzuerkennen. Darum gehen die Lebensmittelkonzessionen über den Rahmen der alten bürgerlichen Konzessionen hinaus, sie sind den alten kapitalistischen Konzessionen nicht mehr ähnlich. Sie bleiben kapitalistische Konzessionen, soweit wir den deutschen Kapitalisten sagen: liefert uns soundso viele Traktoren, wir werden euch dafür ausgezeichneten jungfräulichen Boden und Getreide geben. Wir ziehen das Kapital durch riesige Profitmöglichkeiten an. In dieser Hinsicht bleibt die Konzession ein rein kapitalistisches Unternehmen, sie erlangt aber eine unendlich größere Bedeutung, da Deutschland als Nation, Österreich und andere Länder nicht existieren können, insofern sie eine Unterstützung mit Lebensmitteln brauchen und insofern das ganze Volk, unabhängig davon, ob der Kapitalist 100 oder 200 Prozent profitiert, insofern das ganze Volk trotz der Vorurteile gegen den Bolschewismus einsieht, dass die Bolschewiki ganz andere internationale Verhältnisse schaffen, die allen unterdrückten Völkerschaften die Möglichkeit gehen, das imperialistische Joch abzuschütteln. Deshalb wird auf unsere Erfolge der verflossenen drei Jahre ein noch größerer Erfolg unserer Außenpolitik im kommenden Jahre folgen. Unsere Politik gruppiert um die Sowjetrepublik die kapitalistischen Länder, die der Imperialismus würgt. Darum hat dieses Anbieten von Konzessionen nicht nur kapitalistische Bedeutung, darum ist das eine Hand, die nicht nur den deutschen Kapitalisten gereicht wird: „Liefert uns hunderte Traktoren und nehmt sogar 300 Prozent pro Rubel“ –, sondern eine Hand, die den unterdrückten Völkern und dem Bund der unterdrückten Massen gereicht wird, der einer der Faktoren der kommenden proletarischen Revolution ist. Die Zweifel und Befürchtungen, die noch in den fortgeschrittenen Ländern bestehen, die besagen, dass Russland eine sozialistische Revolution riskieren konnte, weil es groß ist und seine eigenen Existenzmittel hat, während sie, die Industrieländer Europas, das nicht tun können, weil sie keine Verbündeten haben, sind unbegründet. Wir sagen: „Ihr habt bereits einen Verbündeten – Sowjetrussland.“ Und wenn wir Konzessionsverträge zustande bringen, so wird das ein Bündnis sein, das den Bund gegen den Weltimperialismus festigt. Diesen Grundsatz darf man nicht außer Acht lassen, er rechtfertigt unsere Politik der Konzessionen und weist auf die Notwendigkeit des Abschlusses dieser Konzessionen hin.

Nun einige rein wirtschaftliche Betrachtungen. Ich komme jetzt zu den wirtschaftlichen Erwägungen und will einige Punkte aus dem Gesetz vorlesen, obwohl ich hoffe, dass die hier anwesenden Genossen dieses Gesetz vom 23. November gelesen haben. Ich will es aber kurz ins Gedächtnis rufen. Es ist dort die Rede davon, dass den Konzessionären eine Vergütung in Gestalt eines Teils der Produkte überlassen wird, dass wir im Falle besonderer technischer Vervollkommnungen bereit sind, Handelsvergünstigungen einzuräumen, dass die Fristen der Konzessionen, je nach dem Umfang und Charakter der Aufwendungen, von mehr oder weniger langer Dauer sein werden. Wir garantieren, dass der ins Unternehmen gesteckte Besitz nicht konfisziert und nicht requiriert wird.

Andernfalls können natürlich das Privatkapital und der Privatbesitzer keine Beziehungen zu uns aufrechterhalten. Aber hier ist die Frage der Gerichte ausgeschaltet worden, die zuerst im Vertragsentwurf berührt war. Später erkannten wir, dass das für uns unvorteilhaft ist. Die richterliche Gewalt bleibt also auf unserem Territorium in unseren Händen. Im Falle eines Konflikts werden unsere Richter über die Frage entscheiden. Das wird nicht eine Requisition sein, sondern die Anwendung der gerichtlichen Rechte unserer Gerichtsbehörden.

Im fünften Punkt ist die Rede vom Kodex der Arbeitsgesetze. Mit Vanderlip war in dem ursprünglichen Vertragsentwurf vereinbart worden, dass der Kodex der Arbeitsgesetze dort, wo – wir wissen nicht welche – auf niedriger Entwicklungsstufe befindliche Volksstämme leben, keine Anwendung finden sollte. In diesen Gegenden ist eine Anwendung des Kodex der Arbeitsgesetze nicht möglich. Die Ausnahme wird darin bestehen, dass an Stelle des Kodex der Arbeitsgesetze ein Sondervertrag über die Garantien für die Arbeiter geschlossen werden wird.

Nun der letzte Punkt, in dem wir dem Konzessionär garantieren, dass eine „einseitige“ Änderung unzulässig ist. Ohne das kann natürlich von der Zulassung von Konzessionen keine Rede sein. Die Frage aber, was eine nicht einseitige Änderung darstellt, ist offengelassen worden. Das hängt von dem Text des Vertrags über eine jede Konzession ab. Möglich ist ein Schiedsgericht aus irgendwelchen neutralen Mächten. Das ist ein Punkt, der zu Meinungsverschiedenheiten Anlass geben kann und der bei der Festsetzung der Konzessionsbedingungen selbst einen gewissen Spielraum lässt. Es muss darauf hingewiesen werden, dass z. B. die menschewistischen Arbeiterführer in der kapitalistischen Welt als zuverlässige Leute gelten. Sie gehören den bürgerlichen Regierungen an, und den bürgerlichen Regierungen dürfte es allzu schwerfallen, solche Mittelsmänner oder Schiedsrichter wie die Menschewiki oder Sozialverräter der europäischen Länder abzulehnen. Die Erfahrung hat uns jedoch gezeigt, dass bei einer halbwegs ernsten Zuspitzung diese Herrschaften, diese amerikanischen und europäischen Menschewiki, nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, und sich gezwungen sehen, dem Druck der revolutionären Massen nachzugeben, obwohl sie Gegner der Revolution bleiben. Das ist eine offene Frage. Wir wollen sie nicht im Voraus entscheiden.

Aus diesen Bedingungen, die ich euch verlesen habe, seht ihr, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den kapitalistischen Konzessionären und der Sozialistischen Republik bei weitem nicht fest und stabil sind. Es ist begreiflich, dass der Kapitalist, der das Privateigentum und die Ausbeutungsverhältnisse aufrechterhält, in der Sozialistischen Republik nichts anderes als ein Fremdkörper sein muss. Und daraus ergibt sich, was einer der wichtigsten Gegenstände meines Referats ist: dass die Konzessionspolitik eine Fortsetzung des Krieges nur in anderer Form ist. Ich will gleich ausführlich darauf eingehen, zunächst aber möchte ich die drei Hauptarten oder -objekte der Konzessionen kennzeichnen.

In dieser Broschüre haben wir eine Liste der wichtigsten Konzessionsobjekte aufgestellt, und die Genossen aus dem Obersten Volkswirtschaftsrat, die das Material zu dieser Broschüre lieferten und sie redigierten, haben Karten beigelegt, die diese Konzessionsobjekte illustrieren. Auf diesen Karten sieht man, dass die Konzessionsobjekte in drei Hauptarten zerfallen: erstens, Waldkonzessionen im Hohen Norden, zweitens, Lebensmittelkonzessionen und drittens, Bergbaukonzessionen in Sibirien.

Ein wirtschaftliches Interesse besteht für uns offensichtlich bei den Waldkonzessionen im Hohen Norden des Europäischen Russland, wo es Dutzende, hunderte Millionen Desjatinen Wald gibt, die wir wegen Mangel an Verkehrswegen, an Produktionsmitteln, wegen der Unmöglichkeit, Lebensmittel für die dortigen Arbeiter heranzuschaffen, absolut außerstande sind auszubeuten, während ein Staat mit einer starken Flotte die Möglichkeit hätte, das Holz richtig aufzubereiten und es in riesigen Mengen abzutransportieren.

Wenn wir den Warenaustausch mit dem Ausland wollen – wir aber wollen ihn, wir sehen seine Notwendigkeit ein –, so sind wir hauptsächlich daran interessiert, möglichst schnell von den kapitalistischen Ländern diejenigen Produktionsmittel (Lokomotiven, Maschinen, elektrische Apparate) zu erhalten, ohne die wir unsere Industrie halbwegs ernsthaft nicht wiederherstellen können, mitunter aber sie überhaupt nicht wiederherzustellen imstande sind, weil unsere Fabriken die notwendigen Maschinen nicht bekommen können. Es gilt, den Kapitalismus durch große Profite zu bestechen. Er wird einen Überprofit einheimsen. Mag er nur diesen Überprofit einstecken. Wir werden das Wesentliche bekommen, mit dessen Hilfe wir uns befestigen, endgültig auf die Beine kommen und ihn wirtschaftlich besiegen werden. Um bessere Maschinen usw. zu bekommen, müssen wir zahlen. Womit zahlen? Wir haben einen Goldfonds von einigen Millionen, dieser ist uns geblieben. Ihr werdet in dem speziellen Plan der Elektrifizierung Russlands sehen, dass dieser Plan, der auf Jahrzehnte berechnet ist, zusammen mit der Arbeit für die Wiederherstellung der Industrie nach annähernder Berechnung die Verausgabung von 17 Milliarden Goldrubel erfordert. Die Elektrifizierung allein …2 wird unmittelbar über eine Milliarde Goldrubel kosten. Das können wir nicht mit unserem Goldfonds decken. Lebensmittel ausführen, ist für uns außerordentlich unerwünscht und gefährlich, weil wir für unsere eigene Industrie keine volle Verpflegung sicherstellen können. Wir müssen aber die Mittel aufbringen. Und hier gibt es für uns kein geeigneteres Objekt in wirtschaftlicher Hinsicht als die Waldungen im Hohen Norden, die wir in ungeheurer Menge haben. Sie verfaulen dort, gehen zugrunde, weil wir wirtschaftlich nicht imstande sind, sie auszubeuten. Holz aber hat auf dem internationalen Markt gewaltigen Wert. In dieser Beziehung ist der Hohe Norden für uns auch politisch günstig, weil das ein entlegenes Randgebiet ist. Diese Konzession ist für uns sowohl politisch als auch ökonomisch günstig, und wir müssen diese Konzession am meisten forcieren. Miljutin hat in der Moskauer Beratung, von der ich euch gesprochen habe, mitgeteilt, dass die Verhandlungen mit England über diese Konzession im nordeuropäischen Russland vorwärts schreiten. Dort gibt es mehrere Dutzende Millionen Desjatinen Wald. Wenn wir drei oder fünf Millionen Desjatinen Wald in schachbrettartiger Ordnung an die Konzessionäre vergeben und dadurch technisch hochstehende Betriebe für uns ausnutzen können und die Möglichkeit bekommen zu lernen, ferner uns die Mitwirkung unserer Techniker ausbedingen, so gewinnen wir für uns sehr viel und erschweren den kapitalistischen Staaten, die sich mit uns in ein Geschäft eingelassen haben, militärische Unternehmungen gegen uns; denn der Krieg bricht die Verträge, im Falle eines Krieges würden die Bauten, die Anlagen, die Verkehrswege in unseren Besitz übergehen. Eventuelle Unternehmungen neuer Koltschaks, Denikins usw. gegen uns werden dadurch nicht erleichtert.

Die zweite Art der Konzessionen sind die Lebensmittelkonzessionen. Abgesehen von Westsibirien, wo es eine gewaltige Fläche erstklassigen Bodens gibt, die uns nicht zugänglich ist, da sie von den Verkehrswegen weit abliegt, gibt es allein im Europäischen Russland und längs des Uralflusses (unser Landwirtschaftskommissariat ließ eine entsprechende Untersuchung anstellen, die ergab, dass der Umfang der Ländereien, die wir nicht bearbeiten können, nicht weniger als 3 Millionen Desjatinen längs des Uralflusses beträgt, Ländereien, die infolge der siegreichen Beendigung des Bürgerkrieges von den Kosaken verlassen wurden) ausgezeichnete Ländereien, die man unter den Pflug nehmen muss, die wir aber aus Mangel an Vieh und angesichts der geschwächten Produktivkräfte nicht bearbeiten können.

In den Sowjetgütern des Dongebiets haben wir bis 800.000 Desjatinen Land, die wir nicht bestellen können, zu deren Bestellung eine riesige Menge Vieh oder ganze Traktorenkolonnen notwendig wären, und diese vermögen wir nicht einzusetzen, während einige kapitalistische Länder, darunter diejenigen, die an einem ungeheuren Mangel an Lebensmitteln leiden, wie Österreich, Deutschland, Böhmen, sie einsetzen und in einer Sommersaison einen ausgezeichneten Weizen bekommen könnten. Wie weit uns das zu realisieren gelingen wird, wissen wir nicht. Bei uns arbeiten jetzt zwei Traktorenwerke, in Moskau und in Petrograd, aber angesichts der schwierigen Verhältnisse können sie keine große Zahl von Traktoren liefern. Wir könnten die Lage durch den Ankauf einer größeren Menge von Traktoren erleichtern. Traktoren sind das wichtigste Mittel für eine radikale Umgestaltung der alten Formen des Ackerbaus und für die Erweiterung der Anbaufläche. Durch diese Konzessionen können wir einer ganzen Reihe von Ländern zeigen, dass wir imstande sind, die Weltwirtschaft in gewaltigem Maße zu entwickeln.

Wenn unsere Propaganda und unsere Angebote nicht von Erfolg gekrönt sein sollten, wenn unser Angebot nicht angenommen werden sollte, so würden wir dennoch von ihnen nicht nur politischen Nutzen haben, sondern auch Nutzen für den Sozialismus. Was in der kapitalistischen Welt vor sich geht, ist nicht nur Raubbau, sondern Wahnsinn und Verbrechen, denn in einigen Ländern lässt sich ein Überfluss an Lebensmitteln wahrnehmen, die wegen der Valutarevolutionen nicht verkauft werden können, weil in einer ganzen Reihe der besiegten Länder das Geld entwertet ist. Es verfaulen gewaltige Mengen von Lebensmitteln, während gleichzeitig Millionen und Abermillionen Menschen in solchen Ländern wie Deutschland direkt zugrunde gehen. Dieser Widersinn, dieses Verbrechen des Kapitalismus wird augenfällig für alle kapitalistischen Länder sowie für die kleinen Länder, die Russland umgeben. Nun tritt die Sowjetrepublik auf den Plan und erklärt: „Wir haben Hunderttausende ausgezeichneter Landstücke, die man mit Traktoren urbar machen kann, ihr aber habt Traktoren, habt Benzin und geschulte Techniker. Und nun schlagen wir allen Völkern, auch den Völkern der kapitalistischen Länder vor, die Wiederherstellung der Volkswirtschaft und die Rettung aller Völker vom Hunger zur Grundaufgabe zu machen.“ Wenn die Kapitalisten das nicht begreifen, so ist das ein Beweis für die Verkommenheit, den Wahnsinn und das verbrecherische Wesen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Das wird nicht allein propagandistische Bedeutung haben, das wird ein kommunistischer Aufruf zur Revolution sein, denn es wird mit einer Bestimmtheit, die immer mehr in das Bewusstsein aller Völker dringt, zeigen, dass der Kapitalismus zerfällt, dass er nicht imstande ist, die Bedürfnisse zu befriedigen. Eine winzige Minderheit imperialistischer Länder bereichert sich, während eine ganze Reihe anderer Länder sich direkt am Rande des Untergangs befindet. Die Weltwirtschaft bedarf einer Reorganisation. Und die Sowjetrepublik tritt mit einem solchen Reorganisationsplan, mit einem solchen durchaus sachlichen, unanfechtbaren, durchführbaren Vorschlag auf: „Ihr sterbt Hungers unter dem Kapitalismus trotz der überragenden technischen Reichtümer. Wir haben die Möglichkeit, durch Verbindung eurer Technik mit unseren Rohstoffen der Krise ein Ende zu machen, aber das Hindernis sind die Kapitalisten. Wir schlagen ihnen vor, das zu tun, sie aber bremsen, sabotieren.“ Das ist die zweite Art der Konzessionen, die Ernährungs- oder Traktorenkonzessionen.

Die dritte Art der Konzessionen sind Bergbaukonzessionen. Sie sind auf der Karte Sibiriens aufgezählt, wo jeder Ort genau angegeben ist, von dem in der Konzession die Rede ist. Die Bergbauschätze Sibiriens sind ganz unermesslich, und wir würden sogar im günstigsten Falle, bei großen Erfolgen, im Laufe von mehreren Jahren nicht imstande sein, auch nur ein Hundertstel von ihnen auszubeuten. Sie befinden sich in einem solchen Zustand, dass sie die Ausrüstung mit besseren Maschinen erfordern. Hier gibt es Bodenschätze, wie Kupfererz, das die kapitalistischen Länder für die Elektro-Industrie dringend brauchen, weil ein Heißhunger nach diesen Erzeugnissen herrscht. Wenn man richtige Beziehungen zu uns aufnimmt, besteht die Möglichkeit, die Weltwirtschaft wiederherzustellen und die Technik in der ganzen Welt zu heben.

Die Realisierung dieser Konzessionen ist natürlich schwer, d. h. sie bereitet größere Schwierigkeiten als die der Wald- und Lebensmittelkonzessionen. Bei den Lebensmittelkonzessionen handelt es sich um kurzfristige Traktorenkampagnen. Die Waldkonzessionen sind ebenfalls nicht besonders schwer zu realisieren, um so mehr als das unzugängliche Objekte für uns sind; aber die Bergbaukonzessionen liegen teilweise nicht fern von der Eisenbahn, teilweise in sehr stark bevölkerten Gegenden. Hier besteht eine große Gefahr, und wir werden gründlicher erwägen müssen, ob wir solche Konzessionen erteilen sollen. Wir werden bestimmte Bedingungen stellen, denn es unterliegt keinem Zweifel: die Konzessionen, das ist ein neuer Krieg. Die Kapitalisten kommen zu uns, um einen neuen Krieg zu führen, die bloße Existenz der Kapitalisten ist schon Krieg gegen die sozialistische Welt. Kapitalistische Wirtschaftsbetriebe im sozialistischen Staate – das ist ein Krieg für den freien Handel, gegen die Politik der Ablieferungspflicht der Produkte, ein Krieg für das Privateigentum, gegen die Republik, die dieses Eigentum abgeschafft hat. Und aus dieser ökonomischen Wurzel erwächst eine ganze Reihe von Wechselbeziehungen (wie der Kriegszustand zwischen der „Sucharewka“ und unseren Institutionen). Man könnte uns sagen, dass wir die „Sucharewka“ schließen und eine neue Reihe von „Sucharewkas“ eröffnen, indem wir die Kapitalisten hereinlassen. Wir schließen nicht die Augen davor und sagen: wenn wir bisher gesiegt haben, und dann gesiegt haben, als unsere Feinde alle Mittel in Bewegung setzten, um unsere Unternehmen zu sprengen, als diese Sprengungsarbeit von innen und von außen zugleich unternommen wurde, – warum sollten wir nicht fertig werden, nicht aufpassen können auf bestimmten Gebieten, wenn wir bestimmte Bedingungen und Verhältnisse haben werden? Wir haben praktische Erfahrungen im Kampfe gegen die Militärspionage, gegen die kapitalistische Sabotage. Wir kämpften, als sie sich in unseren eigenen Institutionen versteckt hielten. Warum sollen wir nicht imstande sein, mit den Dingen fertig zu werden; wenn die Kapitalisten, auf Grund bestimmter Listen, unter bestimmten Bedingungen, zu uns hereingelassen werden? Wir wissen natürlich, dass sie diese Bedingungen verletzen werden. Wir werden gegen diese Verletzungen kämpfen. Aber, Genossen, Konzessionen und kapitalistische Grundsätze – das ist Krieg. Solange wir das Kapital in den anderen Ländern nicht gestürzt haben, solange es viel stärker ist als wir, kann es jederzeit seine Kräfte gegen uns richten, kann neuerdings einen Krieg gegen uns unternehmen. Darum müssen wir stärker werden. Dazu aber bedarf es der Entwicklung der Großindustrie, bedarf es der Hebung des Transportwesens. Indem wir das betreiben, gehen wir ein Risiko ein. Hier haben wir abermals Kriegsverhältnisse, abermals Kampf. Und wenn die Kapitalisten unsere Politik untergraben sollten, so werden wir gegen sie Krieg führen. Es wäre ein schwerer Fehler zu glauben, dass ein friedlicher Vertrag über Konzessionen ein Friedensvertrag mit den Kapitalisten sei. Das ist ein Vertrag über Krieg, aber ein Vertrag, der weniger gefährlich ist für uns, weniger schwer für die Arbeiter und Bauern, weniger schwer als zu der Zeit, da man die besten Tanks und Kanonen gegen uns einsetzte. Und deshalb müssen wir alle Methoden anwenden, damit wir um den Preis wirtschaftlicher Zugeständnisse dahin gelangen, dass unsere wirtschaftlichen Kräfte sich entwickeln, dass unser wirtschaftlicher Wiederaufbau erleichtert werde. Die Kapitalisten werden natürlich die Verträge nicht erfüllen, erklären die Genossen, die die Konzessionen fürchten. Selbstverständlich darf man sich auf keinen Fall in der Hoffnung wiegen, dass die Kapitalisten die Verträge erfüllen werden. Das wird Krieg sein, und das letzte Argument, das überhaupt als Argument gegenüber der Sozialistischen Republik übrigbleibt, ist der Krieg.

Dieser Krieg bedroht uns gegenwärtig stündlich. Wir führen Friedensverhandlungen mit Polen, und wir haben alle Aussichten, dass der Frieden unterzeichnet wird, oder zumindest, um genauer zu sein, die allermeisten Aussichten für den Abschluss dieses Friedens. Aber dass die Sawinkow und die französischen Kapitalisten dahin arbeiten, diesen Vertrag zu Fall zu bringen, daran ist nicht zu zweifeln. Ein Krieg ist, wenn nicht heute, so doch morgen, für die Kapitalisten möglich, und sie würden ihn gern schon sofort beginnen, wenn sie nicht durch die dreijährige Erfahrung gewitzigt wären. Die Konzessionen sind ein gewisses Risiko. Die Konzessionen bedeuten Verluste. Die Konzessionen sind eine Fortsetzung des Krieges. Daran ist nicht zu zweifeln, aber dieser Krieg ist für uns vorteilhafter. Sobald wir ein gewisses Minimum an Produktionsmitteln, Lokomotiven und Maschinen bekommen, werden wir in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr das sein, was wir bisher waren, und dann werden die imperialistischen Länder uns noch weniger gefährlich sein.

Man sagte uns, dass die Konzessionäre Ausnahmebedingungen für die bei ihnen beschäftigten Arbeiter schaffen werden, dass sie für sie bessere Kleidung, besseres Schuhwerk, bessere Lebensmittel herbringen werden. Das wird dann ihre Propaganda unter unseren Arbeitern sein, die Entbehrungen ertragen müssen und noch lange Zeit ertragen werden. Es wird dann so sein, dass wir die Sozialistische Republik haben werden, in der die Arbeiter darben, und daneben eine kapitalistische Insel, wo die Arbeiter ausgezeichnet leben. Solche Befürchtungen kann man sehr oft in unseren Parteiversammlungen hören. Gewiss, diese Gefahr bleibt bestehen, sie zeigt, dass die Konzession eine Fortsetzung des Krieges, und nicht Frieden ist. Wenn wir aber viel größere Entbehrungen ertrugen und gleichzeitig sahen, dass Arbeiter aus den kapitalistischen Ländern trotzdem zu uns kommen, obwohl sie wissen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse, die sie in Russland erwarten, viel schlechter sind, sollten wir da wirklich nicht imstande sein, uns gegen eine solche Propaganda durch unsere Gegenpropaganda zu schützen, sollten wir da wirklich den Arbeitern nicht beweisen können, dass der Kapitalismus natürlich gewissen Gruppen seiner Arbeiter bessere Lebensbedingungen schaffen kann, dass aber die Lage der übrigen Arbeitermassen dadurch nicht gebessert wird? Und schließlich, warum haben bei jeder Berührung mit dem bürgerlichen Europa und Amerika immer wir gewonnen, und nicht sie? Warum fürchten sie bis auf den heutigen Tag, Delegationen zu uns zu schicken, wir zu ihnen aber nicht? Bisher haben wir von den Delegationen, die sie zu uns schickten, stets einen, wenn auch kleinen Teil für uns abgespalten, trotzdem die Delegationen hauptsächlich aus menschewistischen Elementen bestanden und diese Leute nur für kurze Zeit zu uns kamen. Und wir sollen uns fürchten, dass wir nicht imstande sein werden, den Arbeitern die Wahrheit zu erklären?! Wir wären Jammerlappen, wenn wir Angst davor hätten, wenn wir diese Erwägungen höher stellten als jenes direkte Interesse, das bei den Konzessionen von höchster Bedeutung ist. Die Lage unserer Arbeiter und Bauern ist nach wie vor schwer. Man muss sie verbessern. Darüber kann es bei uns keinerlei Zweifel geben. Ich glaube, wir werden darin einig sein, dass die Politik der Konzessionen ebenfalls eine Politik der Fortsetzung des Krieges ist. Aber unsere Aufgabe ist es, die Existenz der allein dastehenden Sozialistischen Republik, die von kapitalistischen Feinden umringt ist, zu behaupten; die Republik zu erhalten, die unendlich schwächer ist als die kapitalistischen Feinde ringsum; auf diese Weise den Feinden die Möglichkeit zu nehmen, einen Bund zum Kampf gegen uns zu schaffen; ihre Politik zu vereiteln, ihnen keine Möglichkeit zu geben, den Sieg davonzutragen. Unsere Aufgabe ist es, Russland die notwendigen Werkzeuge und Mittel zum Wiederaufbau der Wirtschaft zu sichern; denn, wenn wir das bekommen, werden wir so stark dastehen, dass wir keine kapitalistischen Feinde zu fürchten brauchen. Das ist die Auffassung, von der wir uns bei unserer Politik der Konzessionen haben leiten lassen, und die ich hier dargelegt habe.

1 Das Dekret des Rates der Volkskommissare vom 23. November 1920 wurde u. a. auch in deutscher Sprache in der „Russischen Korrespondenz“ Nr. 1/2, Januar-Februar 1921, unter dem Titel „Dekret des Rates der Volkskommissare über Konzessionen“ veröffentlicht.

2 Lücke im Stenogramm. Die Red.

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