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Wladimir I. Lenin 19140328 Der Zerfall des „August“-Blocks

Wladimir I. Lenin: Der Zerfall des „August“-Blocks

[„Putj Prawdy", Nr. 37, 28. (15.) März 1914. Nach Sämtliche Werke Band 17, Moskau-Leningrad 1935, S. 311-314]

Alle, die sich für die Arbeiterbewegung und den Marxismus in Russland interessieren, wissen, dass im August 1912 vom den Liquidatoren, Trotzki, den Letten, den Bundisten und den Kaukasiern ein Block (Bündnis) geschlossen wurde.

Mit Lärm und Getöse wurde dieser Block in der Zeitung „Lutsch" verkündet, die, und zwar nicht mit Arbeitergeldern, gerade zur Zeit der Wahlen in Petersburg gegründet wurde, um den Willen der Mehrheit der organisierten Arbeiter zu durchbrechen. Man pries die „große Anzahl" der .an diesem Block Beteiligten, man pries das Bündnis der „Marxisten verschiedener Richtungen", man pries die „Einheit" und den nichtfraktionellen Charakter; man schleuderte Blitz und Donner gegen die „Spalter", gegen die Anhänger der Januarkonferenz vom Jahre 19121.

Die Frage der „Einheit" war damit vor den denkenden Arbeitern in einer neuen, praktischen Form gestellt. Die Tatsachen .sollten zeigen, wer recht hat: ob jene, die die „Vereinigungs"plattform und -taktik der „Augustleute" priesen oder jene, die erklärten, dass dies ein verlogenes Aushängeschild sei zu dem Zwecke, denselben Liquidatoren, die bereits bankrott gemacht halten, eine neue Firma zu geben.

Seither sind ganz genau anderthalb Jahre verflossen. Das ist eine für die Aufschwungsperiode der Jahre 1912–1913 gewaltige Zeitspanne. Und nun wird, im Februar 1914, eine neue Zeitschrift gegründet, die diesmal aber ganz besonders „vereinigend", besonders und tatsächlich „nichtfraktionell" ist: die Zeitschrift des „wirklichen" Anhängers der Augustplattform Trotzkis, unter dem Namen „Borjba".

Sowohl der Inhalt der ersten Nummer der „Borjba" als auch das, was die Liquidatoren über die „Borjba" vor ihrem Erscheinen geschrieben haben, zeigt dem aufmerksamen Leser sofort den Zerfall des Augustblocks und die krampfhaften Anstrengungen, diesen Zerfall zu verbergen, die Arbeiter zu betrügen. Doch auch dieser Betrug wird sehr bald entlarvt sein.

Vor dem Erscheinen der „Borjba" veröffentlichte die Redaktion der „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" die boshafte Notiz:

Die tatsächliche Physiognomie dieser Zeitschrift, von der in der letzten Zeit in marxistischen Kreisen ziemlich viel gesprochen wurde, bleibt uns vorläufig noch ungeklärt."2

Der Leser bedenke nur: vom August 1912 an zählte Trotzki zu den Anführern des August-Vereinigungsblocks, aber schon das ganze Jahr 1913 zeigt, dass er sich vom „Lutsch" und seinen Anhängern entfernt. Im Jahre 1914 gründet derselbe Trotzki eine eigene Zeitschrift, wobei er fiktiv immer noch sowohl zur „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" als auch zur „Nascha Sarja" gezählt wird. „In den Kreisen spricht man ziemlich viel" von einem von den Liquidatoren verheimlichten vertraulichen „Briefchen" Trotzkis gegen die Anhänger des „Lutsch", die Herren Th. D., L. M. und ähnliche „Unbekannte".

Die wahrhafte, nicht fraktionelle und für die Vereinigung eintretende Redaktion der „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" aber schreibt: „Für uns ist die Physiognomie noch ungeklärt!"

Ihnen ist noch nicht klar geworden, dass der Augustblock zerfallen ist!!

Nein, meine Herren Th. D., L. M. und anderen „Lutsch"leute, euch ist das ausgezeichnet „klar", und ihr betrügt einfach die Arbeiter.

Der Augustblock erwies sich – wie wir schon damals, im August 1912, erklärten – als eine bloße Bemäntelung der Liquidatoren. Er ist gesprengt. Sogar seine russischen Freunde haben nicht mehr zusammengehalten. Die berüchtigten Vereiniger vermochten nicht einmal, sich untereinander zu vereinigen, und so ergaben: sich zwei „August“-Richtungen: die der „Lutsch"leute („Nascha Sarja" und „Sewernaja Rabotschaja Gaseta") und die trotzkistische („Borjba"). Beide halten je einen Fetzen des von ihnen zerrissenen, „alle vereinigenden" Augustbanners, und beide schreien mit heiserer Stimme „Einheit"!

Welches ist die Richtung der „Borjba"? Trotzki schrieb darüber ein riesengroßes Feuilleton in Nr. 11 der „Sewernaja Rabotschaja Gaseta", aber die Redaktion der Zeitung der Liquidatoren antwortete ihm sehr treffend, dass „die Physiognomie immer noch ungeklärt" sei.

Tatsächlich haben die Liquidatoren eine eigene Physiognomie, eine liberale und keine marxistische. Jeder der mit den publizistischen Erzeugnissen von Th. D., L. S., L. M„ Jeschow, Potressow und Komp. vertraut ist, kennt diese Physiognomie.

Trotzki dagegen hat niemals irgendeine „Physiognomie" gehabt, und er hat auch keine; bei ihm gab es nur Flüge, Sprünge von den Liberalen zu den Marxisten und umgekehrt, Bruchstücke von Wörtchen und wohlklingenden Phrasen, die von hier und dort zusammengeholt wurden.

Über keine einzige Streitfrage findet man in der „Borjba“ auch nur ein einziges lebendiges Wort. Das ist unglaublich, aber Tatsache. Die Frage der Illegalität. K e in Sterbenswörtchen. Teilt Trotzki die Ideen von Axelrod, Sassulitsch, Th. D., L. S. (Nr. 101 des „Lutsch") usw.? Kein Ton.

Die Losung des Kampfes für eine legale Partei? Kein einziges Wort.

Die liberalen Reden der Jeschow und anderer „Lutsch'"leute über die Streiks? Die Aufhebung des Programms in der nationalen Frage? Kein Ton.

Das Auftreten L. Sedows und anderer Anhänger des „Lutsch" gegen die zwei „Pfeiler"? Kein Ton. Trotzki versichert, er sei für die Vereinigung der Teilforderungen mit dem Endziel, aber wie er sich zu der von den Liquidatoren praktizierten Verwirklichung dieser „Vereinigung" stellt, darüber schweigt er sich aus!

Unter dem Mantel besonders wohlklingender, hohler und nebelhafter Phrasen führt Trotzki in Wirklichkeit die unaufgeklärten Arbeiter irre und verteidigt die Liquidatoren, dadurch dass er die Frage der Illegalität verschweigt und versichert, es gebe bei uns keine liberale .Arbeiterpolitik usw.

An die sieben Abgeordneten mit Tschcheïdse an der Spitze wendet sich Trotzki mit speziellen, langen Belehrungen darüber, wie man die Negierung der Illegalität und der Partei schlauer bewerkstelligen müsse. Diese ergötzlichen Belehrungen zeugen klar vom weiteren Zerfall der Sieben. Burjanow hat sie bereits verlassen. Sie konnten sich über die Antwort an Plechanow nicht verständigen. Sie schwanken nun zwischen Dan und Trotzki, wobei Tschcheïdse, wie es scheint, seine diplomatischen Talente anstrengt, um den neuen Riss zu verkitten.

Und diese an der Peripherie der Partei stehenden Leute, die nicht imstande sind, sich auf dem Boden ihrer „August“plattform zu vereinigen, betrügen die Arbeiter mit dem Geschrei über die „Einheit"! Vergebliches Bemühen!

Die Einheit ist die Anerkennung des „Alten" und der Kampf gegen jene, die es negieren. Die Einheit ist die Vereinigung der Mehrheit der Arbeiter Russlands auf dem Boden der allen längst bekannten Beschlüsse, mit denen das Liquidatorentum verurteilt wurde. Die Einheit ist die Verbindung der Dumaabgeordneten mit dem Willen der Mehrheit der Arbeiter, was von den sechs Arbeiterabgeordneten erreicht worden ist.

Dagegen sind die Liquidatoren und Trotzki, die „Sieben" und Trotzki, die ihren eigenen „August"block gesprengt, alle Beschlüsse der Partei beiseite geworfen und sich sowohl von der illegalen Arbeit als auch von den organisierten Arbeitern getrennt haben, die schlimmsten Spalter. Glücklicherweise haben die Arbeiter dies bereits begriffen, und alle klassenbewussten Arbeiter stellen in der Tat ihre Einheit gegen die diese Einheit zerstörenden Liquidatoren her.

1Gemeint ist der Artikel „Von der Redaktion" im „Lutsch" vom 29. (16.) September 1912.

2Gemeint ist die Notiz „Von der Redaktion" in der „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" vom 6. März (21. Februar) 1914 zu dem Artikel Trotzkis „Eine Zeitschrift für Arbeiter".

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