Einleitung

Einleitung

Die deutsche Arbeiterbewegung und der deutsche Sozialismus hatten von Anbeginn eine internationale Richtung. Sieht man von einzelnen konvulsivischen Zuckungen des rheinischen und des schlesischen Proletariats ab, so knüpfte der Bund der Gerechten und Weitlings Agitation praktisch wie theoretisch an den westeuropäischen Sozialismus, an die Klassenkämpfe des westeuropäischen und namentlich des französischen Proletariats an. Die verschiedenen Arten des bürgerlichen, feudalen, philosophischen und sonstigen Sozialismus, die in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auftauchten, nicht minder der Staatssozialismus von Rodbertus fußten auf der sozialistischen Literatur Englands und Frankreichs. Dann stellte das „Kommunistische Manifest" den Sozialismus auf den Boden des Klassenkampfes, zu dem es die Proletarier aller Länder aufrief. Marx und Engels zählten zu ihren geistigen Ahnen nicht nur Kant, Fichte und Hegel, sondern auch Saint-Simon, Fourier und Owen; sie waren durch die Schule der deutschen Philosophie, der französischen Revolution, der englischen Industrie gegangen.

Der moderne wissenschaftliche Kommunismus, den sie begründeten, wurde noch einmal weggeschwemmt durch den ökonomischen Aufschwung und den politischen Niedergang der fünfziger Jahre. Darnach nahm ihn Lassalle wieder auf, doch lehnte sich seine Agitation in einzelnen Auffassungen und Forderungen an den französischen Sozialismus, in vorgeschobenen Posten gleichsam, um die der Kampf am heftigsten entbrannte. Eine letzte und untilgbare Spur davon trägt die deutsche Sozialdemokratie in ihrem Namen. Die tiefsinnigen Untersuchungen der bürgerlichen Ökonomen über die begrifflichen Unterschiede von Sozialismus und Kommunismus sind müßige Haarspaltereien; ihren Sinn erhalten diese Worte durch die historische Entwicklung. In dem Sprachgebrauch der vierziger Jahre unterschieden sie sich dadurch, dass der Sozialismus eine bürgerliche, der Kommunismus eine proletarische Bewegung war. Der Sozialismus wollte die Missstände der bürgerlichen Gesellschaft mit Hilfe der besitzenden Klassen heben, der Kommunismus erkannte, dass sie nur durch eine gründliche Umwälzung dieser Gesellschaft beseitigt werden könnten. Die französische Sozialdemokratie rekrutierte sich damals aus dem Kleinbürgertum und dem Proletariat, um die gemeinsamen Interessen dieser Klassen gegenüber der Bourgeoisie zu vertreten. Die deutsche Sozialdemokratie saugt heute ihre Kraft praktisch aus dem Proletariat, dessen Interesse sie gegen alle anderen Klassen der kapitalistischen Gesellschaft verficht, theoretisch aus dem „Kommunistischen Manifest", dem klassischen Programm des modernen wissenschaftlichen Kommunismus.

Bis tief in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie hinein sind fortwährende Rückblicke auf den westeuropäischen Sozialismus, auf die Klassenkämpfe des englischen und französischen Proletariats notwendig. Es empfiehlt sich deshalb aus Gründen der Klarheit und Kürze, eine einleitende Skizze über diese historischen Erscheinungen vorauszuschicken bis zu dem Zeitpunkt, wo die deutsche Arbeiterbewegung und der deutsche Sozialismus einsetzen. Selbstverständlich kann es dabei nur auf die Hervorhebung derjenigen Tatsachen und Theorien ankommen, die so oder so die geschichtliche Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie beeinflusst haben.

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