KPD-Mitglied 19320201 Der Bannstrahl des ZK gegen die Sündenböcke

KPD-Mitglied: Der Bannstrahl des ZK gegen die Sündenböcke

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 3 (Anfang Februar 1932), S. 5]

Von einem Mitglied der KPD wird uns geschrieben: Seitdem die Diskussion über politische Fragen in der Komintern durch Befehle der Obrigkeit ersetzt worden ist, ist der Apparat in eine merkwürdige Lage geraten: einerseits darf niemand eine abweichende Meinung haben, andrerseits aber muss es doch abweichende Meinungen geben, an denen man sich reiben und deren Existenz man die Schuld an den politischen Niederlagen geben kann, die in nicht abreißender Kette den Weg der heutigen Führung begleiten. Jeder Bürokrat weiß das seit langem und jeder richtet sich in seinem Verhalten darauf ein. Nur keine «Abweichung», nur immer die gerade vorgeschriebene Meinung haben, nur nicht zum Sündenbock werden!

Allmählich fällt es schwer, Sündenböcke zu finden, wenn eine der vielen Schwenkungen gemacht werden soll. Als das ZK der KPD in den letzten Wochen befehlsgemäß den «Kampf gegen den Halbtrotzkismus» eröffnete, war es nicht leicht, jemanden ausfindig zu machen, der den armen Thälmann verführt haben sollte. Schließlich entdeckte man Alexander Emel, der vor einem Jahr (!) in irgend einer obskuren Apparat-Zeitschrift, die kein Mensch liest, irgend etwas geschrieben hat, was damals gerade Mode war. Noch etwas länger dauerte es, bis ein etwas repräsentablerer Sündenbock gefunden wurde, nämlich der Reichspropaganda-Leiter Kraus, auch Joseph Lenz genannt, der Lenin «maßlos verunglimpft» haben soll, weil er der Wahrheit gemäß geschrieben hat, dass selbst Lenin die Tiefe der reformistischen Versumpfung und die Macht der reformistischen Bürokratie in Deutschland unterschätzt habe. (Lenin hielt im August 1914 die Meldung von der Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD-Fraktion im Reichstag für eine Lügennachricht des deutschen Generalstabs!)

Die Sündenböcke wären also gefunden! Emel und Kraus sind an allem schuld! Die üblichen Resolutionen rollten ab, angenommen von den unteren Bürokraten, deren jeder im Stillen Dankgebete murmelte, dass nicht er zum Sündenbock ernannt worden war. «Die Rote Fahne» hat schon mitgeteilt, dass Kraus die übliche «Erklärung» eingereicht habe, in der er feststellt, dass er an allem schuld sei, dass Thälmanns Schriften (der Kenner lächelt, wenn er von «Thälmanns Schriften» hört, die natürlich nicht von Thälmann, sondern von Werner Hirsch verfasst sind!) herrlich seien, er aber durch künftige Arbeit… usw. usw. Das ZK hat beschlossen, diese Erklärung als «befriedigend» zu betrachten.

Damit ist die Komödie zu Ende. Als kleines Nachwort sei uns gestattet, die reuigen Sündenböcke etwas aus der Nähe zu betrachten.

Alexander Emel gehörte 1927 zum Schwanz der Sinowjew-Opposition. Ende 1927 spielte er der Partei gegenüber den treuen Fridolin, während er hinten herum mit der famosen «Weddinger Opposition» arbeitete. In den Kreisen der Opposition nahm ihn niemand ernst. Seit Januar 1928 war Emel «parteitreu». Das ZK ließ ihn Kurse abhalten und «theoretische Artikel» verzapfen. Schon zur Zeit der Sündenböcke Merker-Peuke wäre der brave Emel beinahe aufgefallen, weil er die befohlene Linie mit allzu großem Temperament vertrat. Er hatte die fatale Eigenschaft, immer dann «theoretische» Artikel über eine Linie zu schreiben, wenn man oben gerade dabei war, die Linie umzubiegen. In eingeweihten Kreisen hörte man nur herzliches, etwas von Mitleid durchwehtes Gelächter, als herauskam, dass Emel der diesmalige Sündenbock sein müsse. Also, lieber Emel, gute Fahrt nach Moskau! Es ist nicht ganz so schlimm. Sie werden dich schon nicht verhungern lassen!

Eine ganz andre Nummer ist Emels Chef, der große Kraus, mit Künstlernamen Joseph Lenz. Lenz, der schon 1922 und 1925 zur alten Linken in der KPD gehörte, war bei allen Leitungen ein beliebter Thesen-Lieferant. Unvergessen ist es, dass er der «Theoretiker» der Ruth-Fischer-Zentrale im Sommer 1925, vor dem berühmten EKKI-Brief, war. Zusammen mit dem inzwischen in der Versenkung verschwundenen Dengel und dem gegenwärtigen Peuvag-Chef Ernst Schneller gehörte er bis zum Herbst 1928 zu denjenigen früheren «Linken», die auf Bucharin und dessen Knecht Ewert spekulierten. In der Wittorf-Affäre konnten diese tapferen Drei den in die Klemme geratenen Thälmann nicht schnell genug im Stich lassen; das hat ihnen Teddy, der ja rachsüchtig genug ist, niemals vergessen. Seitdem ist der gute Lenz in Ungnade, aber immerhin ist er noch Mitglied des ZK und Obermime in Bildungs- und Intellektuellen-Angelegenheiten. Drei Jahre lavierte er sich vorsichtig hindurch, bis ihn der unglückselige Emel mit ins Verderben riss. Trotz der Erklärung des ZK wird Lenz wohl kaum ungerupft von dannen ziehen.

Das also sind unsere beiden Sündenböcke. Wer wird der nächste sein? – Wie wir erfahren ist Lenz in die Verbannung ins Ausland gegangen.

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