K. M. 19320301 Münzenbergs Optimismus

K. M.: Münzenbergs Optimismus

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 5 (Anfang März 1932), S. 3 f.]

Die letzten Veröffentlichungen des Genossen Trotzki sind den Parteibürokraten außerordentlich unangenehm. Trotzkis Darstellung der Lage ist so treffend, seine Kritik an der Linie der KPD ist an dem verräterischen Schweigen der Komintern zur Frage der nationalsozialistischen Gefahr in Deutschland derart einleuchtend, dass diesmal weite Kreise der Arbeiterschaft die Stimme der Linken Opposition vernahmen. Die Komintern schweigt zwar nach wie vor – Deutschland existiert nicht für sie – aber die Bürokratie der KPD musste doch irgend eine Antwort auf Trotzkis Kritik erteilen.

Den peinlichen Auftrag, sozusagen «sachlich» auf Trotzki zu antworten, erhielt Willi Münzenberg, offenbar aus zwei Gründen. Einmal bildet man sich ein, dass Münzenberg als Spezialist «überparteilicher» Massenorganisationen noch eher das Gehör nicht ganz unkritischer Kreise finden werde als irgend ein Offizieller wie Dahlem oder Ulbricht oder irgend ein Soldknecht wie Werner Hirsch. Außerdem aber hat es Münzenberg auch tig, den Genossen Trotzki anzuspucken, denn bei den älteres Genossen ist es noch unvergessen, wie der bewegliche Willi in früheren Jahren vor Trotzki auf dem Bauche rutschte.

Im «Roten Aufbau» vom 15. Februar ist also Münzenbergs Antwort erschienen, die Antwort der Parteibürokratie auf die ernsten Vorschläge des Gen. Trotzki zur Lage in Deutschland. Wenn man von allem Beiwerk, all den üblichen schwindelhaften Entstellungen und dummen Beschimpfungen absieht, mit denen Münzenberg um sich werten muss, so bleiben sachlich folgende Argumente übrig:

1. Es sei nicht wahr, dass ein Sieg Hitlers eine faschistische Herrschaft von 10 bis 20 Jahren begründen könne. Wer das behaupte, der sei ein völlig verlorener und konterrevolutionärer Faschist. Der Faschismus könne keine «Frage» lösen und werde sich daher nicht lange halten!

2. Trotzki wolle einen Block zwischen SPD und KPD als Rettung vor dem Faschismus. In Wahrheit würde gerade ein solcher Block den letzten Damm gegen die Nationalsozialisten, nämlich die KPD, zerbrechen.

Darauf ist folgendes zu antworten:

Noch niemals ist die parteioffizielle These von der verhältnismäßig ungefährlichen Machtergreifung Hitlers offener vertreten worden all in dieser Antwort Münzenbergs auf Trotzki. Man greift sich an den Kopf, wenn man das liest und fragt sich: Leben diese Menschen eigentlich auf dem Mond? Sehen sie wirklich nicht, was eine faschistische Herrschaft in Deutschland bedeuten würde? Die These, dass sich der Faschismus in Deutschland nicht lange an der Macht halten könne, die Münzenberg hier unter lauten Bannflüchen gegen den «Faschisten» Trotzki vertritt, ist ein leichtfertiger, ja verbrecherischer Blödsinn, ein unhistorisches, an allen politischen Erfahrungssätzen vorbeigehendes Geschwafel.

Mit dem «Glauben an den Kommunismus», mit dem «Vertrauen auf die Kraft der Arbeiterklasse» hat es gar nichts zu tun, wenn man sich einbildet, Hitler müsste schnell «abwirtschaften», weil er ja keine «Frage» lösen könne. Natürlich kann Hitler nicht die kapitalistische Warenzirkulation neu beleben, natürlich kann er nicht die Prosperität herbeizaubern, natürlich kann er nur verwüsten und zerstören und auf die Dauer die kapitalistische Krise vertiefen. Und doch – welch Irrsinn zu glauben, dass er deshalb nach einem oder zwei Jahren «fertig» sein müsste!

Wenn das Bürgertum die Faschisten regieren lässt, so geschieht das ja gerade darum, weil es die «Fragen» nicht lösen kann. Die faschistische «Lösung» bedeutet eben, dass die Arbeiterklasse gezwungen wird, noch weiter in einem Elend zu verharren, dessen Steigerung den Kapitalisten die Möglichkeit gibt, weiter zu existieren. Es gibt keine ganz ausweglose Situation für den Kapitalismus, sagte Lenin mit Recht. Der Faschismus ist der «politische» Ausweg der Bourgeoisie aus der heute so ausweglos erscheinenden Situation. Wenn alle politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisationen der deutschen Arbeiterklasse zerbrochen sind, wenn neben der faschistischen Reichswehr und Schupo mehrere hunderttausend gut gefütterter Prätorianer bereit stehen, um jeden Streik blutig niederzuschlagen, wenn die Proleten zum Teil vor Hunger verrecken, zum Teil um halben Lohn in den Betrieben schuften – dann ist zwar keine «Frage» endgültig gelöst, aber eine gewisse Zeitspanne kann sich eine solche Diktatur schon halten. Nichts ist gefährlicher, als sich darüber heute irgendwelche Illusionen zu machen. Das Beispiel Italiens steht vor uns. Wir lange hält sich bereits Mussolini? 10 Jahre!!

Wie billig ist es doch, denjenigen, der heute nüchtern die Größe der Gefahr einschätzt, als «Liquidator» zu beschimpfen! Ach, nur allzu gut kennen wir aus der Vergangenheit diese Töne! Wer erinnerte sich nicht jener Herrschaften mit der «feurigen» Perspektive, die zu jeder Zeit, sei es 1921, 1923 oder 1924, umherliefen und brüllten: «Wer nicht glaubt, dass morgen die Revolution siegt, der ist ein Opportunist und Liquidator, denn wenn morgen die Revolution nicht siegt, dann hätten ja die Reformisten recht!» Lenin hat diese merkwürdigen Theoretiker, deren Chef dereinst der wackere August Thalheimer gewesen ist, weidlich geprügelt. Er hat nicht geahnt, dass diese «feurige» Perspektive in solcher Form wieder fröhliche Auferstehung feiern werde.

Nein, den Glauben an die Kraft der Arbeiterschaft verlieren wir auch dann nicht wenn uns durch die Schuld einer verbrecherischen Bürokraten-Clique die faschistische Konterrevolution auch in ihrer Vollendung nicht erspart bleiben würde. Auf den Trümmern der alten z. T. durch eigene Schuld zerbrochenen Bewegung würden die neuen Kräfte heranwachsen, die dereinst auch die blutige Herrschaft des weißen Schreckens überwinden würden. Die Bürokratie der Komintern, die Angestellten der IAH, die Redakteure des Stalinismus – sie werden allerdings diese neuen Kaders nicht bilden!

Jedoch noch sind wir nicht so weit, noch besteht die Möglichkeit, dem Verhängnis zu entgehen – durch Kampf. Zur kämpfenden Einheitsfront der proletarischen Klasse gegen den Faschismus hat Trotzki gerufen, nicht aber zum Block zwischen KPD und SPD! Wir wissen sehr wohl, dass die SPD-Bürokratie nicht mehr imstande ist, sich aus der bürgerlichen Verschlingung zu retten – sie ist heute ein Teil der reaktionären Front, die das Kommen des Faschismus vorbereitet. Dennoch ist es möglich, ohne diese Bürokratie alle antifaschistischen Teile der SPD in die Einheitsfront des Proletariats einzugliedern, wenn man in der richtigen Weise an sie herantritt, besonders wenn man jeden Vorstoß des Faschismus durch vereinten Gegenschlag – ohne «Block»! – beantwortet.

Wenn Münzenberg triumphierend ausruft, dass du bevorstehende Reichspräsidentenwahl zeigen werde, dass «trotz aller trotzkistischen Unkenrufe» die kommunistische Bewegung vorwärts marschiere, so zeigt das nur, wie kurzsichtig die Bürokratie der KPD mit Gewalt sein will. Die Präsidentenwahl mag 8 oder selbst 9 Millionen Stimmen für Thälmann bringen – aber für die Frage. ob es gelingen wird, den Faschismus zu besiegen, wird sie keine Antwort geben.

Münzenberg mag nach einigen Wochen den vergnügten Optimisten mimen und Trotzki beschimpfen. Die Präsidentenwahl und alle sonstigen Wahlkomödien werden vorüber rauschen und trotz allen «Wahlsiegen» wird noch im Frühjahr oder im Frühsommer die Frage der Machtübernahme durch den Faschismus das Proletariat auf den Weg zwingen, den Trotzki gewiesen hat – bei Strafe langjähriger, heute noch unausdenkbarer Leiden.

K. M.

Kommentare