Permanente Revolution 19320416 Aus den Organisationen

Permanente Revolution: Aus den Organisationen

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 8 (Mitte April 1932), S. 11 f.]

Magdeburg

Die Stimmung der Arbeiter in Magdeburg und die Stimmab­gabe kommunistischer Arbeiter für Hitler.

In Magdeburg herrschte nach der Wahl eine ungemein pes­simistische Stimmung. In Gesprächen, die wir mit verschiede­nen Genossen hatten, kam vollauf die Aufgabe jedes Kampfes gegen Hitler zum Vorschein. Die Genossen konnten sich nicht im Geringsten den Verlust von 1000 kommunistischen Stimmen erklären, zumal in Magdeburg vor der Wahl seitens des Kleinbürgertums sich eine prokommunistische Stimmung bemerkbar machte. Eine Versammlung, die in Magdeburg in der Stadthalle stattfand, war überfüllt. Gut 1000 Menschen waren im Saale, und die Stadthalle war voller wie bei der «Eisernen Front»-Versammlung. Die Versammlung war von einem prächtigen Kampfgeist getragen und jeder Arbeiter rechnete mindestens mit einem Stimmenzuwachs Thälmanns in Magdeburg, mit 15.000 Stimmen. Um so größer die Enttäuschung! Am Tage nach der Wahl ließen alle die Köpfe hän­gen. Sie diskutierten nicht, wie gewöhnlich, auf dem Arbeits­amt und auf der Straße, sondern fragten nur: «Was sagst Du dazu?» Und die Antwort lautete von jedem: «Ich kann es nicht begreifen, ich verstehe es einfach nicht». Ein jeder war auf den anderen böse und es war überhaupt eine katastro­phale Stimmung, zumal die Genossen in unteren und mittle­ren Funktionen wirklich viel gearbeitet hatten. Diese Stim­mung dauert leider bis heute noch an. Man ordnete sofort eine Stadtteilarbeiterkonferenz an, auf der Kassner – der Bezirksleiter Magdeburg-Anhalt – das Wort nahm. Dieser Kassner klagte nun alle Funktionäre an, sie hätten nicht gearbeitet. Dies brachte nun die Wut der Genossen auf die Spitze. Jeder ehrliche Genosse muss zugeben, dass die Genos­sen in Magdeburg wirklich viel gearbeitet hatten. Ein Ge­nosse, der Stadtteilleiter war, berichtete, dass einige Genossen und er die letzten Tage vor der Wahl überhaupt nicht ge­schlafen haben. Nachts hatten sie geklebt und am Tage hat­ten sie auf der Straße und auf den Stempelstellen diskutiert und Zettel verteilt. Ähnliche Ausführungen machten die mei­sten Genossen. Die Begründung Kassners der schlechten Wahl­ergebnisse konnten die Genossen richtigerweise nicht aner­kennen. Eine andere Erklärung konnte Kassner nicht ge­ben, und die Genossen gingen wieder unaufgeklärt und wie sie gekommen waren nach Hause.

Dann kam die Diskussion in den Zellen. Bei der Betrach­tung der einzelnen Wahlergebnisse konnte man jedoch fest­stellen, dass in den Arbeiterbezirken die Kommunisten an Stimmen gegenüber der Reichstagswahl bedeutend abgenommen hatten und die Nazis ungeheuer gewonnen. Man konnte sich dies durchaus nicht erklären. Da kamen zwei Jugendgenossen und erklärten freimütig, dass sie Hitler ge­wählt hatten, um die Entscheidung schneller heranzubringen. Sie erklärten, sie hätten in Reden und Artikeln von Remmele, Thälmann usw. gelesen, dass die Entscheidung erst nach Hit­ler käme. Erst käme Hitler und dann, in 24 Stunden, käme Thälmann. Sie erklärten ganz frei, dass jeder Kommunist die Aufgabe habe, Hitler zu wählen und dass sie die Aufstellung Thälmanns für falsch halten. Sie erklärten: «Je schneller Hitler kommt, um so schneller kommt Thälmann». Die ande­ren Genossen waren empört über die Aussage und diese zwei Genossen stehen jetzt vor dem Ausschluss. Dies ist aber kein einzelner Fall. In der letzten Versammlung der RGO hat ein Genosse noch von einer Anzahl ähnlicher Fälle berichtet.

Auch mir gegenüber hat ein guter Genosse dieselbe An­sicht vertreten. Diese Beispiele zeigen eindeutig und klar, wohin die Politik der Remmele-Thälmann führen kann. Das Gefasel der Remmele und ihrer Nachbeter von der Machter­greifung nach Hitler hat hier Blüten getrieben. Nichts als Verwirrung richten sie in den Köpfen der Arbeiter an. Nicht die Genossen gehören auf die Anklagebank, die in ihrer Dummheit leider konsequent gedacht haben, – sondern die Remmeles und Konsorten, welche die Verwirrung in den Köpfen der Arbeiter anrichteten.

Je mehr die Remmeles die Gefahr des Faschismus ver­wischen, desto mehr haben wir als Bolschewiki-Leninisten die Aufgabe, Klarheit in den Köpfen der Arbeitermassen zu schaffen. Heran an die Arbeit!!

B. W.

Leipzig

Über Gewerkschaften.

Das vollständige Versagen der KPD bei der Arbeit unter den Millionenmassen der freien Gewerkschaften ist offenkun­dig. In Referaten, Resolutionen und Thesen versucht die Parteibürokratie dieses Versagen zu «bekämpfen» und zu «beseiti­gen» – durch bürokratische «Selbstkritik» an den Mitgliedern und nicht auf dem einzigen gangbaren Wege der politischen Wendung: durch Rückkehr zur leninistischen Linie. Auch in Leipzig versuchte die Parteibürokratie, die «Schwächen» bei der Arbeit in den freien Gewerkschaften auszumerzen. Zu die­sem Zwecke wurde am 4. Februar 32 eine Versammlung sämt­licher Parteimitglieder, die noch in den freien Gewerkschaften sind, einberufen. Zwei Fünftel davon waren nicht in der RGO organisiert, sondern nur in den freien Gewerkschaften. Das Referat «über Gewerkschaftsarbeit» hielt der unvermeidliche Selbmann. Er erklärte: Die Massen der Betriebsarbeiter folgen noch den freien Gewerkschaften. Der RGO ist es nicht gelun­gen, die Massen in Wirtschaftskämpfe zu führen. Das liegt an den Parteigenossen, die es nicht verstanden haben, Gewerkschaftsfraktionsarbeit zu leisten. Zur Schaffung der Einheits­front brauchen wir die gewerkschaftlichen Massen, sonst werden die Parteigenossen aus den Gewerkschaften ausge- […] müssen natürlich mit «List und Schlauheit» arbeiten. Keine «roten» Listen bei Ortsverwaltungswahlen, aber «rote Ein­heitslisten» im Betrieb. Die Einstellung: «entweder RGO oder Gewerkschaftsarbeit» ist opportunistisch. Ultralinks ist diese Einstellung: Jetzt rote Verbände. Diese Strömungen müssen bekämpft werden. Die RGO ist nur der Grundstein zur selbständigen Gewerkschaftsbewegung. In Sachsen hat die Partei 70 freigewerkschaftliche Zahlstellen in den Händen. Aber nur in einigen haben die RGO-Vertreter über Notverord­nungen usw. sprechen lassen. Der Opportunismus muss auch bei der Gewerkschaftsarbeit ausgerottet werden.

Zur Diskussion meldeten sich 28 Genossen. Wegen vorge­schrittener Zeit wurde nach einigen Diskussionsrednern die Versammlung auf den 16. Februar vertagt. An dieser zweiten Versammlung nahmen nur 120 Mann teil. Von den Diskussions­rednern wurde ausgeführt: Schuld am Versagen in der Frak­tionsarbeit liegt nicht nur an den Mitgliedern, sondern zum großen Teil an der Bezirksleitung. Es bedeutet eine Wendung: erst: rote Gewerkschaftslisten, – jetzt: mit List und Schlau­heit. Bei der Aufstellung «roter Listen» in den Betrieben werden die Parteigenossen aus den Gewerkschaften ausge­schlossen. Einzelne Diskussionsredner führten noch aus: In den Gewerkschaften muss um die Demokratie gekämpft und eine Kampagne zur Wiederaufnahme der Ausgeschlossenen eingeleitet werden, ebenso Einheitsfrontaktionen gegen Fa­schismus, Lohnabbau und Notverordnungen.

Das Schlusswort Selbmanns war ein Trauerspiel: Die Partei hat wohl manches verschuldet, aber die Genossen haben die Linie der Partei nicht verstanden. Auch in dieser Diskussion bat sich die ultralinke und opportunistische Einstellung der Genossen gezeigt. Es ist klar, in den Gewerk­schaften müssen wir «rote Listen» aufstellen, denn sonst sieht es aus, als ob wir vor. den Sozialdemokraten zurück­weichen. In der Diskussion ist gesagt worden, dass die Leipziger RGO-Siege (Unruh und Liebig, Jahn) keine Siege der RGO, sondern der freien Gewerkschaften wären. Das ist falsch, denn nur durch den Druck der RGO wurde die Gewerkschaft gezwungen ein­zugreifen. – Innerhalb der RGO haben die KPD-Mitglieder Obacht zu geben, dass die RGO auch wirklich die Linie der KPD vertritt. Gewerkschaftsarbeit ist praktisch RGO-Arbeit. Die Kurse der RGO waren schlecht besucht.

Das Ergebnis dieser beiden Versammlungen ist sehr mager. Die Parteimitglieder, die ernstlich bemüht sind, Fraktionsar­beit in den Gewerkschaften zu leisten, können das nicht mit Er­folg tun, da die Politik der Partei nichts für Massenarbeit taugt. Statt zur Einheitsfront führt die heutige Linie der Partei zur Isolierung. Daran werden alle Reden und Resolu­tionen der Bürokraten nichts ändern. Eine Besserung und Erfolge können nur kommen, wenn die Partei ihre Linie der Isolierungspolitik verlässt und eine Wendung zur leninistischen Einheitsfrontpolitik vollzieht.

Os.

Bruchsal

Zum Kampfkongress der roten Einheitsfront Baden-Pfalz

Das Bezirkskomitee für rote Einheit Baden-Pfalz hatte für den 16. und 17. Januar 1932 den längst angekündigten Kampfkongress ein berufen.

Die Wahl der Delegierten wurde durch Versammlungen, welche von den roten Einheitsorganen einberufen wurde, vorgenommen. So wurden in Karlsruhe von 25 Mann RGO – 6 De­legierte gewählt. Der Rote Sport, die Rote Hilfe, die IAH., der JB., der Proletarische Freidenkerverband, SPD-Arbeiter, wel­che bereits schon ideologisch zur KPD gehören, wurden mit Vorliebe als Delegierte bestimmt.

Auch die linke Opposition in Bruchsal, Forst und Heidels­heim berief Versammlungen ein, um Delegierte zu diesem Kongress wählen zu lassen. In Bruchsal wurden von 500 Mann Erwerbslosen 2 Delegierte gewählt. In Forst von 250 Erwerbs­losen 1 Delegierter und ebenfalls 1 Delegierter aus Heidels­heim. Gerade weil die Linke Opposition eine andere Meinung von der roten Einheitsfront hat, wollten wir dort diese Mei­nung zum Ausdruck bringen.

Nach Angabe der Arbeiterzeitung waren über 1100 Dele­gierte angemeldet.

Als erste Rednerin sprach Maria Reese über die wirtschaft­liche und politische Situation. Sie zeigte an Hand von viel Zahlenmaterial die Tiefe und Breite der Wirtschaftskrise, deren Endpunkt nur der Untergang in Barbarei sein wird. Die SPD sei der gefährlichste Feind der Arbeiterklasse, weil diese das System Brüning toleriere, die Arbeiterklasse vor jedem Kampf zurückhalte und so den Faschismus vorbereite. Brüning und die SPD wollen das ganze faschistische System bereits fertig einrichten, Hitler sei nur noch die Krone, die diesem fertigen System aufgesetzt wird. Eine Einheitsfront mit der SPD kann es nicht geben. Nur die rote Einheitsfront unter der Führung der KPD wird die Arbeiterklasse befreien. Als zweiter Redner sprach der ehemalige Pfarrer Eckert, über das Thema: «Warum rote Einheitsfront als Vorbedingung zum Sieg?».

Gegen die Verelendung und Faschisten-Terror könne die Arbeiterschaft sich nur wehren in geschlossener Front in außerparlamentarische Aktionen. Die rote Einheitsfront unter Führung der KPD sei deshalb das Gebot der Stunde.

Sodann erfolgte der Bericht über die Einheitsfrontbe­wegung: Es wären noch große Mängel und Schwächen bei der Arbeit festzustellen, welches auf ungenügende Schulung zurückzuführen ist. Wenn auch langsam, so geht es in Baden und der Pfalz doch vorwärts.

Nun begann die lang ersehnte Diskussion. Als zweiter Diskussionsredner sprach der Vertreter der KPD. Er geißelte die badische Regierung, die der KPD und der roten Einheit so viele Prügel zwischen die Füße werfe und an deren Spitze der Sozialdemokrat Maier stehe. Weil diese Regierung allen maßgebenden Rednern der KPD das Reden verbiete, Versammlungen und Kongresse unmöglich mache, habe die Bezirksleitung der KPD die Auflösung des badischen Land­tages beschlossen und beantragte zu diesem Zwecke das Volks­begehren in Baden durchzuführen.

Der Delegierte der ;linken Opposition aus Bruchsal, Gen. Speck, der als dritter sich zum Wort gemeldet hatte, kam nicht mehr zum Reden, denn es ging nicht der Reihe nach, die Büro­kratie verfuhr nach eigenem Plan. Als die ihr angenehmen Redner gesprochen hatten, wurde plötzlich bekannt gegeben, dass man zum Schluss kommen müsse, weil die Lage des Kon­gresses äußerst bedenklich erscheine. Nach Annahme der Re­solution ging der Kongress auseinander.

Bln.- Charlottenburg

Auf dem Weg zur Reform der Partei!

In einer Mitgliederversammlung von 4 Charlottenburger Zellen (764, 767 etc.), untersuchten die Mitglieder in einer leidenschaftlichen Diskussion die Ursachen der Niederlagen der Partei. Mit 85 gegen 15 Stimmen wurde eine Resolution angenommen gegen die falsche Losung vom «Sozialfaschismus», gegen die Beschimpfung der Oppositionellen als Konterrevolutionäre, für Diskussionsfreiheit, für eine ob­jektivere Berichterstattung der «Roten Fahne». Es ist typisch, dass für die Resolution die proletarische Mitgliedschaft und die unteren Funktionäre, gegen sie fast nur Kurslehrer und Instrukteure stimmten. Ebenso typisch, dass die sofortige Antwort der Parteibürokratie des Ausschlussantrag gegen den Einbringer der Resolution einen Zellenpoleiter war. Aber mit Terror wird man die Parteimitglieder nicht mehr aufhalten können, die sich, aufgescheucht durch die schweren Niederlagen der Partei, in Bewegung setzen und nicht eher Halt machen können, ehe nicht die Partei vom Weg in die Katastrophe weggerissen und im Geiste Lenins und Trotzkis reformiert ist.

O.

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