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Leo Trotzki 19171203 Bericht im Zirkus „Modern“ über die Tätigkeit der Arbeiter- und Bauernregierung

Leo Trotzki: Bericht im Zirkus „Modern“ über die Tätigkeit der

Arbeiter- und Bauernregierung

(3. Dezember)

[Prawda Nr. 195, 21. November/4. Dezember 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Л. Троцкий.]

Genossen, hier in diesem Gebäude hatte ich am 23. Oktober die Gelegenheit, auf einer Volksversammlung zu sprechen, bei der die Frage des Allrussischen Kongresses diskutiert und einmütig die Stimme für die Sowjetmacht erhoben wurde. Die Frage, die sich für das Land in den acht Monaten der Revolution am schärfsten stellte, ist die Frage von Krieg und Frieden. Wir sagten, dass nur eine Macht, die auf dem Volk beruht, das Gemetzel beenden kann. Wir sagten, dass wir Geheimverträge veröffentlichen müssen und erklären müssen, dass das russische Volk, das sie nicht gemacht hat, nicht durch einen toten Buchstaben für gemeinsame Raubüberfälle gebunden sein kann. Dazu sagten uns unsere Feinde, dass dies Demagogie sei. Wir würden dies nicht tun, wenn wir an der Macht wären, denn dann würden die Alliierten gegen uns losgehen. Aber wir sagten, dass die Rettung Russlands in Waffenstillstand und Frieden liege. Wir argumentierten, dass der langwierige Charakter des Krieges die Revolution zugrunde richtet, das Land auslaugt und erschöpft, und je mehr wir kämpften, desto sklavischer werde unsere Lage werden, so dass uns letztlich nur bleibe, unseren Herrn zu wählen.

Aber wir wollen als freies Volk leben und uns entfalten, und für den Friedensschluss war es notwendig, die Macht der Bourgeoisie und Kerenskis zu stürzen. Man sagte uns, dass wir ohne Unterstützung bleiben würden. Aber am 25. Oktober übernahm der örtliche Petrograder Sowjet die Initiative und die Verantwortung und machte mit Unterstützung der Garnison und der Arbeiter einen Umsturz, erschien vor dem versammelten Sowjetkongress und sagte: „Die alte Macht im Land ist zerbrochen, es gibt keine Macht im Land, und ihr müsst sie in eure eigenen Hände nehmen.“ Wir sagten, die erste Aufgabe der neuen Macht bestehe darin, an allen Fronten einen Waffenstillstand anzubieten, um einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen auf der Grundlage der Selbstbestimmung der Völker zu schließen, d.h. dass jedes Volk durch Abstimmung sein entscheidendes Wort sagen kann: ob es als Bestandteil eines gegebenen Staates leben will und von seiner vollen Autonomie Gebrauch macht oder sich lostrennen und völlig unabhängig leben will. Man muss dem ein Ende setzen, dass der Starke mit Waffengewalt auf Kosten des Schwachen leben kann, wie er will; Jedes Volk – sei es klein oder bedeutend – muss Herr seines Landes sein. Dies ist jetzt das Programm nicht der Partei, nicht des Sowjets, sondern des ganzen Volkes. Mit Ausnahme dieser räuberischen Partei, die als „Partei der Volksfreiheit" firmiert (Beifall), die aber in Wirklichkeit als Feindin der Volksfreiheit auftritt, die mit aller Kraft den Frieden vereitelt und gegen die wir offen den unerbittlichen Kampf erklärt haben – abgesehen von dieser Partei erklärte das ganze russische Volk, dass er keine Gewalt will. Und in diesem Sinne wurde unser Dekret über den Frieden herausgegeben. Am Tag seiner Annahme erhoben sich Krasnows Kosaken und die Existenz der Sowjetmacht war in Gefahr. Aber sobald sie gebrochen war und die Macht der Sowjets gestärkt war, war es unser erstes Anliegen, uns gleichzeitig an die alliierten Botschaften und die deutsche Macht mit dem Vorschlag eines Waffenstillstands an allen Fronten zu wenden. Unsere Feinde, die Kadetten und die Kompromissler, sagten, Deutschland werde nicht reagieren – tatsächlich ist etwas anderes geschehen, und wir haben bereits die Zustimmung von Deutschland und Österreich-Ungarn, einen Waffenstillstand auf der Grundlage der sowjetischen Formel auszuhandeln. Dem ging voraus, dass wir, sobald wir die Schlüssel zu den geheimen diplomatischen Korrespondenzschränken erhalten haben, Geheimverträge veröffentlichten und damit die Verpflichtung erfüllten, die wir dem Volk gaben, als wir noch eine kleine Oppositionspartei waren. Wir sagen und sagten, dass das Volk nicht sein Blut und das Blut seiner Brüder für irgendwelche Verträge vergießen könne, die es nicht abgeschlossen, nicht gelesen und nicht gesehen hat. Zu solchen meinen Worten sagten die Kompromissler: Sprich nicht mit uns in dieser Sprache, hier ist nicht der Zirkus Modern. Aber ich habe ihnen geantwortet, dass ich eine Sprache habe, die Sprache eines Sozialdemokraten, und ich rede in ihr mit dem Volk und mit ihnen, ich werde in ihr mit den Alliierten und mit den Deutschen reden. (lärmender Applaus.)

Sie, diese Menschen mit einem Hasenherzen, glaubten, Geheimverträge zu veröffentlichen, heiße, uns zu zwingen, England und Frankreich den Krieg zu erklären. Aber sie verstanden nicht, dass die Oberen im Verlauf des ganzen Krieges das Volk erzogen, dass Deutschland ein tückischer, grausamer Feind und Russland ein edelmütiges Volk sei, und man nicht in 24 Stunden dem Volk das Gegenteil sagen kann. Durch die Veröffentlichung der Geheimverträge haben wir uns Feinde in Gestalt der Staatsspitzen erworben, aber hinter uns steht jetzt die Unterstützung ihrer Völker. Wir werden keinen diplomatischen Frieden schließen, sondern einen Volksfrieden, einen Soldatenfrieden, einen Schützengrabenfrieden! (Stürmischer Beifall.) Und die Ergebnisse der direkten Politik sprechen für sich: Jadson erschien im Smolny-Institut und sagte im Namen Amerikas, dass Kerths Protest bei Duchonins Stab gegen die neue Regierung ein Missverständnis sei, dass Amerika sich nicht in die inneren Angelegenheiten Russlands einmischen wolle. Die Frage mit Amerika ist also geregelt.

Ein anderer Konflikt ist noch nicht geregelt, und ich muss euch jetzt darüber Rechenschaft ablegen. Wegen Kampfs um den Frieden verhaftete die britische Regierung Georgij Tschitscherin und hielt ihn in ihrem Konzentrationslager fest, der den Völkern Russlands, Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs seinen Reichtum und sein Wissen gab, sowie den kühnen Agitator unter den britischen Arbeitern, den Emigranten Petrow. Ich schrieb einen Brief an die britische Botschaft, in dem ich darauf hinwies, dass Russland die Anwesenheit vieler reicher Engländer duldet, die mit der konterrevolutionären russischen Bourgeoisie in einer Verschwörung sind, und wir um so weniger dulden können, dass russische Staatsbürger in englischen Gefängnissen sind, und daher diejenigen von ihnen, die keiner Straftat angeklagt sind, sofort freigelassen werden müssen. Das Nichterfüllen dieser Vorschrift führt zur Nichtausstellung von Pässen an englische Staatsangehörige, die Russland verlassen möchten. Die Volkssowjetmacht ist für die Interessen des ganzen Volkes verantwortlich; wo immer jeder Staatsbürger ist, steht er unter ihrem Schutz. Wenn Kerenski an die Alliierten als Gehilfe an den Herrn appellierte, dann müssen wir gebührend zeigen, dass wir mit ihnen nur auf gleichem Fuße leben können.

Wir haben dies ein für alle Mal erklärt, dass jeder, der auf den Beistand und die Freundschaft des russischen freien und unabhängigen Volkes hoffen will, es und seine Menschenwürde respektieren sollte.

Sobald die Macht in den Händen der Sowjets war, schlugen wir einen Waffenstillstand im Namen des russischen Volkes vor. Wir hatten das Recht, im Namen des Volkes zu sprechen, denn alles, was wir vorschlugen, wie das ganze Programm der Volkskommissare, besteht aus Losungen und Vorschlägen, die in Hunderten und Tausenden von Sowjets, Fabriken und Betrieben abgestimmt und beschlossen wurden, d.h. vom ganzen Volk. (Beifall.) Unsere Delegation wird eine offene und mutige Sprache sprechen. Wir werden fragen: „Sind Sie damit einverstanden, eine sofortige Waffenruhe an allen Fronten zu schließen?" – und wenn sie Ja sagen, dann werden wir sie bitten, die alliierten Regierungen darüber in Kenntnis zu setzen, damit sie ihre Delegierten entsenden. Unsere zweite Frage lautet: „Wollen Sie Frieden auf demokratischen Grundlagen schließen?" Wenn wir einen einseitigen Waffenstillstand schließen müssen, werden wir Deutschland sagen, dass die Überführung der Truppen von der russischen Front an andere unzulässig ist, weil wir einen ehrlichen Waffenstillstand anbieten, und nicht als Folge von ihm England und Frankreich zermalmt werden sollen.

Während der Verhandlungen wird Geheimdiplomatie in keinem Fall toleriert. Unsere Piloten und Radiotelegraphen werden unser Angebot und die deutsche Antwort bekanntmachen. Wir werden unter einer Glasglocke sitzen, und die deutschen Soldaten werden durch die Tausende von deutschen Zeitungen und Aufrufe, die wir verteilen, über jeden Schritt und die deutsche Antwort in Kenntnis gesetzt.

Wir werden sagen, dass Litauen und Kurland das Problem lösen müssen, bei wem sie sein wollen, und dass Deutschland den freien Willen des Volkes nicht in Worten, sondern in Taten anhören soll. Und wenn sich nach diesen offenen, direkten und ehrlichen Erklärungen der Kaiser weigert, Frieden zu schließen, wenn die Banken und Börsen, die vom Krieg profitieren, den Frieden vereiteln, werden die Menschen sehen, bei wem die Wahrheit liegt, – und wir werden stärker werden, und der Kaiser und die Börsen schwächer. Wir werden uns nicht als Besiegte fühlen, sondern als Sieger. Denn außer den militärischen gibt es andere Siege; denn als das Volk die Macht in ihre Hände nahm, nachdem es seine Feinde gestürzt hatte, siegte es. Wir kennen keine anderen Interessen als die Interessen des Volkes, und diese Interessen sind für die Völker aller Länder gleich. Wir erklären dem Krieg den Krieg. Die Könige fürchten sich vor dem Friedensschluss, sie fürchten, dass das Volk Rechenschaft für all die großen Opfer und das vergossene Blut verlangen wird. Deutschland schaut auf einen Waffenstillstand, schaut auf sein Volk, weiß, dass man eine Antwort verlangen wird, und wenn Deutschland sie nicht gibt, dann wird ein Verbündeter des deutschen Volkes die russische Revolution sein. Frankreich und England werden über Frieden verhandeln müssen, und wenn sie es nicht tun, werden ihre Völker, die über den Fortgang der Verhandlungen informiert werden, sie mit einem Stock dorthin treiben. Die russischen Vertreter werden sich am Verhandlungstisch in Ankläger verwandeln, die Völker werden über ihre Oberen richten. Die Erfahrung dessen, was mit den Völkern seit vierzig Monaten des Krieges geschehen ist, wird nicht vergeblich sein. Wir werden euren Brüdern in eurem Namen sagen: „Wisst, dass, wenn ihr die revolutionäre Kraft gegen eure Bourgeoisie lenkst, kein russischer Soldat schießen wird."

Dieses Versprechen wird in eurem Namen gegeben und ihr werdet es halten. (Lang anhaltender Applaus.)

Bezüglich der allgemeinen Politik des Rates der Volkskommissare, seiner wachsenden Siege und verbleibenden Hindernisse schließt der Volkskommissar:

Wir mögen irren, aber wisst, dass wir niemals bereit sein werden, dem Volk untreu zu werden. Wenn sie sich als stärker erweisen als wir, werden wir auf den Posten untergehen, auf den ihr uns gestellt haben. Wir scherzen nicht, sondern im Zusammenwirken mit den Völkern werfen wir mit einer festen bewaffneten Hand Hindernisse beiseite und verkünden Freiheit für alle Völker! (Lang anhaltende Ovationen.)

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