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Leo Trotzki 19180422 Die Rote Armee

Leo Trotzki: Die Rote Armee

Rede, gehalten in der Sitzung des Allrussischen Zentralexekutivkomitees am 22. April 19181

[nach Leo Trotzki: Die Geburt der Roten Armee. Wien 1924, S. 29-49]

Genossen, der Übergangscharakter der Epoche, in der wir leben, spiegelte sich besonders scharf und schmerzlich im inneren Leben der Armee wider, die eine gewaltige Organisation darstellt. Diese Organisation ist mächtig durch die Quantität der von ihr erfassten Personen und materiellen Mittel und ist zu gleicher Zeit außerordentlich empfindlich gegenüber den welthistorischen Erschütterungen, aus denen sich die Revolution zusammensetzt.

Das alte Kriegsministerium wurde nach der Oktoberumwälzung formal in das Volkskommissariat für das Heerwesen umgetauft. Doch dieses Kommissariat stützte sich faktisch und musste sich auch auf jenen militärischen Organismus stützen, den wir als Vermächtnis von der vorhergehenden Epoche übernommen hatten. Die Armee, die drei Jahre in den Schützengräben verbracht hatte, erlitt schon vor der Revolution in den Kämpfen unter dem Zarismus und dann bei der inneren Unzulänglichkeit des Regimes der ersten Revolutionsperiode und schließlich in der Offensive vom 18. Juni eine Reihe von Schlägen von innen und von außen, die sie unvermeidlich in einen Zustand des völligen Zerfalls versetzen mussten. Das Volkskommissariat für das Heerwesen stützte sich auf diese gewaltige Organisation, auf ihr Menschenmaterial und auf ihren materiellen Apparat, aber zugleich nahm es, in Voraussicht ihres unvermeidlichen Zusammenbruchs, die Bildung einer neuen Armee in Angriff, die in dieser Übergangsperiode mehr oder weniger die Struktur des Sowjetregimes widerspiegeln, ihm angepasst sein sollte.

Im Rahmen des Volkskommissariats für das Heerwesen wurde das Allrussische Kollegium zur Gründung einer Roten Arbeiter- und Bauernarmee ins Leben gerufen. Gegenwärtig ist dieses Kollegium de facto zum Volkskommissariat für das Heerwesen geworden. Denn die alte Armee, die im Oktober, November und Dezember 1917 noch bestand, wenigstens materiell, leiblich noch bestand, wenn sie auch längst als Geist zu existieren aufgehört hatte, diese Armee räumte letzten Endes, auf dem Wege höchst schmerzhafter Prozesse das Feld, Auf diese Weise besteht die Aufgabe des Kommissariats für das Heerwesen gegenwärtig darin, den gewaltigen Militärapparat der Vergangenheit, der desorganisiert und zerstört, aber immer noch mächtig ist durch die Menge der Werte, die er umfasst, zu registrieren, zu organisieren und an die Armee anzupassen, die wir jetzt schaffen wollen.

Wir verschmelzen jetzt die Spitzenorganisationen des Allrussischen Kollegiums zur Bildung einer Arbeiter- und Bauernarmee mit den entsprechenden Abteilungen des Kriegskommissariats, in denen sich noch die jetzt nicht mehr vorhandene frühere Armee widerspiegelt. Aber diese Arbeit betrifft bloß die Spitzenorganisationen. Ferner, wenn wir auf dem Gebiete des Militär-administrativen Apparates bleiben, müssen wir konstatieren, dass im Lande eine ebenso radikale Umgestaltung vor sich gegangen ist. Als wir die alte Regierungsorganisation, darunter auch die Militärverwaltung, durch Sowjetorganisationen ersetzten, blieben wir in der Provinz in der ersten Periode ohne Organe der Militärverwaltung.

Die lokalen Sowjets leisteten auch diese Arbeit, irgendwie mit Hilfe ihres allgemeinen Sowjetapparates. Unter dem Druck der wachsenden Bedürfnisse sonderten sie dann Militärabteilungen aus, übrigens lange nicht überall und allerorts.

Wir haben bereits durch den Sowjet der Volkskommissare eine Vorlage über die lokale Militärverwaltung in den Gemeinden, Bezirken, Gouvernements und Distrikten eingebracht. Wir haben überall einen einheitlichen Typus des militärisch-administrativen Sowjetamtes festgesetzt, das wir „Militärkommissariat“ benannten und das von uns so aufgebaut wird, wie wir gegenwärtig sämtliche regierenden und leitenden Körperschaften auf allen Gebieten des Heerwesens aufbauen. Dies sind dreigliedrige Körperschaften oder Kollegien, denen ein Militärfachmann mit jenen Kenntnissen und jenem Wissen angehört, die dem Umfang seiner Tätigkeit entsprechen; mit ihm arbeiten zwei Militärkommissare.

In rein militärischen, operativen Fragen und umso mehr in Fragen rein kriegerischen Charakters haben die Militärfachleute in allen Ämtern das entscheidende Wort zu sagen. Selbstverständlich ist dieser Organisationstypus nicht ideal zu nennen. Auch er ergab sich aus dem Übergangscharakter unserer Epoche.

Eine neue Klasse ist ans Ruder gekommen, eine Klasse, die eine schlimme Rechnung mit der Vergangenheit zu begleichen hat. Diese Vergangenheit hat ihr in Gestalt der jetzt nicht mehr vorhandenen Armee ein gewisses materielles Kapital vermacht, wie: Geschosse, Gewehre, allerhand Kriegsmaterial, und ein bestimmtes geistiges Kapital: eine akkumulierte Menge Wissen, Kriegserfahrungen, administrative Gepflogenheiten usw., – all das, was den Militärfachleuten, d. h. den früheren Generalen und Obersten in der alten Armee zur Verfügung gestanden hatte, all das, was der neuen revolutionären Klasse fehlte. In jener Periode, als diese neue revolutionäre Klasse um die Macht kämpfte und Hindernissen auf ihrem Wege begegnete, zerstörte sie automatisch diese Hindernisse, und sie hatte das Recht dazu, insofern die Arbeiterklasse überhaupt Recht auf die Staatsgewalt hat. Der Arbeiterklasse das Recht auf Zerstörung der klassenfeindlichen Organisation absprechen können nur jene, die dem Proletariat das Recht auf die Regierungsgewalt absprechen.

Die Klasse, die sich sagt, dass sie von der Geschichte berufen sei, die Leitung des gesamten staatlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen, also folglich auch militärischen Lebens des Landes zu übernehmen, die Klasse, die glaubt, dass sie dadurch, nachdem sie das alles vollbracht haben und alle Schwierigkeit und Hindernisse, somit auch ihre eigene technische Untauglichkeit überwunden haben wird, der Gesellschaft, dem Volke, der Nation hundertfach vergelten wird, was sie im Kampfe gegen ihre Klassenfeinde vorübergehend zerstört hat, – diese Klasse hat ein Recht auf die Macht und sie hat ein Recht, all das zu zerstören, was sich ihr in den Weg stellt. Das ist für uns, revolutionäre Sozialisten, eine felsenfeste Wahrheit.

Jedoch die Überwindung des Widerstandes der Bourgeoisie ist für das Proletariat bloß die erste Hälfte seiner Grundaufgabe der Eroberung der politischen Macht.

Die Arbeit des Proletariats im unmittelbaren Zerstören der Herde der Konterrevolution und jener Apparate, die sich kraft ihrer Natur oder der weltgeschichtlichen Trägheit der proletarischen Revolution widersetzten, wird erst dann gerechtfertigt sein, wenn die Arbeiterklasse und die mit ihr verbundenen armen Bauern, nachdem sie die Macht genommen haben werden, es verstehen werden, sich dienstbar zu machen, sowohl die materiellen Güter der vergangenen Epoche, wie überhaupt all das, was in geistiger Hinsicht einen gewissen Wert, einen gewissen Bruchteil des akkumulierten nationalen Kapitals darstellt.

Die Arbeiterklasse und die werktätigen Bauernmassen haben aus ihrer Mitte nicht neue Heerführer, neue technische Leiter ausgesondert und konnten es auch nicht tun, – all das war von allen Theoretikern des wissenschaftlichen Sozialismus vorausgesehen worden. Das Proletariat sah sich gezwungen, diejenigen in den Dienst zu nehmen, die den andern Klassen gedient hatten. Dies bezieht sich vollauf auf die Militärfachleute.

Um nicht zweimal zu derselben Frage zurückzukehren, will ich hier sagen, dass es natürlich viel gesünder, zweckmäßiger und im Sinne der Verwertung der Menschenenergie ökonomischer gewesen wäre, wenn wir jetzt ein solches Kommandopersonal haben könnten, das der Natur jener Klassen entspräche, die die Macht erobert haben und auf diese Macht keineswegs verzichten möchten. O, das wäre viel mehr zu wünschen! Aber das ist nicht da! Die Kommandovertreter des alten Regimes, die am weitblickendsten und gescheitesten sind oder über eine gewisse historische Erfahrung verfügen, sind sich genau so wie wir darüber im Klaren, dass die Struktur des Kommandos gegenwärtig nicht aufgebaut sein kann nach dem Typus der Einzelführung, dass wir die Autorität des militärischen Leiters erweitern müssen, indem wir die rein militärischen operativen Kampffunktionen an diejenigen übertragen, die es gelernt haben, es besser wissen und dafür also die Verantwortung tragen müssen; die Arbeit der geistig-politischen Formierung überweisen wir demjenigen, der seiner Mentalität, seinem Bewusstsein und seiner Abstammung nach mit der neuen Klasse, die am Ruder steht, verbunden ist.

Daher kommt diese Zweiseitigkeit des Kommandoapparates, der sich aus militärischen Fachleuten und politischen Kommissaren zusammensetzt, wobei, wie Sie wissen, es den letzteren aufs Strengste vorgeschrieben ist, sich in operative Verfügungen nicht einzumischen, sie nicht aufzuhalten und zurückzuziehen. Der Kommissar leistet nur durch seine Unterschrift den Soldaten- und Arbeitermassen Gewähr dafür, dass der betreffende Befehl von militärischen Rücksichten und nicht konterrevolutionären Absichten diktiert ist. Das ist alles, was der Kommissar sagt, indem er seinen Namen unter diesen oder jenen operativen Befehl setzt. Die Verantwortung für die Zweckmäßigkeit des Befehls fällt dann auf den militärischen Leiter.

Wie gesagt, dieses Institut wird von den tüchtigsten militärischen Leitern als richtig angesehen. Sie verstehen, dass man momentan in der Epoche, in der wir jetzt leben, mit anderen Methoden, auf anderem Wege die militärische Organisation nicht aufbauen kann. Den militärischen Leitern ist auf ihrem Gebiet die notwendige Bewegungsfreiheit geboten, wenn sie gewissenhaft ihre Pflicht tun. Wir arbeiten lediglich mit solchen Militärfachleuten (ich kann es konstatieren), die sich klar vorstellen, dass unabhängig von den politischen Ansichten und Überzeugungen, wenn sie jetzt an die Schaffung der bewaffneten Macht Hand anlegen wollen, sie es nur tun können mit Hilfe des Apparates der Sowjetregierung, denn innerhalb der Grenzen, in denen die sich formierende Armee dem Wesen der jetzt herrschenden Klassen entsprechen wird, wird diese Armee nicht zu einem neuen Element der Desorganisation und Zersetzung werden, sondern wird ein Kampforgan dieser neuen regierenden Klassen darstellen.

Abgesehen von ihren allgemeinen politischen Überzeugungen begreifen die ernsten Militärfachleute wohl, dass die Armee dem Regime der betreffenden historischen Epoche entsprechen muss. Zwischen dem Regime der Epoche und dem Charakter der Armee darf es keinen Widerspruch geben. Niemand von uns wird natürlich behaupten wollen, dass die jetzt entstehende Rote Arbeiter- und Bauernarmee die letzte Errungenschaft einer Sowjetarmee ist im Sinne der Prinzipien, die ihr zugrunde liegen. Wir haben der Formierung dieser Armee das Freiwilligkeitsprinzip zugrunde gelegt. Aber das ist nicht das Prinzip, das dem Charakter der Arbeiterdemokratie entspricht. Das ist ein vorübergehender Kompromiss, der sich aus den tragischen Verhältnissen der ganzen materiellen und geistigen Situation der letzten Periode ergibt.

Damit eine Armee geschaffen werden kann, die auf dem Prinzip der Pflicht jedes Bürgers beruht, das Land zu schützen, das ehrliche Politik treibt, das Gewalt nicht will und sich bloß verteidigen und als Staat der werktätigen Massen konsolidieren will, – damit eine solche Armee, die dem Sowjetregime entspricht, geschaffen werden kann, müssen viele Vorbedingungen vorhanden sein, die auf allen übrigen Gebieten des gesellschaftlichen, ökonomischen und staatlichen Seins noch geschaffen werden müssen. Es gilt, die Produktivkräfte des Landes zu heben, das Verkehrswesen wiederherzustellen und zu entwickeln; das Verpflegungswesen zu ordnen, die Industrie zu heben und im Lande eine straffe, sachliche Ordnung, – die Ordnung der werktätigen Massen einzuführen. Das ist eben die Aufgabe der Erziehung und Selbsterziehung, der Organisation und Selbstorganisation, die kategorisch vor den jetzt herrschenden Klassen steht.

Sie werden diese Aufgabe bewältigen, Genossen. Darin sind wir mit der überwiegenden Majorität von Euch fest überzeugt. Letzten Endes werden Sie diese Aufgabe bewältigen! Aber bloß in dem Maße, wie die jetzt herrschenden Klassen diese Aufgabe bewältigen werden, werden sie auch eine Armee zustande bringen können, die durchaus ihrem Wesen entspricht, – eine mächtige Armee, inwieweit die neue kommunistische Wirtschaft mächtig sein wird.

Jetzt bilden wir aus den freiwilligen Arbeitern und Bauern bloß ein Hilfsorgan, das bis zur Gründung einer wahren Armee der sozialistischen Republik die elementarsten Funktionen der inneren und äußeren Verteidigung zu erfüllen hat. Es ist ein schwaches Organ, – das wisst Ihr ebenso wie ich, das wissen auch unsere Feinde, es ist ein schwaches Organ, nicht gegenüber unseren inneren Klassenfeinden, die kläglich, ideenlos, tatenlos und kraftlos sind, die ungefährlich sind, die überall und stets von den improvisierten Truppen der Arbeiter und Matrosen ohne militärische Leiter geschlagen wurden, – nein, wenn diese Armee schwach ist, so ist sie es bloß gegenüber den mächtigen äußeren Feinden, die sich einer gewaltigen zentralisierten Maschinerie für Massenmord und Vernichtung bedienen. Gegen sie müssen wir eine andere Armee ins Feld führen, nicht eine improvisierte Armee, keine Armee für den Übergangsmoment, sondern eine Armee, die, soweit sich das unter den obwaltenden Verhältnissen ermöglichen lässt, auf den Prinzipien der Kriegskunst und folglich auch mit Hilfe von Fachleuten aufgebaut wäre. Dieselben Truppen, die sich aus heldenhaften Arbeitern zusammensetzen und unter dem Kommando improvisierter Führer standen, die Truppen, die heldenhafte Taten im Kampfe gegen die Kaledinschen, Kornilowschen, Dutowschen und sonstige Banden vollbrachten, – diese Truppen sind durch Erfahrung zu der Überzeugung gelangt, dass ihr Organisationsprinzip unhaltbar ist gegenüber einer einigermaßen organisierten militärischen Macht, die auf den Prinzipien der Kriegskunst aufgebaut ist.

Das versteht jetzt jeder klassenbewusste Arbeiter, und aus dieser Erkenntnis der klassenbewussten Arbeiter, der revolutionären Bauern und Rotarmisten schöpfen wir die psychologische Kraft, um an die Schaffung der neuen Armee heranzutreten, zu der wir auch all das heranziehen, was unter dem alten Kommandopersonal lebensfähig ist, denn auch darunter gibt es Elemente, die gemeinsam mit uns arbeiten wollen. Das sind keineswegs die schlimmsten Elemente, wie Ihr alle wohl begreift, – das sind diejenigen, die es für unmöglich halten, verräterisch abzuwarten, bis das jetzige Regime gestürzt sein wird, worauf natürlich ein gewisser Teil der besitzenden Klassen und ein großer Teil der Intelligenz rechnen. Ja, sie halten es nicht für möglich, verräterisch darauf zu warten, und einstweilen in ihren Schlupfwinkeln zu sitzen und zu sabotieren.

Das sind jene Elemente, die davon reden, dass sie mit der jetzigen Politik gewiss nicht einverstanden seien, aber sie halten es als Soldaten für ihre Pflicht, alle Kräfte anzustrengen, um eine Armee zu schaffen, die dem Geist des Sowjetregimes entspricht.

Um vom Freiwilligen-Regime zum obligatorischen Regime der Miliz, d. h. zur Wehrpflicht, die auf ein Minimum reduziert ist, überzugehen, – dazu braucht man einen militärisch-administrativen Apparat, einen Apparat zur Registrierung der vorhandenen Kräfte, zur Registrierung der Militärpflichtigen. Einen solchen Apparat haben wir noch nicht. Der alte Apparat ist zerstört, zusammen mit allen Apparaten der Bürokratie; der neue ist jetzt erst im Entstehen begriffen in Gestalt von Gemeinde-, Bezirks-, Gouvernements- und Distrikt- Militärkommissariaten, die aufgebaut werden entsprechend den lokalen Sowjets und die, wie gesagt, je eine dreigliedrige Kommission einschließen, bestehend aus einem militärischen Leiter und zwei Kommissaren. Sie müssen genaue Listen über die gesamte Bevölkerung im dienstpflichtigen Alter führen, sie sind berufen, jener Apparat zu sein, der die militärpflichtige Bevölkerung der nötigen Registrierung, Einberufung, Formierung, Mobilisierung unterwerfen wird; endlich werden sie, diese lokalen Kommissariate, unmittelbar über die Kräfte im Hinterlande zu verfügen haben, d. h. nach Abzug der Streitkräfte im Felde, die der zentralen Militärgewalt unmittelbar unterstellt sind.

Das Dekret über die lokale Militärverwaltung ist vom Sowjet der Volkskommissare bestätigt und wird gegenwärtig ins Leben umgesetzt. Das ist die notwendige Vorbedingung jeder einigermaßen organisierten, planmäßigen Arbeit zur Bildung einer Armee.

Ferner besteht die Aufgabe darin, dass nicht allein dem alten Kommandokorps ein Kommandopersonal entnommen wird, sondern auch, dass jetzt, unverzüglich, sofort ein neues Kommandopersonal aus jenen Elementen gebildet wird, die den jetzt regierenden Klassen entstammen, den Arbeitern, den Matrosen, den Soldaten, die ein gewisses Minimum an allgemeiner Bildung besitzen und bereits ihr kriegerisches Temperament und ihre militärischen Fähigkeiten sowohl an der Front gegen die Deutschen wie im Bürgerkrieg bewiesen haben. Es ist notwendig, dass sie die Möglichkeit erhalten, die nötige militärische Vorbildung zu genießen.

In den Militärschulen der Republik gibt es einstweilen noch sehr wenig solcher Schüler, einstweilen bloß zirka 2000 künftige Kommandeure. Wir müssen deren Zahl zu vermehren suchen.

Damit wir zum System der Miliz, zum System der Wehrpflicht übergehen können, müssen wir jetzt, noch bevor der ganze Apparat des Landes uns gestatten wird, eine mächtige Armee zu schaffen, die Pflichtausbildung im Kriegshandwerk an allen Orten einführen, wo werktätige Massen konzentriert sind. Wir legen Euch heute ein Dekret von gewaltiger prinzipieller Bedeutung vor: das Dekret über die Pflichtausbildung im Kriegshandwerk für die Arbeiter und die Bauern, die keine fremde Arbeit ausbeuten.

Vor allem einige Worte über die Überschrift, sozusagen den „Titel" dieses Dekrets, das wohl gewissen prinzipiellen Einwänden begegnen wird.

Wir reden nicht von einer allgemeinen kurzfristigen Ausbildungspflicht sämtlicher Bürger. Wir verleihen dieser Sache eine Klassengrundlage und betonen das in der Überschrift unseres Dekrets. Weshalb? Deshalb, weil die Armee, die wir bilden, wie ich bereits sagte, der Natur des Sowjetregimes entsprechen muss, weil wir unter der Diktatur der Arbeiterklasse und der mit ihr verbundenen armen Bauern leben. Das ist die Grundtatsache unseres Regimes. Wir leben nicht unter einem Regime der formalen Demokratie und des allgemeinen Wahlrechts, das in der Periode der revolutionären Klassenkonflikte bestenfalls eine Zählung der Bevölkerung ergeben kann, wobei nach vollzogener Zählung die Hauptrolle wiederum das Wechselverhältnis der materiellen Klassenverhältnisse spielen wird. Wäre die formale Demokratie in der ersten Revolutionsperiode in Gestalt der Konstituierenden Versammlung zustande gekommen, so hätte sie bestenfalls die Rolle einer solchen vorläufigen Aufzählung spielen können. Aber das entscheidende Wort hätte der faktische Zusammenprall der Klassenkräfte gesagt. Das können bloß die Doktrinäre der Kleinbürgerlichkeit nicht verstehen. Für diejenigen, die die innere Dynamik der Revolution mit ihrem verschärften Klassenkampf verstehen, ist es vollkommen klar, dass, welche formalen Mängel das revolutionäre Regime auch durchmachen, welche demokratischen Korridore es auch passieren würde, es unvermeidlich mit der offenen Diktatur dieser oder jener Klasse, – entweder der Bourgeoisie oder des Proletariats enden muss. Bei uns hat es mit der Diktatur der Arbeiterklasse und der armen Bauern geendet. Die Armee, die schlagkräftig sein soll, die die Wehrkraft des Landes schaffen soll, muss ihrer ganzen inneren Struktur, ihrer Zusammensetzung, ihrer Ideologie nach, dem Wesen dieser Klasse entsprechen. Diese Armee kann nichts anderes als eine Klassenarmee sein.

Das sage ich nicht allein vom politischen Standpunkt aus, der natürlich für das Sowjetregime keine geringe Bedeutung hat. Hat nun die Arbeiterklasse einmal die Macht ergriffen, so muss sie offenbar ihre eigene Armee, ihr eigenes bewaffnetes Organ schaffen, das sie vor Gefahren vollkommen schützt. Aber auch vom rein militärischen Standpunkt, vom Standpunkt der Wehrfähigkeit des Landes unter dem Sowjetregime gibt es nur eine einzige Möglichkeit: eine Armee auf Klassengrundlage aufbauen!

Solange dieses Regime nicht einer kommunistischen Gesellschaftsordnung Platz machen wird, wo die privilegierte Klasse ihre privilegierte Existenz aufgeben wird, und wo die allgemeine Pflicht sämtlicher Bürger, die kommunistische Republik gegen alle Gefahren von außen zu verteidigen, eingeführt sein wird, – solange kann die Armee allein einen Klassencharakter haben.

Es wird gesagt, dass wir dadurch der Arbeiterklasse die ganze Last, die ganze Bürde der Wehrpflicht auferlegen und die Bourgeoisie von ihr befreien. Gewiss, formal ist dem so, obwohl wir hoffen, dass die Sowjetregierung alle Maßnahmen treffen wird, um auf die Bourgeoisie jenen Teil der Lasten abzuwälzen, jenen Teil der Arbeit, der es ihr nicht ermöglichen wird, sich gegen die Arbeiterklasse zu bewaffnen. Eigentlich läuft die Sache darauf hinaus, dass in dieser historischen Übergangsperiode das Proletariat aus der Regierungsgewalt und ihrem militärischen Apparat ein Klassenmonopol für sich macht. Das ist eine Tatsache, die wir bejahen und proklamieren.

Solange das Proletariat nicht den besitzenden Klassen die Hoffnungen, Bemühungen und Verschwörungen im Sinne der Zurückeroberung der Staatsgewalt verleidet hat, solange die Bourgeoisie sich im kommunistischen Regime des Landes noch nicht aufgelöst hat, solange muss die herrschende werktätige Klasse die Waffe zu ihrem Klassenmonopol machen, und sie wird sie auch dazu machen, zu einem Mittel ihrer Verteidigung gegen die inneren und äußeren Feinde, denn sowohl im Westen wie im Osten Russlands reichen die inneren Feinde im Moment der Gefahr den äußeren Feinden die Hand. Das ist der Grund, warum wir die Pflichtausbildung im Kriegshandwerk nur für die Arbeiter und die Bauern, die keine fremde Arbeit ausbeuten, einführen.

Das Dekret stellt vor allem auf neuer Grundlage das Pflichtprinzip wieder her und hilft uns dadurch, das Freiwilligkeitsprinzip zu überwinden, das wir für die kurze Übergangsperiode akzeptiert hatten und das wir um so rascher liquidieren werden, je rascher wir alle übrigen Aufgaben unseres Volkslebens bewältigen. Dieses Dekret wird, wenn Ihr es gutheißt, für die Bürger jener Klassen, die an der Macht sind, die Pflicht statuieren, dem Staate und dem Sowjetregime den größten Preis zu zahlen, nämlich mit Leib und Leben zu zahlen. Ihr müsst es gutheißen und die allgemeine militärische Ausbildungspflicht im Alter von 18 bis 40 Jahren einführen.

Die Person, die eine gewisse Schule der Kriegskunst durchmacht, die als gesund genug anerkannt wird und dem Staate 8 Wochen im Jahr je zwölf Stunden in der Woche, d. h. 94 Stunden im ersten Jahr und eine gewisse Anzahl von Stunden bei weiteren Einberufungen zu opfern, ist dadurch verpflichtet, auf den ersten Ruf der Sowjetregierung zur Abwehr der äußeren Feinde unter die Kriegsfahnen zu eilen. Das ist der Grundgedanke des betreffenden Dekrets, das zu bestätigen Ihr aufgefordert werdet. Wir schaffen damit noch nicht ein abgeschlossenes Milizsystem, – davon sind wir noch weit entfernt; wir erfassen bloß die Arbeiter und Bauern in den natürlichen Arbeitsverhältnissen, in denen sie sich befinden: in den Betrieben, in den Fabriken, Werkstätten, Wirtschaften und Dörfern, wir schließen sie durch die Militärkommissariate zusammen und unterwerfen sie in diesen natürlichen Verbänden der militärischen Ausbildung in ihren elementarsten Grundlagen nach einem allgemeinen Programm, das für das ganze Land von dem Volkskommissar für das Heereswesen bestätigt ist. Das ist der Grundgedanke des betreffenden Dekrets. Wenn Ihr es bestätigt, so heißt das, dass wir morgen im ganzen Lande einen Befehl erlassen werden, dass die lokalen Sowjets ihrerseits durch ihre Militärkommissariate und die Betriebsausschüsse diese Arbeit in Angriff nehmen. Das bedeutet, dass Ihr als Zentralexekutivkomitee der Sowjets mit Euren geistigen Kräften, Eurer Autorität und organisatorischer Verbindung uns in dieser gewaltigen Arbeit unterstützen werdet. Nur auf diese Weise werden wir in der nächsten Zukunft der Roten Armee, in ihrer provisorischen Form, die wahrhaft kampffähigen Generationen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft zuführen können, bis diese Klassen das ganze Regime umgemodelt haben werden.

Gleichzeitig lege ich Euch das Dekret über die Besetzung der Ämter in der Arbeiter- und Bauernarmee vor. Es handelt sich darum, für die Rote Arbeiter- und Bauernarmee ein Kommando zu schaffen, das von den Sowjetorganisationen als solchen ausgewählt und gruppiert ist. In der gewöhnlichen Sprache heißt das soviel, dass wir in Bezug auf die Rote Armee das Wählbarkeitsprinzip außerordentlich einschränken und in vieler Hinsicht abschaffen.

Dieser Punkt mag strittig erscheinen, aber in der Praxis stoßen wir bei der Durchführung auf sehr wenig Schwierigkeiten. Das ist leicht zu erklären. Solange die Gewalt in den Händen der Klasse lag, die den Klassen, aus denen sich die Soldatenmasse zusammensetzte, feindlich war, solange das Kommando von der Bourgeoisie eingesetzt wurde, – war es vollkommen natürlich, dass die Arbeiter- und Bauernmasse, die für ihre politische Befreiung kämpfte, die Wählbarkeit der Führer, der Kommandeure forderte. Das war die Methode, durch die sie sich ihre politische Selbsterhaltung sicherte. Niemand dachte und wollte daran denken, dass die frischgebackenen Führer, Armee- und Korps-Kommandeure usw., die in der Periode der Oktoberrevolution an der Front auftauchten, – dass sie tatsächlich imstande wären, die Funktionen von Heerführern während des Krieges zu erfüllen. Aber die Revolution hatte die Arbeiterklasse vor die Aufgabe gestellt, die Macht zu erobern und die Arbeiterklasse konnte nicht, auch nicht in der Armee, dem Kommandoapparat Vertrauen entgegenbringen, der von der feindlichen Klasse geschaffen worden war, und musste aus ihrer Mitte die Personen wählen, denen sie vor allem Vertrauen entgegenbrachte.

Es handelt sich hierbei nicht um die Einsetzung der Kommandeure, sondern um eine Methode des Klassenkampfes. Darüber muss man sich klare Rechenschaft abgeben.

In jenen Fällen, wo wir es mit einer Formation von der gleichen Klassenzusammensetzung zu tun haben, treten die Fragen der Wählbarkeit oder Einsetzung als nebensächliche technische Frage in den Hintergrund. Die Sowjets werden von den Arbeitern und Bauern gewählt und dadurch wird in Klassenhinsicht erreicht, dass Kommissare, Richter, Kommandeure usw. auf die verantwortlichen Posten von den Sowjets eingesetzt werden. Ebenso stellt die gewählte Verwaltung der Gewerkschaften eine ganze Reihe von Beamten auf verantwortliche Posten. Ist die Verwaltung gewählt, so vertraut man ihr die Wahl des entsprechenden Personals an und macht sie ihr zur Pflicht.

Wir wollen damit sagen, dass die Rote Armee, die jetzt besteht, nicht irgendein selbsttätiger Organismus ist, der an und für sich besteht und selbsttätig Gesetze erlässt. Die Rote Armee ist lediglich das Organ der Arbeiterklasse, ihre bewaffnete Faust. Sie wird gemeinsam mit der Arbeiterklasse und mit der mit ihr verbundenen Bauernschaft wirken. Folglich müssen jene Organe, denen die Arbeiterklasse und die armen Bauern die Bildung der Roten Armee übertragen hatten, die Macht haben, das Kommandopersonal im Zentrum und an der Peripherie auszusuchen. Das Dekret über die Amtseinsetzung in der Arbeiter- und Bauernarmee soll diese Möglichkeit sichern.

Ferner steht bei uns auf der Tagesordnung die Frage, in der Roten Armee beständige feste Kader zu schaffen, was uns in der Praxis mit relativ gutem Erfolge gelungen ist. Was die Rote Armee in den ersten Wochen und Monaten ihrer Existenz kennzeichnete, war ihre Veränderlichkeit, die überhaupt unser wirtschaftliches und staatliches Leben charakterisiert und die, wenn man tiefer blickt, den inneren sozialen Umschwung widerspiegelt; wenn noch nichts feste Gestalt angenommen hat, alles gärt, wenn sich gewaltige Volksmassen von einem Platz nach dem anderen bewegen, die Industrie verfallen ist, das Transportwesen zerrüttet, das Verpflegungswesen ruiniert ist, – so leidet darunter die Bevölkerung und in erster Linie die Klasse, die die Staatsgewalt erobert hat. Nicht nur im Militärwesen, sondern überall, auf allen Gebieten ist die Grundaufgabe der jetzigen Epoche, nach dem Oktoberumsturz, die Aufrichtung eines bestimmten stabilen sachlichen Regimes durch sachliche Arbeit im Zentrum und an der Peripherie; die Aufgabe ist, die Menschen an die Arbeit zu fesseln, eine regelmäßige Arbeit zu schaffen, denn wenn der Krieg das revolutionäre Bewusstsein geweckt hat, so hat er zugleich dem Lande die letzten Überreste von Planmäßigkeit und Stabilität – sowohl in der Wirtschaft wie im Staatsleben und im Alltag – entzogen.

Es gilt also, auf Grund der neuen Aufgaben der Revolution an die beharrliche, regelmäßige und systematische Arbeit zu gehen. Natürlich, das muss sich vor allem an der Armee zeigen, denn die alten Erscheinungen vertragen sich mit der neuen Armee nicht. Erinnern wir uns an diese Erscheinungen! Was haben wir in den ersten Wochen wahrgenommen? Ein außerordentliches Auf- und Abfluten. Viele kamen und gingen, wie durch einen Durchgangshof; man verschaffte sich für ein paar Tage Proviant oder einen Mantel und fühlte sich keineswegs gebunden; manche bekamen eine Anzahlung und gingen dann zu anderen Truppenteilen oder traten aus der Armee aus. Gewiss, solche Elemente bildeten die Minorität, aber sie demoralisierten und desorganisierten die Truppe. Ein entsprechendes Dekret, das Euch vorgelegt wird, soll diesem Chaos, dieser Verantwortungslosigkeit ein Ende machen; es bindet jeden Freiwilligen an die Truppe, in die er eingetreten ist, auf ein halbes Jahr. Der Freiwillige verpflichtet sich, nicht früher als nach einem halben Jahre die Truppe zu verlassen; wenn er seine Verpflichtung bricht, kommt er vor das Zivilgericht.

Endlich empfehlen wir Euch zur Annahme und Bestätigung die feierliche Eidesformel, die jeder Rotarmist dem Regime leistet, das ihn in den Militärdienst aufnimmt. Die Formel dieses Roten Eides drückt den Sinn der Roten Armee selbst aus.

Dieses feierliche Versprechen muss, nach unserer Auffassung, jeder Soldat der Revolutionsarmee am 1. Mai abgeben, angesichts der Arbeiterklasse und des revolutionären Teiles der Bauernschaft Russlands und der ganzen Welt. Hierin liegt kein Widerspruch, obwohl es auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, dass die 1. Maifeier, die bei uns stets ein Tag des Kampfes und des Protestes gegen den Militarismus war, für uns, für das revolutionäre Sowjetrussland schon in diesem Jahre den Tag bilden wird, wo die Arbeiterklasse ihren Willen zur Bewaffnung, zur Verteidigung, zur Schaffung einer festen Streitkraft, die dem Charakter des Sowjetregimes angepasst und imstande ist, dieses Regime zu schirmen und schützen, manifestieren soll. Aber die Sache ist eben die, dass die Feier des 1. Mai in Russland unter ganz anderen Verhältnissen abgehalten werden wird, als in den übrigen Ländern Europas, wo der imperialistische Krieg weiter wütet und wo die imperialistischen Klassen am Ruder sind. Gerade dank diesem letzteren Umstand, der in Russland fortfällt, muss dort der 1. Mai jetzt mehr denn je zu einem Tage des lauten Protestes gegen die Maschinerie des kapitalistischen Imperialismus werden; – hingegen muss dieser Tag bei uns ein Tag der Manifestation für die proletarische Armee werden, und wir schlagen vor, dass an diesem Tage unsere Rotarmisten durch einen feierlichen Eid ein Versprechen, wenn Ihr wollt, durch einen sozialistischen Schwur, sich verpflichten, der Sache zu dienen, in deren Namen wir sie in die Reihen der Roten Arbeiter- und Bauernarmee aufgenommen haben.

Es ist für uns notwendig, dass alle eingebrachten Dekrete die Sanktion des Zentralexekutivkomitees erhalten. Ihr dürft sie ändern, aber Ihr dürft sie nicht grundsätzlich ablehnen, denn das würde heißen, die Existenz der Sache selbst ablehnen, die Ihr verteidigt. Das Zentralexekutivkomitee kann die Aufgabe nicht ablehnen, die die Revolution ihm aufgibt.

Diese Aufgabe besteht darin, dem Arbeiter, dem werktätigen Bauerntum autoritativ zu sagen, dass die Kardinalaufgabe der Oktoberrevolution jetzt die Schaffung einer starken und mächtigen Armee ist, die selbst zum Hebel der Arbeiter- und Bauernrevolution und zum mächtigen Faktor der internationalen Revolution werden soll.

Ich will mich nicht auf das Gebiet der internationalen Politik einlassen. Jedem von uns ist klar und verständlich, dass unsere Revolution nicht von der russischen Bourgeoisie und von ihren freiwilligen oder unfreiwilligen Helfershelfern im Lande selbst Gefahr droht, sondern von den ausländischen Militaristen. Feinde bedrohen uns von allen Ecken und Enden des kapitalistischen Europa und Asien.

Wenn wir uns halten wollen bis zu dem Moment, wo unsere Feinde bei sich zu Hause tödlich getroffen werden, so müssen wir ein Maximum von günstigen Bedingungen schaffen. Speziell auf militärischem Gebiet können wir es erreichen durch Schaffung einer inneren revolutionären Disziplin, sei es auch in der embryonalen Armee, die jetzt schon vorhanden ist.

Wir müssen überhaupt eine Arbeiter- und Bauernarmee ins Leben rufen, indem wir die Reserven in den Betrieben ausbilden und in Arbeiterschulen, damit man, falls uns in den nächsten Monaten Gefahr drohen sollte, das jetzige Gerüst der Arbeiter- und Bauernarmee mit dem Fleisch und Blut dieser vorgebildeten Reserven ergänzen kann. Gleichzeitig werden wir, soweit wir können, neue Kommandokaders ausbilden, sowohl durch die Instrukteurkurse als auch mit Hilfe jener Elemente des alten Kommandopersonals, die ehrlich, gemeinsam mit uns, zu arbeiten anfingen und weiter arbeiten werden, um die Wehrfähigkeit des Landes zu steigern.

Wenn Ihr, Genossen, unserer militärischen Tätigkeit, die erst die ersten Schritte tut, Eure Sanktion verleihen werdet, so werdet Ihr uns zugleich die Möglichkeit geben, alle unsere Vorschläge im Lande durchzuführen, unsere Maßnahmen zu festigen und zu verfechten. Tut Ihr dies, so hoffe ich, Genossen, dass wir die Wehrfähigkeit unseres Landes im gleichen Maße steigern werden, indem wir die ganze wirtschaftliche und staatliche Macht unseres Landes steigern werden.

Ihr werdet das ändern, was Ihr zu ändern nötig halten werdet, Ihr werdet ablehnen, was Euch falsch erscheint, aber gebt das eine zu, dass Sowjetrussland einer Armee bedarf, die ein Organ zum Schutz Sowjetrusslands, d. h. des werktätigen Russland bilden muss. Sie – diese Armee – darf nicht dilettantisch, nicht improvisiert sein. Es müssen zu dieser Arbeit alle wertvollen Fachleute herangezogen werden. Aber hier wird natürlicherweise der Einwand erhoben, dass einzelne Personen versuchen könnten, diese Armee für Ziele auszunutzen, die der Arbeiterklasse feindlich sind, d. h. sie als Werkzeug für gegenrevolutionäre Verschwörungen benutzen werden. Solche Befürchtungen entstehen in unseren eigenen Kreisen. Von Zeit zu Zeit hört man diese Befürchtungen, und so muss man untersuchen, inwieweit sie begründet sind.

Die Träger dieser Befürchtungen behaupten, dass die Vertreter des alten Kommandopersonals versuchen würden, und zwar mit Erfolg versuchen würden, in der neuen Armee konterrevolutionäre Herde zu bilden. Würde dem so sein, Genossen, so würde das heißen, dass unsere Arbeit dem unvermeidlichen Untergang geweiht ist. Das würde bedeuten, dass auch die Arbeiter im Betrieb, die einen Ingenieur als Administrator oder Techniker engagieren, ihm ein weites Tätigkeitsfeld einräumen und ihm Verantwortung auferlegen, dadurch Gefahr laufen, das kapitalistische Regime wiederherzustellen, zur Knechtschaft und Unterdrückung zurückzukehren. Aber dem ist nicht so!

Alle Theoretiker des Sozialismus haben vorausgesehen und vorausgesagt und darüber geschrieben, dass die Arbeiterklasse in der Epoche, wo sie ans Ruder gelangen wird, alle lebensfähigen, wertvollen, qualifizierten Elemente verwerten müssen wird, die früher im Dienste der besitzenden herrschenden Klasse standen. Die Theoretiker des Sozialismus schrieben häufig auch darüber, dass die Arbeiterklasse im Bedarfsfall diesen selben Fachleuten doppelt und dreifach soviel zahlen wird, als sie unter dem bürgerlichen Regime bekamen, nur um sie für sich zu gewinnen. Das wird immer noch „billig" sein, in Anbetracht der Vorteile, die sich als Resultat der Rationalisierung der Wirtschaft auf dem Boden der sozialistischen Revolution ergeben werden. Dasselbe ist auch von der Armee als Organ der Landesverteidigung zu sagen. Der Aufwand der Arbeiterklasse, die Ausgaben des Bauerntums für eine gut geführte Armee werden zehnfach vergolten werden.

In Bezug auf die inneren Feinde steht das Sowjetregime allzu fest, als dass wir eine sogenannte „Generalsgefahr'' zu fürchten brauchten. Genossen, sollte irgendein Spezialist tatsächlich in die Versuchung kommen, die Armee gegen die Arbeiter und Bauern, im Interesse konterrevolutionärer Verschwörungen ausnutzen zu wollen, so versteht es sich von selbst, dass wir solchen Verschwörern die Oktobertage und manch andere Tage frisch in Erinnerung bringen werden. Das wissen sie ausgezeichnet! Andererseits, Genossen, fand ich auch unter den Militärfachleuten, soweit ich sie persönlich kennen lernen konnte, viel mehr wertvolle Elemente, als wir vorausgesetzt haben. An vielen von ihnen ist die Erfahrung des Krieges und der Revolution nicht spurlos vorübergegangen, viele haben begriffen, dass in Russland ein neuer Wind weht, haben die neue Mentalität der erwachten Arbeiterklasse erfasst, haben begriffen, dass man sie anders anpacken, anders mit ihr reden muss, dass man die Armee anders aufzubauen hat. Solche Militärfachleute gibt es.

Es gibt solche. Und wir hoffen, dass wir den jungen Generationen der früheren Offiziere der alten Armee starke Kader entnehmen werden und unsere Arbeit zur Bildung der Armee mit ihren Erfahrungen und Kenntnissen befruchten werden.

Ihr braucht nur das maßgebende und autoritative Wort zu sprechen, dass Russland jetzt unter Gefahr des Unterganges eine Armee braucht; dass die Arbeit, die wir jetzt leisten, Eure Unterstützung genießt. Wir brauchen Eure Unterstützung, und Ihr werdet sie uns gewähren, Genossen aus dem Zentralexekutivkomitee!

Schlusswort

Genossen! Der erste Diskussionsredner sprach davon, dass die Armee von uns jetzt nicht zur Verteidigung des Landes geschaffen werde, sondern, wie er sich ausdrückte, für irgendwelche „Experimente". Ich sagte bereits in meinem Referat, dass, wenn die Gefahren, die uns bedrohen, sich bloß auf die Gefahr einer inneren gegenrevolutionären Umwälzung beschränken würden, wir überhaupt keine Armee nötig hätten.

Die Arbeiter aus den Betrieben Petrograds und Moskaus könnten in jedem beliebigen Moment Kampftruppen bilden, die ausreichen würden, um jeden Versuch, mit bewaffneter Faust die Gewalt der Bourgeoisie zurückzuerobern, radikal zu unterdrücken. Unsere inneren Feinde sind allzu gering und kläglich, als dass man zu ihrer Bekämpfung einen komplizierten Armeeapparat, der auf wissenschaftlicher Grundlage beruht, schaffen und die ganze bewaffnete Macht des Volkes in Bewegung setzen müsste.

Wenn wir momentan eine solche Macht brauchen, so geschieht es deshalb, weil das Sowjetregime und das Sowjetland von der allergrößten Gefahr von außen bedroht werden, eben deshalb, weil unsere inneren Feinde ausschließlich stark sind durch die Kraft des Klassenzusammenhalts, der sie mit unseren äußeren Klassenfeinden verbindet. In diesem Sinne machen wir gerade jetzt eine Zeit durch, wo der Kampf um das Regime, das wir schaffen, unmittelbar auf die Frage der Hebung der Wehrfähigkeit des Landes hinausläuft. Wir werden das Sowjetregime nicht anders schirmen, nicht anders schützen können, als durch direkte, energische Abwehr des ausländischen Kapitals, das bloß deshalb gegen unser Land vorgeht, weil es ein Land ist, wo die Arbeiter und die Bauern an der Macht sind. Aus dieser einfachen Tatsache besteht der Knoten, den die Weltgeschichte geknüpft hat. Gerade deshalb, weil bei uns die Arbeiterklasse herrscht, bilden wir den Gegenstand des Hasses und der feindlichen Pläne der imperialistischen Weltbourgeoisie. Gerade deshalb muss jeder bewusste Arbeiter und jeder revolutionäre Bauer die Armee unterstützen, wenn ihm das lieb ist, was jetzt in Russland aufgebaut wird, – zwar erst ungeschickt und unordentlich aufgebaut wird (das weiß ich ebenso gut wie jeder unserer Kritiker), aber dessen ungeachtet ist das, was aufgebaut wird, uns unendlich teuer, denn es verheißt eine neue Periode in der Geschichte und bildet somit für uns die wertvollste Errungenschaft der ganzen vorhergehenden Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Wenn man uns sagt, dass wir Experimente machen, so weiß ich nicht, was man unter dem Worte „Experiment" versteht. Die ganze vorhergehende Geschichte war nichts anderes als eine Geschichte von Experimenten über die werktätigen Massen; in der Vergangenheit gab es eine Epoche der Experimente des Adels an Leib und Seele der Bauernmassen; ich kenne in der Vergangenheit auch eine Epoche der Experimente der Bourgeoisie an Leib und Seele der Arbeiterklasse. Ein solches Experiment beobachten wir schon einige Jahre in der ganzen Welt in Form des entsetzlichen imperialistischen Gemetzels.

Dessen ungeachtet finden sich Menschen, die sich für Sozialisten halten, und die beim Anblick der erschütternden Experimente des vierjährigen Weltkrieges uns sagen, dass der heldenmütige Versuch der werktätigen Massen Russlands, sich freizumachen, das Leben auf neuer Grundlage umzugestalten, ein „Experiment“, nicht wert der Unterstützung sei, dass wir eine Armee schaffen nicht zum Schutz der revolutionären Errungenschaften der Werktätigen, sondern für irgendwelche Cliquen oder Parteiinteressen oder sonst etwas.

Ich aber sage: wenn es eine Epoche geben kann, die das Bedürfnis nach einer Armee für die wahrhaft größten Ziele erzeugt, so ist es die jetzige Epoche. Und wenn ein Regime möglich ist, das des Schutzes bedarf und das Recht hat, diesen Schutz von den werktätigen Massen zu fordern, so kann es einzig und allein das Regime der Herrschaft der werktätigen Massen selbst sein. Ungeachtet aller ihrer Missgriffe, ungeachtet aller Rauheit ihres Regimes, ungeachtet dessen, dass es manchem Herrn Intellektuellen auf die Nerven fällt, ungeachtet all dessen hat das Sowjetregime das Recht auf Entwicklung. Es wird bestehen bleiben, und dazu bedarf es einer Armee. Diese Armee werden wir schaffen.

Ferner wird darauf hingewiesen, dass in der geplanten Armee eine Zwiespältigkeit steckt, die den Hauptfehler sowohl der Armee als auch unseres Regimes bildet. Freilich, die Zwiespältigkeit besteht darin, dass wir uns in der Übergangsperiode von der Herrschaft der Bourgeoisie zur sozialistischen Gesellschaftsordnung befinden, die Zwiespältigkeit äußert sich darin, dass die Arbeiterklasse die politische Macht ergriffen hat, aber dadurch nicht nur die Sache nicht ans Ende geführt hat, sondern umgekehrt, erst die Hauptaufgabe der Umgestaltung der Wirtschaft des ganzen Lebens auf neuer Grundlage in Angriff genommen hat; die Zwiespältigkeit besteht endlich darin, dass die Arbeiterklasse nur in Russland allein am Ruder steht und dass sie mit Leib und Seele die Angriffe des Kapitals der anderen Länder abwehren muss, jener Länder, wo die Arbeiterklasse sich noch nicht erhoben hat zum letzten entscheidenden Kampfe und noch nicht die Staatsgewalt erobert hat.

Das ist eine Zwiespältigkeit oder ein Widerspruch, der im Wesen unserer Revolution selbst liegt. Es handelt sich hierbei nicht um das Regime, nicht um die politische Form und das Prinzip der Armeebildung, sondern um das Zusammenprallen zweier Gebilde: des bürgerlich-kapitalistischen und des sozialistisch-proletarischen. Diesen Widerspruch kann man im langen Kampfe beseitigen. Wir suchen bloß die Waffen zu schaffen für diesen Kampf und streben danach, dass diese Waffen den Bedürfnissen und den Pflichten jenes Regimes entsprechen, das wir zu verteidigen berufen sind.

Von rechts wurde auch gegen die unbedingte Erfüllung der Befehle gesprochen. Wie, wenn die Befehle konterrevolutionäre sind!

Wenn man hier in die Konstitution unserer Armee das Recht einführen will, die konterrevolutionären Befehle nicht zu erfüllen, so ist wohl zu bemerken, dass der ganze Text des feierlichen Eides, den ich bekanntgegeben habe, gegen die Konterrevolution gerichtet ist; die ganze Armee wird ja gegen die russische und internationale Konterrevolution gebildet. Darin steckt der innere Sinn dieser Armee … (Zuruf: „Unbedingter Gehorsam gegenüber dem Kommandeur?“)

Natürlich, wenn das ganze Sowjetregime mitsamt der Armee sich als Opfer der konterrevolutionären Generale erweisen sollte, so wäre das ein Treppenwitz der Weltgeschichte, das ganze Regime wäre für die Katze.

Aber die Perspektiven sehen ja ganz anders aus und die strittigen Fragen sind ganz andere. Man könnte glauben, dass konterrevolutionäre Generale bei uns das große Wort führen und wir in den Massen die Kritik gegen sie wecken müssten. Diese Kritik ist in jedem unserer Rotarmisten jedenfalls nicht geringer als in jenen Kritikern und Ratgebern, die uns bekanntlich hinderten, den Soldaten, Arbeitern und Bauern gegen die Klassenfeinde stets und überall einen gesunden Argwohn einzuflößen; dieser Argwohn ist aber bei den Arbeitern und Soldaten in genügendem Grade vorhanden.

Aber kraft der natürlichen psychologischen Reaktion hat das Vorhandensein dieses vorrevolutionären Argwohns gegen die Regierung und ihre Verfügungen bei uns dazu geführt, dass jedermann bemüht ist, jeden Befehl, jede Verfügung mit dem Apparat seiner Kritik, seines Argwohns und seiner Argumentation zu bearbeiten, – und das hält die Ausführung der Befehle auf, zerstört die Arbeit und steht im Gegensatz zu den Interessen der Werktätigen selbst.

Es muss ein zentralisierter Staatsapparat geschaffen werden. Es versteht sich von selbst, dass alle Soldaten, Arbeiter und Bauern sich zusammen mit uns einen Apparat sichern müssen, der das ganze Kommandopersonal durch das Zentralexekutiv-Komitee, durch die Kommissariate kontrolliert. Wir verfügen über diesen Apparat der Kontrolle und Überprüfung. Wenn er jetzt schlecht ist, so wird er bald besser funktionieren.

Aber man muss zugleich feststellen, dass ein Befehl ein Befehl ist, dass der Soldat der Roten Armee ein Soldat ist, dass die Armee der Arbeiter und Bauern eine Armee ist, dass Kampfbefehle in ihr wirken, die unbedingten Gehorsam erfordern. Wenn sie den Namenszug des Kommissars tragen, so trägt er die Verantwortung für sie, und es ist Pflicht und Schuldigkeit der Rotarmisten solche Befehle zu erfüllen. Wenn diese höchst einfache Regel nicht eingehalten wird, so kann natürlich keine Armee bestehen. Wodurch hält sich eine Armee? Durch das Vertrauen zu einem bestimmten Regime, zu der Regierung, die sie selbst unter bestimmten Verhältnissen schafft und selbst kontrolliert.

Sichern wir uns dieses allgemeine Vertrauen, – und ich glaube, wir werden es uns sichern – so hat das Sowjetregime, das Regime der revolutionären Klasse, das Recht, von seinen Organen, von seinen Soldaten Unterwerfung und Gehorsam zu fordern, Erfüllung jener Befehle, die von der Zentralregierung ausgehen und vom Zentral- Exekutivkomitee kontrolliert werden.

Denjenigen unserer Militärfachleute, die aufrichtig bezweifeln, ob wir Disziplin einführen könnten, sagen wir: Wenn es möglich war, unter der Herrschaft des Zarismus, der Bürokratie und der Bourgeoisie Disziplin zu halten, wenn man damals Gehorsam gegen die Arbeiter- und Bauernmasse aufrechterhalten konnte, wenn es damals möglich war, überhaupt eine Staatsgewalt gegen die Arbeiterklasse zu schaffen, so haben wir natürlich zehn-, ja hundertmal mehr psychologische und historische Möglichkeiten eine eiserne Disziplin in der Armee einzuführen, die ja ganz und gar zum Schutz der werktätigen Massen da ist.

Man will uns sozusagen vor konterrevolutionären Anschlägen schützen und bewahren. Wir wollen vor allem feststellen, wer uns vor den konterrevolutionären Anschlägen bewahren will. Das sind die Mitarbeiter eines Duchonin, die Mitarbeiter eines Kerenski.

Bürger Dan hält uns hier einen Vortrag, wie die Napoleons sozusagen gemacht werden, wenn die Kommissare nicht flott genug arbeiten. Aber wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, ist ja die Kornilow-Affäre nicht unter dem Sowjetregime, sondern unter Kerenski gewesen (Martow: „Es wird eine neue Kornilow-Affäre geben“) … Noch gibt es keine neue, wir wollen einstweilen von der alten reden, von der, die war und die manchem für immer einen deutlichen Stempel auf die Stirn aufgedrückt hat. (Beifall.)

Und nun, zur Belehrung Dans will ich daran erinnern, Genossen, dass unsere Kommissare, die Kommissare des damaligen Petrograder Sowjets, es ausgezeichnet verstanden hatten, revolutionäre Befehle von denen der konterrevolutionären Anschläge zu unterscheiden.

Als Duchonin, gegen seinen Willen auf Kerenskis Wunsch im Oktober aus Petrograd die Garnison entfernen wollte, um die revolutionäre Hauptstadt zu entblößen, motivierte er dieses mit operativen, strategischen Bedürfnissen. Unsere Petrograder Sowjetkommissare sagten: „Es ist ja klar, es ist ein neues Experiment." Und dieses Experiment stellte die damalige Koalitionsregierung, gemeinsam mit den Menschewiki, unter der Oberleitung Kerenskis an. In den Dokumenten, die wir mit den Unterschriften Kerenskis und Duchonins vorfanden, bekamen wir die absolute Bestätigung dieses Verdachtes.

Ich erinnere daran, dass Dan und seine Gesinnungsgenossen damals vor uns auf der Tribüne des Petrograder Sowjets erschienen und erklärten: „Ihr wollt den operativen Befehl der Militärbehörden und der Regierung an die Petrograder Garnison nicht erfüllen. Ihr dürft nicht einmal wagen, über ihn zu räsonieren." Und dieser Befehl war im Grunde genommen ein konterrevolutionärer Plan der Erdrosselung Petrograds. Wir hatten es geahnt, Ihr aber (an die Menschewiki gewandt) wart blind und deshalb haben wir Eure alte Regierung gestürzt und uns der Regierungsgewalt bemächtigt. Wir haben geschichtlich Euch gegenüber recht behalten.

Ihr haltet Euch darüber auf, dass wir die Bourgeoisie nicht zur Wehrpflicht zulassen. Hierfür haben wir zwei Argumente: „Ihr schließt die Bourgeoisie aus und glaubt dadurch die Armee vor der Konterrevolution zu bewahren. Aber was ist die Bourgeoisie? Sie bildet 5 Prozent. Es ist lächerlich zu glauben, dass man mit solchen kindischen Mitteln die Armee vor der Konterrevolution bewahren könnte."

Aber zugleich behauptet Ihr, dass wir das ganze Militärwesen dem Untergang weihen, wenn wir die Bourgeoisie ausschließen. Wenn diese Bourgeoisie so unbedeutend ist, wozu streiten, ob man sie ein- oder ausschließen soll? Ein Fehler von 5 Prozent, wenn alle Rechnungen sonst so ungenau sind, ist ein geringer Fehler. Der Schwerpunkt liegt aber nicht auf den 5 Prozent der Bourgeoisie.

Die Bourgeoisie hat einen großen Schwanz aus unbewussten, unwissenden kleinbürgerlichen Elementen, reichen Bauern, kleinen Ausbeutern und sonstigen dumpfen kleinbürgerlichen Elementen. Bei dem jetzigen Stand der Dinge hätten wir sie nicht aufnehmen können, weil ihre Aufnahme in die Sowjetarmee jetzt nur mit Hilfe der strengsten Repressalien zu erreichen wäre. Alle diese verknöcherten, üblen Elemente hassen das Proletariat und die Revolution, Solcher Elemente gibt es nicht nur am Don, sondern auch in Orenburg; damit wir sie für uns gewinnen, müssen wir die ersten bedeutenden Errungenschaften auf organisatorischem Gebiet zu verzeichnen haben. Wir müssen durch Taten diesen trüben Elementen, die eingeschüchtert und irregeführt sind, zeigen, dass das Sowjetregime, die Arbeiterregierung, die Landwirtschaft auf neuer Grundlage aufzubauen vermag, die Fabriken im Interesse des Volkes instand zu setzen und eine Armee zu diesem Zweck zu schaffen vermag.

Dann werden sie sich mit ihren eigenen Augen davon überzeugen, dass das neue Regime in ihrem Interesse arbeitet, und dann wird die Befürchtung fortfallen, dass wir, indem wir sie in die Armee einreihen, dadurch den Bürgerkrieg in die Armee einreihen.

Natürlich, diese Argumente können keinen Wert haben in den Augen derjenigen, die an den Sieg der Arbeiterklasse nicht glauben. Aber woran glauben sie denn dann? Worauf hoffen die Herren Menschewiki? Wenn die Geschichte schief geht, so wird sie bei der Redaktion der Zeitung „Wperjod" nicht haltmachen, sie wird weiter rutschen. Ihr wisst ausgezeichnet, dass Ihr nach uns keine Stütze für die Revolution sein werdet.

Wir sind die einzigen Stützen der Arbeiterrevolution; wir mit allen unseren jetzigen Mängeln müssen und werden unsere Pflicht tun, die Mängel korrigieren, die Sowjetregierung befestigen und die Massen um uns scharen. Die Geschichte arbeitet nicht so, dass man dabei Experimente anstellen könnte. In dem jetzigen Kampfe ist es nicht so, dass man wie beim Schachspielen sagen könnte: die eine Partie haben wir verloren, wir wollen die andere gewinnen. Wenn wir kaputt gehen, so werdet Ihr selbstverständlich die Sache nicht einrenken, – der Karren der Gegenrevolution wird über Eure Schädel hinweg fahren!

Aber jetzt, unter den obwaltenden Verhältnissen, bei den Schwierigkeiten und Gefahren, die vorhanden sind, gilt es, den Karren, den wir haben, zu befestigen, zu vervollkommnen und den Berg hinauf weiterzuziehen, und ihn nicht hinab rollen zu lassen. Dazu brauchen wir, wie gesagt, eine Armee. Man macht uns den Vorwurf, dass wir dies erst jetzt eingesehen hätten. Das ist nicht wahr! Aber es in einem Artikel verstehen, ist etwas ganz anderes, als zu der Möglichkeit des Aufbaus einer lebendigen Armee zu gelangen.

In dem zerrütteten Lande, wo die alte kranke Armee aus allen Fugen krachte, auseinander lief, indem sie das Verkehrswesen desorganisierte und alles auf ihrem Wege zerstörte, – in einem solchen Lande konnten wir keine neue Armee aufbauen, ohne die alte endgültig liquidiert zu haben.

Erst jetzt haben wir mit dem Registrieren der Bevölkerung begonnen.

Die Rote Armee ist bloß das Gerüst der künftigen Armee. Natürlich, die Rote Armee kann lediglich als Kader dienen, um den herum sich die geschulten Elemente der Arbeiter aus den Betrieben zusammenschließen müssen.

Hier will ich auf die Einwände des ersten Diskussionsredners antworten, die darin bestanden, dass wir aus Parteirücksichten die Menschewiki und die rechten Sozialrevolutionäre der Armee fernhalten. Ich sage Ihnen ja, dass sämtliche Arbeiter und Bauern, die keine fremde Arbeit ausbeuten, alle durch die Bank, das Kriegshandwerk erlernen sollen. Wenn dieses Argument so zu verstehen ist, dass es unter den Arbeitern, die wir militärisch ausbilden, keine Menschewiki, und unter den Bauern, die keine fremde Arbeit ausbeuten, keine rechten Sozialrevolutionäre gibt, so hätte dieser Einwand vielleicht Sinn. Aber nicht uns trifft die Schuld dafür. Wir tun unsere Arbeit auf festen gesunden Klassengrundlagen und zeigen dadurch, dass wir uns vor keinem Arbeiter fürchten, auch wenn er Menschewik ist, und vor keinem Bauer, der keine fremde Arbeit ausbeutet, auch wenn er sich selbst für einen Sozialrevolutionär hält.

Als wir während des Oktoberumsturzes um die Macht kämpften, wurden wir von den Arbeitern und Bauern der genannten Parteien unterstützt. Sie unterstützten uns während des Oktoberaufstandes gegen ihre Führer, – zu Ehren der Arbeiter und zur Schande der Führer.

Man sagt uns außerdem, die Kommandoposten müssten nach Wahl besetzt werden. Nach Wahl der Volksmassen? Oder nach Wahl der Soldaten allein?

Die unzweifelhafte Gefahr der Wählbarkeit liegt darin, dass in die Armee sich Tendenzen des sogenannten Armeesyndikalismus einschleichen können, d, h. dass die Armee sich betrachten würde als selbständiges Ganzes, das sich selber Gesetze vorschreibt. Wir aber sagen, dass die Armee ein Werkzeug der Sowjets ist, die diese Armee ins Leben rufen, die selbst die Listen aufstellen und die Kandidaten für die Kommandoposten wählen. Man darf nicht vergessen, dass die Listen von den Sowjetbehörden aufgestellt und zur allgemeinen Bekanntgabe publiziert werden. Alle Ernennungen passieren den Filter des Sowjetregimes.

Die Sowjets leiten die Armee und erziehen sie, sie sichern auch ein bestimmtes Kommandopersonal; eine andere Ordnung kann es nicht geben. Nichts anderes könnt Ihr vorschlagen.

Wenn es in Bezug auf die Armee als spezifisches Organ vollkommen klar ist, dass das Wahlprinzip von oben bis unten in ihr undurchführbar ist, so ist dies um so mehr in Bezug auf die Armee zu berücksichtigen, die jetzt erst im Entstehen begriffen ist.

Auf welchem Wege kann sie durch Wahlen das entsprechende zuverlässige, kampffähige Kommandopersonal aussondern, wenn die Truppen erst im Entstehen begriffen sind? Das ist absolut undenkbar. Oder wird die Armee den Sowjets, von denen sie gebildet wird, misstrauen? Das wäre ein innerer Widerspruch, Eine solche Armee ist nicht lebensfähig. Genossen, dem sogenannten demokratischen Prinzip geschieht hier nicht Abbruch; im Gegenteil, es wird auf eine weitere sowjetische Basis gestellt.

Mit Recht sagte Bürger Dan, dass die Lebensfähigkeit einer demokratischen Armee nicht durch diese oder jene agitatorische Maßnahmen gegen die Generale gesichert wird, sondern durch den allgemeinen Charakter des Regimes. Vollkommen richtig!

Im Munde unserer Gegner läuft die Kritik der Roten Armee, die jetzt gegründet wird, auf eine Kritik des ganzen Sowjetregimes, der Herrschaft der Arbeiterklasse und der Bauern, hinaus. Sie haben auch recht. Aber das bedeutet, dass, wenn die Armee, die wir aufbauen, standhalten wird, auch das ganze Regime standhalten wird. Und umgekehrt, wenn dieses Regime standhält, so wird auch die Armee standhalten. Geht das Regime zugrunde, so wird auch die Armee zugrunde gehen.

Wer gewissenhaft das betrachtet, was jetzt im Lande geschieht, der muss zugeben, dass unsere Hauptenergie jetzt gerichtet sein muss auf die Wiederherstellung des ganzen Wirtschaftsapparates des Landes, des Transportes, des Verpflegungswesens, sowie auf die Gründung einer Armee zum Schutz des Sowjetregimes von außen.

Und damit dies möglich wird, damit wir Erfolg haben, – hinweg mit dieser kleinlichen Kritik und der unfruchtbaren Skepsis, die nichts zustande bringt außer Schmähartikel; mehr Glauben an die Klasse, die von der Geschichte berufen ist, das Land zu retten!

Diese Klasse – das Proletariat – wird nicht allein die armselige Kritik von rechts aushalten, sondern auch die gewaltigen Schwierigkeiten, die die Geschichte ihr aufgebürdet hat.

Wir aber werden mit aufgekrempelten Ärmeln uns an die Arbeit zur Schaffung der Armee machen. Dazu brauchen wir Euer einmütiges Votum, dass diese Arbeit notwendig ist, damit wir im Lande Unterstützung finden bei der Organisierung des Verpflegungs- und Transportwesens, bei der Bekämpfung der Lumperei, des Rowdytums, der Unordnung und der Schlamperei.

Gebt uns dieses Vertrauensvotum und wir werden bemüht sein, es auch weiter zu verdienen durch unsere Arbeit auf diesem Wege, den Ihr uns zeigen und vorschreiben werdet.

1 Dieses Datum gilt als Gründungstag der Roten Armee. Anmerkung der Übersetzerin.

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