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Leo Trotzki 19400214 Weltlage und Perspektiven

Leo Trotzki: Weltlage und Perspektiven

Antworten L. D. Trotzkis auf die Fragen des amerikanischen Journalisten Mr. J. Klyman

[eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen Übersetzung und auszugsweisen deutschen Übersetzung]

1. Was ist Herrn Trotzkis Meinung zum Deutsch-Sowjetischen Bündnis? War Stalin gezwungen, es abzuschließen? Wenn ja, was hätte früher getan werden können, um dies zu vermeiden?

Die äußere Politik ist immer eine Fortsetzung und Entwicklung der Inneren. Um die Außenpolitik des Kremls richtig zu verstehen, muss man immer zwei Faktoren vor Augen haben: die Stellung der UdSSR, eingekesselt von bürgerlicher Staaten, auf der einen Seite, die Stellung der herrschenden Bürokratie innerhalb der Sowjetgesellschaft, auf der anderen. Die Bürokratie schützt die UdSSR. Aber zuallererst verteidigt sie sich selbst innerhalb der UdSSR. Die innere Stellung der Bürokratie ist unermesslich verletzlicher als die internationale Stellung der UdSSR. Die Bürokratie ist gnadenlos gegen unbewaffnete Gegner im Innern des Landes. Aber sie ist äußerst vorsichtig und manchmal feige gegenüber gut bewaffneten äußeren Feinden. Wenn man im Kreml die Unterstützung der Volksmassen spürte und von der Stabilität der Roten Armee überzeugt wäre, könnte man eine viel unabhängigere Haltung in Beziehung auf die beiden imperialistischen Lager einnehmen. Aber das ist nicht so. Die Isolation der totalitären Bürokratie im eigenen Lande drängte sie in die Umarmung des nächsten, aggressivsten und damit gefährlichsten Imperialismus.

Schon 1934 sagte Hitler zu Rauschning: „Ich kann zu jeder Zeit ein Abkommen mit Sowjetrussland abschließen.“ Er hatte kategorische Zusicherungen in dieser Hinsicht von der Seite des Kreml selbst. Der ehemalige Chef des sowjetischen Geheimdienstes im Ausland, General Krivitsky, enthüllte äußerst interessante Details auf dem Gebiet der geheimen Beziehungen zwischen Moskau und Berlin. Aber für einen aufmerksamen Leser der sowjetischen Presse waren die tatsächlichen Pläne des Kremls seit 1933 kein Geheimnis mehr. Stalin fürchtete mehr als alles einen großen Krieg. Dem auszuweichen rechnete er, indem er ein unverzichtbarer Gehilfe Hitlers würde.

Es wäre jedoch falsch, hieraus zu schließen, dass die fünfjährige Kampagne Moskaus für ein „Bündnis der Demokratien" und „kollektive Sicherheit" (1935-1939) ein leerer Scharlatanismus war, wie es jetzt derselbe Krivitsky vertritt, der vom GPU-Hauptquartier aus nur eine Seite der Moskauer Politik sah und sie nicht in ihrer Gesamtheit erfasste. Solange Hitler die ausgestreckte Hand zurückwies, war Stalin gezwungen, ernsthaft die zweite Variante vorzubereiten, ein Bündnis mit den imperialistischen Demokratien. Die Komintern verstand natürlich nicht, was Sache war: Sie machte einfach „demokratischen" Lärm und führte einen Auftrag aus.

Auf der anderen Seite konnte Hitler Moskau nicht das Gesicht zuwenden, während er Englands freundschaftliche Neutralität brauchte. Die Vogelscheuche des Bolschewismus war vor allem notwendig, um die britischen Konservativen dazu zu bringen, bei der fieberhaften Bewaffnung Deutschlands durch die Finger zu schauen. Baldwin und Chamberlain gingen weiter: Sie halfen Hitler direkt, Großdeutschland zu schaffen, d.h. eine mächtige Basis in Zentraleuropa für die Aggression im Weltmaßstabe.

Hitlers Wendung in der Mitte des vergangenen Jahres in Richtung Moskau hatte gute Gründe. Von der Seite Großbritanniens hat Hitler alles erhalten, was er erhalten konnte. Es war in der Tat unmöglich, darauf zu hoffen, dass Chamberlain als Zugabe zur Tschechoslowakei Hitler Ägypten und Indien schenken würde. Die weitere Expansion des deutschen Imperialismus konnte nur gegen Großbritannien selbst gerichtet sein. Die Frage Polens wurde zu einem Wendepunkt. Italien trat vorsichtig zur Seite. Graf Ciano erklärte im Dezember 1939, dass das zehn Monate zuvor geschlossene italienisch-deutsche Militärbündnis den Eintritt des totalitären Verbündeter in den Krieg im Verlauf der nächsten drei Jahre ausschließe. Jedoch Deutschland konnte unter der Last seiner eigenen Aufrüstung nicht warten. Hitler versicherte seinem angelsächsischen Cousin, dass die Eroberung Polens der Weg nach Osten und nur nach Osten sei. Aber die ehrwürdigen konservativen Gegner ware es leid, getäuscht zu werden. Krieg wurde unvermeidlich. Unter diesen Bedingungen hatte Hitler keine andere Wahl: Er musste zu seiner vorrätigen Trumpfkarte greifen, nämlich dem Bündnis mit Moskau. Stalin empfing schließlich den Händedruck, von dem zu träumen er im Verlauf von sechs Jahren nicht aufgehört hatte.

Häufige Erklärungen in der demokratischen Presse, als ob Stalin durch ein Bündnis mit Hitler bewusst einen Weltkrieg auslösen wollte, sollten unter Absurdes eingeordnet werden. Die sowjetische Bürokratie hat mehr Angst vor einem großen Krieg als jede der herrschenden Klassen der Welt: Sie kann wenig gewinnen, aber sie kann alles verlieren. Auf die Weltrevolution zählen? Aber selbst wenn die konservative Oligarchie des Kremls nach einer Revolution strebte, wüsste sie zu gut, dass ein Krieg nicht mit der Revolution beginnt, sondern mit ihr endet und dass, bevor die Revolution in kapitalistische Länder kommt, die Moskauer Bürokratie selbst in den Abgrund gestürzt werden kann1.

Bei den Gesprächen im vergangenen Jahr in Moskau machten die britische und die französische Delegation eine eher klägliche Figur. „Sehen Sie diese Herren?“ – sagten dem Hausherrn des Kreml die Agenten Deutschlands: „Wenn wir mit Ihnen Polen aufteilen, würden sie es nicht wagen, einen Finger zu rühren.“ Mit der Unterzeichnung des Abkommens konnte Stalin in seiner Beschränktheit hoffen, dass es überhaupt keinen großen Krieg geben werde. Auf jeden Fall kaufte er für sich die Gelegenheit, die Teilnahme am Krieg für die nächste Periode zu vermeiden. Aber weiter als an die „nächste Periode“ denkt jetzt niemand.

2. Beim Einmarsch in die baltischen Staaten und Finnland verwies Russland auf die Tatsache, dass es dazu gezwungen gewesen sei zur Verteidigung gegen eine Aggressionen. Denkt Herr Trotzki, dass es eine Wahrscheinlichkeit für eine Aggression durch die Nazis gab? Denkt Trotzki, dass es eine Möglichkeit für einen Angriff von Seiten der kapitalistischen Demokratien gab?2

Der Einmarsch in Polen und den baltischen Ländern war eine unvermeidliche Folge des Bündnisses mit Deutschland. Es wäre in der Tat zu naiv zu glauben, dass die Zusammenarbeit Stalins mit Hitler auf gegenseitigem Vertrauen beruhe: Diese Herren verstehen einander zu gut. In der Zeit der Verhandlungen in Moskau im Sommer vergangenen Jahres hatte die deutsche Gefahr nicht nur ganz real, sondern auch ganz unmittelbar erscheinen können und sollen. Nicht ohne den Einfluss Ribbentrops im Kreml, so wurde gesagt, wurde vermutet, dass England und Frankreich angesichts der vollendeten Tatsache einer Zerschlagung Polens völlig reglos bleiben würden und dass Hitlers Hände für eine weitere Bewegung nach Osten losgebunden werden könnten. Unter diesen Umständen wurde die Frage nach einem Bündnis mit Deutschland natürlich durch die Frage nach materiellen Garantien ergänzt – gegen den Verbündeten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Initiative in diesem Bereich dem dynamischen Partner gehörte, d.h. Hitler, der dem vorsichtigen und langsamen Stalin vorschlug, selbst „Garantien" mit bewaffneter Hand zu nehmen. Natürlich haben die Besetzung Ostpolens und die Errichtung von Kampfbasen im Baltikum keine absoluten Hindernisse für eine deutsche Offensive geschaffen: das beweisen allzu gut die Erfahrungen aus dem Krieg von 1914-1918. Aber die Verlagerung der Grenze nach Westen und die Herrschaft über die Ostküste der Ostsee stellten doch ganz zweifellos strategische Vorteile dar. So beschloss Stalin im Bündnis mit Hitler und auf Initiative Hitlers, „Garantien" zu erobern – gegen Hitler.

Dem gesellten sich nicht weniger wichtige Überlegungen der Innenpolitik hinzu. Nach fünf Jahren ununterbrochener Agitation gegen den Faschismus, nach der Vernichtung der alten bolschewistischen Garde und des Kommandostabes der Armee wegen vermeintlicher Verbindungen zu den Nazis erwies sich das unerwartete Bündnis mit Hitler natürlich als äußerst unpopulär im Lande. Man musste es mit unmittelbaren und fühlbaren Erfolgen rechtfertigen.Die Hinzufügung der Westukraine und -weißrusslands sowie die friedliche Eroberung strategischer Positionen in den baltischen Staaten sollte der Bevölkerung die Weisheit der Außenpolitik des „Vaters der Nationen" beweisen. Jedoch Finnland hat diese Berechnung tüchtig verdorben.

3. Betrachtet es Herr Trotzki als ehemaliges Haupt der Roten Armee als notwendig für die Sowjets, in den baltischen Staaten, Finnland und Polen einzurücken, um ihre Verteidigung gegen Aggressionen zu verbessern? Denkt Trotzki, dass ein sozialistische Staat das Recht hat, den Sozialismus auf Nachbarstaaten mit Waffen auszudehnen?

Dass der Besitz von Militärbasen an der baltischen einen strategischen Nutzen darstellt, kann natürlich nicht bestritten werden. Aber dieses eine löst noch nicht die Frage der Invasion von Nachbarstaaten. Der Schutz eines isolierten Arbeiterstaates hängt von der Sympathie der Werktätigen auf der ganzen Welt weit mehr ab als von zwei oder drei zusätzlichen strategischen Punkten. Dies wird unbestreitbar durch die Geschichte der ausländischen Interventionen in der Zeit unseres Bürgerkriegs von 1918-1920 bewiesen.

Robespierre sagte, dass Nationen Missionare mit Bajonetten nicht lieben. Natürlich schließt das das Recht und die Pflicht zur militärischen Unterstützung für aufständische Völker von außen nicht aus. So hatten wir 1919, als die Entente die ungarische Revolution unterdrückte, natürlich das Recht, Ungarn durch militärische Maßnahmen zu Hilfe zu kommen. Eine solche Unterstützung wäre von Werktätigen auf der ganzen Welt verstanden und gebilligt worden. Unglücklicherweise waren wir damals zu schwach … Jetzt ist der Kreml in militärischer Hinsicht viel stärker. Aber er hat das Vertrauen der Massen verloren, sowohl im Innern des Landes als auch außerhalb seiner Grenzen.

Wenn in Russland ein Regime der Sowjetdemokratie herrschte; wenn der technische Fortschritt von einem Wachstum der sozialen3 Gleichheit begleitet würde; wenn die Bürokratie absterben und der Selbstverwaltung der Massen Platz machen würde, hätte Moskau eine solche Anziehungskraft, insbesondere in Bezug auf seine nächsten Nachbarn, dass die gegenwärtige Weltkatastrophe die Massen des polnischen Volkes, nicht nur Ukrainer und Weißrussen, sondern auch Polen und Juden, sowie die Bevölkerung der baltischen Grenzländer, zwangsläufig auf den Weg der Vereinigung mit der UdSSR bringen würde.

Jetzt sind die wichtigen Bedingungen für eine revolutionäre Intervention nicht oder fast nicht vorhanden. Die polizeiliche Erdrosselung der Völker der UdSSR, insbesondere der nationalen Minderheiten, drängte die Mehrheit der Werktätigen in den Randstaaten von Moskau weg. Der Einmarsch der Roten Armee wird von den Volksmassen nicht als ein Akt der Befreiung, sondern als ein Akt der Gewalt wahrgenommen, und das erleichtert es den imperialistischen Regierungen, die öffentliche Meinung der Welt gegen die UdSSR zu mobilisieren. Deshalb wird es letztendlich der Verteidigung der4 UdSSR mehr Schaden als Nutzen bringen.

4. Wie ist Herrn Trotzkis Meinung bezüglich der finnischen Kampagne aus dem militärischen Blickwinkel: Strategie, Beschaffung, Führung, politische sowie auch militärische, Kommunikationswege und allgemeine Vorbereitung der Roten Truppen? Was ist das mögliche Resultat der finnischen Kampagne?

Der strategische Plan war, insoweit ich über ihn urteilen kann, in der Abstraktion vollauf gut, aber er unterschätzte die Widerstandskräfte Finnlands und missachtete solche Kleinigkeiten, wie den finnischen Winter, Bedingungen des Transports, der Versorgung und sanitärer Dienste. In satirischen Versen aus Anlass der Krimkampagne im Jahre 1855 schrieb der junge Offizier Leo Tolstoi:

Gewandt geschrieben auf Papier,

aber er vergaß die Schluchten,

doch durch sie musste man gehen.

Mit dem enthaupteten und demoralisierten Generalstab Stalins wiederholte sich buchstäblich dieselbe Geschichte, wie mit dem Stab5 Nikolaus I.

Am 15. November vergangenen Jahres schrieb ich dem Redakteur eines der am meisten verbreiteten amerikanischen Wochenzeitungen: „Im Verlauf der nächsten Periode wird Stalin ein Satellit Hitlers bleiben. Im Verlauf des eintretenden Winters, wird er, aller Wahrscheinlichkeit nach, unbeweglich bleiben. Mit Finnland wird er einen Kompromiss schließen“. Die Fakten zeigten, dass mein Prognose in diesen Teilen fehlerhaft war. Der Fehler war dadurch bedingt, dass ich dem Kreml mehr politischen und militärischen Sinn zuschrieb, als es sich in der Tat herausstellte. Der Widerstand Finnlands setzte, das stimmt, ein Fragezeichen über das „Prestige“ des Kreml, obendrein nicht nur in Estland, Litauen und Lettland, sondern auch auf dem Balkan und in Japan. Nachdem er A gesagt hatte, war Stalin sowieso gezwungen, B zu sagen. Aber sogar mit Blick auf seine eigenen Ziele und Methoden war er ganz und gar nicht gezwungen, Finnland unverzüglich angreifen. Eine geduldigere Politik hätte niemals den Kreml so kompromittieren können, wie ihn dessen beschämende Misserfolge im Verlauf von elf Wochen kompromittiert haben.

In Moskau erklären sie nun, dass niemand auf einen schnellen Sieg rechnete und führen Frost und Schneestürme an. Verblüffendes Argument! Falls Stalin und Woroschilow keine Militärkarten lesen können, dann können sie, sollte man meinen, den Kalender lesen. Das Klima Finnlands konnte auf alle Fälle für sie kein Geheimnis sein. Stalin ist fähig, mit großer Energie eine Situation zu nutzen, wenn sie ohne seine aktive Beteiligung heranreifte, und wenn der Nutzen ganz offenkundig, aber das Risiko minimal ist. Er ist ein Mensch des Apparats. Krieg und Revolution sind nicht sein Element. Wo Voraussicht und Initiative nötig waren, kannte Stalin nichts außer Niederlagen. So war es mit China, mit Deutschland, mit Spanien. So ereignet es sich jetzt mit Finnland.

Die Sache liegt ganz und gar nicht am physischen Klima Finnlands, sondern am politischen Klima der UdSSR. Im von mir herausgegebenen russischen „Bulletin“ veröffentlichte ich im September des Jahres 1938 einen Artikel, in welchem ich die Ursachen der Schwächung und geradezu des Zerfalls der Roten Armee einer Analyse unterzog. Dieser Artikel wurde danach in amerikanischen und britischen Publikationen abgedruckt. Er erklärt, nach meiner Meinung, vollauf die derzeitigen Misserfolge der Roten Armee, wie auch die zunehmenden Schwierigkeiten der Industrie. Alle Widersprüche und Laster des Regimes finden in der Armee immer einen besonders konzentrierten Ausdruck. Feindschaft der Werktätigen zur Bürokratie zerfrisst die Armee von innen. Persönliche Selbständigkeit, freie Forschung und freie Kritik sind für die Armee in nicht geringerem Maße unerlässlich als für die Wirtschaft. Indessen steht das Offizierkorps der Roten Armee unter Überwachung durch die politische Polizei in Gestalt von karrieristischen Kommissaren. Eigenständige und talentierte Kommandeure werden ausgerottet; die übrigen sind zum Zittern verdammt. In einem so künstlichen Organismus wie der Armee, wo eine ungewöhnliche Genauigkeit der Rechte und Pflichten nötig ist, weiß in der Tat niemand, was man darf, was man nicht darf. Betrüger und Diebe handeln unter dem Banner patriotischer Denunziationen.6 Ehrliche Leute lassen die Arme sinken. Weit greift Trunksucht um sich. In der Beschaffung der Armee herrscht Chaos.

Jubiläumsparaden auf dem Roten Platz sind das eine, der Krieg ist etwas völlig anderes. Der angenommene „Kriegsspaziergang“ nach Finnland verwandelte sich in eine gnadenlose Prüfung aller Seiten des totalitären Regimes. Er zeigte den Bankrott der gesamten Führung und die Untauglichkeit des höchsten Kommandostabs, der nach dem Kriterium der Unterwürfigkeit, aber nicht des Talents und der Kenntnisse ausgewählt ist. Der Krieg zeigte darüber hinaus die extreme Unabgestimmtheit der verschiedenen Seiten der sowjetischen Wirtschaft, insbesondere den jämmerlichen Zustand des Transports und verschiedener Aspekte der militärischen Versorgung, besonders mit Lebensmitteln und Bekleidung. Der Kreml baute nicht ohne Erfolg Panzer und Flugzeuge, aber schätzte sanitäre Dienste, Fausthandschuhe, Winterschuhe gering. Den lebendigen Menschen, welcher hinter allen Maschinen steht, vergaß die Bürokratie einfach.

Für Armee und Volk hat die Frage, ob die Sache um den Schutz „des Eigenen“ vor äußerer Invasion oder aber um den Angriff auf ein anderes Land geht, gewaltige, in gewissen Fällen entscheidende Bedeutung. Für einen revolutionären Angriffskrieg ist besondere Begeisterung des Geistes, ungewöhnliches Vertrauen zur Führung und hohe Qualifikation des Kämpfers notwendig. Nichts davon zeigte sich in diesem ohne technische und moralische Vorbereitung begonnenen Krieg.

Das Endresultat des Kampfes war selbstverständlich im Voraus entschieden durch das Kräfteverhältnis. Die eine halbe Million starke Rote Armee wird schließlich die finnische Armee zerdrücken, falls sich der sowjetisch-finnische Krieg nicht in den nächsten Wochen in einen gesamteuropäischen Krieg auflösen wird7. Es ist möglich, dass der Umschwung der militärischen Lage geschehen wird, bereits bevor diese Zeilen in der Presse erscheinen werden. In diesem Fall wird der Kreml, wie es bereits zur Zeit der ephemeren Erfolge Anfang Dezember geschah, sich bemühen den militärischen Einmarsch durch einen Bürgerkrieg innerhalb Finnlands zu ergänzen. Um Finnland in den Bestand der UdSSR einzubeziehen, – aber dies ist offensichtlich jetzt das Ziel des Kreml, – ist es notwendig, es zu sowjetisieren, d.h. die Enteignung der Oberschicht der Grundbesitzer und Kapitalisten herbeizuführen. Diese Art Revolution in den Eigentumsbeziehungen herbeizuführen ist undenkbar ohne Bürgerkrieg. Der Kreml wird alles tun, um die finnischen Industriearbeiter und untersten Schichten der Farmer auf seine Seite zu ziehen. Wenn die Moskauer Oligarchie sich als gezwungen erweist, mit dem Feuer von Krieg und Revolution zu spielen, dann wird sie versuchen, zumindest am finnischen Lagerfeuer8 ihre Hände zu wärmen. Man kann unmöglich bezweifeln, dass sie auf diese Wege gewisse Erfolge erzielen wird.

Aber schon jetzt darf man mit Gewissheit eines sagen: was in der ersten Periode des Krieg geschehen ist, streichen keine spätere Erfolge aus dem Welt- Bewusstsein.

Das finnische Abenteuer hat bereits eine radikale Neubewertung des spezifischen Gewichts der Roten Armee hervorgerufen, das manche ausländischen „uneigennützig“9 dem Kreml ergebenen Journalisten außerordentlich idealisierten. Alle Anhänger des Kreuzzugs gegen die Sowjets werden in den Kriegsmisserfolgen des Kreml ernsthaften Rückhalt finden. Zunehmen wird zweifellos die Frechheit Japans, das auf dem Wege zu einem sowjetisch-japanischen Abkommen Schwierigkeit schaffen kann, das jetzt die wichtigste Aufgabe10 des Kreml bildet. Bereits jetzt kann man sagen, dass wenn eine übertriebene Einschätzung der Angriffsfähigkeit der Roten Armee die vorhergehende Epoche charakterisierte, sich dann jetzt eine Epoche der Unterschätzung der Verteidigungskräfte der Rote Armee eröffnet.

Man kann auch andere Folgen des sowjetisch-finnischen Krieges vorhersagen. Die ungeheure Zentralisation der ganzen Industrie und des Handels, von oben bis ganz unten, wie auch die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, wird ganz und gar nicht von den Bedürfnissen des Sozialismus hervorgerufen, sondern von der Habsucht der Bürokratie, welche alles ohne Rest in ihren Händen haben will. Diese abscheuliche und unnütze Gewalt über die Wirtschaft und den Menschen, die sich vollauf bei den Moskauer Prozessen zur „Sabotage“ zeigte, fand nun grausame Strafe im Schnee Finnlands. Überhaupt nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass unter dem Einfluss der Kriegsmisserfolge die Bürokratie gezwungen sein wird, einen ökonomischen Rückzug zu machen. Man kann eine Wiederaufnahme einer eigenen Art der NEP, d.h. einer kontrollierten Marktwirtschaft, auf einem neuen höheren ökonomischen Niveau erwarten. Ob es der Bürokratie mit diesen Maßnahmen gelingen würde, sich zu retten, ist eine andere Frage.

5. Was wäre in der gegenwärtigen Zeit die weiseste Handlungsweise Stalins in Beziehung auf Rumänien in Anbetracht möglicher politischer, sozialer und militärischer Folgen?

Ich denke, dass der Kreml selbst es für das „Weiseste“ halten wird, besonders nach der finnischen Erfahrung, in der nächster Zeit Rumänien nicht anzurühren. Stalin kann sich auf dem Balkan nur mit Zustimmung Hitlers bewegen, nur zur Hilfe für Hitler, zumindest, solange Hitlers Kräfte nicht untergraben sind, aber bis dahin ist es noch sehr weit. Jetzt benötigt Hitler Frieden auf dem Balkan zur Beschaffung von Rohstoffen von dorther und für die Aufrechterhaltung der zweideutigen Freundschaft mit Italien.

In militärischer wie auch in politischer Beziehung ist Rumänien eine verschlechterte Ausgabe Polens: dieselbe halb feudale Unterdrückung der Bauern, dieselbe zynische Unterdrückung der Nationalitäten, dasselbe Gemisch aus Leichtsinn, Frechheit und Feigheit bei der regierenden Schicht, deren Personifizierung der König selbst ist. Falls jedoch die Initiative der Entente selbst Hitler und Stalin zwingt, den unbeständigen Frieden auf dem Balkan zu verletzen, dann wird die Rote Armee in Rumänien mit Losungen der Agrarrevolution einmarschieren und, sollte man meinen, mit größerem Erfolg als bei Finnland.

6. Was kann und muss Stalin auf dem Balkan allgemein im Licht der derzeitigen Ereignisse machen? In Persien? In Afghanistan?

Die Streitkräfte der Sowjets müssen bereit sein, grandiose Räume bei unzureichenden Verkehrswegen zu sichern. Die Weltlage diktiert die Notwendigkeit, die Armee nicht auf einzelne Abenteuer zu zersplittern, sondern sie in der Form von festen Fäusten11 zu halten.

Falls jedoch Großbritannien und Frankreich – mit dem Beistand Deutschlands – es für erforderlich halten würden, einen Krieg gegen die Sowjetunion eröffnen, würde sich die Lage von Grund auf ändern. In diesem Falle wäre nicht einmal jene Möglichkeit ausgeschlossen, dass die sowjetische Kavallerie versuchen würde, gewaltsam in Indien über Afghanistan einzudringen: die technische Aufgabe ist nicht undurchführbar. Mag sein, die Geschichte bestimmt den ehemaligen Wachtmeister der Zarenarmee Budjonny dazu, auf einem weißen Pferd in der Eigenschaft des „Befreiers“ Indiens zu reiten. Aber das ist auf alle Fälle eine entferntere Perspektive.

7. Berücksichtigt man die Ausdehnung Russlands und seine zahlreichen Grenzen, aber auch seine tatsächlichen oder potenziellen Feinde, was bringt die nächste Zukunft?

Die Invasion in Finnland ruft, zweifellos, die schweigende Missbilligung der Mehrheit der Bevölkerung der UdSSR hervor. Aber zur gleichen Zeit versteht eine Minderheit, die Mehrheit aber fühlt es, dass hinter der Frage Finnlands, hinter der Frage der Fehler und Verbrechen des Kreml, die Frage der Existenz der UdSSR steht. Deren Niederlage im Weltkrieg würde nicht nur den Sturz der totalitären Bürokratie bedeuten, sondern auch der staatlichen Planwirtschaft: sie würde das Land in die koloniale Beute imperialistischer Staaten verwandeln. Die verhasste Bürokratie zu stürzen ist Sache der Völker der UdSSR selbst: diese Aufgaben können sie weder Hitler noch Chamberlain anvertrauen. Die Sache geht darum, ob mit dem Ende des derzeitigen Krieges die ganze Weltwirtschaft auf Plangrundlage umgewandelt wird, oder aber der erste Versuch dieser Umwandlung in blutigen Krämpfen zerschmettert würde, und der Imperialismus einen Aufschub erhalten würde bis zum dritten Weltkrieg, der zum Grab der Zivilisation werden kann.

8. Es wird allgemein angenommen, dass die Sowjetunion stark in der Verteidigung ist, und dass sie in Wirklichkeit den Japanern eine Niederlage bei Tschangkufeng im Sommer des Jahres 1938 zufügte. Glaubt Herr Trotzki nicht, dass das ein Durchbruch12 der sowjetischen Waffen war, und falls so, glaubt er nicht, dass das Hitler zwang, seine Blicke von der Ukraine in andere Richtungen abzuwenden?

In der Verteidigung ist die Rote Armee, wie bereits gesagt, unermesslich stärker als beim Angriff. Die Volksmassen, besonders im Fernen Osten, verstehen, womit sie die Herrschaft Japans bedrohen würde. Es wäre jedoch falsch, die Bedeutung der Schlacht bei Tschangkufeng im Gefolge des Kreml und der ihm ergebenen ausländischen Korrespondenten aufzubauschen.

Ich erinnerte in den letzten Jahre nicht nur einmal daran, dass die japanische Armee die Armee eines sich zersetzenden Regimes ist und viele Züge an die Zarenarmee am Vorabend der Revolution erinnern. Konservative Regierungen und Stäbe überbewerten die Armee und Flotte des Mikado außerordentlich, wie sie zu ihrer Zeit die Armee und Flotte des Zaren überbewerteten. Die Japaner können Erfolg nur gegen das rückständige und halb unbewaffnete China haben. Einen langen Krieg mit einem ernsthaften Gegner halten sie nicht aus. Der Erfolg der Roten Truppen bei Tschangkufeng hat deshalb bloß eine beschränkte Bedeutung als Muster. Ich glaube nicht, dass diese Episode irgendwelchen Einfluss auf die strategischen Pläne Hitlers hatte. Deren Wendung auf die Seiten Moskaus war bestimmt durch viel näher gelegene und eindrucksvollere Faktoren.

9. In Beziehung auf die kommunistische Partei der Sowjetunion — was glaubt Herr Trotzki von den Durchschnittsmitgliedern13 dieser Partei? Herr Trotzki sagte, dass die Führung der Partei nicht die marxistisch-leninistische Linie befolge. Meint er, dass, falls die Führung beseitigt würde, die Partei weiter auf dem Wege der Sozialisierung Russlands gehen würde? In welchem Grad ist, nach seiner Meinung, Russland bereits sozialisiert? Ist es denkbar, dass das russische Volk die Führung ohne Anwendung von Gewalt ändern würde? Falls die Änderung der Führung vollkommen wäre, würde Russland nicht für Attacken anderer Mächte geöffnet? Würde das Volk den Verlust dessen riskieren, was es erobert hat?

Unsere Differenzen mit der Führung der sogenannten Kommunistischen Partei der UdSSR haben längst aufgehört, theoretischen Charakter zu tragen. Die Sache geht jetzt ganz und gar nicht um die „marxistisch-leninistische Linie“. Wir beschuldigen die regierende Schicht14 dessen, dass sie sich in eine neue Aristokratie verwandelte, die Volksmassen würgt und plündert. Die Bürokratie antwortet auf unsere Anschuldigungen damit, dass wir Agenten Hitlers (so war es gestern) oder Agenten Chamberlains und der Wall Street (so lauten die Anschuldigungen heute) seien. Alle das ist theoretischen Differenzen innerhalb des Marxismus wenig ähnlich.

Für ernsthafte Leute ist es längst Zeit, jene Brille abzuwerfen, welche die professionellen „Freunde der UdSSR“ auf die Nase der radikalen öffentlichen Meinung gesetzt haben. Es ist Zeit, zu verstehen, dass die derzeitige sowjetische Oligarchie nichts gemein hat mit der alten Partei der Bolschewiki, welche eine Partei der Unterdrückten war. Die Degeneration der regierenden Partei, ergänzt durch blutige Säuberungen, war ein Resultat der Rückständigkeit des Landes und der Isolation der Revolution. Es stimmt, der soziale Umsturz sicherte größte15 Wirtschaftserfolge. Dennoch ist die Produktivität der Arbeit in der UdSSR auch jetzt noch 5-8-10 Mal niedriger als in den Vereinigten Staaten. Den Löwenanteil des bescheidenen Nationaleinkommens verschlingt die unzählige Bürokratie, den zweiten Teil verschlingen die Streitkräfte. Das Volk ist nach wie vor gezwungen, um einen Bissen Brot zu kämpfen. Die Bürokratie handelt in der Eigenschaft des Verteilers der Güter, des Schiedsrichters16 und behält die besten Stücke für sich. Die oberen Schichten der Bürokratie führen ungefähr dieselbe Lebensweise wie die 17Bourgeoisie der Vereinigten Staaten und anderer kapitalistischer Länder.

12-15 Millionen Privilegierte – das ist genau jenes „Volk“ welches Paraden, Manifestationen und Ovationen veranstaltet, die einen solch großen Eindruck auf liberale und radikale Touristen erzeugen. Aber außer diesem „pays legal“, wie man sich einst in Frankreich ausdrückte, gibt es noch eine 160-Millionen-Bevölkerung, welche zutiefst unzufrieden ist.

Woraus ist das klar? Falls die Bürokratie das Vertrauen des Volk besäße, würde sie natürlich streben, sich zumindest an ihre eigene Verfassung zu halten; in der Tat tritt sie sie mit ihren Füßen nieder. Der Gegensatz zwischen Bürokratie und Volk bemisst sich an der zunehmenden Anspannung des totalitären Regimes18.

Niemand kann mit Gewissheit sagen, – nicht einmal sie selbst, – was die zwei Millionen Kommunisten wollen, welche der Kreml mit noch größer Grausamkeit zum Schweigen verdammt als die ganze übrige Bevölkerung. Es kann jedoch, keinerlei Grund geben, daran zu zweifeln, dass die erdrückendе Mehrheit der Kommunisten, wie auch der Bevölkerung, keine Rückkehr zum Kapitalismus will, besonders nun, wo der Kapitalismus die Menschheit in einen neuen Krieg stürzt.

Die Bürokratie stürzen kann nur eine neue politische Revolution, welche die Nationalisierung der Produktionsmittel und die Planwirtschaft bewahren und auf dieser Basis eine Sowjetdemokratie 19höheren Typs errichten würde. Eine solch tiefe Umwandlung würde die Autorität der Sowjetunion in den Augen der werktätigen Massen der ganzen Welt außerordentlich heben und würde einen Krieg gegen sie von Seiten der imperialistischen Staaten praktisch unmöglich machen.

10. Wenn Herr Trotzki nun Führer des Sowjetstaats wäre, was wäre seine20 internationale Politik seit jenen Zeiten gewesen, als Hitler an die Macht in Deutschland kam, und auf solche Weise den deutschen Faschismus mit dem italienischen in einem faschistischen Block in Europa verband?

Ich halte diese Frage für in sich widersprüchlich. Ich könnte nicht „Führer“ des derzeitigеn Sowjetstaats sein: für diese Rolle eignet sich nur Stalin. Ich habe meine Macht nicht persönlich und nicht zufällig eingebüßt, sondern kraft des Wechsels von der revolutionären Epoche zur Epoche der Reaktion. Nach einem grandiosen Aufschwung und unzähligen Opfer wurden die Massen müde, waren enttäuscht, wichen zurück. Die Avantgarde erwies sich natürlich als isoliert. Eine neue privilegierte Kaste konzentrierte die Macht in ihren Händen, und Stalin, der früher eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, wurde ihre Führer. Die Reaktion innerhalb der UdSSR ging parallel mit der Reaktion in der ganze Welt. Im Jahre 1923 zerdrückte21 die deutsche Bourgeoisie die begonnene proletarische Revolution. In jenem Jahr aber begann in der Sowjetunion die Kampagne gegen den so genannten „Trotzkismus“. In Jahr 1928 war die Niederschlagung der chinesischen Revolution. Ende des Jahres 192822 wurde die „trotzkistische Opposition“ aus der Partei ausgeschlossen. Im Jahre 1933 ergreift Hitler die Macht, 1934 führt er seine Säuberung durch. Im Jahre 1935 begann die grandiose Säuberung in der UdSSR, die Prozesse gegen die Opposition, die Ausrottung der alten bolschewistischen Garde und des revolutionären Kommandostabs. Diese Hauptmeilensteine zeigen die unauflösliche Verbindung zwischen der Festigung der Bürokratie innerhalb der UdSSR und dem Wachsen der Weltreaktion.

Der Druck des Weltimperialismus auf die Sowjetbürokratie, der Druck der Bürokratie auf das Volk, der Druck der rückständigen Massen auf die Avantgarde, dies sind die Ursachen des Sturzes der revolutionären Fraktion, die ich vertrat. Deshalb kann ich nicht die Frage beantworten, was ich machen würde, wenn ich auf dem Platz Stalins wäre. Ich nicht kann auf seinem Platz sein. Ich kann nur auf meinem Platz sein. Mein Programm ist das Programm der Vierten Internationale, welche zur Macht nur unter den Bedingungen einer neuen revolutionären Epoche kommen kann. Ich werde beiläufig anmerken, dass zu Beginn des vergangenen Krieges die Dritte Internationale unvergleichlich schwächer war, als die Vierte jetzt ist.

11. Was wird nach Meinung Herrn Trotzkis der Ausgang des Krieges in politischen, ökonomischen, sozialen, territorialen Beziehungen sein?

Um sich eine Vorstellung über das mögliche Ende des Krieges zu bilden, muss man vorher die Frage beantworten, ob es bald gelingen wird, die zügellose Furie mit Hilfe irgendeines Kompromisses anzuhalten, oder aber der Krieg seine Vernichtungs- und Verwüstungsarbeit bis zum Ende entfaltet. Ich glaube nicht eine Minute, dass die Friedensbemühungen der Neutralen (einschließlich der geheimnisvollen Mission von Sumner Welles) gut enden werden mit einem mehr oder weniger nahegelegenen zukünftigen Erfolg. Die Widersprüche zwischen den zwei Lagern sind unversöhnlich. Wie groß die Eroberungen, die Hitler in Europa gemacht hat, auch sind, sie lösen doch nicht die Probleme des deutschen Kapitalismus, umgekehrt, sie erschweren sie. Die deutsche Industrie vergrößerte sich um die österreichische, tschechische und polnische: alles drei litten unter der Enge der nationalen Grenzen und dem Rohstoffmangel. Außerdem ist, um die neuen Territorien zu halten, eine beständige Anspannung der militärischen Kräfte notwendig. Ökonomisch kann Hitler seine kontinentalen Erfolge nur in der Weltarena realisieren. Dazu muss er Frankreich und England zerschlagen. Hitler kann nicht stehen bleiben. Nicht stehen bleiben können, folglich, auch die Alliierten, da sie nicht entschlossen zum freiwilligen Selbstmord sind. Humanitäre Klagen und Vernunftsargumente werden nicht helfen. Der Krieg war andauern, solange nicht die ganzen Ressourcen der Zivilisation erschöpft sind oder solange er nicht auf die Revolution stoßen wird23.

12. Aber wie werden ungeachtet dessen Europa und die ganze Welt nach dem Krieg aussehen?

Die Friedensprogramme beider Krieg führenden Lager sind nicht nur reaktionär, sondern auch fantastisch, d.h. unausführbar. Die Regierung Englands träumt von der Gründung einer gemäßigt konservativen Monarchie in Deutschland, von der Wiedererrichtung der Habsburger in Österreich-Ungarn, von Vereinbarungen aller Staaten Europas bezüglich Rohstoffen und Märkten. London würde gut24 handeln, wenn es zuerst das Geheimnis einer Friedensvereinbarung mit Irland zu Ulster und mit Indien finden würde. Bis dahin sehen wir Terrorakte, Hinrichtungen, passiven und aktiven Widerstand, blutige Bändigungen. Ist es möglich annehmen, dass ein siegreiches England auf seine Rechte an den Kolonien zugunsten Deutschlands verzichten wurde? Dem Kern der Sache nach bietet England für den Fall seines Sieg eine neue Ausgabe des Völkerbundes an, mit allen alte Gegensätzen, aber ohne den Rest der alten Illusionen25.

Noch magerer26 verhält sich Sache mit Frankreich. Sein ökonomisches spezifisches Gewicht befindet sich in unverhülltem Widerspruch zu seiner Weltlage und dem Ausmaß seines kolonialen Imperiums. Den Ausweg aus seinem Widerspruch sucht Frankreich in der Zerstückelung Deutschlands. Als ob man das historische Rad bis zum Jahr 187027 zurückdrehen könne! Die Vereinigung der deutschen Nation war das unüberwindliche Resultat seiner kapitalistischen Entwicklung. Um das derzeitige Deutschland zu zerstückeln, wäre es notwendig, das Rückgrat der deutschen Technik zu zerbrechen, deutsche Betriebe zu zerstören, einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung zu vernichten. Dies ist leichter gesagt als getan!

Das Programm der Freiheit und Unabhängigkeit der kleinen Völker, das von den Alliierten gepredigt wird, klingt sehr anziehend, entbehrt aber vollkommen des Inhalts. Bei der unbeschränkten Herrschaft der imperialistischen Interessen in der Weltarena ist die Unabhängigkeit kleiner und schwacher Staaten so wenig real, wie auch die Unabhängigkeit kleiner Industrie- und Handelsunternehmen bei der Herrschaft der Trusts und Konzerne (in dieser Hinsicht kann man Auskunft finden in der Statistik der Vereinigten Staaten!)

Zu der Zeit, in der Frankreich Deutschland zerstückeln will, will letzteres umgekehrt Europa vereinigen, selbstverständlich, unter seinem Stiefel28. Unter deutsche Obergewalt sollen dabei die Kolonien der europäischen Staaten fallen. Dies ist das Programm des dynamischsten und aggressivsten Imperialismus. Die Aufgabe der ökonomischen Vereinigung Europas selbst ist an sich progressiv. Aber die ganze Frage ist, wer vereinigt, wie und für was? Man darf nicht für eine Minute annehmen, dass die europäischen Völker akzeptieren werden, in den Kasernen des Nationalsozialismus eingeschlossen zu werden. Eine Pax Germanica würde unausbleiblich eine neue Serie blutiger Krämpfe bedeuteten.

Dies sind die zwei „Friedens“programme: auf der eine Seiten eine Balkanisierung Deutschlands und somit Europas; auf der anderen Seiten, die Verwandlung Europas, aber danach auch der ganzen Welt, in eine totalitäre Kaserne. Wegen diesen zwei Programmen wurde der derzeitige Krieg begonnen.

13. Wo aber liegt, nach Ihnen, ein Ausweg? Wer kann tatsächlichen Frieden schaffen und wie?

Zuallererst werde ich daran erinnern, dass beim vergangenen Krieg, welcher dem Wesen nach eine Probe des derzeitigen war, nicht eine der Regierung nicht nur ihr Friedensprogramm verwirklichte, sondern auch nur den Abschluss des Friedensvertrages überstand. In den Abgrund stürzten drei der ältesten und solidesten Firmen: die Romanows, Habsburger, Hohenzollern, im Gefolge kleinere Dynastien. Clemenceau und Lloyd George wurden von der Macht entfernt. Wilson beendete seine Tage unter der Last des Scheiterns aller seiner Hoffnungen und Illusionen. Clemenceau sah vor dem Tode den künftigen Krieg voraus. Lloyd George war bestimmt, mit eigenen Augen die neue Katastrophe zu sehen.

Keine einzige der derzeitigen Regierung wird den derzeitigen Krieg überleben. Jetzt aufgestellte Programme werden schnell vergessen sein, wie auch ihre Autoren. Das einzige Programm, welches den regierenden Klassen bleiben wird, ist: rette sich, wer kann!29

Das System des Kapitalismus geriet in eine Sackgasse. Ohne volle Neuordnung des ökonomischen Systems, im Maßstabе Europas und des ganzen Planeten, droht unserer Zivilisation das Scheitern. Den Kampf blinder Kräfte und zügelloser Interessen muss man ersetzen durch die Herrschaft der Vernunft, des Plans, der bewussten Organisation.

Die ökonomische Vereinigung Europas wurde für es eine Frage auf Leben und Tod. Die Ausführung dieser Aufgaben wird jedoch nicht bei den derzeitigen Regierungen liegen, sondern bei den Volksmassen, geführt vom Proletariat. Europa wird30 sich in Sozialistische Vereinigte Staaten verwandeln, wenn es nicht zum Friedhof der alten Kultur werden will. Das sozialistische Europa wird die volle Unabhängigkeit der Kolonien verkünden, zu ihnen freundschaftliche ökonomische Beziehungen errichten und sie allmählich, ohne die geringste Gewalt, auf dem Wege des Beispiels und der Zusammenarbeit, in eine sozialistische Weltföderation einbeziehen. Die UdSSR, befreit von ihrer regierenden Kaste, wird sich in die europäische Föderation einreihen, welche ihr helfen wird, sich auf eine höhere Stufe zu heben. Die Wirtschaft des vereinten Europas wird als einheitliches Ganzes funktionieren. Fragen von Staatsgrenzen werden so wenig Leidenschaft erzeugen wie jetzt Frage von Verwaltungsgrenzen innerhalb von Staaten. Die Messlinien31 innerhalb des neuen Europas werden in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der Sprache und der Nationalkultur sein, auf Grund der Entscheidungsfreiheit der interessierten Bevölkerungsgruppen.

Nüchternen32“ Politikern wird das als Utopie erscheinen? Aber Kannibalen erschien zu ihrer Zeit die Ablehnung von Menschenfleisch als Utopie.

14. Vor kurzem drückte Herr Trotzki in einem kurzem, dem Musikkritiker Carleton Smith gegebenen, Interview nach den Worten Smiths den Gedanke aus, dass das erste tatsächlich kommunistische Land die Vereinigten Staaten sein würden, weil es in den Vereinigten Staaten genug zu verteilen gebe, während es in Russland nicht genügend Produkte zum Verteilen gebe. Wie und wann wird nach Meinung Herrn Trotzkis dieser Prozess des Verteilens in den Vereinigten Staaten beginnen?33

15. Bedeutet die Diktatur des Proletariats notwendig die Abschaffung der Bürgerrechte, wie sie die Charta der Rechte der Vereinigten Staaten zum Ausdruck bringen, und, folglich, die Abschaffung der Freiheit der Rede, der Presse, der Versammlung und des Bekenntnisses? Meint Herr Trotzki, dass es zwischen dem Kapitalismus, wie wir ihn in den Vereinigten Staaten kennen, und dem Kommunismus, wie er ihn für die Vereinigten Staaten vorhersagt, einen Mittelweg gibt?

Erlauben Sie, die 14. und 15. Frage34 zusammen zu beantworten. Werden die Vereinigten Staaten den Weg der Revolution beschreiten, wann und auf welche Weise? Um mich dem Thema konkret35 zu nähern, werde ich mit einer vorhergehenden Frage beginnen: greifen die Vereinigten Staaten in den Krieg ein?

In einer kürzlichen prophetischen Rede, die die Sprache der Wall Street mit der Sprache der Apokalypse verband, sagte Mister36 Hoover voraus, dass auf den Feldern des ausgebluteten Europas schließlich zwei Reiter triumphieren würden: der Hunger und die Pest. Der einstige Präsident empfahl den Vereinigten Staaten beim europäischen Wahnsinn beiseite zu bleiben, um in der letzten Minute ihre ökonomische Macht auf die Waagschale zu legen37. Diese Empfehlung ist nicht originell. Alle große Mächte, die noch nicht in den Krieg einbezogen sind, würden ihre unerschöpften Ressourcen aufmarschieren lassen wollen, wenn abgerechnet wird. Dies ist die Politik Italiens. Dies ist, ungeachtet des Krieges mit Finnland, die Politik der Sowjetunion. Dies ist, ungeachtet des unerklärten Krieges mit China, die Politik Japans. Dies ist faktisch die derzeitige Politik der Vereinigten Staaten. Aber kann man sich lange auf diesen Positionen halten?38

Wenn sich der Krieg bis zum Ende entfalten wird; wenn die deutsche Armee Erfolge haben wird – aber sie wird sehr große Erfolge haben, – und das Gespenst einer deutschen Herrschaft über Europa sich als reale Gefahr erheben wird, wird die Regierung der Vereinigten Staaten entscheiden müssen: bleibt sie beiseite, stellt sie Hitler anheim. neue Erwerbungen aufzuhäufen, die deutsche Technik mit den Rohstoffen der in Besitz genommenen Kolonien zu vervielfachen39 und die Herrschaft Deutschlands über unseren ganze Planeten vorzubereiten, oder mischt sie sich selbst in den Verlauf des Krieges ein, hilft sie die Flügel des deutschen Imperialismus zu stutzen. Ich tauge am allerwenigsten dazu, den zeitgenössischen Regierungen Ratschläge zu geben; ich versuche einfach, die objektive Lage zu analysieren und aus dieser Analyse Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich denke, dass im Angesicht der genannten Alternativen sogar das ehemalige Haupt der ARA40 sein Programm der Neutralität beiseite werfen muss: man kann nicht ungestraft die machtvollste Industrie, ¾41 der Weltgoldvorräte und 10 Millionen Arbeitslose haben!

Aber wenn die Vereinigten Staaten, wie ich glaube, in den Krieg eingreifen, womöglich bereits im Verlauf des derzeitigen Jahres, dann werden sie auch alle dessen Folgen tragen müssen. Die wichtigste davon ist zugegebenermaßen der explosive Charakter der ferneren politischen Entwicklung.

16. Was verstehen Sie darunter?

Präsident Roosevelt warnte am 10. Februar die amerikanische Jugend42 vor dem Radikalismus und empfahl, ihr jedes Jahr eine kleine Verbesserung der bestehenden Institutionen anzustreben. Eine solche Handlungsweise wäre zweifellos die allerbeste, allerlohnendste, allerökonomischste, wenn … wenn sie durchführbar wäre. Unglücklicherweise verbessern sich die „bestehenden Institutionen“ auf der ganzen Welt nicht von Jahr zu Jahr, sondern verschlechtern sich. Die Institutionen der Demokratie vervollkommnen sich nicht, sondern zersetzen sich, räumen den Platz dem Faschismus. Und das ereignet sich nicht zufällig, nicht aus dem Leichtsinn der Jugend. Die kapitalistischen Monopole haben die Zwischenklassen43 zerstört und verschlingen die Demokratie. Die Monopole selbst waren eine Frucht des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Das Privateigentum, ehemals vor Zeiten eine Quelle des Fortschritts, kam schließlich in Widerspruch mit der neuen Technik und ist jetzt die Ursache von Krisen, Kriegen, nationalen Verfolgungen und reaktionären Diktaturen. Die Liquidierung des Privateigentums an den Produktionsmitteln ist in unserer Epoche die zentrale historische Aufgabe, welche allein die Geburt einer neuen, harmonischeren Gesellschaft sichert. Ein Geburtsakt geschieht, wie uns die alltäglichen Beobachtungen lehren, niemals „allmählich“, sondern stellt sich als biologische Revolution dar44.

Sie fragen, ob, eine Übergangsstruktur45 zwischen Kapitalismus und Kommunismus möglich ist? Einer der Versuche so einer Struktur war der Faschismus, der italienische und der deutsche. Aber in der Tat brachte der Faschismus nur die negativsten Züge des Kapitalismus zum bestialischen Ausdruck. Ein anderer Versuch eines Übergangssystems war der New Deal. Gelang dieser Versuch? Ich denke nein: die Zahl der Arbeitslosen misst sich nach wie vor mit achtstelligen Ziffern46; 60 Familie haben mehr Macht, als es jemals zuvor war. Aber die Hauptsache ist, dass es nicht den geringsten Grund zu denken gibt, dass auf diesem Wege allgemein eine organische Verbesserung erreicht werden könne. Es entscheiden nach wie vor der Markt, die Börse, die Banken, die Trusts, – die Regierung passt sich ihnen nur mit Hilfe verspäteter Palliative47 an. Die Geschichte lehrt uns, dass sich gerade auf solchem Weg auch eine Revolution vorbereitet.

Es wäre ein grober Fehler zu denken, dass sich eine sozialistische Revolution in Europa oder Amerika nach dem Bild des rückständigen Russlands vollziehen wird. Die Haupttendenzen werden, natürlich, gleichartig sein. Aber Formen, Methoden, „Temperatur“ des Kampfes – alles das hat in jedem Fall einen nationalen Charakter. Es ist möglich im Voraus dabei folgendes Gesetz aufzustellen: in einer je größeren Zahl Länder das kapitalistische System gebrochen werden wird, desto schwächer wird der Widerstand der herrschenden Klassen in den anderen Ländern sein, desto weniger scharfen Charakter wird die soziale Revolution annehmen, desto weniger Zwangsformen48 wird die Diktatur des Proletariats haben, desto kürzer wird sie sein, desto schneller wird die Gesellschaft wieder aufleben49 auf den Grundlagen einer neuen, volleren, vollkommeneren, menschlicheren50 Demokratie. In jedem Fall wird keine Revolution der „Charta der Rechte“ mehr Schaden zufügen51, als der imperialistische Krieg und der Faschismus, welchen er hervorruft.

Der Sozialismus würde keinen Wert haben, wenn er nur „juristische“ Uantastbarkeit mit sich bringen würde, und nicht auch einen vollen Schutzzaun um52 alle Interessen der Persönlichkeit. Die Menschheit würde keine totalitären Scheußlichkeiten nach Kremlmuster ertragen. Das politische Regime der UdSSR ist nicht eine neue Gesellschaft, sondern eine schlimme Karikatur 53der alten. Mit der Macht der Technik und den54 organisatorischen Methoden der Vereinigten Staaten, bei jenem Wohlstand, den eine Planwirtschaft hier allen Staatsbürgern sichern könnte, würde ein sozialistisches Regime in Ihrem Lande von Anfang an eine Blüte55 der Unabhängigkeit, Initiative und schöpferischen Kräfte der menschlichen Persönlichkeit56 bedeuten.

17. Herr Trotzki sagte, dass man im Kreml Angst habe vor einem Krieg, weil ein Krieg aller Wahrscheinlichkeit nach eine neue Revolution der Massen hervorrufen würde. Würden sie darüber ausführlicher sprechen?

Das Regime der bürgerlichen Demokratie wurde eingeführt als Resultat einer ganze Serie von Revolutionen: vollauf erinnert daran die Geschichte Frankreichs. Die einen dieser Revolutionen hatte sozialen Charakter, d.h. liquidierten das Feudaleigentum zum Nutzen der Bourgeoisie; andere trugen rein politischen Charakter, d.h. änderten bei Beibehaltung der bürgerlichen Eigentumsform das Regierungssystem. Die proletarische Revolution, zumindest in einem rückständigen und isolierten Lande, erweist sich auch als verwickelter, als man sich a priori hätte vorstellen können. Die Oktoberrevolution hatte sozialen und politischen Charakter, d.h. veränderte die ökonomische Grundlage der Gesellschaft und bildete ein neues Regierungssystem. Die neuen ökonomischen Grundlage erhielten sich im Großen und Ganzen in der UdSSR, wenn auch mit einem verzerrtem Aussehen. Das politische System, umgekehrt, degenerierte vollständig: Die Rudimente der Sowjetdemokratie zerquetschte die totalitäre Bürokratie. Unter diesen Bedingungen ist eine politische Revolution, unter dem Banner einer neuen Demokratie auf den Grundlagen der Planwirtschaft, eine historische Unausbleiblichkeit.

18. Was glaubt Herr Trotzki in Bezug auf die Zukunft Litwinows in der UdSSR seit den Zeiten der Veränderungen der Kremlpolitik von der kollektiven Sicherheit zur Zusammenarbeit mit Deutschland?

Ich grübelte niemals über die Zukunft von Herrn Litwinow. Er war keine eigenständige politische Figur, sondern ein kluger und fähiger Beamter des diplomatischen Amts. Ob er seinerzeit darüber eingeweiht war, dass unter der Deckung der Reden über ein „Bündnis der Demokratie“ Verhandlungen mit Hitler begannen? Ich bin mir dessen nicht sicher, aber das ist durchaus möglich. in jedem Falle stünde das nicht im Widerspruch zur politischen Physiognomie Litwinows. Es ist gleich, ob er für irgendeine neue Bestimmung behalten oder aber physisch liquidiert wird als ein weiterer Sündenbock für den einen oder anderen Misserfolg Stalins – diese Frage ist selbstverständlich wichtig für Litwinow selbst, ist aber nicht von politischem Interesse.

19. Halten Sie die Vereinigung der kapitalistischen Länder zum Krieg gegen die UdSSR für irgendwie wahrscheinlich?

Der Ex-Kaiser Wilhelm stellte vor kurzem sein Friedensprogramm auf: „Die Kriegführenden sollten den Krieg einstellen und ihre Kräfte auf die Hilfe für die Finnen vereinen. Sie sollten sich zu einer Front verbünden, um die Welt und die Zivilisation vom Bolschewismus zu säubern“. (New York Times, 2. Februar). Den Ex-Kaiser muss man, selbstverständlich, nicht unbedingt ernst nehmen. Aber im gegeben Fall spricht er bloß mit lobenswerter Offenheit das aus, was andere denken und vorbereiten. Mussolini verheimlicht seine Absichten in dieser Hinsicht nicht. London und Paris streben, die Freundschaft Mussolinis auf Kosten der UdSSR zu erlangen. Washington schickt nach Rom seinen Sonderbevollmächtigten. Der Präsident der Vereinigten Staaten will nach eigenen Worten nicht neutral bleiben im sowjetisch-finnischen Krieg: er verteidigt Finnland und die Religion. Sumner Welles hat die Aufgabe England, Frankreich, Italien und Deutschland zu konsultieren, aber nicht die Sowjetunion.57 Es gibt, folglich keinen Mangel an Faktoren, welche streben, einen Kreuzzug gegen die UdSSR vorzubereiten. Die „Verteidigung Finnlands“ bildet jenes mathematische Zentrum, ringsum welches sich die entsprechende Gruppierung der Kräfte vollzieht.

Die Schwierigkeit dieser Absicht besteht darin, dass einen ernsthaften Krieg gegen die UdSSR nur Hitler führen kann. Japan könnte bloß eine Hilfsrolle spielen. Jedoch, im gegebenen Moment sind die Streitkräfte Deutschlands gegen den Westen58 gerichtet. In diesem Sinne ist das Programm des Ex-Kaiser kein Programm des heutigen Tages. Jedoch, bei bei einem langwierigen Krieg, – und der Krieg wird langwierig; beim Eingreifen der Vereinigten Staaten, – und sie werden eingreifen; bei unüberwindlichen Schwierigkeiten, welchen Hitler auf seinem Wege begegnen kann, – und er wird ihnen unausbleiblich begegnen, – wird das Programm des Ex-Kaisers unausbleiblich auf die Tagesordnung gestellt werden.

Aus dem Gesagten ist weiter für Sie klar, auf wessen Seiten ich bei dieser Gruppierung der Kräfte stehe: auf Seiten der UdSSR, vollständig und unbedingt, zuallererst – gegen den Imperialismus aller Bezeichnungen, danach – gegen die Kreml-Oligarchie, welche durch ihre Außenpolitik die Vorbereitung auf den Feldzug gegen die UdSSR erleichtert, aber durch ihre Innenpolitik die Rote Armee entkräftet.

1In der englischen Übersetzung: „wird“

2In der englischen Übersetzung kommt der zweite Fragenblock direkt nach dem ersten und danach die Antworten auf beide Fragenblöcke. Außerdem sind in der englischen Übersetzung die Fragen nicht nummeriert.

3In der englischen Übersetzung: „sozialistischen“

4In der englischen Übersetzung fehlt: „Verteidigung der“

5In der englischen Übersetzung: „Strategen“

6In der englischen Übersetzung: „handeln hinter einen patriotischen Front von Denunziationen“

7 In der englischen Übersetzung eingefügt: „oder wenn Stalin sich nicht zu einem Kompromiss gezwungen sieht, d.h. zu einem Rückzug aus Furcht vor britischer, französischer, schwedischer Intervention“

8 In der englischen Übersetzung fehlt „am finnischen Lagerfeuer

9 In der englischen Übersetzung statt „,uneigennützig'“: „-wir nehmen an uneigennützig -“

10 In der englischen Übersetzung: „eine der Hauptaufgaben“

11In der englischen Übersetzung: „in mächtigen Konzentrationen“

12In der englischen Übersetzung: „Testfall“

13In der englischen Übersetzung: „Basismitgliedern“

14In der englischen Übersetzung: „herrschende Clique“

15In der englischen Übersetzung: „wichtige“

16In der englischen Übersetzung fehlt: „des Schiedsrichters“

17In der englischen Übersetzung eingefügt: „wohlhabende“

18In der englischen Übersetzung: „schwere der totalitären Herrschaft“

19In der englischen Übersetzung eingefügt: „viel“

20In der englischen Übersetzung: „Wenn Sie Führer des Sowjetstaats gewesen wären, was wäre Ihre“

21In der englischen Übersetzung: „erdrosselte“

22Beide Male tatsächlich 1927

23In der englischen Übersetzung: „seinen Kopf an der Revolution zerbrechen wird“

24In der englischen Übersetzung: „richtig“

25In der englischen Übersetzung: „ohne die alten Illusionen“

26In der englischen Übersetzung: „schlechter“

27In der englischen Übersetzung: „der dem Jahr 1870 vorhergehenden Epoche“

28In der englischen Übersetzung: „Ferse“

29In der englischen Übersetzung: „Rettet ihre eigenen Häute“

30In der englischen Übersetzung: „muss“

31In der englischen Übersetzung: „Grenzen“

32In der englischen Übersetzung: „Realistischen“

33In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung fehlt diese Frage

34In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „beide Fragen“, wobei die 17. Frage direkt nach der 15. steht. Das „beide Fragen“ bezieht sich also auf die 15. und 17., nicht auf die 14. und 15. Frage

35In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „korrekt“ bzw. „methodisch korrekt“

36In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Herr“, im russischen Text steht das englische „Mister“ in kyrillischen Schriftzeichen.

37In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „sich dem europäischen Wahnsinn fernhalten, um im letzten Augenblick dank ihrer wirtschaftlichen Macht das Zünglein an der Waage zu bilden“

38In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Aber wird diese Politik sich lange aufrechterhalten lassen?“

39In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „füttern“.

40 (American Relief Agency) Amerikanische Organisation der internationalen Hilfe, welche Hoover nach dem vergangenen Krieg leitete. [Fußnote des „Bulletin der Opposition“]

41In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „mehr als “ bzw. „über zwei Drittel“

42In der englischen Übersetzung: „den amerikanischen Jugendkongress

43In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Mittelklassen

44In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „ein ,allmählicher' Prozess, sondern eine biologische Revolution

45In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „vermittelnde Organisation

46In der englischen Übersetzung: „hat sieben Nullen

47In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Linderungsmittel

48In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „gewalttätige Formen

49In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „sich reorganisieren

50In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „humaneren

51In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Auf keinen Fall kann eine Revolution so gegen die amerikanische Verfassung verstoßen

52In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „die volle Garantie

53In der auszugsweisen deutschen Übersetzung eingefügt: „des politischen Regimes

54In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Kraft der technischen

55In der englischen und auszugsweisen deutschen Übersetzung: „Anbeginn des Aufstiegs

56In der auszugsweisen deutschen Übersetzung: „der Menschen

57In der englischen Übersetzung eingefügt: „dies bedeutet Konsultation – gegen die Sowjetunion“

58Im russischen Text (und der englischen Übersetzung) groß geschrieben, also als Eigenname verwendet.

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