Glossar‎ > ‎

Sozialistengesetz MEW

Das Sozialistengesetz („Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie") wurde am 19. Oktober 1878 im Reichstag angenommen und trat am 21. Oktober 1878 in Kraft. Durch das Ausnahmegesetz wurden alle Organisationen der Partei und alle Gewerkschaften, sofern sie sozialistische Ziele verfolgten, verboten. Sämtliche bedeutenden sozialistischen Presseorgane wurden unterdrückt, jede Versammlung sozialistischen Charakters wurde untersagt. Dadurch, dass über bestimmte Städte und Bezirke der sogenannte Kleine Belagerungszustand verhängt werden konnte, war es der Polizei möglich, willkürlich sozialdemokratische Arbeiter und Funktionäre auszuweisen. Das Sozialistengesetz sollte jegliche demokratische Bewegung in Deutschland ihrer Führung berauben und damit wirkungslos machen. Die Sozialistische Arbeiterpartei organisierte den illegalen Kampf gegen das Ausnahmegesetz. Dabei musste sie sich mit den Rechtsopportunisten und einer anarchistischen Gruppe in der Partei auseinandersetzen. Marx und Engels halfen der Partei, eine revolutionäre Strategie und Politik auszuarbeiten und durchzusetzen. Dank ihrer revolutionären Taktik, die alle nur möglichen legalen und illegalen Kampfformen miteinander verband, bestand die Partei die Bewährungsprobe, entwickelte sie sich im Kampf gegen das Sozialistengesetz zu einer Massenpartei, in der sich der Marxismus durchsetzte. Bei der Wahl im Februar 1890 erhielt sie 19,7% aller Stimmen und wurde zur stärksten Partei in Deutschland. Am 25. Januar 1890 lehnte der Reichstag unter dem Druck der Massen eine Verlängerung des Sozialistengesetzes ab. Die Gültigkeitsdauer dieses Gesetzes erlosch am 30. September 1890. Engels schrieb über das Sozialistengesetz eine Reihe von Artikeln, u.a. „Das Ausnahmegesetz gegen die Sozialisten in Deutschland - Die Lage in Russland", „Bismarck und die deutsche Arbeiterpartei", „Die deutschen Wahlen 1890", „Was nun?", „Abschiedsbrief an die Leser des ,Sozialdemokrat'". [MEW 38, Anm. 53]

Das Ausnahmegesetz gegen die Sozialisten bestand in Deutschland von 1878 bis 1890. Aus Furcht vor dem wachsenden Einfluss der deutschen Sozialdemokratie nahm die deutsche Regierung, vertreten durch Bismarck, ein Altentat gegen Wilhelm I. zum Vorwand, um mit Hilfe des Reichstages ein Gesetz durchzusetzen, das die deutsche Arbeiterklasse und die deutsche Sozialdemokratie aller politischen Rechte beraubte, die den übrigen deutschen Parteien zukamen. Durch Verfolgung der sozialdemokratischen Organisationen, durch gerichtliche Belangung wegen Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei, durch Verbote der Zeitungen, durch Verhängung des Belagerungszustandes über eine Reihe von Städten, durch Ausweisungen und Verhaftungen suchte die Bismarckregierung die deutsche Sozialdemokratie zu vernichten, wobei sie wiederholt vom Reichstag die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Ausnahmegesetzes verlangte. Die Partei jedoch verstand es, sich den neuen, halblegalen Existenzbedingungen anzupassen. Ihr Zentralorgan („Der Sozialdemokrat") wurde zuerst nach der Schweiz, später nach England verlegt. Die sozialdemokratischen Parteitage tagten ebenfalls im Auslande. Trotz aller Verfolgungen und Regierungsmaßnahmen nahm der Einfluss der Sozialdemokratie, die alle legalen Möglichkeiten in ausgiebiger Weise ausnützte, ständig zu. Unmittelbar vor der Aufhebung des Ausnahmegesetzes war die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen von ½ Million auf 1½ Millionen gestiegen. Im Jahre 1890 wurde das Gesetz aufgehoben. [Band ?]

Das Ausnahmegesetz gegen die Sozialisten in Deutschland trat im Jahre 1878 in Kraft. Es wurde von Bismarck gegen die deutsche Sozialdemokratie im Reichstage durchgesetzt. Als äußerer Anlass und als scheinbare Begründung gegenüber der Öffentlichkeit wurden zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. benützt, die von Hödel und Nobiling begangen worden waren, die mit der Sozialdemokratie gar nichts zu tun hatten Durch das Gesetz wurden alle Versammlungen, Vereine und Veröffentlichungen verboten, in denen sozialistische Ansichten auftauchten Die Behörden erhielten das Recht, zum Zwecke des Vorgehens gegen die sozialdemokratische Bewegung über einzelne Orte und Gebiete den Belagerungszustand zu verhängen und die Sozialisten ohne Gerichtsurteil auszuweisen. Das Gesetz wurde mit einer Gültigkeitsdauer von zweieinhalb Jahren beschlossen, aber mehrmals verlängert, sodass es ununterbrochen, wenn auch mit einigen Abänderungen, bis 1890 in Kraft blieb. In diesem Jahre wurde die von der Regierung beantragte Verlängerung des Gesetzes vom Reichstage abgelehnt. Die deutsche Sozialdemokratie ging aus diesem Ausnahmezustände in dreifacher Stärke hervor. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 3, Anm. 136]

Während des „Sozialistengesetzes“, des von Bismarck verhängten Ausnahmegesetzes gegen die Sozialisten in Deutschland, das unter Bismarck von 1878–1890 in Geltung war, wurden alle Versammlungen, Vereine, Zeitungen der Sozialdemokraten verboten sowie den Behörden das Recht der Ausweisung von Personen und der Verhängung des „kleinen Belagerungszustandes“ gegeben. Damals ging die Sozialdemokratische Partei in die Illegalität, wobei sie bestrebt war, die illegale Arbeit mit der legalen zu verbinden. Im Auslande (in der Schweiz) wurde das Zentralorgan der Partei, der „Sozialdemokrat, herausgegeben und illegal nach Deutschland verschickt. Für diese illegale Verbreitung des Zentralorgans und anderer illegaler Druckschriften wurde eine besondere Geheimorganisation, die sogenannte „Rote Post“, geschaffen. Die Partei hielt im Auslande Parteitage ab und veranstaltete auch illegale lokale und Gebietskonferenzen in Deutschland selbst. Zugleich war die Partei aus allen Kräften bestrebt, die Stützpunkte für die legale Arbeit aufrechtzuerhalten und zu festigen. Solche Stützpunkte mussten sein: der Reichstag, wo die sozialdemokratische Reichstagsfraktion freilich sehr viele, von Engels gerügte opportunistische Fehler machte, die Arbeitervereine (Bildungsvereine, Sportvereine usw.), in denen die Mitglieder der Partei im Sinne der Partei arbeiten konnten, die Gewerkschaften, in denen die Partei die Möglichkeit besaß, die Massen in ständiger Arbeit zum Kampfe gegen die Bourgeoisie zu schulen usw. Die Vereinigung von legaler und illegaler Arbeit gab der Partei trotz vieler opportunistischer Felder die Möglichkeit, ihren Einfluss in den Massen gegenüber allen Verfolgungen durch die Regierung zu verstärken und schließlich und endlich die Regierung bzw. die bürgerlichen Parteien zur Aufhebung dieses Ausnahmegesetzes zu zwingen. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 5]

Das Sozialistengesetz war in Deutschland im Laufe von zwölf Jahren, von 1878 bis 1890, in Kraft. Das Gesetz wurde zwecks Niederhaltung der sich immer breiter und tiefer entwickelnden Arbeiterbewegung erlassen. Es beraubte die Arbeiterklasse und deren Partei ihrer politischen Rechte. Die Polizeibehörden erhielten das Recht, Verbände aufzulösen und jeder Art Vereinigungen und Druckerzeugnisse zu verbieten, die „der Form nach den Gemeinfrieden und insbesondere das Einverständnis zwischen den einzelnen Bevölkerungsklassen bedrohen, sozialdemokratischen, sozialistischen oder kommunistischen Bestrebungen dienen, sich die Erschütterung der Grundlagen der herrschenden staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung zum Ziele setzen“. Die Polizeibehörden erhielten das Recht, Versammlungen, Beitragssammlungen für sozialdemokratische Zwecke usw. zu verbieten. Den Übertretern dieser Verbote drohte Gefängnishaft. Die Polizei konnte Ausweisungen vornehmen, den Zentralbehörden stand das Recht zu, den Belagerungszustand über einzelne Städte und Ortschaften zu verhängen.

Ursprünglich war die Dauer des Gesetzes auf zweieinhalb Jahre beschränkt, es wurde jedoch später auf Verlangen der Regierung mehrere Male durch den Reichstag verlängert, und zwar bis zum September 1890. Nach ungefähren Berechnungen wurden während der Dauer des Sozialistengesetzes 1300 periodische und nichtperiodische Druckschriften und 332 Arbeiterorganisationen verboten; außerdem wurden gegen 900 Ausweisungen vorgenommen . und nicht weniger als 1500 Gerichtsurteile auf Freiheitsentziehung gefällt. Die wirkliche Zahl der Verbote und Strafen war natürlich viel größer. Das Gesetz war jedoch nicht imstande, die Arbeiterbewegung in Deutschland zu zertrümmern; die sozialdemokratische Partei fuhr auch weiterhin fort zu wachsen und zu erstarken. Sie passte sich den halblegalen Existenzbedingungen an und verlegte ihr Zentralorgan und ihre Parteitage ins Ausland. Gegen Ende der Wirksamkeit des Sozialistengesetzes konnte sie die Zahl ihrer Wähler verdreifachen (statt einer halben Million erhielt sie 1,5 Millionen Stimmen), die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder vervierfachen (statt 50.000 Mitglieder zählten die Gewerkschaften 200.000) und auch die Zahl der Presseorgane beträchtlich vergrößern. Während jedoch die Partei einerseits in dem zwölfjährigen Kampf unter den Verhältnissen des Sozialistengesetzes erstarkte und zahlenmäßig zunahm, fassten andererseits in dieser Zeitspanne – infolge der Anpassung an die Legalität im Rahmen des Ausnahmegesetzes – der Opportunismus und das Versöhnlertum ihm gegenüber in den führenden Parteikreisen tiefe Wurzeln. Marx und Engels – und nach Marxens Tod Engels allein – führten gegen diesen Opportunismus und das Versöhnlertum einen ununterbrochenen Kampf, wobei sie jeden Schritt der Partei und ihrer Führer aufmerksam verfolgten. Der Briefwechsel, den Marx und Engels mit diesen Führern in der Zeit von 1879–1891 unterhielten, ist ganz von diesem Kampf ausgefüllt (über die Zeit von 1879–1886 siehe Marx-Engels. Briefe an A. Bebel, W. Liebknecht, K. Kautsky und andere, Moskau 1933). [Lenin, Ausgewählte Werke Band 7, Anm. 18]

Kommentare