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Sozialrevolutionäre zu 1921 und 1917

Lenin meint hier den Artikel A. Kerenskis „Februar und Oktober“, der in der Pariser Zeitschrift „Sowremennyje Sapiski“ („Zeitgenössische Notizen“) vom September 1922 als Antwort auf den Artikel W. Tschernows „Die Anarchie der Revolution und die politischen Abstinenzler“ in Nr. 12/13 der Zeitschrift „Rewoluzionnaja Rossija“ („Revolutionäres Russland“) im Jahre 1921 veröffentlicht wurde. Beide Artikel stammen aus der Zeit der Einführung der neuen ökonomischen Politik, auf die sämtliche bürgerlichen Parteien ihre Hoffnung setzten, als auf den Weg, der zur Restauration des Kapitalismus in Russland führen werde. So schrieb Tschernow in seinem Artikel: „Anders steht die Sache heute, wo der bolschewistische Staat selbst seine ,Jugendschwärmereien' zu Grabe trägt, wo er selbst dem Kapital Tür und Tor öffnet und neue Waräger – die Kapitalisten – ins Land ruft. Mag der Bolschewismus auf diesem Weg so weit gehen wie er immer will. Die ganze schmutzige Arbeit der Restauration, die er selbst durch seinen reaktionären und demagogischen Utopismus unerlässlich gemacht hat, wird er mit seinen eigenen Händen vollbringen.“

Tschernow, der zur Schaffung einer Einheitsfront aufruft, beschuldigt ferner die Gruppen der rechten Sozialrevolutionäre mit Kerenski an der Spitze, die der Provisorischen Regierung angehört hatten, dass sie in der Periode vom Februar bis Oktober 1917 gezaudert, Kompromisse geschlossen hätten und auf der Stelle getreten seien, was zur Folge gehabt habe, dass die Bolschewiki kamen und die Macht in ihre Hände nahmen. So schrieb er: „Oh, ihr weisen Zauderer, habt ihr nicht in Russland vom Februar bis zum Oktober 1917 so gezaudert, seid ihr nicht so in der Frage der Reorganisierung der Armee, in der Friedenspolitik und in der Landfrage auf der Stelle getreten, hoffnungslos festgefahren an der Koalition mit den Kadetten, bis die Elementargewalten die Geduld verloren, euch überrannten, euch wieder ,flottmachten‘ und ,vermöbelten', die Elementargewalten, die – nicht ohne eure Schuld – in der Oktoberrevolution außer Rand und Band gerieten?“

Kerenski antwortete Tschernow in sehr schroffem Ton und verteidigte die Provisorische Regierung. Er schrieb u. a.: „Dafür war aber der Ankläger W. M. Tschernow im Laufe von ganzen vier Monaten, d. h. während der Hälfte der ganzen Dauer ihrer Existenz, selber Mitglied der Provisorischen Regierung. Und ich erkühne mich zu bezeugen, dass der Landwirtschaftsminister während der ganzen Zeit seiner Zugehörigkeit zur Regierung in sämtlichen allgemeinen und prinzipiellen Fragen kein einziges Mal einen anderen Standpunkt vertrat, dass er kein einziges Mal Meinungsverschiedenheiten mit der Kabinettsmehrheit hatte. Folglich trägt W. M. Tschernow in den Reihen der Partei der Sozialrevolutionäre nach mir, der ich der Provisorischen Regierung die ganzen acht Monate angehörte, die größte Verantwortung für das verbrecherische Auf-der-Stelle-Treten. Somit heißt ,ihr‘ – wir! Ganz besonders wir, da der eine die Armee in der Hand hatte, der andere den Grund und Boden. Und beide forderten von der Front ,im Namen des Friedens aktive Handlungen', d. h. eine Offensive.“ [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 87]

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