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Wladimir I. Lenin 19021228 Die Gruppe „Swoboda"

Wladimir I. Lenin: Die Gruppe „Swoboda"1

[Iskra" Nr. 30 15. Dezember 1902. Nach Sämtliche Werke, Band 5, Wien-Berlin 1930, S. 299 f.]

Wie die Herren „revolutionären Sozialisten" sich zu der Analyse der sachlichen Meinungsverschiedenheiten verhalten, geht aus folgendem hervor. In der Broschüre „Was tun?" hat Lenin die „Swoboda" ausdrücklich herausgefordert, als er ihr vorschlug, den Satz zu widerlegen, dass in den Massen für die Verbreitung und Festigung der Arbeit eine „Organisation der Revolutionäre" notwendig sei. An derselben Stelle wurde Herrn Nadjeschdin ausführlich auseinandergesetzt, wie schädlich und unanständig theoretischer Leichtsinn, programmatische Unbeständigkeit („revolutionärer Sozialist" und gleichseitig fast Sozialdemokrat!), taktisches Hin- und Herschwanken zwischen Revolutionismus und Ökonomismus, zwischen Terrorismus und proletarischem Klassenkampf sind. Dort wurde direkt darauf hingewiesen und auch nachgewiesen, dass die „Swoboda" zur Demagogie herabsinkt. Herr Nadjeschdin hat es vorgezogen, der offenen Herausforderung aus dem Wege zu gehen. An Stelle eines offenen Krieges mit erhobenem Panier zog dieser edle Krieger es vor, aus dem Hinterhalt der organisatorischen Streitigkeiten zu handeln. In der „Zeitschrift für Arbeiter" (??) zischt nur die „Swoboda" wütend, ohne ihre Ansichten auseinanderzusetzen, sie hetzt die „Massen" gegen die „Organisation der Revolutionäre" auf und versichert ihnen, dass die „Iskra" an dem „gesunden Stamm" des Ökonomismus die Axt angesetzt habe.2 Sich sachlich auseinandersetzen – das ist doch nur ein Zeitvertreib der Intellektuellen. Für die „Massen" genügt ein Geheul gegen das „Kommandieren" und Späße – über „den hungrigen Bauch und den heiligen Geist", über „den schädlichen Stiefel mit Nägeln", über „die Schweine und die eherne Stirn", über „die geschwächten Gehirnkammern" und „die Sechser auf dem Schweinerüssel", über „die Polizei, die am Schlafittchen packt und die Zähne ausschlägt" usw. (Siehe „Otkliki", S. 30–553.) Die „Massen"-Literatur setzen unsere Herren revolutionären Sozialisten und Sozialrevolutionäre nach wie vor auf die Stufe einer Boulevardliteratur herab, und für dieses ihr Verdienst fordern sie für sich das Recht, bei der Behandlung aller ernsten Parteifragen Zerfahrenheit und Korruption zu säen. Das Programm ist doppelte Buchführung, die Taktik doppelte Buchführung, die tägliche Kleinarbeit – Demagogie, das ist das Konterfei der „revolutionär-sozialistischen" Gruppe „Swoboda".

1 Die Notiz „Die Gruppe ,Swoboda'" („Freiheit") ist eine Fußnote zudem Artikel L. Martows „Der Kampf der Richtungen – ein Fraß für die Demagogen" („Iskra" Nr. 30, vom 15. Dezember 1902), der sich mit der in der Petersburger Organisation im Zusammenhang mit dem Kampf des „Komitees der Arbeiterorganisation" (Ökonomisten) gegen das St. Petersburger Komitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Iskristen) geschaffenen Lage befasste und sich gegen den Versuch der Gruppe „Swoboda" richtete, die Petersburger Ökonomisten zu unterstützen und die Spaltung zur Festigung der eigenen Position auszunutzen. Den Titel hat der Notiz die russische Redaktion der Werke Lenins gegeben. Dass Lenin der Verfasser der Notiz war, teilt L. Trotzki mit („Über Lenin. Materialien für den Biographen." Staatsverlag, 2. Auflage 1927, S. 19 u. 20, russisch).

2 Die revolutionär-sozialistische Gruppe „Swoboda" hat zwei Nummern der „Zeitschrift für Arbeiter" gleichen Namens („Swoboda") herausgegeben, und zwar erschien Nr. 2 im Sommer 1902, nachdem „Was tun?" erschienen war. Doch sind die von Lenin angeführten Zitate nicht, wie man dem Texte nach annehmen könnte, der Nr. 2 der „Zeitschrift für Arbeiter" entnommen, sondern einem andern Organ derselben Gruppe „Swoboda", nämlich der im Dezember 1902 erschienenen besonderen „Beilage" zu Nr. 1 der „sozialdemokratischen Arbeiterzeitung und Zeitschrift" „Otkliki" („Echo") (mehr Nummern der „Otkliki" sind nicht erschienen), und zwar dem Artikel „Der Brief aus Petersburg".

3 Lenin meint den Artikel „Die Stechsäure des Finanzministeriums" aus der Beilage zu Nr. 1 der „Otkliki". Der Artikel befasst sich mit der Analyse der von Lenin in dem Artikel „Der Entwurf zu einem neuen Streikgesetz" erwähnten Denkschrift des Finanzministeriums.

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