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Wladimir I. Lenin 19070207 Wie soll man bei den Wahlen in Petersburg stimmen

Wladimir I. Lenin: Wie soll man bei den Wahlen in Petersburg stimmen?

(Besteht die Gefahr eines Sieges der Schwarzhunderter bei den Wahlen in Petersburg?)

[Srenije" Nr. 1, 7. Februar (25. Januar) 1907. Nach Sämtliche Werke, Band 10, Wien-Berlin 1930, S. 421-431]

In der Stadt Petersburg stehen die Wahlen zur Reichsduma vor der Tür. Die städtischen Wähler, deren Zahl ungefähr 130.000 beträgt, müssen insgesamt 160 Wahlmänner wählen. Diese 160 Wahlmänner werden zusammen mit den 14 Wahlmännern der Arbeiter 6 Abgeordnete in die Duma wählen.

Wen soll man nun in die Duma wählen?

Bei den Wahlen in Petersburg kämpfen drei Hauptparteien: die Schwarzhunderter (die rechten Parteien), die Kadetten (die Partei der sogenannten Volksfreiheit) und die Sozialdemokraten.

Es ist möglich, dass sich die kleinen Parteien und Richtungen (die Trudowiki, die Parteilosen, die Volkssozialisten, die Radikalen usw.) teils der Liste der Kadetten, teils der sozialdemokratischen Liste anschließen. Endgültig steht das noch nicht fest.

Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass es in Petersburg drei Kandidatenlisten geben wird: die Liste der Schwarzen Hundert, die Kadettenliste und die sozialdemokratische Liste.

Die Wähler müssen deshalb genau wissen, wer die Leute sind, die sie in die Duma schicken:

Die Schwarzhunderter, d. h. die rechten Parteien, die für die Regierung der Feldgerichte, für Pogrome und brutale Unterdrückung eintreten?

Die Kadetten, d. h. die liberalen Bourgeois, die in die Duma gehen, um eine gesetzgeberische Tätigkeit auszuüben, d. h. sich mit den Herren Gurko zu verständigen, die das Recht haben, sowohl Gesetze zu geben als auch eine nicht genehme Duma auseinanderzujagen?

Die Sozialdemokraten, d. h. die Partei der Arbeiterklasse, die an der Spitze des ganzen Volkes für die volle Freiheit und für den Sozialismus, für die Befreiung von der Ausbeutung und Unterdrückung aller Werktätigen kämpft?

Möge jeder Wähler wissen: man muss die Wahl treffen zwischen drei Parteien. Man muss sich entscheiden, wem man seine Stimme geben soll: dem Verteidiger der polizeilichen Willkür und der Gewalttaten oder dem liberalen Kapitalisten, der durch die Herren Kutler mit den Herren Gurko feilscht, oder dem Vertreter der Arbeiterklasse und aller Werktätigen?

Bürger, Wähler! Man sagt euch, dass ein Abkommen, die Aufstellung einer gemeinsamen Liste von Kadetten und Sozialdemokraten möglich sei.

Das ist nicht wahr. Wisst alle, dass es in Petersburg unter allen Umständen drei Listen geben wird, eine Schwarzhundert-Liste, eine Kadetten-Liste und eine sozialdemokratische Liste.

Man sagt euch, dass die Kadetten und Sozialdemokraten bei der Aufstellung von zwei verschiedenen Listen ihre Stimmen zersplittern und so zum Siege der Schwarzhunderter beitragen können.

Das ist nicht wahr. Wir werden euch gleich beweisen, dass sogar im allerungünstigsten Falle einer Stimmenzersplitterung, d. h. sogar, wenn sich die Stimmen in allen Bezirken Petersburgs zu gleichen Teilen auf Kadetten und Sozialdemokraten verteilen, ein Sieg der Schwarzhunderter bei den Wahlen in Petersburg unmöglich ist.

Es ist allgemein bekannt, dass es bei den ersten Dumawahlen in Petersburg zwei Hauptlisten gab: die Liste der Kadetten und die Liste der Schwarzen Hundert (oder den sogenannten Block, das Bündnis der rechten Parteien). Die Kadetten siegten in allen Bezirken Petersburgs.

Jetzt wird es drei Listen geben: die der Schwarzen Hundert, der Kadetten und der Sozialdemokraten. Die Sozialdemokraten rechnen also darauf, den Kadetten einen Teil der Stimmen zu entreißen und diejenigen Wähler für sich zu gewinnen, die sich an den Wahlen zur ersten Duma nicht beteiligt haben.

Man sagt euch, dass diese Zersplitterung der kadettischen und der sozialdemokratischen Stimmen den Schwarzhundertern zum Siege verhelfen könne, denn die Kadetten und die Sozialdemokraten seien zusammen stärker als die Schwarzhunderter, getrennt aber könnten sie sich als schwächer erweisen, d. h. geschlagen werden.

Um zu prüfen, ob das möglich ist, wollen wir Abstimmungszahlen bei den ersten Dumawahlen aller Bezirke Petersburgs nehmen. Wir wollen sehen, wie sich die Stimmen auf Kadetten und Schwarzhunderter in den verschiedenen Bezirken verteilt haben. Wir wollen hierbei überall die ungünstigsten Fälle nehmen, d. h. die kleinste Stimmenzahl der Kadetten (da verschiedene Kandidaten eine verschiedene Anzahl von Stimmen erhielten) und die größte Stimmenzahl der Schwarzhunderter.

Wir wollen weiter die kleinste Stimmenzahl der Kadetten in zwei gleiche Teile teilen in der Annahme, dass die Sozialdemokraten genau die Hälfte der Stimmen abspalten (das wäre der ungünstigste Fall für uns, der beste für die Schwarzhunderter) .

Vergleichen wir jetzt nach den Bezirken diese Hälfte der kleinsten Stimmenzahl, die die Kadetten erhielten, mit der größten Stimmenzahl, die die Schwarzhunderter erhielten. Wir erhalten folgende Zahlen:

Abstimmung in Petersburg bei den Wahlen zur ersten Duma


Kleinste

Bezirke Stimmenzahl für die Kadettenliste

Hälfte davon

Größte Stimmenzahl für die Liste der rechten Parteien

Zahl der Wahl-

männer

Admiralität

1395

697

668

5

Alexander-Newski-Bezirk

2929

1464

1214

16

Kasaner Bezirk

2135

1067

985

9

Narwaer Bezirk

3486

1743

1486

18

Wiborger Bezirk

1853

926

652

6

Petersburger Bezirk

4788

2394

1729

16

Kolomnaer Bezirk ….

2141

1070

969

9

Moskauer Bezirk

4937

2468

2174

20

Spasski-Bezirk

4873

2436

2320

15

Litejny-Bezirk

3414

1707

2097

15

Roschdjestwjenski-Bezirk

3241

1620

1066

14

Wassilje-ostrowscher Bezirk

3540

1770

2250

17

Aus diesen Zahlen ist klar ersichtlich, dass sogar bei der allerungünstigsten Teilung der Kadettenstimmen in zwei Teile die Schwarzhunderter bei den Wahlen im Jahre 1906 nur in drei von zwölf Bezirken gesiegt hätten. Sie hätten nur 46 von 174 (160 für die Stadt und 14 von den Arbeitern) Wahlmänner gehabt. Das bedeutet, dass die Schwarzhunderter bei den ersten Dumawahlen sogar dann nicht in die Duma gelangt wären, wenn sich die Kadettenstimmen in sämtlichen Bezirken zu zwei gleichen Teilen auf die Kadettenliste und die sozialdemokratische Liste verteilt hätten.

Wer also dem Wähler mit der Möglichkeit eines Sieges der Schwarzhunderter im Falle der Teilung der Stimmen der Kadetten und Sozialdemokraten Schrecken einjagt, betrügt das Volk.

Dank einer Teilung der kadettischen und der sozialdemokratischen Stimmen können die Schwarzhunderter nicht siegen.

Die Kadetten verbreiten vorsätzlich falsche Gerüchte über die Schwarzhundertgefahr, um die Wähler davon abzuhalten ihre Stimmen für die Sozialisten abzugeben.

Bürger! Wähler! Glaubt nicht den Märchen vom Sieg der Schwarzhunderter dank der Zersplitterung der Kadettenstimmen und der sozialdemokratischen Stimmen. Stimmt frei und entschlossen nach eurer Überzeugung: für die Schwarzhunderter, für die liberalen Bourgeois oder für die Sozialisten.

Vielleicht aber werden die Kadetten, die durch die Zeitungen „Rjetsch", „Towarischtsch", „Sewodnja", „Rodnaja Semlja", „Rusj", „Strana" usw. falsche Gerüchte über „die Schwarzhundert-Gefahr" verbreiten, – vielleicht werden sie versuchen noch andere Gründe, noch andere Ausflüchte zu gebrauchen?

Untersuchen wir alle Gründe, die sie vorbringen können.

Vielleicht werden sich die Kadettenstimmen nicht auf zwei, sondern auf drei Listen zersplittern? Dann werden doch die Schwarzhunderter in allen Bezirken siegen und in die Duma kommen?

Nein. Die Kadettenstimmen können sich nicht auf drei Listen zersplittern, weil es in Petersburg insgesamt nur drei Listen geben wird. Außer den Schwarzhundertern, Kadetten und Sozialdemokraten wird keine einzige Partei von irgendwelcher Bedeutung selbständige Listen aufstellen.

Alle Parteien, die es in Russland gibt, haben in Petersburg ihre Vertreter. Alle Parteien und alle Richtungen haben schon zu den Wahlen Stellung genommen. Keine einzige Partei außer den drei oben genannten Hauptparteien, kein einziges Grüppchen denkt daran, bei den Wahlen selbständig aufzutreten. Alle kleinen Parteien, alle Richtungen außer den drei Hauptparteien schwanken nur zwischen diesen drei Listen. Alle Parteien und Grüppchen, die fortschrittlich und freiheitlich gesinnt sind, schwanken nur zwischen den Kadetten und den Sozialdemokraten.

Keine einzige der Trudowiki-Parteien, weder die Sozialrevolutionäre noch das Komitee der Trudowiki-Gruppe noch die Volkssozialisten haben den Wunsch geäußert, selbständige Listen aufzustellen. Alle diese Trudowiki-Parteien hingegen führen Verhandlungen über den Anschluss an die Kadettenliste oder an die sozialdemokratische Liste.

Wer also behauptet, dass sich die Kadettenstimmen auf drei Listen zersplittern könnten, betrügt das Volk. In Petersburg wird es insgesamt drei Hauptlisten geben: die Schwarzhundert-Liste, die Kadetten-Liste und die sozialdemokratische Liste.

Das zweite mögliche Argument. Man sagt, die Senatserläuterungen hätten die Zahl der Wähler verringert, besonders die Zahl der armen Wähler, infolgedessen könnten die Kadetten nicht so viel Stimmen aufbringen wie bei den Wahlen zur ersten Duma.

Das ist nicht wahr. Bei den Wahlen zur ersten Duma gab es in Petersburg insgesamt ungefähr 150.000 Wähler, während es jetzt ungefähr 130.000 gibt. An der Abstimmung beteiligten sich jedoch im vorigen Jahr insgesamt nur ungefähr 60 bis 70.000 Wähler. Es ist also nicht der geringste Grund zu der Befürchtung vorhanden, die Stimmungen und Ansichten der Wählermassen könnten sich ändern. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass die Mehrzahl der 130.000 Petersburger Wähler den minderbegüterten Schichten der Bevölkerung angehört, die nur aus Missverständnis, aus Unwissenheit, nur kraft ihrer Vorurteile einen Kapitalisten einem Arbeiter vorziehen könnten. Wenn alle Sozialisten in der Agitations- und Aufklärungsarbeit unter den städtischen Massen ihre Pflicht erfüllen, so können sie von den 130.000 Wählern sicherlich nicht nur 10.000 Stimmen, sondern ein Vielfaches davon erwarten.

Das dritte mögliche Argument. Man sagt, die Schwarzhunderter könnten aus den diesjährigen Wahlen stärker hervorgehen, und man könne nicht nach den vorjährigen Zahlen urteilen.

Das ist nicht wahr. Aus allen Zeitungsmeldungen, aus dem ganzen Verlauf der Versammlungen, aus den Tatsachen über die Lage der verschiedenen Parteien ergibt sich, dass die Schwarzhunderter in Petersburg nicht stärker, sondern wahrscheinlich bedeutend schwächer sind als im vorigen Jahre. Das Volk ist bewusster geworden, die Oktobristen erleben auf allen Versammlungen Niederlagen, die Auflösung der Duma aber und die brutale Politik der Regierung, die Politik Gurko-Lidwal stoßen die Wähler endgültig von der Regierung ab. Bei den ersten Wahlen haben sich die Schwarzhunderter noch gebrüstet, jetzt aber, wo der Tag der Abstimmung naht, sind sie schon ganz kleinlaut geworden.

Das vierte mögliche Argument. Man sagt, die Regierung folge den linken Parteien keine Wahlzettel aus, erlaube ihnen weder Versammlungen noch Zeitungen usw., infolgedessen sei es sicherer und ungefährlicher, wenn sich alle Linken zu einer Liste mit den Kadetten zusammenschließen.

Das ist nicht wahr. Wenn die Regierung zu Gewalttaten und zur Verletzung des Gesetzes, zur Verletzung der Wahlfreiheit greift, so festigt sich hierdurch die Stimmung der Wählermassen. Wir Sozialdemokraten verlieren in den Versammlungen bei den Wählern nichts, sondern gewinnen dadurch, dass die Polizei die Versammlungen am häufigsten wegen unsrer Reden auflöst. Nun, und die Verletzung des Gesetzes durch die Regierung, – was hilft dagegen ein Abkommen mit den Kadetten? Es hilft nicht, sondern schadet, denn die Kadetten sind von allen oppositionellen Parteien die feigste und verräterischste. Sollte man wirklich gemeinsam mit einer Partei, in der der gestrige Spießgeselle Wittes und Durnowos, der frühere Minister Kutler sitzt, sollte man wirklich mit dieser Partei gegen die Verletzung der Gesetze durch die Minister kämpfen können?? Nein, im Gegenteil, gerade deswegen, weil die Herren Kutler den Herren Durnowo und Stolypin viel näher stehen als der Masse der Arbeiter und Angestellten, gerade deswegen müssen wir im Interesse des Kampfes für die Freiheit unabhängig von der Partei der Herren Kutler, von der Partei der Kadetten vorgehen.

Angenommen, die Regierung hätte beschlossen, die linken Wahlmänner zu verhaften und festzusetzen. Hilft da etwa ein Abkommen mit den Kadetten? Oder sollen die Sozialisten sich in der Tat darauf verlassen, dass der Kadett Kutler sich bei seinen gestrigen Spießgesellen, den Ministern Stolypin und Gurko, für Revolutionäre einsetzt?

Die Zeitungen berichteten vor kurzem, dass Herr Miljukow, der Führer der Kadetten, bei Stolypin eine Audienz zu Verhandlungen über die Legalisierung der Kadettenpartei erhält.* Sollen sich die Sozialisten vielleicht darauf verlassen, dass die Herren Kadetten die Legalisierung der Trudowiki-Partei, der Sozialrevolutionäre und der Sozialdemokraten „erwirken"?

Ein Sozialist, der noch Scham und Gewissen hat, wird niemals zu einer gemeinsamen Liste mit den Kutler und Miljukow bereit sein.

Können die Sozialdemokraten bei den Wahlen in Petersburg siegen?

Die Kadettenzeitungen machen es sich zunutze, dass die Regierung die Herausgabe von sozialdemokratischen Zeitungen nicht erlaubt, und versuchen, den Lesern in allen Tonarten glaubhaft zu machen, dass von einem Sieg der Sozialdemokraten bei den Wahlen ohne Kadetten überhaupt keine Rede sein könne.

Das ist nicht wahr. Ein Sieg der Sozialdemokraten in Petersburg gegen die Schwarzhunderter und gegen die Kadetten ist durchaus möglich.

Die Kadetten tun so, als ob sie das nicht wüssten, und vergessen dabei absichtlich, dass von einer Teilung der Stimmen jede Partei und nicht etwa allein die Schwarzhunderter gewinnen können. Die Schwarzhunderter können drei von zwölf Wahlbezirken gewinnen, wenn sich die Stimmen zu gleichen Teilen auf die Kadetten und Sozialdemokraten verteilen.

Die Sozialdemokraten können zwölf von zwölf Bezirken gewinnen, wenn sich die Stimmen auf Kadetten und Schwarzhunderter zersplittern.

Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur einen Blick auf die oben angeführten Zahlen zu werfen. Sie zeigen, dass wir in ganz Petersburg siegen können, wenn wir in jedem Wahlbezirk eine Stimme mehr erhalten als die Hälfte der Kadettenstimmen (bei den vorigen Wahlen).

Zu diesem Zweck müssen wir in neun „sicheren" Bezirken Petersburgs (einschließlich der drei Bezirke, in denen die Schwarzen siegen können) nicht weniger als 14.274 Stimmen erhalten.

Ist es aber etwa unmöglich, dass die Sozialdemokraten in Petersburg 15–20.000 Stimmen erhalten?

In Petersburg gibt es allein 30–50.000 Handlungsgehilfen und Kontoristen, die wahlberechtigt sind. Das Fachblatt der Handlungsgehilfen „Golos prikastschika" wurde im sozialdemokratischen Geiste geleitet. Wenn alle Sozialisten geschlossen unter den Handlungsgehilfen Werbearbeit leisteten, ohne es abzulehnen, „Trudowiki" in ihre Liste aufzunehmen, so würden schon allein diese Handels- und Industrieangestellten der gemeinsamen Liste der Sozialdemokraten und Trudowiki zum Siege verhelfen.

Außerdem gibt es ja auch noch sehr sehr viele arme Mieter, die durchaus imstande sind, zu begreifen, dass die Sozialisten ihre Interessen besser verteidigen als die liberalen Hausbesitzer und Grundbesitzer, reichen Advokaten und Staatsbeamten, die Petrunkewitsch, Roditschew, Winawer und Kutler.

Schaut euch die Wahlversammlungen in Petersburg an. Sogar die Kadettenzeitungen, die die Versammlungsberichte zugunsten der Kadetten entsetzlich fälschen, sind genötigt, zuzugeben, dass ein ernster Kampf geführt wird zwischen Kadetten und Sozialisten und durchaus nicht etwa zwischen den Rechten und den Linken. Die Wahlversammlungen in Petersburg sind ein untrüglicher Beweis dafür, dass die Sozialdemokraten – besonders im Bündnis mit den Trudowiki – in Petersburg stärker sind als die Kadetten.

Wie viel Wähler besuchen die Wahlversammlungen? Vorsichtige Leute schätzen, dass es nicht mehr als ein Zehntel der gesamten Wählerschaft sind. Nehmen wir sogar diese kleinste Zahl. Wir erhalten 13.000 Wähler. Man kann ferner mit Sicherheit annehmen, dass jeder Wähler, der die Versammlungen besucht hat, zu den Wahlen nicht weniger als zwei Wähler mitbringt, die keine Versammlungen besucht haben. Von diesen 39.000 Wählern werden – nach allem Tatsachenmaterial und allen Beobachtungen zu urteilen – 20.000 für die Sozialdemokraten stimmen, die sich die Trudowiki angegliedert haben.

Auch aus diesen Tatsachen erhellt also, dass in Petersburg ein Sieg der Sozialdemokraten gegen die Kadetten und gegen die Schwarzhunderter durchaus möglich ist.

Mögen also alle Wähler Petersburgs wissen, dass es ganz von ihnen abhängt, ob die Kadetten oder die Sozialdemokraten siegen.

Die Sozialisten führen die Wahlkampagne in Petersburg vor allem und hauptsächlich zu dem Zweck, die Massen aufzuklären und zusammenzuschweißen. Die Sozialisten streben danach, dass sich die Massen selbst völlige Klarheit über die Aufgaben verschaffen, vor denen das Volk jetzt im Kampfe für die Freiheit steht. Die Liberalen aber bemühen sich nur um Dumasitze, ohne dafür zu sorgen, dass die Wähler selbst klar und deutlich den Sinn der Ereignisse erkennen.

Die Liberalen, d. h. die Kadetten und die schwankenden und wankenden Leute, die ihnen Gefolgschaft leisten, nehmen manchmal in den Wahlversammlungen Abstimmungen vor und setzen in manchen von diesen Versammlungen mit erdrückender Mehrheit den Beschluss durch, ein Abkommen aller Linken für notwendig zu erklären, nach dem die Kadetten zwei von sechs Petersburger Dumasitzen erhalten sollen.

Es zeugt nicht von einer bewussten Einstellung zu den Wahlen in Petersburg, wenn man einen solchen Antrag stellt oder für ihn stimmt. Ein Abkommen „aller Linken" in Petersburg wird es und kann es nicht geben. In Petersburg wird es drei Listen geben: die Schwarzhundert-Liste, die Kadetten-Liste und die sozialdemokratische Liste.

Ferner ist es sogar lächerlich, darüber abzustimmen, ob die Kadetten zwei von sechs Dumasitzen erhalten sollen. Wer wirklich ein solches Wahlergebnis erhalten will, der muss begreifen, dass es durch eine Abmachung mit den Kadetten nicht erzielt werden kann. Dies Ergebnis kann man nur dadurch erzielen, dass man für die Sozialdemokraten stimmt.

In der Tat, wenn die Sozialdemokraten in Petersburg einen Teilsieg erringen, dann – und nur dann – könnte ein für gewisse Leute erwünschtes Resultat eintreten (sechs linke Mandate, davon zwei Mandate der Kadetten). Nehmen wir an, die Sozialdemokraten würden nur in vier Bezirken siegen, z. B. im Spasski-, im Moskauer, Petersburger und Wiborger Bezirk. Sie erhalten dann 60 Wahlmänner, zusammen mit der Arbeiterkurie aber 74 Wahlmänner. Die Schwarzen (nehmen wir den schlimmsten Fall, der sehr, sehr unwahrscheinlich ist) erhalten 46 Wahlmänner (im Litejny-, Rosdjestwjenski- und Wassilje-Ostrowschen Bezirk). Die Kadetten erhalten die übrigen 54 Wahlmänner. Auf diese Weise könnte man wirklich durchsetzen, dass Petersburg linke Abgeordnete in die Duma schickt, von denen die Mehrzahl radikaler ist als die Kadetten. Durch Kuhhandel mit den Kadetten, mit dem sich unkluge und schwankende Leute beschäftigen, kann man das nicht erzielen.

Wiederholen wir kurz unsere Schlussfolgerungen.

In Petersburg kämpfen bei den Wahlen nur drei Hauptparteien und die Wähler werden vor drei Kandidaten-Listen stehen: der Liste der Schwarzen Hundert, der Kadetten-Liste und der sozialdemokratischen Liste.

Die Gefahr eines Sieges der Schwarzhunderter in Petersburg ist eine alberne Erfindung und Lüge.

Sogar bei ungünstigster Verteilung der Kadettenstimmen auf Kadetten und Sozialdemokraten ist ein Sieg der Schwarzhunderter unmöglich.

Das Märchen von der „Schwarzhundert-Gefahr" in Petersburg wärmen die Kadetten absichtlich auf, um die ihnen wirklich drohende Gefahr des Sieges der Sozialisten von sich abzuwenden.

Die Trudowiki, die Sozialrevolutionäre und einige kleine Gruppen haben sich noch nicht entschieden, ob sie mit den Kadetten oder mit den Sozialdemokraten zusammengehen sollen.

In Petersburg ist ein völliger Sieg der Sozialdemokraten sowohl gegen die Schwarzhunderter als auch gegen die Kadetten durchaus möglich.

Die Wähler müssen ihre Stimmen abgeben gemäß ihrer Überzeugung und gemäß ihrer Sympathie für die eine oder die andere Richtung und nicht aus Furcht vor der vorgespiegelten Schwarzhundert-Gefahr.

Für die Regierung, für die liberalen Bourgeois, oder für die Sozialdemokraten? Bürger, wählt!

* In der Wahlversammlung, die am 4. Februar (22. Januar) in der Tjenischew-Schule stattfand, erklärte Herr Wodowosow, dass Herr Miljukow bei Stolypin war und mit ihm eine Abmachung getroffen hat und dass die Partei der Volksfreiheit für ihre Führer verantwortlich ist. Herr Gredeskul leugnete diese Tatsache nicht und erklärte: wenn Herr Miljukow bei Stolypin gewesen sei, so sei das im Interesse des Landes und der Partei geschehen.

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