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Gruppe von Mitgliedern des ZK und Volkskommissaren an das ZK 19180223 Erklärung

Erklärung einer Gruppe von Mitgliedern des ZK und Volkskommissaren an das ZK

23. Februar 1918

[Archiv des ZK der KPdSU (B). Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 22, Zürich 1934, S. 621 und 624]

An das Zentralkomitee der SDAPR (Bolschewiki)

Werte Genossen!

Auf die Offensive der deutschen Imperialisten, die offen als ihr Ziel die Unterdrückung der proletarischen Revolution in Russland verkündet haben, hat das ZK der Partei mit der Zustimmung zum Abschluss eines Friedens geantwortet, unter Bedingungen, die einige Tage vorher von der russischen Delegation in Brest-Litowsk abgelehnt wurden. Diese Zustimmung, die unter dem ersten Ansturm der Feinde des Proletariats gegeben worden ist, ist eine Kapitulation des Vortrupps des internationalen Proletariats vor der internationalen Bourgeoisie. Dadurch wird vor aller Welt die Ohnmacht der proletarischen Diktatur in Russland demonstriert und der Sache des internationalen Proletariats ein Schlag versetzt, der im Augenblick der revolutionären Krise in Westeuropa besonders schwer ist. Gleichzeitig wird dadurch die russische Revolution von der internationalen Bewegung isoliert. Der Beschluss, einen Frieden um jeden Preis zu schließen, der unter dem Druck der kleinbürgerlichen Elemente und kleinbürgerlichen Stimmungen gefasst worden ist, wird unzweifelhaft dazu führen, dass das Proletariat auch innerhalb Russlands seine führende Rolle einbüßt. Die Ausnahmen in Bezug auf den Geltungsbereich des wirtschaftlichen Programms der Sowjetmacht, die wir beim Abschluss des Friedens für das Kapital deutscher Herkunft werden machen müssen, werden die Arbeit des sozialistischen Aufbaus, die das Proletariat seit der Oktoberrevolution vollbracht hat, zunichte machen. Die Preisgabe der außenpolitischen Positionen des Proletariats bereitet unvermeidlich auch die Kapitulation im Innern vor.

Wir sind der Auffassung, dass nach der Eroberung der Macht, nach der völligen Zertrümmerung der letzten Pfeiler der Bourgeoisie, das Proletariat unvermeidlich vor die Aufgabe gestellt wird, den Bürgerkrieg im internationalen Maßstab zu entfalten, eine Aufgabe, um derentwillen es vor keinerlei Gefahren zurückschrecken darf. Der Verzicht auf diese Aufgabe führt zum Untergang durch innere Zersetzung und ist gleichbedeutend mit Selbstmord.

Mit Verachtung weisen wir die Angriffe jener kompromisslerischen Elemente gegen die Sowjetmacht zurück, für die der Kampf gegen die deutschen Imperialisten bloß ein Vorwand zur Herstellung des Burgfriedens ist und die anstatt des Bürgerkrieges gegen die internationale Bourgeoisie einen nationalen Krieg gegen Deutschland auf dem Boden einer Einigung der Klassen und eines Bündnisses mit der anglo-französischen Koalition führen wollen. Ein Verzicht auf die Diktatur des Proletariats um eines Krieges willen ist für uns ebenso unannehmbar wie ein Verzicht auf die Diktatur des Proletariats um des Friedens willen. In einem Augenblick, wo die imperialistischen Banden nicht nur neue Gebiete besetzen, sondern auch das Proletariat und seine Organisationen niederhalten, ist es die Pflicht der Partei, zur Verteidigung der proletarischen Diktatur mit der Waffe in der Hand und zur Organisierung einer solchen Verteidigung aufzurufen. Die verantwortlichen Führer der Partei haben mit einer ganz geringen Mehrheit einen andern Beschluss gefasst, einen Beschluss, der im schärfsten Widerspruch zu den Interessen des Proletariats steht und der Stimmung der Partei nicht entspricht. Wir halten es daher für unsere Hauptaufgabe, ohne die organisatorische Einheit zu verletzen, eine breite Agitation in den Parteikreisen gegen die Politik der Parteizentrale in der letzten Zelt zu entwickeln und den Parteitag vorzubereiten, in dem die Frage des Friedens, in_ ihrem ganzen Umfange gestellt werden muss.

Mitglieder des ZK der SDAPR: G. Oppokow (A. Lomow), N. Bucharin, A. Bubnow; W. Smirnow,

Mitglied des Moskauer Gebietsbüros der SDAPR. I. Stukow M. Bronski, W. Jakowlew, A. Spunde, M. Pokrowski, G. Pjatakow, M. Urizki.

Obwohl wir den von der Mehrheit des ZK gefassten Beschluss, sofort Frieden anzubieten, nicht für richtig halten, können wir uns trotzdem obiger Erklärung nicht anschließen, da wir der Auffassung sind, dass eine breite Agitation in den Parteikreisen gegen die Politik der Mehrheit des ZK gegenwärtig zur Spaltung führen kann, die wir für unzulässig halten.

A. Joffe, N. Krestinski, F. Dzierżyński

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