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Wladimir I. Lenin 19181108 Rede über die internationale Lage

Wladimir I. Lenin: Rede über die internationale Lage

VI. Allrussischer, Außerordentlicher, Kongress der Sowjets der Arbeiter-, Bauern-, Kosaken- und Rotarmisten-Deputierten, 8. November 1918

[Veröffentlicht 1919 in dem Buch: „VI. Allrussischer, Außerordentlicher, Kongress der Sowjets der Arbeiter-, Bauern-, Kosaken- und Rotarmisten-Deputierten. Stenographischer Bericht." Verlag des Allrussischen Zentralexekutivkomitees, Moskau. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 331-348]

Genossen, mit Beginn der Oktoberrevolution ist die Frage der .Außenpolitik und der internationalen Beziehungen für uns die allerwichtigste Frage geworden, nicht nur deshalb, weil der Imperialismus nunmehr die starke und feste Verkettung aller Staaten der Welt zu einem einzigen System – um nicht zu sagen, zu einem schmutzigen blutigen Knäuel – bedeutet, sondern, weil der volle Sieg der sozialistischen Revolution in einem Lande undenkbar ist, weil er die aktivste Zusammenarbeit mindestens einiger fortgeschrittener Länder erfordert, zu denen wir Russland nicht zählen können. Eben deshalb ist die Frage, inwieweit wir auch in anderen Ländern eine Ausdehnung der Revolution erreichen werden und inwieweit es uns gelingen wird, dem Imperialismus bis dahin Widerstand zu leisten, zu einer der Hauptfragen der Revolution geworden.

Ich gestatte mir, euch in aller Kürze die Hauptetappen unserer internationalen Politik während des verflossenen Jahres ins Gedächtnis zu rufen. Wie ich schon in meiner Rede anlässlich des Jahrestages der Revolution aufzeigen konnte, war das Hauptmerkmal unserer Lage vor einem Jahr unsere Isolation. Wie fest auch unsere Überzeugung war, dass in ganz Europa eine revolutionäre Kraft im Entstehen begriffen und entstanden war, dass der Krieg nicht ohne Revolution beendigt werden wird, so gab es doch damals noch keine Anzeichen dafür, dass die Revolution begonnen habe oder beginne. In dieser Lage blieb uns nichts anderes übrig, als unsere außenpolitischen Anstrengungen darauf zu richten, die Arbeitermassen Westeuropas aufzuklären; sie aufzuklären nicht etwa, weil wir den Anspruch erhöben, besser geschult zu sein als sie, sondern weil in jedem einzelnen Land, solange die Bourgeoisie nicht gestürzt ist, die Militärzensur herrscht, sowie jener unerhörte Blutnebel, der eine Begleiterscheinung jedes Krieges, besonders aber jedes reaktionären Krieges ist; – ihr wisst ausgezeichnet, Krieg, das bedeutet selbst in den demokratischsten republikanischen Ländern die Anwendung von Militärzensur und unerhörten Methoden durch die Bourgeoisie mitsamt ihren Generalstäben, um das Volk irrezuführen. Unsere Aufgabe war, das mitzuteilen, was in dieser Beziehung durch andere Völker erkämpft worden war. Wir haben in dieser Beziehung alles getan, was wir konnten, als wir jene schmutzigen Geheimverträge zerrissen und veröffentlichten, die der ehemalige Zar zum Vorteil seiner Kapitalisten mit den Kapitalisten Englands und Frankreichs abgeschlossen hatte. Ihr wisst, dass diese Verträge durch und durch Raubverträge waren; ihr wisst, dass die Regierung Kerenskis und der Menschewiki diese Verträge geheim hielt und bekräftigte. In Ausnahmefällen stoßen wir gelegentlich in der einigermaßen ehrlichen Presse Englands und Frankreichs auf Hinweise, dass sie, die Franzosen und Engländer, erst dank der russischen Revolution viel Wesentliches in Bezug auf die Geschichte ihrer Diplomatie erfahren hätten.

Natürlich haben wir vom Standpunkt der sozialen Revolution als Ganzes sehr wenig getan; das aber, was wir getan haben, war einer der größten Schritte zu ihrer Vorbereitung.

Wenn wir heute versuchen, die Resultate, die die Entlarvung des deutschen Imperialismus für uns zeitigte, im Allgemeinen zu überblicken, so sehen wir, dass jetzt den Werktätigen aller Länder die Tatsache klar und deutlich geworden ist, dass man sie gezwungen hat, einen blutigen und räuberischen Krieg zu führen. Und am Ende dieses Kriegsjahres beginnt eine ebensolche Entlarvung der Haltung Englands und Amerikas, weil den Massen die Augen aufgehen und sie sich über die wahren Absichten ihrer Regierungen zu orientieren beginnen. Das ist alles, was wir getan haben, doch haben wir unser Scherflein zur Sache beigetragen. Die Enthüllung solcher Verträge war für den Imperialismus ein Schlag. Die Friedensbedingungen, die wir zu unterzeichnen genötigt waren, waren vom Standpunkt der Propaganda und Agitation eine mächtige Waffe, und durch sie haben wir so viel getan, wie keine einzige Regierung, kein einziges Volk je getan hat. Wenn der von uns unternommene Versuch, die Massen wachzurütteln, nicht sofort Resultate gezeitigt hat, so hatten wir ja auch nie angenommen, die Revolution müsse sofort beginnen, oder aber alles sei verloren. Im Laufe der letzten fünfzehn Jähre haben wir zwei Revolutionen durchgeführt, und wir haben klar gesehen, was für eine Zeitspanne sie durchlaufen müssen, ehe sie die Massen erfassen. Eine Bestätigung dessen geben uns die letzten Ereignisse in Österreich und Deutschland. Wir sagten, dass wir nicht darauf spekulierten, im Bunde mit Räubern ebenfalls Räuber zu werden – nein, wir rechneten darauf, das Proletariat der feindlichen Länder aufzuwecken. Man hat uns mit Hohn geantwortet, indem man erklärte, wir schickten uns an, das Proletariat Deutschlands wachzurütteln, das uns erdrosseln werde, während wir noch Anstalten träfen, ihm mit Propaganda entgegenzutreten. Die Tatsachen haben jedoch gezeigt, dass wir recht hatten, als wir darauf rechneten, dass die werktätigen Massen in allen Ländern dem Imperialismus gleich feindlich gesinnt seien. Man muss ihnen lediglich eine gewisse Zeit zur Vorbereitung lassen, denn für das russische Volk war, trotz der Erinnerungen an die Revolution von 1905, auch eine lange Zeit erforderlich, bevor wir uns von neuem zur Revolution erhoben.

Vor dem Brester Frieden haben wir alles getan, was wir konnten, um dem Imperialismus einen Schlag zu versetzen. Zwar hat die Geschichte des Ansteigens der proletarischen Revolution das nicht beseitigt, wenn hingegen der Brester Friede uns zwang, vor dem Imperialismus zurückzuweichen, so geschah das deshalb, weil wir im Januar 1918 noch nicht genügend vorbereitet waren. Das Schicksal hatte uns zur Isolation verurteilt, und wir haben nach dem Brester Frieden eine qualvolle Periode durchgemacht. Man sagte uns: lieber ein neues Bündnis mit den Imperialisten, nur keine Unterzeichnung eines solchen Friedens.

Als die Menschen nahe daran waren, sich der Verzweiflung zu überlassen, sagten wir uns: lieber ein neuer Krieg mit den Engländern und Franzosen, nur keine Unterwerfung unter einen Gewaltfrieden. Wir sagten: Wenn wir uns an die internationale Arbeiterschaft wendeten, so würden wir unsere Arbeit fortsetzen. Genossen, die vier Jahre, die wir im Weltkrieg verlebten, brachten einen Frieden, aber einen Gewaltfrieden. Doch hat letzten Endes auch dieser Gewaltfrieden gezeigt, dass wir recht haben und dass unsere Hoffnungen nicht auf Sand gebaut sind. Wir sind mit jedem Monat stärker geworden, während der westeuropäische Imperialismus schwächer wurde. Im Ergebnis sehen wir jetzt, dass Deutschland, das vor einem halben Jahr mit unserer Botschaft überhaupt nicht rechnete, das da gedacht hatte, dass es dort kein einziges rotes Haus geben könne, in der letzten Zeit zumindest schwächer wird. Das letzte Telegramm berichtet von einem Aufruf des deutschen Imperialismus an die Massen, die Ruhe zu bewahren, der Frieden sei nahe. Wir wissen, was es bedeutet, wenn die Kaiser Aufforderungen erlassen, Ruhe zu bewahren, und für die nahe Zukunft versprechen, was sie nicht halten können. Wenn Deutschland bald einen Frieden erhält, so wird das für sie ein Brester Frieden sein, der den werktätigen Massen anstatt des Friedens mehr Qualen bringt, als sie bisher zu ertragen hatten.

Die Ergebnisse unserer internationalen Politik haben sich so gestaltet, dass wir ein halbes Jahr nach dem Brester Frieden vom Standpunkt der Bourgeoisie zwar ein geschlagenes Land sind, vom Standpunkt des Proletariats jedoch auf den Weg des schnellen Wachstums gelangt sind und an der Spitze der proletarischen Armee stehen, die begonnen hat, Österreich und Deutschland ins Wanken zu bringen. Dieser Erfolg hat in den Augen jedes Vertreters der proletarischen Massen alle Opfer, die gebracht worden sind, vollauf gerechtfertigt. Sollte der Fall eintreten, dass wir plötzlich hinweggefegt würden – nehmen wir an, unserer Tätigkeit würde ein Ende bereitet, aber das kann nicht geschehen: es gibt keine Wunder –, sollte aber dieser Fälle eintreten, dann dürften wir mit Recht sagen, ohne dabei unsere Fehler zu verheimlichen, dass wir die Zeitspanne, die uns das Schicksal vergönnt hatte, voll und ganz für die sozialistische Weltrevolution ausgenutzt haben. Wir haben für die werktätigen Massen Russlands alles getan, und von uns wurde für die proletarische Weltrevolution mehr getan, als von irgend jemand anders.

Genossen, so hat sich also während der letzten Monate und der letzten Wochen die internationale Lage schroff zu ändern begonnen, bis schließlich der deutsche Imperialismus fast ganz zusammengebrochen ist. Alle Hoffnungen auf die Ukraine, mit denen der deutsche Imperialismus seine Werktätigen abgespeist hatte, erwiesen sich als bloße Versprechungen. Es zeigte sich, dass der amerikanische Imperialismus gerüstet hatte, und Deutschland wurde ein Schlag versetzt. Es entstand eine völlig andere Situation. Wir haben uns in keiner Hinsicht Illusionen gemacht. Nach der Oktoberrevolution waren wir weitaus schwächer als der Imperialismus, auch jetzt sind wir schwächer als der internationale Imperialismus – das müssen wir auch jetzt wiederholen, um nicht der Selbsttäuschung zu verfallen; nach der Oktoberrevolution waren wir schwächer und konnten den Kampf nicht aufnehmen. Auch jetzt sind wir schwächer und müssen alles tun, um einer Schlacht mit dem Imperialismus aus dem Wege zu gehen.

Wenn es uns jedoch gelungen ist, nach der Oktoberrevolution ein ganzes Jahr lang zu existieren, so verdanken wir das dem Umstand, dass der internationale Imperialismus in zwei Gruppen von Räubern gespalten war: die englisch-französisch-amerikanische Gruppe und die deutsche Gruppe, die untereinander auf Tod und Leben kämpften und sich nicht um uns kümmern konnten. Keine dieser Gruppen konnte gegen uns wirklich ernste Kräfte werfen, beide hätten aber selbstverständlich diese Kräfte gegen uns geworfen, wenn sie gekonnt hätten. Der Krieg, sein blutiger Nebel, trübte den Blick. Die materiellen Opfer, die der Krieg erheischte, erforderten die äußerste Anspannung aller Kräfte. Die Imperialisten hatten andere Sorgen, als sich mit uns zu beschäftigen, nicht etwa, weil wir dank irgendeines Wunders stärker gewesen wären als sie – nein, das ist Unsinn! sondern nur dank der Tatsache, dass der internationale Imperialismus in zwei Gruppen von Räubern gespalten war, die sich gegenseitig würgten. Nur diesem Umstand verdanken wir es, dass die Sowjetrepublik den Imperialisten aller Länder offen den Kampf ansagen konnte, indem sie ihnen die in den Auslandsanleihen investierten Kapitalien wegnahm und sie ins Gesicht schlug, indem sie die Räuber offen an ihrem Geldsack packte.

Die Zeit, wo wir anlässlich des von den deutschen Imperialisten betriebenen Schriftwechsels Erklärungen abgeben mussten, obwohl der Weltimperialismus sich nicht so auf uns stürzen konnte wie es seiner Feindschaft und seiner kapitalistischen Profitgier entsprochen hätte, die durch den Krieg unerhört gesteigert war – diese Zeit ist vorbei! Seit dem Augenblick, da die englisch-amerikanischen Imperialisten über die andere Gruppe gesiegt haben, sind sie durch ihren Kampf untereinander völlig in Anspruch genommen und müssen infolgedessen von einem entschiedenen Feldzug gegen die Sowjetrepublik Abstand nehmen. Die zweite Gruppe existiert nicht mehr, übriggeblieben ist allein die Gruppe der Sieger. Das hat unsere internationale Lage vollkommen geändert und dieser Änderung müssen wir Rechnung tragen. In welcher Beziehung diese Veränderung zu der Entwicklung der internationalen Lage steht, darauf geben die Tatsachen eine Antwort. Die Länder, die eine Niederlage erlitten haben, erleben jetzt den Sieg der Arbeiterrevolution, denn klar für alle ist deren gewaltige Entfaltung. Als wir im Oktober die Macht ergriffen, waren wir in Europa nicht mehr als ein einzelner Funken, Gewiss, die Funken mehrten sich und diese Funken gingen von uns aus. Das ist das gewaltige Werk, das wir zu vollbringen vermochten, aber immerhin, das waren einzelne Funken, jetzt aber sehen wir, dass dort ein Brand lodert, von dem die meisten Länder: Amerika, Deutschland, England erfasst sind. Wir wissen, dass von Bulgarien die Revolution auf Serbien übergegriffen hat. Wir wissen, wie diese Arbeiter- und Bauernrevolutionen über Österreich hinweggegangen und bis nach Deutschland vorgedrungen sind. Eine ganze Reihe von Ländern ist von der Feuersbrunst der Arbeiterrevolution erfasst. In dieser Hinsicht sind unsere Anstrengungen und die von uns gebrachten Opfer gerechtfertigt worden. Es erwies sich, dass sie kein Abenteuer waren, wie die Feinde verleumderisch behauptet hatten, sondern ein notwendiger Übergang zur Weltrevolution, den das Land durchmachen musste, das ungeachtet seiner geringen Entwicklung und Rückständigkeit in die vorderste Reihe gestellt worden ist.

Das ist vom Standpunkt des endgültigen Ausgangs des imperialistischen Krieges das eine, das wichtigste Resultat. Das andere Resultat, auf das ich schon zu Beginn hingewiesen habe, besteht darin, dass der englisch-amerikanische Imperialismus sich jetzt ebenso zu entlarven beginnt, wie seinerzeit der österreichisch-deutsche. Wir sehen, dass Deutschland seine Herrschaft hätte behaupten und dass es sich zweifellos eine günstige Stellung im Westen hätte erkämpfen können, wenn es während der Brester Verhandlungen einigermaßen Selbstbeherrschung geübt hätte, wenn es einigermaßen Kaltblütigkeit bewahrt hätte und fähig gewesen wäre, sich aller Abenteuer zu enthalten. Deutschland konnte nicht so handeln, weil eine solche Maschine wie ein Krieg von Millionen und aber Millionen, ein Krieg, der die chauvinistischen Leidenschaften bis zur Siedehitze gesteigert, ein Krieg, der mit Interessen verknüpft ist, die auf hunderte Milliarden Rubel der Kapitalisten bemessen werden, – weil eine solche Maschine, einmal angekurbelt, durch keinerlei Bremse zum Stehen gebracht werden kann. Diese Maschine ist weiter gelaufen, als die deutschen Imperialisten selber gewollt haben, und hat sie zermalmt. Sie blieben im Sumpf stecken, sie gerieten in die Lage eines Menschen, der sich überfressen hat und eben dadurch seinem Untergang entgegengeht. In diesen äußerst unschönen, vom Standpunkt des revolutionären Proletariats aber äußerst nützlichen Zustand ist heute vor unseren Augen der englische und amerikanische Imperialismus geraten. Man hätte meinen sollen, dass sie eine viel größere politische Erfahrung als Deutschland besäßen, da sie ja schon vor Jahrhunderten die schwerste Periode ihrer Geschichte durchgemacht haben: handelt es sich hier doch um Leute, die an demokratisches Regieren gewöhnt sind, wobei nicht irgendwelche Junker regieren. Man hätte meinen sollen, dass diese Leute ihre Kaltblütigkeit bewahren würden. Wollten wir vom individuellen Standpunkt urteilen, ob sie fähig wären, im Hinblick auf die Demokratie schlechthin Kaltblütigkeit zu bewahren, – wollten wir als Philister, Bürger, Professoren, die vom Kampf der Imperialisten und der Arbeiterklasse nichts begriffen haben, vom Standpunkt der Demokratie schlechthin urteilen, so müssten wir sagen, dass England und Amerika Länder sind, wo die Demokratie Jahrhunderte gepflegt worden ist, dass dort die Bourgeoisie verstehen wird, sich zu halten. Hielte sie sich aber heute durch irgendwelche Maßnahmen, so wäre das jedenfalls auf eine ziemlich lange Frist. Es stellt sich aber heraus, dass sich mit ihnen dasselbe wiederholt, was mit dem militärdespotischen Deutschland geschehen ist. In diesem imperialistischen Krieg besteht ein enormer Unterschied zwischen Russland und den republikanischen Ländern. Der imperialistische Krieg ist ein so blutiger, räuberischer, bestialischer Krieg, dass er sogar die wichtigsten Verschiedenheiten verwischt hat: er hat die freieste amerikanische Demokratie und das halb-militärdespotische Deutschland gleichgemacht.

Wir sehen, wie England und Amerika – Länder, die mehr als andere die Möglichkeit hatten, demokratische Staaten zu bleiben – sich ebenso wild und verrückt übernommen haben, wie seinerzeit Deutschland, und sich daher ebenso schnell, vielleicht aber auch noch schneller jenem Ende nähern, das der deutsche Imperialismus so erfolgreich vorgemacht hat. Zuerst ist dieser über drei Viertel von Europa unglaublich angeschwollen und hat sich aufgebläht, dann aber ist er unter Zurücklassung eines fürchterlichen Gestanks geplatzt. Und diesem Ende eilt jetzt der englische wie der amerikanische Imperialismus zu. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, nur einen flüchtigen Blick auf jene Waffenstillstands- und Friedensbedingungen zu werfen, die die Befreier der Völker vom deutschen Imperialismus, die Engländer und Amerikaner, jetzt den besiegten Völkern auferlegen. Nehmt Bulgarien. Es könnte scheinen, dass ein Land wie Bulgarien dem Koloss des englisch-amerikanischen Imperialismus kaum Furcht einflößen könnte. Allein die Revolution in diesem kleinen, schwachen, vollkommen hilflosen Lande hat die Engländer und Amerikaner den Kopf verlieren lassen und sie veranlasst, Waffenstillstandsbedingungen zu diktieren, die einer Okkupation Bulgariens gleichkommen. Jetzt sind dort in Sofia, wo die Bauernrepublik ausgerufen wurde, an diesem wichtigen Durchgangspunkt der Balkanbahn, alle Eisenbahnen von englisch-amerikanischen Truppen besetzt. Sie haben gegen die Bauernrepublik in diesem kleinen Lande zu kämpfen. Vom militärischen Standpunkt ist das eine Lappalie. Die Leute, die auf dem Standpunkt der Bourgeoisie, der alten herrschenden Klasse, der alten Militärverhältnisse stehen, lächeln nur verächtlich. Nun, was bedeutet schon dieser Zwerg – Bulgarien – gegen die englisch-amerikanischen Kräfte? Vom militärischen Standpunkt aus nichts, vom revolutionären Standpunkt aus aber sehr viel. Das ist keine Kolonie, wo man gewohnt ist, die Besiegten zu Millionen und aber Millionen abzuschlachten. So etwas betrachten die Engländer und Amerikaner ja nur als Aufrichtung der Ordnung, als Einführung von Zivilisation und Christentum unter den Wilden im innersten Afrika. Aber das ist für sie nicht Zentralafrika. Hier werden die Soldaten, wie stark auch ihre Armee sein mag, hier werden die Soldaten zersetzt, wenn sie der Revolution begegnen. Dass das keine Phrase ist, beweist Deutschland. In Deutschland waren die Soldaten jedenfalls in Bezug auf Disziplin vorbildlich. Als die Deutschen gegen die Ukraine zogen, wirkten hier außer der Disziplin noch andere Faktoren. Der ausgehungerte deutsche Soldat marschierte, um sich Brot zu holen, und von ihm zu verlangen, nicht zu viel Brot zu rauben, war, wie Menschen nun einmal sind, wenig aussichtsreich. Desto sicherer wissen wir, dass sie in diesem Lande am stärksten vom Geist der russischen Revolution angesteckt wurden. Das hat die Bourgeoisie Deutschlands ausgezeichnet begriffen, und das hat Wilhelm gezwungen, hin und her zu pendeln. Die Hohenzollern irren sich, wenn sie sich einbilden, dass Deutschland für ihre Interessen auch nur einen Tropfen Blut vergießen wird. Das eben war das Resultat der Politik des bis an die Zähne bewaffneten deutschen Imperialismus. Und dasselbe wiederholt sich jetzt auch mit England. Schon beginnt die Zersetzung in der englisch-amerikanischen Armee; sie begann in dem Augenblick, wo diese Armee in Bulgarien zu wüten anfing. Aber das ist ja erst nur der Anfang. Nach Bulgarien kam Österreich. Gestattet mir, einige Punkte aus jenen Bedingungen vorzulesen, die von den Siegern, den englisch-amerikanischen Imperialisten, diktiert werden. Das sind die Leute, die den werktätigen Massen am meisten die Ohren voll gebrüllt haben, dass sie einen Befreiungskrieg führen, dass ihr Hauptziel die Zerschmetterung des preußischen Militarismus sei, der drohe, das Regime des Kasernenhofs auf alle Länder auszudehnen. Sie haben gebrüllt, dass sie einen Befreiungskrieg führen. Das war Betrug. Ihr wisst, wenn die bürgerlichen Advokaten, diese Parlamentarier, die ihr ganzes Leben lang studiert haben, wie man, ohne zu erröten, andere prellt, einander zu prellen haben – das ist leicht; wenn sie aber daran gehen, die Arbeiter auf diese Weise zu prellen, so kann sie das teuer zu stehen kommen. Die Politikaster, die Parlamentarier, diese Staatsmänner Englands und Amerikas sind darin Meister. Aber ihr Betrug verfängt nicht im Geringsten: die Arbeitermassen, die sie im Namen der Freiheit verhetzt haben, werden mit einem Mal zur Besinnung kommen, das wird sich noch zeigen, wenn sie in breitestem Umfang, nicht aus Proklamationen, welche die Revolution zwar fördern, aber nicht wirklich vorwärtstreiben, sondern aus eigener Erfahrung erkennen werden, wer sie betrügt, wenn sie die Friedensbedingungen für Österreich sehen werden.

So sieht der Friede aus, der heute einem relativ schwachen, schon jetzt in Auflösung begriffenen Lande aufgezwungen wird von jenen, die da schrien, die Bolschewiki seien Verräter, weil sie den Brester Frieden unterzeichnet hätten! Als die Deutschen ihre Soldaten hierher, nach Moskau, schicken wollten, erklärten wir, dass wir lieber alle im Kampf fallen, als jemals unsere Zustimmung dazu geben werden. Wir sagten uns, dass die Opfer, die von den besetzten Gebieten gebracht werden müssen, schwer sein werden, doch wissen alle, wie Sowjetrussland ihnen geholfen und sie mit dem Nötigen versehen hat. Jetzt jedoch werden die demokratischen Truppen Englands und Frankreichs „zur Aufrechterhaltung der Ordnung" dienen müssen – und das wird zu einer Zeit gesagt, wo es in Bulgarien und Serbien Arbeiterräte, wo es in Wien und Budapest Arbeiterräte gibt. Wir wissen, was für eine Ordnung das ist. Das bedeutet, dass die englisch-amerikanischen Truppen ausersehen sind, die Rolle der Würger und Henker der Weltrevolution zu spielen.

Genossen, als die aus Leibeigenen bestehenden russischen Truppen im Jahre 1848 auszogen, um die ungarische Revolution abzuwürgen, mochte das für sie angehen, weil diese Truppen aus Leibeigenen bestanden; das konnte in Bezug auf Polen angehen; aber dass ein Volk, das schon ein Jahrhundert hindurch Freiheit besaß, ein Volk, in dem der Hass gegen den deutschen Imperialismus entfacht wurde, weil der deutsche Imperialismus eine Bestie sei, die man notwendigerweise erwürgen müsse – dass ein solches Volk nicht begreifen sollte, dass der englisch-amerikanische Imperialismus eine ebensolche Bestie ist, die gerechterweise genau so erwürgt werden muss – das kann nicht sein!

Und jetzt ist die Geschichte mit der ihr eigenen boshaften Ironie dahin gelangt, dass nach der Entlarvung des deutschen Imperialismus nun die Reihe an den englisch-französischen Imperialismus gekommen ist, der sich selber restlos entlarvt, und wir erklären vor den russischen, deutschen und österreichischen Arbeitermassen: das sind nicht die aus Leibeigenen bestehenden russischen Truppen vom Jahre 1848! An ihnen wird dies nicht spurlos vorübergehen! Sie marschieren, um ein Volk, das vom Kapitalismus zur Freiheit übergeht, niederzuwerfen, sie marschieren, um die Revolution zu erdrosseln. Und wir sagen mit absoluter Gewissheit, dass diese vollgefressene Bestie jetzt ebenso in den Abgrund stürzen wird, wie die Bestie des deutschen Imperialismus hineingestürzt ist.

Genossen, ich komme jetzt zu der Seite der Angelegenheit, die uns am meisten berührt. Ich gehe zu den Friedensbedingungen über, die Deutschland jetzt zu unterzeichnen haben wird. Genossen aus dem Kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten haben mir mitgeteilt, dass in der „Times", dem Hauptorgan der unerhört reichen englischen Bourgeoisie, die faktisch die ganze Politik bestimmt, schon die Bedingungen veröffentlicht worden sind, auf die Deutschland wird eingehen müssen. Von ihm wird gefordert, dass es die Insel Helgoland, den Kaiser-Wilhelm-Kanal, die Stadt Essen, wo fast das ganze Kriegsmaterial hergestellt wird, abtrete; dass es die Handelsflotte vernichte; Elsass-Lothringen sofort abtrete und eine 60-Milliarden-Kontribution entrichte, davon einen beträchtlichen Teil in Gold, da das Geld überall entwertet ist, und die englischen Kaufleute ebenfalls angefangen haben, in anderer Valuta zu rechnen. Wir sehen, dass sie für Deutschland einen wahren Erdrosselungsfrieden vorbereiten, einen ärgeren Gewaltfrieden als den Brester Frieden. Vom materiellen Standpunkt und vom Standpunkt ihrer Kräfte aus würden sie das machen können, wenn es auf der Welt nicht den für sie so unangenehmen Bolschewismus gäbe. Sie bereiten mit diesem Frieden ihr eigenes Verderben vor. Denn das spielt sich nicht in Zentralafrika, sondern im 20. Jahrhundert in den zivilisierten Ländern ab. Wenn die ukrainische Bevölkerung analphabetisch ist, wenn der disziplinierte deutsche Soldat die Ukrainer zu unterdrücken vermochte, so hat jetzt der deutsche Soldat seine Disziplin begraben. Um so mehr wird sich der englische und amerikanische Imperialismus selbst sein Grab schaufeln, wenn er sich in ein Abenteuer stürzt, das seinen politischen Zusammenbruch herbeiführen wird, wenn er seine Truppen zum Henker und Gendarmen von ganz Europa macht. Sie bemühen sich seit langem, Russland zu erledigen, und trugen sich seit langem mit dem Gedanken eines Feldzugs gegen Russland. Es genügt, an die Besetzung von Murman sowie daran zu erinnern, wie sie den Tschechoslowaken Millionen hingeworfen, wie sie mit Japan einen Vertrag abgeschlossen haben, wie England jetzt den Türken laut Vertrag Baku weggenommen hat, um uns durch Wegnahme des Rohstoffs zu erdrosseln.

Die englischen Truppen schicken sich an, den Feldzug gegen Russland entweder vom Süden oder von den Dardanellen oder von Bulgarien und Rumänien her zu beginnen. Sie zwängen die Sowjetrepublik in einen Ring, sie bemühen sich, die ökonomischen Verbindungen der Republik mit der ganzen Welt zu zerreißen. Zu diesem Zweck haben sie Holland gezwungen, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Wenn Deutschland unseren Botschafter aus Deutschland vertrieben hat, so hat es so gehandelt, wenn nicht in direktem Einvernehmen mit der englisch-französischen Politik, dann aus dem Wunsche heraus, den Engländern und Franzosen gefällig zu sein, damit sie Deutschland gegenüber Großmut übten. Wir, sagen sie, erfüllen auch die Pflichten eines Henkers gegenüber euren Feinden, den Bolschewiki. Genossen, wir müssen uns sagen, dass wir das Hauptergebnis der internationalen Lage so charakterisieren können, wie es mir vor einigen Tagen zu tun gelungen ist: dass wir niemals der internationalen proletarischen Revolution so nahe waren wie jetzt. Wir haben ihnen bewiesen, dass keinerlei Opfer zu groß sein können, wenn alles auf die Karte der proletarischen Weltrevolution gesetzt wird. Wir haben die größten nationalen und ökonomischen Opfer nicht umsonst gebracht. In dieser Hinsicht haben wir einen Erfolg erzielt. Wenn wir aber auch niemals der internationalen Revolution so nahe waren, so war unsere Lage auch niemals so gefährlich wie jetzt. Die Imperialisten waren miteinander beschäftigt. Jetzt aber ist die eine der Gruppierungen von der englisch-französisch-amerikanischen Gruppe hinweggefegt worden. Diese hält es für ihre Hauptaufgabe, den Weltbolschewismus zu erdrosseln, seine Hauptzelle, die Russische Sowjetrepublik, abzuwürgen. Zu diesem Zwecke schicken sie sich an, eine chinesische Mauer zu errichten, um sich vor dem Bolschewismus wie vor der Pest zu schützen. Diese Leute wollen sich den Bolschewismus durch eine Quarantäne vom Leibe halten, aber das ist unmöglich. Wenn es den Herrschaften des englisch-französischen Imperialismus, diesen Gebietern über die vollkommenste Technik der Welt, wenn es ihnen gelingen sollte, eine Art chinesischer Mauer rund um die Republik aufzurichten, so wird der Bazillus des Bolschewismus durch die Mauer hindurch dringen und die Arbeiter aller Länder anstecken.

Genossen, die Presse des westeuropäischen, des englisch-französischen Imperialismus bemüht sich aus Leibeskräften, die Lage des Bolschewismus zu verschweigen. Es gibt keine Lüge und Verleumdung, die man nicht gegen die Sowjetmacht ausgestreut hätte. Man kann jetzt sagen, dass die gesamte englisch-französische und amerikanische Presse, die sich in den Händen .der Kapitalisten befindet – die über Milliarden verfügt –, geschlossen wie ein Mann handelt, um die Wahrheit über Sowjetrussland zu verschweigen und Lüge und Verleumdungen über uns zu verbreiten. Und trotzdem die Militärzensur schon seit Jahren wütet und sie es erreicht haben, dass die Presse der demokratischen Länder nicht ein Wort der Wahrheit über die Sowjetrepublik durchlässt, gibt es dennoch in keinem einzigen Lande auch nur eine große Arbeiterversammlung, wo es nicht offenkundig geworden wäre, dass die Arbeitermassen auf der Seite der Bolschewiki stehen, denn die Wahrheit lässt sich nicht verheimlichen. Der Feind wirft uns vor, dass wir die Diktatur des Proletariats verwirklichen; jawohl, das verheimlichen wir nicht! Und dadurch, dass die Sowjetregierung sich nicht fürchtet und offen spricht, gewinnt sie neue Millionen von Werktätigen für sich; weil sie die Diktatur gegen die Ausbeuter verwirklicht, sehen und überzeugen sich auch die werktätigen Massen, dass der Kampf gegen die Ausbeuter ernst war und dass er bis zum ernsten Ende geführt werden wird. Ungeachtet dieser Verschwörung des Schweigens, mit dem die europäische Presse uns umgibt, haben sie es bisher als ihre Pflicht hingestellt, gegen Russland zu marschieren, weil Russland sich von Deutschland habe okkupieren lassen, weil Russland faktisch ein deutscher Agent sei, weil hier in Russland die an der Spitze der Regierung stehenden Menschen – ihrer Meinung nach – deutsche Agenten seien. Dort tauchen jeden Monat neue Dokumentenfälscher auf, die gegen gute Entlohnung beweisen, dass Lenin und Trotzki unterschiedslos Verräter und deutsche Agenten seien. Trotz alledem können sie die Wahrheit nicht verbergen, und siehe da, schon tauchen dort offene Anzeichen dafür auf, dass diese Herren Imperialisten sich nicht sicher fühlen können. „Echo de Paris" macht das Geständnis: „Wir gehen nach Russland, um die Macht der Bolschewiki zu brechen." Weil doch ihre offizielle Version lautet, dass sie keinen Krieg gegen Russland führen, sich in die militärischen Angelegenheiten nicht einmischen, sondern nur gegen die deutsche Vorherrschaft kämpfen. Unsere französischen Internationalisten, die in Moskau die Zeitung „III. Internationale" herausgeben, haben dieses Zitat angeführt, und obwohl man uns von Paris und Frankreich abgeschnitten hat, obwohl man mit außerordentlichem Geschick eine chinesische Mauer aufgerichtet hat, sagen sie ihrer Bourgeoisie: Ihr Herren französischen Imperialisten, ihr könnt euch nicht verteidigen. Und selbstverständlich kennen Hunderttausende von französischen Arbeitern dieses kleine Zitat, und nicht nur dieses eine, und sehen, dass alle Erklärungen ihrer Gebieter, ihrer Bourgeoisie, nichts als Lüge sind. Ihre eigene Bourgeoisie verplappert sich; sie gibt zu: wir wollen die Macht der Bolschewiki brechen. Nach dem vierjährigen blutigen Kriege müssen sie ihrem Volke sagen: zieht noch einmal in den Krieg, in den Krieg gegen Russland, um die Macht der Bolschewiki zu brechen, die wir deshalb hassen, weil sie uns 17 Milliarden schulden und nicht bezahlen wollen, und weil sie mit den Kapitalisten, Gutsbesitzern und Zaren unhöflich umgehen. Zivilisierte Völker, die sich in eine derartige Lage gebracht haben, dass sie so etwas sagen müssen, offenbaren dadurch vor allem, dass ihre Politik Fiasko erleidet. Wie stark sie auch in militärischer Hinsicht sein mögen, wir blicken mit voller Ruhe auf diese Stärke und sagen: bei euch, in eurem Rücken steht ein noch viel drohenderer Feind – das sind jene Volksmassen, die ihr bisher betrogen habt, und eure Kehle ist vor lauter Lügen und Verleumdungen über Sowjetrussland ausgetrocknet. Eine andere derartige Meldung stammt aus der englischen bürgerlichen Zeitung „Manchester Guardian" vom 23. Oktober. Das schreibt eine bürgerliche englische Zeitung: „Wenn die alliierten Armeen ebenfalls in Russland bleiben und die militärischen Operationen fortsetzen werden, so ist ihr einziger Zweck der, in Russland einen inneren Umsturz hervorzurufen."

Die Ententeregierungen müssen daher entweder ihre militärischen Operationen einstellen oder erklären, dass sie sich mit den Bolschewiki im Krieg befinden. Wie gesagt, die Wichtigkeit dieses kleinen Zitats, das für uns wie ein revolutionärer Appell, wie der stärkste revolutionäre Aufruf klingt, seine Wichtigkeit besteht darin, dass das eine bürgerliche Zeitung schreibt, die selbst ein Feind der Sozialisten ist, die jedoch fühlt, dass man die Wahrheit nicht länger verheimlichen kann. Wenn bürgerliche Zeitungen so sprechen, so könnt ihr euch vorstellen, wie die englischen Arbeitermassen denken und sprechen. Ihr wisst, was für Töne die Liberalen bei uns zur Zeit des Zarismus, vor der Revolution 1905 und vor dem Jahre 1917 anschlugen. Ihr wisst, dass diese Sprache der Liberalen das Nahen der Explosion in den proletarischen, revolutionären Massen bedeutete. Deshalb könnt ihr aus der Sprache dieser bürgerlichen englischen Liberalen schließen, was in der Stimmung, in den Köpfen und Herzen der englischen, französischen und amerikanischen Arbeiter vor sich geht. Deshalb eben sollt ihr euch ohne jede Schönfärberei die drückende Wahrheit eingestehen, die unsere internationale Lage charakterisiert. Die Weltrevolution ist nahe, aber Terminkalender, nach denen die Revolution sich entwickeln könnte, gibt es nicht; wir, die wir zwei Revolutionen durchgemacht haben, wissen das sehr gut. Aber wir wissen: wenn es den Imperialisten auch nicht möglich ist, die internationale Revolution aufzuhalten, so sind doch Niederlagen einzelner Länder und noch schwerere Opfer möglich. Sie wissen, dass Russland sich in den Geburtswehen der proletarischen Revolution windet, sie irren sich aber, wenn sie glauben, dass sie durch die Vernichtung des einen Revolutionsherdes die Revolution in den anderen Ländern zertreten werden.

Was uns betrifft, so müssen wir sagen, dass die Lage gefahrvoller ist als irgend jemals, dass es gilt, unsere Kräfte immer und immer wieder anzuspannen. Nachdem wir in einem Jahr ein dauerhaftes Fundament errichtet und die sozialistische Rote Armee auf der Grundlage einer neuen Disziplin geschaffen haben, sagen wir uns voller Zuversicht, dass wir diese Arbeit fortsetzen können und müssen; und auf allen Versammlungen, in jeder beliebigen Sowjetinstitution, in den Gewerkschaften, auf den Versammlungen der Komitees der Dorfarmut müssen wir sagen: Genossen, wir haben ein Jahr hinter uns und haben Erfolge erzielt, doch ist das noch wenig im Vergleich zu dem mächtigen Feind, der gegen uns marschiert. Dieser Feind ist der englisch-französische Weltimperialismus, der die ganze Welt besiegt hat. Wir ziehen in den Kampf gegen ihn, nicht weil wir etwa glauben, es in politischer oder technischer Hinsicht mit den fortgeschrittenen Ländern Europas aufnehmen zu können. Nein, doch wissen wir, dass dieser Feind sich gerade auf der Ebene bewegt, auf der der englisch-französische Imperialismus angekommen ist, der jetzt die Türkei umgarnt, Bulgarien annektiert hat und damit beschäftigt ist, ganz Österreich-Ungarn zu okkupieren und dort ein zaristisches Gendarmen-Regime aufzurichten. Wir wissen, dass er dem Untergang entgegengeht. Wir wissen, dass dies eine geschichtliche Tatsache ist und eben darum sagen wir uns, ohne uns im Geringsten Ziele zu setzen, die unsere Kräfte offenkundig übersteigen: den englisch-französischen Imperialismus können wir zurückschlagen!

Jeder Schritt zur Festigung unserer Roten Armee wird im Lager des so stark scheinenden Gegners als Widerhall zehn Schritte der Zersetzung und der Revolution haben. Darum besteht nicht der geringste Grund, sich der Verzweiflung oder dem Pessimismus zu überlassen. Wir wissen, dass die Gefahr groß ist. Vielleicht legt uns das Schicksal noch schwerere Opfer auf. Ein einzelnes Land kann man eventuell zertreten, aber niemals werden sie die internationale proletarische Revolution zertreten, sie werden sie nur noch stärker entfachen, und sie alle werden in der proletarischen Weltrevolution ihren Untergang finden!

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