Permanente Revolution 19320301 Trotzki und die Rote Armee

Permanente Revolution: Trotzki und die Rote Armee

Zum vierzehnten Jahrestag

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 5 (Anfang März 1932), S. 2 f.]

Am 23. Februar hat es sich zum vierzehnten Mal gejährt, dass durch Dekret die rote Armee gegründet wurde. Ein kurzer Rückblick auf ihre Geschichte erscheint umso wichtiger, als sie in der nächsten Zeit berufen sein kann, eine wichtige Rolle in dem internationalen Kampf zwischen Imperialismus und proletarischer Revolution zu spielen.

Den Grundstock der roten Armee bildeten die roten Arbeitergarden und die Militärorganisation der bolschewistischen Partei. Sie bestand anfangs nur aus Freiwilligen. Die Schaffung einer neuen Armee wurde besonders erschwert durch den elementaren Widerwillen der Massen gegen den Militärdienst nach fast 4 Jahren imperialistischen Krieges und dadurch, dass man die alte Armee hatte völlig zersetzen müssen.

Die erste Prüfung für die junge Armee brachte der Aufstand der mit den Weißgardisten verbündeten tschechoslowakischen Regimenter im Wolgagebiet.

Am 8. August 1918 fuhr Trotzki in seinem berühmt gewordenen Zug an die tschechoslowakische Front in Richtung auf Kasan. Der August 1918 war einer der gefährlichsten Monate für die Sowjetrepublik. In Petrograd wurde Urizki ermordet, in Moskau Lenin durch das Kaplansche Attentat schwer verletzt, Kasan wurde von den Weißen genommen. Der Weg nach Moskau war fast offen. Die rote Armee bestand zu jener Zeit aus einigen verstreuten Abteilungen. Die Disziplin war sehr schlecht, die Organisation noch schlechter. Die Weißen konnten so vorrücken, ohne auf ernsten Widerstand zu stoßen. Die weiteren Ereignisse schildert der bekannte Stalinist Gussew, wie folgt:

«Die Ankunft des Genossen Trotzki brachte eine entscheidende Wendung der Lage. In dem Zug des Gen. Trotzki ist auf die kleine Station Swjaschsk der feste Wille zum Siege, die Initiative und der entschlossene Vorstoß auf allen Gebieten der militärischen Arbeit gekommen … Im Laufe der 25 Tage, die Gen. Trotzki in Swjaschsk verbracht hat, wurde eine ungeheure Arbeit durchgeführt, welche die verwirrten und zersetzten Teile der V. Armee in eine kampffähige Truppe umgewandelt und für die Einnahme von Kasan vorbereitet hat.»

Am 10. September wurde Kasan von der roten Armee genommen. Das war der Wendepunkt. Am 12. September wurde schon Simbirsk genommen. Anfang Oktober waren die Tschechoslowakischen Formationen völlig zerschlagen.

Die Erfahrungen aus diesen Ereignissen beweisen die absolute Notwendigkeit einer festen Zentralisierung und Disziplin in der Armee. Das Parasitentum, die Wahl der Kommandeure durch die Regimenter (welche eine grolle revolutionäre Bedeutung in der alten Armee hatte), die Entscheidung der Regimenter über die Frage des Vormarsches oder Rückzuges, alles das konnte nur zum Zusammenbruch der Sowjetrepublik führen.

Die Notwendigkeiten des Kampfes hatten auch zur Ausnutzung von Offizieren der alten Armee als Militärspezialisten geführt, da die Kommunisten über keinerlei militärische Kenntnisse verfügten. Jedem dieser Offiziere war ein politischer Kommissar beigegeben. Er mischte sich nicht in die rein militärischen Fragen, aber der politische Führer und Repräsentant des proletarischen Staates in der Armee war er.

Die Jahre 1918-19 standen ganz im Zeichen des Kampfes um diese Maßnahmen, die im Feuer der Schlacht geschaffen, erst die Möglichkeit zum Aufbau einer schlagkräftigen Armee gaben.

Dabei musste man verschiedene Widerstände nicht nur von Seiten anarchistisch-partisanenhafter Elemente, sondern auch innerhalb der Partei überwinden. Besonders stark entwickelten sich diese antizentralistischen, partisanenhaften, letzten Endes kleinbürgerlichen Tendenzen in der X. Armee, die unter Stalin und Woroschilow in Zarizyn stand. Hier wurden die Spezialisten mit Schikanen und Hass verfolgt. In dieser Armee gab es keine Disziplin und alles war desorganisiert. Trotzki war der Ansicht, dass ohne die Entfernung Stalins eine Besserung dort nicht zu erzielen war. Nach einer Reihe von Berichten, Briefen, Telegrammen entschied auch Lenin in dieser Richtung. Stalin wurde von Zarizyn abberufen und die X. Armee reorganisiert.

Stalin versuchte auch von Moskau aus Woroschilow, der inzwischen in die Ukraine gegangen war, im alten Sinne weiter zu führen. Jetzt war es mit Lenins Geduld zu Ende. Er gab den Woroschilow u. Co. eine scharfe Zurückweisung Wir bringen hier Auszüge aus 2 Telegrammen Lenins:

1. Juni 19 Nr. 350. An Woroschilow, Meschlansk und andere «Man muss, koste es, was es wolle, unverzüglich aufhören auf den Meetings, indem man alle und jede Arbeit in den Kriegszustand versetzt, … die Disziplin muss militärisch sein.»

«Das Politbüro ist zusammengetreten und ist vollständig einverstanden mit Gen. Trotzki, und weist aufs Entschiedenste den Plan der Ukrainer zurück…»

Durch die enge Zusammenarbeit von Lenin und Trotzki war es auch möglich, die Kinderkrankheiten schnell zu überwinden und die Fundamente des Sowjetstaates zu festigen.

Im März 1919 begann die Offensive Koltschaks in Sibirien. Ende Frühling hat Denikin, der viel gefährlicher war als Koltschak, die Generaloffensive von Süden begonnen. Die Sowjetrepublik verlor eine Stadt nach der andern. Alle Kraft waren gegen Koltschak konzentriert. Im Juni musste er nach schweren Kämpfen den Rückzug antreten. Aber Denikin rückte weiter vor. Er nahm Charkow, im August Tambow, an 14. Oktober Orel und war schon auf dem Weg nach Tula, der letzten Etappe vor Moskau. Koltschak war zwar um diese Zeit schon geschlagen. Gleichzeitig aber eröffnete Judenitsch. aus dem Baltikum kommend, eine Offensive auf Petrograd und stand nur noch einige Kilometer vor Petrograd. Der 21. Oktober war der zweite Schicksalstag des Bürgerkrieges. Im Süden wurde Orel zurückerobert und eine Gegenoffensive begonnen, im Norden wurde der Angriff Judenitschs zurückgeschlagen. Der Zug von Gen. Trotzki war, wie immer, am gefährlichsten Punkt. Sinowjew schrieb damals im Namen der Komintern: «Das rote Petrograd retten, bedeutete den Weltproletariat und damit der Kommunistischen Internationale einen unschätzbaren Dienst erweisen. Der erste Platz in diesen Kampf gehört selbstverständlich Ihnen, werter Gen. Trotzki».

Von da ab ging die rote Armee von Erfolg zu Erfolg. Denikin ging nach Konstantinopel, Wrangel zurücklassend, der sich in der Krim festsetzte. Anfang 1920 trat eine gewisse Stille ein; man hat sogar versucht, einige rote Armeen als Arbeitsarmeen zu verwenden, um die ganz zusammengebrochene Wirtschaft wieder aufzurichten. Aber schon im April 1920 eröffnete das Polen Piłsudskis den Angriff auf die Ukraine. Alle Kräfte waren gegen die polnischen Pans konzentriert. Um diese Zeit stand die Armee schon auf einem bedeutend höheren .Niveau. Kriegsindustrie und Versorgung waren breit ausgebaut. Die rote Armee machte ihren in der Kriegsgeschichte einzig dastehenden Vormarsch gegen Warschau, welcher vor den Mauern Warschaus endete, da die erwartete polnische Revolution nicht eintrat und die rote Armee im eiligen Vormarsch sich schon von ihrer Basis abgelöst hatte. Im Oktober 1920 musste die rote Armee ihren letzten Feind niederringen. Am 30. Oktober der heroische Abschluss mit der Erstürmung des unbezwinglichen Perekop, die die Vertreibung Wrangels aus der Krim beendete. Ende 1920 war der Bürgerkrieg siegreich beendet und die Armee ist zum Friedensstand übergegangen.

Trotz der straffen Disziplin war in der Armee um diese Zeit kein Bürokratismus. Der Bürokratismus hat erst in der nachleninistischen Periode in der Armee seinen Einzug gehalten. Für den Staatsapparat wie die Armee, die vielleicht noch eine entscheidende Rolle spielen wird, birgt das die größten Gefahren. Eine enorme Rolle im Aufbau der Armee spielte die politische Propaganda. Jede Offensive war nicht nur materiell, sondern auch politisch vorbereitet. Die politische Propaganda war wirksam, weil sie den Klasseninteressen entsprach. Der Rotarmist wusste, warum und für was er kämpft, wer sein Gegner im Klassensinne ist. Durch diese psychologische Vorbereitung wurde eine Umstimmung der Armee erreicht.

Die rote Armee ist kein künstlich erstarrter Fremdkörper wie die bürgerlichen Armeen, sondern nur als Teil des kämpfenden Gesamtproletariats, des internationalen Proletariats wirksam. Hierin, und nicht in den wohlgenährten Kulakensöhnen, wie einst Kalinin glaubte, liegt ihre Kraft.

Die rote Armee ist das größte historische Beispiel für einen Block zwischen der Arbeiterklasse und der erdrückenden Mehrheit des Bauerntums. Die Arbeiterschicht war das Skelett der Bauernarmee. Für den Bauer hieß der Sieg der weißen Armee Rückkehr des Großgrundbesitzers und Gendarms, für den Arbeiter des Kapitalisten und Polizisten. Dieser Block ist möglich, weil die einzige Klasse, welche die Interessen der Bauernschaft vertreten konnte, das Proletariat ist, welches darum die Hegemonie sowohl in der Revolution wie in der Armee hatte.

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