Roman Sobolevicius 19320400 Die Parteibürokratie und die Niederlage vom 13. März

Roman Sobolevicius: Die Parteibürokratie und die Niederlage

vom 13. März

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 7 (Anfang April 1932), S. 2 f.]

Das Ergebnis der Wahl bleibt «hinter den objektiven Möglichkeiten, die uns die gegenwärtige Situation bietet zurück. Das Wahlergebnis ist für die Kommunistische Partei unbefriedigend» («R. F.», vom 14. März).

«Die Kommunisten halten es nicht für notwendig, von ihrem Erfolg laut zu schreien» («Prawda«, 17. III. 32).

«Unter diesem Gesichtspunkt sind die fünf Millionen Stimmen für die Kampfkandidatur der KPD beim ersten Wahlgang als großer Erfolg zu bezeichnen. (Thälmann am 23. III. Siehe R. F. vom 30. März.)

Aus diesen Zitaten sieht man, wie innerhalb von 14 Tagen die Niederlage vom 13. März, die «Die Rote Fahne» mit den Worten «unbefriedigendes Ergebnis» ausdrückte, zu einem «großen Erfolg» der KPD geworden ist. Worauf ist dieser Umschwung zurückzuführen? Ist es wirklich so, dass nach einer eingehenden Prüfung die Wahlergebnisse anders zu bewerten sind, als sie «Die Rote Fahne» am 14. März bewertet hat? Sehen wir uns die Zahlen näher an, so ist festzustellen. dass fast in allen ausschlaggebenden Industriebezirken die Partei viel Stimmen eingebüßt hat. Z. B. hat in der «Hochburg Thälmanns», in Hamburg, allein in einigen proletarischen Bezirken: St. Pauli, St. Georg. Barmbek. Elmsbüttel die Partei 23 bis 28% gegenüber den Bürgerschaftswahlen an Stimmen verloren. Auch die Nazis haben dort kleinere Verluste zu verzeichnen. Allein der Hindenburg-Front sind diese Verluste zugute gekommen. Eine Überprüfung der Ergebnisse in anderen Bezirken des Reiches lässt keine optimistische Bewertung für die KPD zu. Es ist bezeichnend, dass der Optimismus in der «R.F.» erst nach dem Artikel in der «Prawda» in Erscheinung tritt. Die «Prawda» muss aber die Niederlage des ZK der KPD in einen Erfolg umtaufen, denn Stalin kann keine Niederlagen vertragen, seine Politik ist unfehlbar. Seine Theorie, dass «Sozialdemokratie und Faschismus Zwillinge sind», hat einen elenden Schiffbruch erlitten, die SPD und die Nazis sind noch stärker geworden, die Partei schwächer. Das darf und kann man nicht feststellen. Deswegen wird der Niedergang vom 13. März zu einem «großen Erfolg der KPD». Der Ton ist gegeben, die Linie aufgezeichnet, und nun können sich die Redakteure und Referenten über den «großen Erfolg» austoben. Dann ist klar, dass die «strategische, und die taktische Linie der Partei sich als vollkommen richtig bestätigt hat» und die Schimpfkanonade auf alle, die anderer Meinung sind, kann weiter und in verstärktem Maße getrieben werden.

Die Lügen der Parteipresse

Der «Erfolg» der Partei bei den Reichspräsidentenwahlen, den die Bürokratie erfunden hat, kann aber die Parteimitglieder nicht befriedigen. Sie wissen zu gut, wie sie die Wahlergebnisse einzuschätzen haben. Die Bürokratie gibt billige Erklärungen ab, um die Mitglieder zu beruhigen. Die sozialfaschistischen Führer seien schuld, weil sie durch die Parole des kleineren Übels die Arbeiter zurückgehalten haben, ihre Stimme für Thälmann abzugeben. Ja, aber darin besteht gerade die Aufgabe der Sozialdemokratie! Dass die SPD und Gewerkschaftsführer Verrat an der Arbeiterklasse üben, weiß jeder Kommunist, dass es die Aufgabe des Gegners ist, die Politik der KPD zu bekämpfen, ist ganz natürlich. Die SPD-Führer können keinen anderen Weg gehen als den, den sie seit dem 4. August 1914 beschritten haben. Darüber sich aufzuregen ist wertlos. Wie ist es aber möglich, dass es der SPD gelingt, trotzdem sie keine Reformen mehr der Arbeiterklasse geben kann, für die Politik des «kleineren Übels» Millionen, ja den größten Teil der deutschen Arbeiterklasse zu gewinnen? Wie ist es möglich, dass die KPD trotz des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion ihren Einfluss in der Arbeiterklasse nicht erweitert? Das sind die Fragen, auf die man eine Antwort geben muss. Das führt aber zu weit: dadurch wird ja gerade klar werden, wie falsch die strategische und taktische Linie der Partei ist. Und das kann die Parteibürokratie nicht zulassen. Deswegen die billige Erklärung, dass die SPD-Führer schuld sind an der Niederlage der KPD.

Ferner sind schuld «die konterrevolutionären Betrugsmanöver der SAP und der Trotzkisten: Für Thälmann – gegen die KPD». Man muss ein Redakteur der «Roten Fahne» sein, um eine solche Unwahrheit über die Linke Opposition schreiben zu können. Das Bruderorgan der «Roten Fahne» in Frankreich, die «Humanité», versteigt sich in dem Artikel von Peri am 13. März zu der Behauptung. dass Trotzki für die Wahl Hindenburgs aufgerufen hat. Den Schreiberlingen der Parteipresse ist aber bekannt. dass die «Permanente Revolution» aufgefordert hat: «Wählt Thälmann, den Kandidaten der KPD» und «Trotz Thälmannkurs, alle Kräfte für Stärkung der KPD». Das sind die Lehren, die die Parteipresse aus den Wahlergebnissen vom 13. März zieht.

Die Parteibürokratie und die «Selbstkritik»

Auf dem Wege der Selbstkritik wird die Partei alle Mängel und Schwächen überwinden, schreibt tagein tagaus die Parteipresse. Wird darunter eine Überprüfung der politischen Linie der Partei, ihrer Aktionen verstanden? Dürfen z. B. die Parteimitglieder sagen, wie sie die Ergebnisse vom 13. März einschätzen? Was ist also Selbstkritik? Dafür einige Beispiele: In Berlin tagte nach den Reichspräsidentenwahlen eine Parteiarbeiterkonferenz. In dieser Versammlung zogen einige Arbeiter aus den Wahlergebnissen Schlüsse dahin, dass man die Politik der Partei korrigieren muss. Das genügte, um ein ununterbrochenes Geheul der Parteibürokratie hervorzurufen. Ein Diskussionsredner, aufgeregt über die fortdauernden Unterbrechungen, musste sogar ausrufen: «Es ist noch schlimmer als bei den Nazis!» und weiter: «Heinz Neumann darf sprechen, aber Arbeiter nicht!» Eine solche «Selbstkritik» war der Bürokratie zu viel, sie schloss vorzeitig die Versammlung. Die Fortsetzung der Versammlung wurde auf Donnerstag den 24. III. anberaumt. Die Bürokratie brauchte die Verschiebung der Versammlung, um die Kritik auszuschalten. Das nachstehende Dokument, das wir ungekürzt bringen, gibt darüber genauen Aufschluss:

Berlin, den 21. März 1932.

An alle Unterbezirksleitungen!

An alle Polleiter der Zellen!

An alle Fraktionsleiter der Massenorganisationen!

Was ist unbedingt zu beachten bei der Verteilung der Einladungen zur Fortsetzung der Parteiarbeiterkonferenz am Donnerstag, den 24. März?

1. Die letzte Parteiarbeiterkonferenz war von 5/6 erwerbslosen Parteigenossen besucht. Also die Funktionäre von der wichtigsten Front, von der Betriebsfront, fehlten fast völlig. Deshalb sind die Einladungen so herauszugeben, dass mehr als die Hälfte Betriebsarbeiter vertreten sind.

2. Die Hälfte der auf der letzten Konferenz anwesenden Genossen war knapp ein Jahr in der Partei, davon wieder 50%, die erst 3 Monate Mitglied der Partei sind. Es muss dieses Mal dafür gesorgt werden, dass wirklich unsere aktiven Parteifunktionäre eingeladen werden und vertreten sind.

Die Unterbezirksleitung, die Polleiter der Zellen und die Fraktionsleiter der Massenorganisationen sind verantwortlich für eine solche Verteilung der Einladungen, so dass es künftig unmöglich ist, durch leichtfertiges Verteilen der Einladungen offenen Parteifeinden Zutritt zu unseren internen Konferenzen zu verschaffen.

Nur so können die verantwortlichen Parteifunktionäre garantieren, dass die kommende Parteiarbeiterkonferenz ein wirklicher Auftakt zur revolutionären Massenarbeit für die nächsten Wochen und Monate im Kampf um den 2. Präsidentschaftswahlgang und um die Preußenwahlen wird.

Mit komm. Gruß!

Sekretariat der B. L.

Das ist ein konkretes Beispiel für die «Selbstkritik» in Berlin. Dasjenige Parteimitglied, das kritisiert, ist ein «offener Parteifeind». In Hamburg verstieg sich in einer Parteiarbeiterkonferenz der politische Leiter des Bezirke, Schubert, zu der Behauptung, dass an dem schlechten Ergebnis der Wahlen in Hamburg die Kampfbund-Kameraden schuldig sind: sie hätten nur nachts die Plakate geschützt und am Tage geschlafen, anstatt auf den Stempelstellen zu diskutieren. Als gegen diese unverschämte Frechheit die Anwesenden protestierten, erklärte Schubert: «Wer bis zum Ende der Wahlen nicht Disziplin halten wird, fliegt hinaus.» So sieht die Selbstkritik aus. Selbstkritik ist der Schwindel, der der Parteibürokratie ermöglicht, die Mitglieder zu beschimpfen und den Mitgliedern jede Kritik an der Politik der Parteiführung verbietet.

So kann es aber weiter nicht gehen. Die Mitglieder beginnen zu erkennen, dass die Parteiführung sie ins Nichts führt. Sie werden Kritik üben. Nach dem zweiten Wahlgang werden die Parteimitglieder noch mehr davon Gebrauch machen. Die Aufgabe der Linken Opposition ist es, die Forderung nach freier Kritik in der Partei in den Vordergrund zu stellen. Hier muss die erste Bresche geschlagen werden.

r.w.

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