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4. August 1914

Am 4. August 1914 stimmte die deutsche Sozialdemokratie im Reichstag für die Kriegskredite. Die politische Deklaration der sozialdemokratischen Fraktion wurde in ihrem Auftrag von Haase vorgetragen; sie schloss mit den Worten: „Wir werden für die verlangten Kredite stimmen.“ Nachträglich stellte sich heraus, dass in der sozialdemokratischen Reichstags-Fraktion eine Einmütigkeit in der Kriegskredit-Frage nicht bestand: für die Bewilligung stimmten 78, dagegen 14 sozialdemokratische Abgeordnete (Karl Liebknecht u. a.). „Nach außen“ trat die Fraktion jedoch mit einer einheitlichen Deklaration auf, und der Minderheit wurde die Abgabe von irgendwelchen besonderen Erklärungen verboten. Während der Abstimmung verließ Liebknecht den Sitzungssaal. Das Zentralorgan der österreichischen Sozialdemokratie, die „Arbeiter-Zeitung“ bezeichnete in ihrer Nummer vom 5. August den Tag der Bewilligung des Kriegsbudgets im Reichstag als „Tag des deutschen Volkes“. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 18, Anm. 3]

Am 4. August 1914 lief die alte Sozialdemokratie mit fliegenden Fahnen ins Lager des Bürgertums und des Imperialismus über, indem die Reichstagsfraktion der SPD für die Kriegskredite stimmte. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 67]

Die „historische Abstimmung vom 4. August“ (1914) war die Stimmenabgabe der sozialdemokratischen Fraktion des deutschen Reichstages für die Kriegskredite. Diese Abstimmung wurde in einer vom Fraktionsvorsitzenden Haase abgegebenen Erklärung folgendermaßen begründet: „Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schrecknisse feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel … für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Siege des russischen Despotismus … viel, wenn nicht alles auf dem Spiele. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. Wir lassen in der Stunde des Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen … Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite.“ Innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion des Reichstages waren nur 14 Abgeordnete gegen die Bewilligung der Kriegskredite, 78 aber dafür, wobei Karl Liebknecht in der Fraktion am konsequentesten gegen die Bewilligung der Kriegskredite auftrat. In der Sitzung des Reichstages selbst stimmte die gesamte Fraktion für die Kriegskredite, die Minderheit fügte sich der Disziplin. Liebknecht gab eine Erklärung ab, in der er u. a. sagte: „Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie und Bankkapital. Es handelt sich … um einen von der deutschen und österreichischen Kriegspartei gemeinsam im Dunkel des Halbabsolutismus und der Geheimdiplomatie hervorgerufenen Präventivkrieg. Es handelt sich auch um ein bonapartistisches Unternehmen zur Demoralisierung und Zertrümmerung der anschwellenden Arbeiterbewegung … Die deutsche Parole ,Gegen den Zarismus' diente … dem Zwecke, die edelsten Instinkte, die revolutionären Überlieferungen und Hoffnungen des Volkes für den Völkerhass zu mobilisieren.“ Karl Liebknecht fügte sich jedoch am 4. August im Reichstage noch dem Fraktionsbeschluss und stimmte mit 13 anderen Abgeordneten, welche gegen die Bewilligung der Kriegskredite waren, für sie. Bei der zweiten Abstimmung für die Kriegskredite in der Reichstagssitzung vom 2. Dezember 1914 stimmte er bereits gegen die Bewilligung. Sein Auftreten gegen die Kriegskredite war die Fortsetzung seines entschiedenen Kampfes, den er gegen den Militarismus führte und ein Bestandteil der überaus aktiven Agitationsarbeit gegen den Krieg, die er trotz aller seiner Irrtümer, welche er mit anderen deutschen Linken teilte, während des Krieges zur Entlarvung des Imperialismus und im Kampfe mit den Sozialchauvinismus, besonders als einer der Hauptführer des „Spartakusbundes“, leistete. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 65]

Die Wurzeln des „schmachvollen Zusammenbruchs“ der deutschen Sozialdemokratie im Jahre 1914, d. h, des vollständigen Verrats am Sozialismus sowie des unumschränkten Übergangs auf die Seite der Bourgeoisie während des imperialistischen Krieges sind im Wachstum und im endgültigen Sieg des Opportunismus in der deutschen Sozialdemokratie zu suchen, die sich noch vor diesem Krieg vollzogen und sich bereits in den ersten Kriegstagen mit völliger Klarheit offenbarten, als die sozialdemokratische Fraktion in der Sitzung des Reichstags vom 4. August 1914 für die Kriegskredite stimmte. Damals verlas Haase im Namen der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion eine Deklaration, die mit den Warten endet: … „bewilligen wir die geforderten Kriegskredite“. Innerhalb der Fraktion herrschten Meinungsverschiedenheiten: für die Gewährung der Kredite sprachen sich 78 sozialdemokratische Abgeordnete aus, dagegen – 14 (Karl Liebknecht und andere). Es wurde jedoch der Minderheit untersagt, im Reichstag selbst mit einer Sondererklärung aufzutreten. Sogar Karl Liebknecht, der unermüdliche Kämpfer gegen den Militarismus, fügte sich damals der Parteidisziplin (bei der neuerlichen Abstimmung über die Kriegskredite in der Reichstagssitzung vom 2. Dezember 1914 stimmte er bereits dagegen).

Über den Zusammenbruch der deutschen Sozialdemokratie und gleichzeitig damit auch der gesamten II. Internationale siehe insbesondere den Artikel „Der Zusammenbruch der II. Internationale“. [Lenin, Ausgewählte Werke Band 7, Anm. 25]

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