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Leo Trotzki 19171106 Bericht auf der außerordentlichen Sitzung des Petrograder Sowjets über die Tätigkeit des Militärischen Revolutionskomitee

Leo Trotzki: Bericht auf der außerordentlichen Sitzung des Petrograder

Sowjets über die Tätigkeit des Militärischen Revolutionskomitee

(24. Oktober)1

[I: „Rabotschij Putj" Nr. 46, 26. Oktober/8. November 1917, II: „Iswestija" Nr. 206, 25. Oktober 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925. I verglichen mit Leon Trotsky Speaks. New York 1972, S. 69 f.]

I

Genosse Trotzki legt die Geschichte des Konflikts mit dem Stab des Militärbezirks dar und berichtet dann über einige Versuche der Provisorischen Regierung, Truppen gegen Petrograd gegen die Revolution zu ziehen. Aber alle diese Versuche werden vom Militärischen Revolutionskomitee paralysiert.

Wir haben keine Angst, Verantwortung für die Erhaltung der revolutionären Ordnung in der Stadt zu übernehmen. Heute erklärt das Militärische Revolutionskomitee dem Volk von Petrograd, dass „der Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten den Schutz der revolutionären Ordnung gegen konterrevolutionäre und Pogromangriffe übernimmt".

Heute wurden wir von einer Delegation der städtischen Selbstverwaltung besucht. Die Delegation fragte uns: Wie betrachten wir den Schutz der Ordnung in der Stadt? Die Regierung hat weder Stärke noch Macht, sie sehen es. Die Delegation brachte sogar das Gerücht in Umlauf, dass die Regierung beabsichtige, die Macht an die städtische Selbstverwaltung zu übertragen.

Den Delegierte der städtischen Selbstverwaltung haben wir geantwortet, dass wir zur Aufrechterhaltung der revolutionären Ordnung bereit sind, unsere Tätigkeiten mit den Tätigkeiten der Stadtduma zu koordinieren. Ein Vertreter des Exekutivkomitees des Petrograder Sowjets ist seit den Kornilowtagen zur Stadtregierung delegiert. Auf der anderen Seite schließt das Militärische Revolutionskomitee des Petrograder Sowjets einen Vertreter der Stadtregierung ein.

Die Delegation fragt uns nach dem Aufstand und dem Aufruhr. Zu diesem Thema haben wir ihnen gesagt, was wir hier wiederholt gesagt haben. In dieser Hinsicht wurde kein einziges Wort geändert. Wir haben der Delegation geantwortet:

Alle Macht den Sowjets" ist unser Losung. In der bevorstehenden Periode, der Periode der Sitzungen des Allrussischen Sowjetkongresses, muss diese Losung umgesetzt werden. Ob dies zu einem Aufstand oder einem Aufruhr führt, hängt nicht nur von den Sowjets ab, sondern von denjenigen, die entgegen dem einstimmigen Willen des Volkes die Staatsmacht in ihren Händen halten.

Das Militärische Revolutionskomitee entstand nicht als Aufstandsorgan, sondern auf der Grundlage der Selbstverteidigung der Revolution. Als die Kerenski-Regierung beschloss, Petrograd zu entwaffnen und Truppen von hier abzuziehen, sagten wir, dass dies im Interesse der Verteidigung der Revolution nicht zulässig sei. Als gestern diese Regierung zwei Zeitungen schloss, die einen großen Einfluss auf das Petrograder Proletariat und die Garnison ausübten, sagten wir, wir könnten die Erdrosselung der Freiheit des Wortes nicht dulden, und die Zeitungen beschlossen, die Veröffentlichung wieder aufzunehmen und die ehrenvolle Bewachungspflicht der Druckerpressen der revolutionären Zeitungen übernahmen die tapferen Soldaten des litauischen Regiments und des 6. Reservebataillons.

Gibt es einen Aufstand?

Wir haben eine Halbmacht, der das Volk nicht vertraut und die sich selbst nicht vertraut, denn sie ist innerlich tot. Diese Halbmacht erwartet den Schwung des historischen Besens, der den Platz für die wahre Macht des revolutionären Volkes freimacht.

Die Regierung begann, die Junker zu mobilisieren, gleichzeitig gab sie dem Kreuzer „Aurora" den Befehl, abzuziehen. Warum hat die Regierung die Matrosen entfernt, als die Junker gerufen wurden? Die Gründe sind klar. Das sind die Matrosen, vor denen Skobelew in den Kornilow-Tagen mit dem Hut in der Hand erschien, um sie zu bitten, den Winterpalais vor den Kornilowisten zu beschützen. Die Matrosen der „Aurora" erfüllten die Bitte Skobelews. Und jetzt versucht die Regierung, sie zu entfernen. Aber die Matrosen baten um den Rat des Militärischen Revolutionskomitees. Und die Aurora ankert heute, wo sie letzte Nacht ankerte.

Morgen wird der Sowjetkongress eröffnet. Die Aufgabe der Garnison und des Proletariats besteht darin, dem Kongress die gesammelte Kraft zur Verfügung zu stellen, die durch die Provokation der Regierung gebrochen worden wäre. Unsere Aufgabe ist es, diese Kraft dem Kongress zu bringen, indem wir ungespalten, unbeschädigt bleiben.

Wenn der Kongress sagt, dass er die Macht organisiert, wird er diese Arbeit beenden, die im ganzen Land durchgeführt wurde. Das bedeutet, dass das Volk, das von der Macht der konterrevolutionären Regierung befreit ist, seinen Kongress einberufen und seine Macht schaffen wird.

Wenn die imaginäre Macht einen hitzigen Versuch unternimmt, ihre eigene Leiche wiederzubeleben, dann werden die organisierten und bewaffneten Volksmassen entschiedenen Widerstand leisten, und dieser Widerstand wird umso stärker sein, je stärker der Angriff der Reaktion sein wird. Wenn die Regierung die 24 oder 48 Stunden, die ihr zur Verfügung stehen, für den Versuch benutzen wird, der Revolution ein Messer in den Rücken zu stechen, dann erklären wir, dass die Vorhut der Revolution Schlag mit Schlag, Eisen mit Stahl beantworten wird.

Auf die Frage nach der Haltung gegenüber den linken Sozialrevolutionären antwortet Genosse Trotzki:

Im Präsidium des Militärischen Revolutionskomitees sind von 5 Personen zwei linke Sozialrevolutionäre – die Genossen Lasimir und Sacharkow. Sie arbeiten dort ausgezeichnet, wir haben keine grundlegenden Differenzen mit ihnen.

Heute Abend wurde uns mitgeteilt, dass die Fraktion der linken Sozialrevolutionäre sich aus dem Vorparlament zurückzieht und ihren Vertreter in das Militärische Revolutionskomitee entsendet.2

Also haben wir uns im Kampf gegen den gemeinsamen Feind – die Konterrevolution – gefunden.

II

Diese Nacht wurden der Petrograder Sowjet und das Militärische Revolutionskomitee alarmiert.

Nachts erhielten wir die Information, dass die Provisorische Regierung aus Zarskoje Selo ein Bataillon Schocktruppen, aus Oranienbaum eine Fähnrichsschule, aus Pawlowska Artillerie herbeigerufen hatte. Am frühen Morgen erhielten wir Informationen über die Schließung von zwei Zeitungen – „Soldat" und „Rabotschij Putj".

Aber das Militärische Revolutionskomitee blieb nicht passiv und infolgedessen weigerten sich die von der Provisorischen Regierung gerufenen Abteilungen mit Ausnahme einer kleinen Gruppe von Junkern auszurücken.

Darüber hinaus schlug das Militärische Revolutionskomitee vor, dass das litauische Regiment den Schutz der Druckereien unserer Zeitungen zu übernimmt, was sofort ausgeführt wurde. Derzeit funktionieren diese Druckereien ordnungsgemäß. Ebenso wenig wurde der Befehl der provisorischen Regierung befolgt, dass der Kreuzer „Aurora“ den Anker einholt und von Petrograd wegfährt. Auf Vorschlag des Militärischen Revolutionskomitees befindet sich der Kreuzer „Aurora“ am selben Ort, an dem er gestern ankerte.

Heute kam eine Delegation des Petrograder Stadtverwaltung aus 6 Personen in den Petrograder Sowjet: 3 Sozialrevolutionäre, ein Menschewik und 2 Bolschewiki, und fragte uns, welche Maßnahmen der Petrograder Sowjet zur Ordnung in der Stadt ergreift, und auch berichtete, dass die provisorische Regierung die Macht an die Petrograder Duma übertragen werde.

Wir antworteten, der Petrograder Sowjet kümmere sich um die Sicherheit der Bewohner von Petrograd und halte es für möglich, seine Arbeit mit der Petrograder Duma zu koordinieren. Wir haben ihnen auch einen Platz im Militärischen Revolutionskomitee angeboten.

Uns wurde die Frage gestellt: Erwarten Sie einen Aufruhr? Ich antwortete, dass der Petrograder Sowjet die Übertragung aller Macht an die Sowjets befürworte, und zu dieser Zeit, in dem Augenblick, in dem der Allrussische Sowjetkongress der Arbeiter- und Soldatendeputierten seine Sitzungen heute und morgen eröffnet, werde diese Losung praktisch umgesetzt – aber ob dies zu einem Aufruhr führen werde, hänge nicht von uns ab, sondern von denen, die sich uns widersetzen.

Wir glauben, dass die Macht, die wir jetzt in Gestalt der provisorischen Regierung haben, nichts als eine halbe Macht, eine elende und hilflose Halbmacht ist, die auf den Schwung des historischen Besens wartet, der den Platz für die echte Volksmacht freimacht. Das ist die Macht, die alles verloren hat: Unterstützung, Autorität, Recht, Moral.

Aber ein bewaffneter Konflikt heute oder morgen ist nicht Teil unserer Pläne – an der Schwelle des Allrussischen Sowjetkongresses. Wir glauben, dass der Allrussische Sowjetkongress unseren Losung mit mehr Kraft und Autorität versehen wird. Aber wenn die Regierung die ihr verbleibende Zeit nutzen – 24, 48, 72 Stunden – und gegen uns aufzutreten will, dann werden wir mit einem Gegenangriff reagieren, Schlag gegen Schlag, Stahl gegen Eisen.

Nach dem Bericht beantwortet L. Trotzki einige der Fragen, die ihm einzelne Mitglieder der Versammlung gestellt haben: Sind die Brücken [über die Newa] hochgezogen? Stimmt es, dass die Junker in den Straßen Durchsuchungen vornehmen? usw. L. Trotzki erwies sich als nicht unterrichtet und sandte alle zur Information an das Militärische Revolutionskomitee. Nach der inhaltlichen Ergänzung, dass in solch einer unruhigen Zeit eine kontinuierliche Verbindung zwischen Arbeitern und Soldaten, Bezirkssowjets, Fabrikkomitees, Militäreinheiten und dem Smolny-Institut erforderlich ist, schließt Trotzki seinen Bericht mit der Feststellung ab, dass die Fraktion der Linken Sozialrevolutionäre des Vorparlaments nach der heutigen Sitzung im Smolny erschien und den Wunsch äußerte, dem Militärischen Revolutionskomitee beizutreten.

1 Die Redaktion veröffentlicht zwei Berichte über diesen Bericht.

2 Tatsächlich verwirklichten die linken Sozialrevolutionäre ihre verspätete Absicht nicht, sich aus dem Vorparlament zurückzuziehen. In der letzten Sitzung vom 24. Oktober sprachen die Führer der linken Sozialrevolutionäre – Karelin und Kamkow – in der Debatte nach Kerenskis berühmter Rede. Die Fraktion der Linken Sozialrevolutionäre stimmte zusammen mit anderen Fraktionen, die Teil des sogenannten Linksblocks waren, für eine Resolution des offenen Misstrauens gegenüber Kerenski, die vom Vorparlament in der Sitzung vom 24. Oktober angenommen wurde.

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