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Leo Trotzki 19171117 Rede auf der ZEK-Sitzung zur Anfrage der Linken Sozialrevolutionäre

Leo Trotzki: Rede auf der ZEK-Sitzung zur Anfrage der

Linken Sozialrevolutionäre

(4. November)

[„Protokoll der Sitzungen des ZEK der 2. Einberufung", S. 28. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

1.

Genosse Trotzki erinnert daran, dass die Sozialrevolutionäre Partei von Vertretern des alten ZEK während der Kerenski-Regierung weder auf ihrem rechten noch ihrem linken Flügel strenge Rechenschaft verlangte. Unser Sowjetparlament unterscheidet sich jedoch von einem üblichen Parlament darin, dass wir keine Vertreter verschiedener feindlicher Klassen haben. Unsere Macht ist die Macht der Klassen der Werktätigen und der Unterdrückten, und alle üblichen parlamentarischen Mechanismen wären unangebracht und nutzlos. Interne parlamentarische Regelungen dienen in der Regel nur dazu, die antagonistischen Klassen im Parlament selbst und die Deputierten vom Einfluss der Wähler zu befreien. Unter dem Deckmantel der falschen Forderungen des parlamentarischen Auftrags erhält der Deputierte die Möglichkeit, sich voll und ganz von den Forderungen der Masse zu befreien, die ihn gewählt hat. Das haben wir nicht. Unsere gewählten Vertreter sollten sich nicht hinter dem Schild des Formalismus verstecken. Bei uns ist die Verbindung zwischen Deputierten und Wählern ungefähr die gleiche, die in einer Gewerkschaft existiert, – die Verbindung ist lebendig und direkt. Lassen Sie uns nicht formale Garantien haben, haben wir doch echte Möglichkeiten, unsere Macht zu bekunden. Sie können jederzeit die Volkskommissare zurückziehen. Sie können Ihre Kontrolle tatsächlich auf diese Weise ausüben. Die Sowjetmacht wird nicht durch Verschwörungen der Führer und Parteiführer hinter den Kulissen geschaffen, wie wir zum Beispiel in Frankreich sehen. Unsere Macht äußert sich als der wahre Wille der organisierten Massen. Mögen die Dekrete äußerlich klobig, mögen sie ungekämmt und holprig sein, aber das Recht des lebendigen Schaffens steht über der formalen Vollkommenheit. Und unsere Tätigkeiten tragen bereits Früchte. Es gab nicht nur in der ganzen Weite Russlands, sondern auch im Ausland Reaktionen. Das Dekret über den Boden erfüllte so sehr die Erwartungen des Volkes, dass die Verzögerung seiner Verkündung für auch nur einen Tag auch durch die Notwendigkeit einer äußeren Vollendung und Vervollkommnung nicht gesühnt werden konnte. Mögen die Müden gehen! Quantitativ schwach, aber qualitativ stark werden wir mit stolz erhobenem Haupt unseren Weg vorwärts fortsetzen. Ein Redner sprach über den Verfall der Macht. Aber das ist nicht Verfall, es ist Klärung. Wir, der Rest, glauben, dass man weder der Bourgeoisie noch den zwischenschicht-intelligenzlerischen Kompromissler-Gruppen Zugeständnisse machen sollte. Wenn Sie uns nicht zustimmen, berufen Sie uns ab, aber wir können unsere Linie nicht ändern.

2.

Genosse Trotzki sagt, dass das Zentralkomitee der Bolschewiki keine Bestreben hatte, sich Macht anzueignen. Die Bolschewiki schlugen dem 2. Kongress vor, die Macht zu übernehmen, auf dem es Vaterlandsverteidiger gab. Wenn die letzteren fortgegangen sind und nicht dem Willen der Mehrheit gehorchen wollen, liegt der Fehler nicht bei den Bolschewiki. Wir haben auf das Angebot des Wikschel reagiert, aber wir können das Programm der neuen Regierung nicht wegen des Phantoms einer Vereinbarung opfern.

3.

Genosse Trotzki sagt, dass die Fraktion der Linken Sozialrevolutionäre das volksfeindliche Gepäck illegal in die Regierung schleppen will – eine Koalition mit Awksentjew und eine Pressefreiheit, die dem Finanzkapital dient. Mit diesem Gepäck dürfen wir die Linken Sozialrevolutionäre nicht in den Rat der Volkskommissare einlassen. Entweder Awksentjew oder wir.

4.

Nach dem Einwand des Genossen Malkin1 weist Genosse Trotzki darauf hin, dass Einzelpersonen und Gruppen nicht als solche anrüchig sind, aber die Taktik dieser Personen und Gruppen anrüchig ist. Wenn die Linken Sozialrevolutionäre dem Rat [der Volkskommissare] beitreten wollen, werden wir darüber glücklich sein, aber wir können das Land nicht des Machtapparats berauben zu der Zeit, in der Verhandlungen (die wir jedoch nicht behindern) mit denen im Gange sind, die gegen die Sowjets kämpfen. Wenn Sie jetzt nicht mit uns gehen wollen und uns gleichzeitig beschuldigen, dass wir alleine sind, also nicht die Revolution des Regierungsmechanismus berauben zugunsten des Linsengerichts einer illusionären Vereinbarung, bedeutet das, dass Sie kein eigenes Gesicht haben. Sie sind ein Schatten, denn Götz und Dan sind Schatten der Bourgeoisie, und sie sind nur ein Schatten dieser Götze.

1 Diese Bemerkung wurde durch die Bemerkung des linken Sozialrevolutionär Malkin verursacht, der erklärte, dass Trotzkis Ultimatum: entweder Awksentjew oder wir – die gestrige Resolution der ZEK über die Verhandlungen mit den selben Götz' und Awksentjews diffamiere.

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