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Leo Trotzki 19171006 Rede in der Sitzung des Demokratischen Rats zum Bericht Zeretelis über die gemeinsame Sitzung der Provisorischen Regierung mit der Delegation der Demokratischen Beratung

Leo Trotzki: Rede in der Sitzung des Demokratischen Rats

zum Bericht Zeretelis über die gemeinsame Sitzung

der Provisorischen Regierung mit der Delegation der

Demokratischen Beratung

(23. September)1

[„Iswestia“ Nr. 181, 26. September 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 1. Москва-Ленинград, 1924]

Der Bericht des Genossen Zereteli machte einen seltsamen Eindruck auf mich und, denke ich, auf viele andere. Man konnte denken, dass der Sprecher versucht, mehr sich als andere zu überzeugen, oder vielleicht glaubt er, dass, wenn die Versammlung aus seinem Bericht eine Schlussfolgerung zieht, die das Gegenteil von der Aufgabe seines Berichts ist, er sich selbst mit dem Unvermeidlichen versöhnen wird. Ich werde genauer sagen: Es war keine Überzeugung oder Vertrauen in dem Ton des Berichts und in den Argumenten. Und es wäre ein wahres Wunder, wenn Zereteli uns nach all den durchgeführten Experimenten zugunsten von neuen Experimenten auf demselben Weg überzeugen könnte.

Zuerst denke ich, dass wir sagen müssen, dass die Kommission, die Sie mit der bekannten Aufgabe betraut haben, von den Normen abgewichen ist, die Sie ihr gegeben haben.

Die Demokratische Beratung lehnte die Koalition mit den Kadetten ab – das ist eine Tatsache, die keine weiteren Abstimmungen geändert haben.

Ein anderes Prinzip, das auch festgestellt wurde, ist die Notwendigkeit, Kerenskis unverantwortliche persönliche Autorität als höchster Super-Schiedsrichter zwischen verschiedenen Parteien und Klassen ein für allemal zu beenden.

Beide Prinzipien, die auf der Demokratischen Beratung festgelegt wurden, wurden von der Kommission bei der Durchführung der Aufgabe, die Sie ihr zugewiesen haben, demonstrativ verletzt. Es fand ein Treffen statt, bei dem Vertreter der Demokratie einerseits, Industrielle und Kadetten andererseits unter der obersten Führung des üblichen Oberschiedsrichters Kerenski als Kontrahenten handelten.

Das zeigt uns wieder, dass, wenn die Demokratie in einer absolut undurchdringlichen Revision und Verletzung des Gebotes eine Koalition mit den Kadetten macht, man dann über den Prinzipien der Demokratie ein Kreuz machen muss.

V. M. Tschernow sagte, dass jetzt die Aufgabe einfacher sei – wir haben das Programm vom 14. August, zeigen wir es der öffentlichen Aufmerksamkeit und sagen: der Mensch lebt, antwortet!

Was war es wirklich? Zereteli erzählte uns davon. Wir sprachen über eine Sache, sprachen über einen anderen Punkt des Programms, sprachen über die Kontrolle – unter anderem die Produktionskontrolle. Konowalow (ich weiß aber nicht, ob es Konowalow oder Tretjakow war, sie haben verschiedene Pseudonyme) – sagte, dass dies Arbeiterkontrolle sei. Zereteli erklärte ihm, dass dies eine allgemein-demokratische Kontrolle sei. Und die allgemein-demokratische Kontrolle! – die nehmen wir an.

Wir erinnerten uns in den Wandelgängen, dass Skobelew schon seit einiger Zeit mit Konowalow im selben Ministerium gesessen hatte und genug Zeit hatte, Konowalow zu erklären, welche Kontrolle es ist: Arbeiter- oder demokratische. Aber entweder war der Lehrer Skobelew ein schlechter Lehrer oder es gab ein Missverständnis, doch Konowalow verließ das Ministerium.

Als Zereteli ihn aufklärte, dass es eine demokratische Kontrolle und keine Arbeiterkontrolle sei, antwortete Konowalow: Wir nehmen das Programm des 14. August an.

Wir finden, dass hier etwas faul ist, Bürger Zereteli, und auf einer solchen Grundlage aufzubauen, wird nicht gelingen.

Man muss für Sauberkeit eintreten und direkt sagen: Wir werden alle Programme fallen lassen, wir werden die Resolutionen und Beschlüsse unserer eigenen Demokratischen Konferenz ablehnen, die uns eine Koalition mit den Kadetten verbietet, denn die Situation ist so, dass wir die Macht mit den Kadetten bilden müssen. Es wird in gutem Gewissen sein. Diese Diplomaten, diese und diese Botschaften, Financiers sagen uns, nicht auf die Kadetten zu verzichten. Das wird verständlich sein, diese Position der Bankzeitungen und Bankangestellten wird verständlich sein. Das ist eine andere Sache, aber die Demokratie kann diese Ansicht nicht teilen. Und Zereteli, denke ich, teilt sie nicht. Aber dann müssen Sie andere Gründe bringen. Sie müssen sagen, dass wir unter dem Damoklesschwert handeln, dass wir keine Alternative haben. Warum sollten wir uns täuschen …

(Zereteli aus dem Plenum: „ich sagte das.“)

Nein, das ist nicht genau das, was Sie gesagt haben, Bürger Zereteli. Sie sagten, dass die Umsetzung des Programms garantiert sei – anstatt offen zu sagen, dass die Kadetten und Industriellen hinreichend davon überzeugt waren, dass kein Programm sie in irgendeiner Weise hindert, dass sie frei in das Kabinett eintreten oder es verlassen können. Das Programm bleibt völlig unverwirklicht, sie haben das genug verstanden, um uns zu verspotten und uns verspottend diese Programme zu übernehmen.

Das musste jetzt gesagt werden. Das haben Sie nicht gesagt.

Ich hoffe, dass Sie hier niemanden irreführen, wo wir alle ganz erfahrene politische Menschen sind. Aber außerhalb der Mauern dieses Gebäudes können andere irregeführt werden. Unsere Partei will das nicht, und wir drängen die breiten Massen, diesen Verhandlungen nicht zu vertrauen.

Ich werde nicht den Standpunkt unserer Partei für die nächsten Aufgaben der internationalen Politik entwickeln, das werde ich in nicht 10 Minuten sagen. Der Weg, zu dem wir jetzt aufgefordert werden, wurde versucht. Er wurde bis zum Ende versucht, und ein Versuch, hier uns, Vertretern der Arbeiter, Soldaten und Bauern zu versichern, dass dies eine Koalition aller lebenden Kräfte des Landes ist, nachdem wir wissen, wie wirklich demokratische Organisationen vor Ort, Parteiorganisationen, Gewerkschaften, über die Frage einer Koalition mit den Kadetten denken – dieser Versuch ist ein Versuch mit falschen Mitteln. Nachdem auch die demokratische Beratung, deren Zusammensetzung wir kennen und die uns zutiefst unbefriedigt lässt, mit einer Mehrheit von 100 Stimmen gegen die Koalition mit den Kadetten gestimmt hat, können wir noch sagen, dass diese Koalition eine Allianz der lebendigen Kräfte das Land ist? Jetzt ist die Koalition ein Spott auf unsere tragische Wirklichkeit, diese Koalition ist eine Allianz von einigen der Spitzen der sogenannten Demokratie mit den Kadetten gegen die Arbeiter, gegen die Soldaten und gegen die revolutionäre Bauernschaft.

Genosse Trotzki beendet seine Rede mit der Verlesung der folgenden Resolution:

Wir, die Fraktion der RSDRP (Bolschewiki), sagen, dass die offiziellen Vertreter der Demokratischen Beratung in völligem Widerspruch zu ihren eigenen Erklärungen während der Beratung und den Entscheidungen dieser letzteren der Demokratie vorschlagen: 1) die tatsächliche Ablehnung des revolutionären Rechts auf die Macht, 2) eine grundlegende Anerkennung von Kerenskis Verantwortungslosigkeit und 3) eine Koalition mit Zensus- und Kadetten-Elementen. Wir erklären, dass das Akzeptieren dieser Bedingungen eine offene Missachtung des Willens der Massen des Volkes bedeuten würde, auf die die Demokratische Beratung sich stützen will und in deren Namen wir sprechen, ]des Willens] des Petrograder Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, des Moskauer Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, des kaukasischen Regionalsowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten, des finnischen Regionalsowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten, des Uraler Regionalsowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der Sowjets von Kronstadt, Odessa, Jekaterinburg, des Donezk-Beckens, von Baku, Reval, Kiew, fast des ganzen Sibiriens, des Petrograder Rats der Gewerkschaften, zahlreicher Sowjets der Bauerndeputierten und vieler anderer Revolutionsorgane, deren überwältigend Mitgliedermehrheit feststellte, dass sie die Koalition mit der konterrevolutionären Bourgeoisie für unzulässig halten, die nun ganz unter dem Banner der Kadettenpartei steht. Das Koalitionskabinett würde einen entscheidenden Sieg für die Kadettenpartei über die Revolution und das Volk bedeuten. Unter diesen Bedingungen eine Koalition anzunehmen würde bedeuten, Verantwortung für eine Lage zu übernehmen, die unvermeidlich die verzweifelten Massen zu spontanem Handlungen drängen wird, was bedeutet, einen Bürgerkrieg zu provozieren. Gemeinsam mit allen Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, zusammen mit Millionen von Arbeitern, Soldaten und Bauern, wird unsere Partei sich weigern, die Koalitionsregierung in jeglicher Form zu unterstützen und die Volksmassen dazu bringen, für die Schaffung einer Volksregierung zu kämpfen gestützt auf die Sowjets im Zentrum und vor Ort. Und deshalb schlagen wir dem Demokratischen Rat vor: 1) die Verhandlungen unter Kerenskis Führung mit der Zensusbourgeoisie abzubrechen und 2) die Schaffung einer wirklich revolutionären Regierung zu beginnen.“

1 Diese Sitzung fand hinter verschlossenen Türen statt. Nach dem Bericht Zeretelis über die Verhandlungen über die Macht schlug Dan folgende Resolution vor:

Der Demokratische Rat erkennt nach Anhören des Berichts des Genossen Zereteli in der Bildung des Vorparlaments, dem die Regierung verpflichtet ist, einen wichtigen Schritt zur Schaffung einer stabilen Regierung und zur Umsetzung des Programms vom 14. August … Der Demokratische Rat hält es für notwendig, die förmliche Verantwortung der Regierung gegenüber dem Vorparlament festzulegen, und bekennt, dass diese Bedingungen der Vereinbarung akzeptabel sind, erklärt, dass die Macht einer solchen Regierung gehören kann, die das Vertrauen des Vorparlaments hat.“

Genosse Trotzki war der erste Fraktionssprecher. Die von ihm vorgeschlagene Resolution wurde mit 111 Stimmen gegen 58 abgelehnt. Die Resolution Dans wurde mit 109 gegen 84 Stimmen bei 22 Stimmenthaltungen angenommen.

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