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Leo Trotzki 19171107 Reden auf dem Zweiten Allrussischen Sowjetkongress

Leo Trotzki: Reden auf dem Zweiten Allrussischen Sowjetkongress

[„2-j Wserossijskij Sjesd Sowjetow.
Pjerwije schagi Sowjetskogo Prawitelstva“. Isd. Kronschtadtskogo Komiteta R.S.-D.R.P. 1917 g. = „2. Allrussischer Sowjetkongress. Die ersten Schritte der Sowjetregierung.“ Herausgegeben vom Kronstädter Komitee der SDAPR 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925, verglichen mit Leon Trotsky Speaks. New York 1972, S. 75-82]

1. Zum Auszug der Menschewiki und Sozialrevolutionäre

(25. Oktober)

Der Aufstand der Massen", so Genosse Trotzki, „muss nicht gerechtfertigt werden, was geschehen ist, war keine Verschwörung, sondern ein Aufstand. Wir haben die revolutionäre Energie der Petrograder Arbeiter und Soldaten gestählt, wir haben offen den Willen der Massen für einen Aufstand und nicht für eine Verschwörung geschmiedet.“

Abschließend schlägt Genosse Trotzki im Namen der bolschewistischen Fraktion die folgende Resolution vor:

Der zweite Allrussische Kongress der Sowjets erklärt:

Der Auszug der menschewistischen und sozialrevolutionären Delegierten aus dem Kongress stellt einen ohnmächtigen kriminellen Versuch dar, die bevollmächtigte allrussische Vertretung der Arbeiter- und Soldatenmassen in einer Zeit zu sprengen, in der die Vorhut dieser Massen den Kongress und die Revolution mit Waffen in ihren Händen gegen den Ansturm der Konterrevolution verteidigt.

Die Kompromisslerparteien haben mit ihrer früheren Politik der Sache der Revolution unermessliche Schäden zugefügt und sich in den Augen der Arbeiter, Bauern und Soldaten hoffnungslos kompromittiert.

Die Kompromissler bereiteten die katastrophale Offensive des 18. Juni vor und genehmigten sie, die die Armee und das Land an den Rand des Untergangs führte.

Die Kompromissler unterstützten die Regierung der Todesstrafe und des Volksverrats. Die Kompromissler unterstützten 7 Monate lang die Politik der systematischen Täuschung der Bauern in der Bodenfrage.

Die Kompromissler unterstützten die Unterdrückung der revolutionären Organisationen, die Entwaffnung der Arbeiter, die Errichtung der Kornilow-Disziplin in der Armee und die sinnlose Verlängerung des blutigen Massakers.

Die Kompromissler halfen in der Tat ihren Verbündeten aus der Bourgeoisie, den wirtschaftlichen Ruin im Land zu vertiefen und Millionen von arbeitenden Menschen zum Hunger zu verurteilen.

Nachdem die Kompromissler das Vertrauen der Massen infolge dieser Politik verloren hatten, behielten sie ihre Positionen in den längst zur Neuwahl anstehenden oberen Reihen der Sowjet- und Armeeorganisationen künstlich und gewissenlos bei.

Das ZEK bemühte sich angesichts dessen, mit allen Mitteln den Sowjetkongress zu vereiteln, indem es sich gleichzeitig auf die Kompromissler-Armeekomitees und die direkte Unterstützung der Regierungsmacht stützte.

Als diese Politik der Behinderung und Fälschung der öffentlichen Meinung der revolutionären Klassen einen erbärmlichen Zusammenbruch erlitt, als die Provisorische Regierung, die von den Kompromisslern geschaffen worden war, unter dem Ansturm der Petrograder Arbeiter und Soldaten fiel; als der Allrussische Sowjetkongress die offensichtliche Dominanz der Partei des revolutionären Sozialismus (der Bolschewiki) nachwies und der Aufstand der einzige Weg für die revolutionären Massen war, die von der Bourgeoisie und ihren Dienern getäuscht und gequält wurden, zogen sie die endgültige Schlussfolgerung für sich und brachen mit den Sowjets, deren Macht sie vergeblich zu untergraben versucht hatten.

Der Abzug der Kompromissler schwächt die Sowjets nicht, sondern stärkt sie, weil sie die Revolution der Arbeiter und Bauern von konterrevolutionären Verunreinigungen säubert.

Nachdem der zweite Allrussische Kongress die Erklärung der Sozialrevolutionären Partei und der Menschewiki gehört hat, setzt er seine Arbeit fort, deren Aufgabe vom Willen des arbeitenden Volkes und seinem Aufstand am 24. und 25. Oktober vorbestimmt ist.

Nieder mit den Kompromisslern! Nieder mit den Handlangern der Bourgeoisie!

Es lebe der siegreiche Aufstand der Soldaten, Arbeiter und Bauern!“

2. In Bezug auf die Festnahme sozialistischer Minister

(26. Oktober)

Es werden hier zwei Fragen vermischt, Genossen. Eine von ihnen wurde gestern von uns inhaltlich gelöst. Es wurde beschlossen, dass die sozialistischen Minister, Menschewiki und Sozialrevolutionäre, vorübergehend vom Militärischen Revolutionskomitee unter Hausarrest gestellt werden sollten. So war es bei Prokopowitsch, so müssen wir Maslow und Salazkin behandeln. Das Militärische Revolutionskomitee wird alle Maßnahmen ergreifen, um euren Beschluss so schnell wie möglich umzusetzen. Wenn es ihn noch nicht ausgeführt hat, dann nur deshalb, Genossen, weil wir einen bewaffneten Aufstand eines anderen Vertreter einer dieser Parteien, des uns bekannten Kerenski, erleben, der die Kräfte der Konterrevolution organisiert, um sie gegen uns zu werfen. Das Militärische Revolutionskomitee, das mit der Rettung der bis dahin siegreichen Arbeiter- und Bauernrevolution beschäftigt war, damit die Revolution der Arbeiter und Bauern keinen Schaden erleide, vergaß die beiden sozialistischen Minister. (Beifall.)

Die zweite Frage ist die Frage des Eindrucks dieser Verhaftungen auf das Spießertum. Genossen, wir erleben eine neue Zeit, in der gewöhnliche Ansichten abgelehnt werden sollten. Unsere Revolution ist der Sieg neuer Klassen, die an die Macht gekommen sind, und sie müssen sich vor der Organisation konterrevolutionärer Kräfte schützen, an denen die sozialistischen Minister teilnehmen. Schließlich wird über sie Hausarrest verhängt, bis ihre Beteiligung an der Organisation einer konterrevolutionären Handlung geklärt ist. An sich haben wir keine Angst vor diesen beiden Ministern, weder moralisch noch politisch haben sie irgendeine Bedeutung.

Man sagt uns, dass so etwas in keiner Revolution zu sehen war. Das Gedächtnis der Redner ist kurz, denn dies war vor wenigen Monaten zu sehen, als Mitglieder des Exekutivkomitees des Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten mit vollen Duldung und der Zustimmung der gleichen sozialistischen Minister verhaftet wurden. Und es gab keinen Protest, keine Forderung nach ihrer Freilassung. Darüber hinaus stellte niemand anders als der Vorsitzende des Exekutivkomitees der Bauerndeputierten, Awksentjew, zwei Wärter vor die Tür der Wohnung von Alexandra Michailowna Kollontai, nachdem sie von den Justizvertretern freigelassen wurde.

Jetzt kommen diese Vertreter, um uns von der inhaltlichen Arbeit loszureißen, behindern uns bei wichtigen Dingen, bei denen sie selbst nichts tun könnten, um uns ihre sinnlosen Drohungen zuzuschreien und uns ihre [tränen]feuchte Empörung zu zeigen. (Lärmender Beifall.)

3. Zur Machtorganisation

(26. Oktober)

Auf die Einwände der Genossen Karelin und Awilow antwortet Genosse Trotzki:

Die Überlegungen, die wir hier hörten, wurden mehr als einmal gegen uns erhoben. Wir wurden mehrfach erschreckt mit der möglichen Isolierung des linken Flügels. Vor ein paar Tagen, als die Frage des Aufstandes offen aufgeworfen wurde, wurde uns gesagt, dass wir uns isolieren, dass uns der Untergang ereilen werde. Und wenn man die Klassengruppierungen nach der politische Presse beurteilt, so drohte uns bei einem Aufstand unvermeidlicher Untergang. Gegen uns standen eine konterrevolutionäre Bande und Vaterlandsverteidiger aller Arten. Bei den linken Sozialrevolutionäre arbeitete einer ihrer Flügel mutig mit uns im Militärischen Revolutionskomitee zusammen.1 Ein anderer Teil von ihnen nahm die Position der abwartenden Neutralität ein.2 Und selbst unter diesen ungünstigen Bedingungen, als wir alle verlassen zu sein schienen, siegte der Aufstand fast ohne Blut. Wenn wir wirklich isoliert wären, wenn alle wirklichen Kräfte wirklich gegen uns wären, wie konnte es passieren, dass wir fast ohne Blutvergießen gewonnen haben? Nein, nicht wir waren isoliert, sondern die Regierung und die Demokraten, die Quasi-Demokraten. Sie waren von den Massen isoliert. Durch ihr Zögern, durch ihr Kompromisslertum haben sie sich aus den Reihen der echten Demokratie ausgestrichen. Unser großer Vorteil als Partei besteht darin, dass wir eine Koalition mit der Massenkraft bildeten, dass wir eine Koalition aus Arbeitern, Soldaten und den ärmsten Bauern geschaffen haben.

Die politischen Gruppen verschwinden, aber die Haupt-Klasseninteressen bleiben, und die Partei, die Strömung gewinnt, die diese Haupt-Klassenforderungen ertasten und befriedigen kann. Wenn eine Koalition nötig war, dann ist eine solche Koalition die Koalition unserer Garnison, hauptsächlich des Bauern, mit der Arbeiterklasse. Wir können auf eine solche Koalition stolz sein. Sie, diese Koalition, wird im Feuer des Kampfes getestet. Die Petrograder Garnison und das Proletariat treten als eine Abteilung der Revolution in den großen Kampf, der ein klassisches Beispiel in der Geschichte der Revolution aller Völker sein wird.

Hier wurde uns von dem Linksblock erzählt, der im Vorparlament gebildet wurde, aber dieser Block dauerte nur einen Tag – offensichtlich wurde er nicht an dem Ort geschlossen, wo er sein sollte. Vielleicht war der Block gut und das Programm war gut, aber ein Zusammenstoß war genug, um den Block zu sprengen.

Genosse Awilow sprach über die größten Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind. Um all diese Schwierigkeiten zu beseitigen, schlägt er vor, eine Koalition zu bilden, aber er versucht nicht, diese Formel zu klären, um genauer zu bestimmen, welche Koalition er meint: eine Koalition von Gruppen, Klassen oder einfach eine Koalition von Zeitungen. Wenn man beispielsweise von einer Koalition mit dem alten ZEK spricht, muss man verstehen, dass eine Koalition mit den Dans und Libers die Revolution nicht stärken würde, sondern ihren Untergang herbeiführen würde. Im akutesten Moment des Kampfes waren wir schließlich mit Erlaubnis der Kommissare des ZEK ohne Telefon.

Man sagt, dass die Spaltung in der Demokratie ein Missverständnis sei. Wenn Kerenski die Schocktruppen gegen uns schickt, wenn wir mit der Erlaubnis des ZEK das Telefon verlieren, wenn man uns Schlag auf Schlag versetzt, kann man hier wirklich von einem Missverständnis sprechen? Wenn dies ein Missverständnis ist, dann fürchte ich, dass alle Urteile unserer Gegner – der Genossen Awilow und Karelin auch ein politisches Missverständnis sind.

Genosse Awilow sagte uns: Es ist nicht genug Brot da, eine Koalition mit Vaterlandsverteidigern ist nötig. Aber erhöht diese Koalition die Menge an Brot? Denn die Frage des Brotes ist Sache des Aktionsprogramms. Der Kampf gegen die Zerrüttung erfordert ein bestimmtes Aktionssystem und nicht nur politische Gruppierungen.

Genosse Awilow sprach von der Bauernschaft: Aber wieder, von welcher Bauernschaft reden wir? Es ist notwendig, zwischen den verschiedenen Elementen der Bauern zu wählen. Heute forderte ein Vertreter der Bauern der Provinz Twer Awksentjews Verhaftung. Es ist notwendig, zu wählen zwischen diesem Twerer Bauern, der die Verhaftung Awksentjews fordert, und Awksentjew, der die Gefängnisse mit Mitgliedern der Bauernkomitees gefüllt hat. Wir sind mit den Twerer Bauern, gegen die Awksentjews, wir sind bis zum Ende und vollständig mit ihnen.

Wir lehnen eine Koalition mit den Kulakenelementen der Bauern ab, lehnen sie im Namen einer Koalition der Arbeiterklasse und der ärmsten Bauern entschieden ab. Wenn die Revolution uns etwas gelehrt hat, so dass man nur durch Kompromiss, durch eine echte Koalition diese Elemente gewinnen kann. Diejenigen, die dem Schatten der Koalition folgen, isolieren sich schließlich vom Leben. Die linken Sozialrevolutionäre werden unter den Massen Unterstützung verlieren, sofern sie sich gegen unsere Partei aussprechen; Die Partei, die sich der Partei des Proletariats widersetzt, mit der sich die Landarmut vereint hat ... isoliert sich von der Revolution.

Offen, vor dem ganzen Volk haben wir das Banner des Aufstands entfaltet. Die politische Formel dieses Aufstandes ist die Macht der Sowjets durch den Sowjetkongress. Uns wird gesagt: Ihr habt nicht auf den Kongress gewartet. Nein, wir hätten auf ihn gewartet, aber Kerenski wollte nicht warten: Die Konterrevolutionäre schliefen nicht. Wir als eine Partei sahen es als unsere Aufgabe, dem Sowjetkongress eine echte Gelegenheit zu geben, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Wenn der Kongress von Junkern umgeben wäre, wie könnte er die Macht in seine eigenen Hände nehmen? Um diese Aufgabe zu erfüllen, brauchten wir eine Partei, die die Macht aus den Händen der Konterrevolutionäre nahm und euch sagte: „Hier ist die Macht – und ihr müsst sie nehmen". (Stürmisch, unaufhörlicher Beifall.)

Obwohl die Vaterlandsverteidiger aller Farben im Kampf gegen uns vor nichts haltmachten, haben wir sie nicht beiseite geschoben; wir haben dem Kongress als Ganzes angeboten, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Wie vollkommen entstellt man die Perspektive, wenn man nach allem, was geschehen ist, von diesem Podium aus von unserer Unversöhnlichkeit spricht!3 Als eine in Pulverrauch gehüllte Partei zu ihnen ging und sagte: „Nehmen wir die Macht zusammen" – flohen sie zur Stadtduma und vereinigten sich mit offenen Konterrevolutionären. Sie sind Verräter der Revolution, mit denen wir uns nie vereinigen werden.

Für einen erfolgreichen Kampf für den Frieden, sagte Genosse Awilow, ist eine Koalition mit den Kompromisslern notwendig, und er sagte, dass die Alliierten keinen Frieden machen wollen, aber wenn wir uns mit denen vereinigen, die uns verraten, dann wird alles in Ordnung sein. Genosse Awilow sagte, die verbündeten Imperialisten lachten über den Margarinedemokraten Skobelew. Aber dann rät er uns, die Sache des Friedens wird gesichert, wenn wir einen Block mit Margarinedemokraten schließen werden.

Es gibt zwei Wege im Kampf für den Frieden. Eine Möglichkeit besteht darin, den Regierungen der alliierten und feindlichen Länder die moralische und materielle Stärke der Revolution entgegenzusetzen. Der zweite Weg ist ein Block mit Skobelew, was einen Block mit Tereschtschenko bedeutet, d.h. vollständige Unterwerfung unter den Imperialismus. Man sagt uns, dass wir in unserem Friedensappell zugleich Regierungen und Völker ansprechen. Dies ist jedoch nur eine formale Symmetrie. Natürlich wollen wir nicht die imperialistischen Regierungen mit unseren Appellen beeinflussen, aber solange sie existieren, können wir sie nicht ignorieren. Wir hoffen immer noch darauf, dass unsere Revolution die europäische Revolution entfesseln wird. Wenn die aufständischen Völker Europas den Imperialismus nicht zermalmen, werden wir zerdrückt werden, das ist sicher. Entweder wird die russische Revolution den Wirbelwind des Kampfes im Westen heraufziehen lassen oder die Kapitalisten aller Länder werden unsere Revolution ersticken. ("Es gibt einen dritten Weg", ruft jemand aus dem Saal.)

Der dritte Weg ist der Weg des Zentralen Exekutivkomitees, das einerseits Delegationen an die westeuropäischen Arbeiter entsandt hat und andererseits eine Allianz mit den Kischkins und Konowalows geschlossen hat. Das ist der Weg der Lüge und Heuchelei, den wir niemals nehmen werden.

Natürlich sagen wir nicht, dass der erste Tag des Aufstands der europäischen Arbeiter unbedingt der erste Tag der Unterzeichnung des Friedensvertrages sein wird. Es ist auch möglich, dass die Bourgeoisie, erschreckt durch den bevorstehenden Aufstand aller Unterdrückten, sich beeilen wird, Frieden zu schließen. Es gibt hier keine Termine. Spezielle Formen können nicht in Betracht gezogen werden. Es ist wichtig und notwendig, die prinzipielle Kampfmethode sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik zu bestimmen. Die Union der Unterdrückten überall und allerorten ist unser Weg.

Der Zweite Sowjetkongress hat ein ganzes Maßnahmenprogramm ausgearbeitet. Jede Gruppe, die dieses Programm tatsächlich umsetzen will, aber in diesem akuten Moment auf der anderen Seite der Barrikade ist, wird von unserer Seite nur eine Erklärung erhalten: Willkommen, liebe Genossen, wir sind Waffenbrüder und gehen mit euch bis zum Ende. (Stürmischer, längerer Applaus.)4

1 Dieser Gruppe linker Sozialrevolutionäre gehörten Lasimir et al. an.

2 Die meisten linken Sozialrevolutionäre, einschließlich Karelin, haben bekanntlich während des Oktoberaufstandes eine neutrale Position eingenommen. Als Partei schlossen sich die linken Sozialrevolutionäre erst Mitte November der Regierung an.

3 Der Satz fehlt in der Quelle und ist ergänzt nach Trotzkis „Geschichte der russischen Revolution“

4 Die (gekürzte) Übersetzung in Trotzkis „Geschichte der russischen Revolution“ lautet: „„Mit einer Möglichkeit der Isolierung des linken Flügels“, sagt Trotzki, „hat man uns wiederholt geschreckt. Vor einigen Tagen, als die Frage des Aufstandes offen gestellt wurde, sagte man uns, wir gingen dem sicheren Untergang entgegen. Und in der Tat, urteilt man nach der politischen Presse über die Kräftegruppierung, dann hat uns durch den Aufstand der sichere Untergang gedroht. Gegen uns standen nicht nur die konterrevolutionären Banden, sondern auch die Landesverteidiger aller Abarten; die linken Sozialrevolutionäre arbeiteten nur mit einem ihrer Flügel mit uns mutig zusammen im Militärischen Revolutionskomitee; ihr anderer Teil nahm die Position abwartender Neutralität ein. Und dennoch, unter diesen ungünstigen Bedingungen, wo, wie es schien, wir von allen verlassen waren, hat der Aufstand gesiegt ...

Wären die realen Kräfte tatsächlich gegen uns gewesen, wie hätte es geschehen können, dass wir den Sieg fast ohne Blutvergießen errungen haben? Nein, isoliert waren nicht wir, sondern die Regierung und die Quasidemokraten. Durch ihre Schwankungen, durch ihr Versöhnlertum haben sie sich aus den Reihen der wahren Demokratie ausgestrichen. Unser großer Vorzug als Partei besteht darin, dass wir eine Koalition mit den Klassenkräften geschlossen und das Bündnis der Arbeiter, Soldaten und ärmsten Bauern hergestellt haben.

Politische Gruppierungen verschwinden, doch die grundlegenden Klasseninteressen bleiben. Es siegt jene Partei, die fähig ist, die grundlegenden Forderungen der Klasse zu fühlen und zu erfüllen ... Auf die Koalition unserer hauptsächlich bäuerlichen Garnison mit der Arbeiterklasse können wir stolz sein. Sie, diese Koalition, ist im Feuer erprobt. Die Petrograder Garnison und das Proletariat sind gemeinsam in den großen Kampf eingetreten, der ein klassisches Beispiel bleiben wird in der Revolutionsgeschichte aller Völker.

Awilow hat von den allergrößten Schwierigkeiten gesprochen, die vor uns stehen. Zur Behebung dieser Schwierigkeiten schlägt er eine Koalition vor. Dabei aber macht er keinen Versuch, diese Formel aufzulösen und zu sagen: welcher Art Koalition – von Gruppen, Klassen, oder einfach eine Zeitungskoalition? ...

Es wird gesagt, die Spaltung bei der Demokratie sei ein Missverständnis Wenn Kerenski gegen uns Stoßtruppler anmarschieren lässt, wenn man uns mit Genehmigung des Zentral-Exekutivkomitees im schärfsten Moment unseres Kampfes gegen die Bourgeoisie des Telefons beraubt, wenn man uns einen Schlag nach dem anderen versetzt, – kann man da wirklich von Missverständnis sprechen?

Awilow sagt uns: das Brot ist knapp, man braucht eine Koalition mit den Landesverteidigern. Würde aber diese Koalition das Brotquantum vergrößern? Die Frage des Brotes – das ist die Frage des Aktionsprogramms. Der Kampf gegen den Wirtschaftszerfall erfordert ein bestimmtes System von unten, nicht aber politische Gruppierungen an der Spitze.

Awilow sprach von einem Bündnis mit der Bauernschaft; aber wiederum: von welcher Bauernschaft ist die Rede? Heute hat hier ein Bauernvertreter des Twerer Gouvernements die Verhaftung Awksentjews verlangt. Man muss wählen zwischen diesem Twerer Bauern und Awksentjew, der die Gefängnisse mit Mitgliedern der Bauernkomitees gefüllt hat. Eine Koalition mit den Kulakenelementen der Bauernschaft lehnen wir entschieden ab im Namen einer Koalition der Arbeiterklasse mit den ärmsten Bauern. Wir sind mit den Twerer Bauern gegen Awksentjew, wir sind mit ihnen bis ans Ende unzertrennlich.

Wer dem Schatten einer Koalition nachjagt, isoliert sich völlig vom Leben. Die linken Sozialrevolutionäre werden die Stütze in den Massen verlieren, wenn es ihnen einfallen sollte, unserer Partei entgegenzuwirken. Jede Gruppe, die sich in Gegensatz stellt zur Partei des mit der Dorfarmut verbundenen Proletariats, isoliert sich von der Revolution.

Offen, vor dem Angesicht des ganzen Volkes, haben wir das Banner des Aufstandes erhoben. Die politische Formel dieses Aufstandes ist: Alle Macht den Sowjets durch den Sowjetkongress Man sagt uns: ihr habt mit dem Umsturz nicht auf den Kongress gewartet. Wir hätten schon gewartet, aber Kerenski wollte nicht warten: die Konterrevolutionäre haben nicht geschlafen. Wir als Partei haben es als unsere Aufgabe betrachtet, die reale Möglichkeit für den Sowjetkongress zu schaffen, die Macht in seine Hände zu nehmen. Wäre der Kongress von Junkern umstellt worden, wie hätte er die Macht ergreifen können? Um diese Aufgabe zu verwirklichen, war eine Partei nötig, die die Macht den Händen der Konterrevolution entwinden und euch sagen konnte: „Hier ist die Macht, ihr habt die Pflicht, sie zu nehmen!“ [Stürmischer, nicht enden wollender Beifall.]

Ungeachtet dessen, dass die Landesverteidiger aller Schattierungen im Kampfe gegen uns vor nichts zurückschreckten, haben wir sie nicht weggestoßen, – wir haben dem Kongress in seiner Gesamtheit angeboten, die Macht zu übernehmen. Wie muss man die Perspektive entstellen, um nach all dem, was vorgefallen ist, von dieser Tribüne herab von unserer Unversöhnlichkeit zu sprechen! Wenn die in Pulverrauch gehüllte Partei zu ihnen kommt und sagt: „Nehmen wir die Macht gemeinsam!“, dann laufen sie in die Stadtduma und vereinigen sich dort mit den offenen Konterrevolutionären. Sie sind Verräter an der Revolution, mit denen wir uns niemals vereinigen werden!

Für den Kampf um den Frieden, sagt Awilow, sei die Koalition mit den Versöhnlern notwendig. Gleichzeitig gesteht er, dass die Alliierten einen Frieden nicht schließen wollen ... Den Margarinedemokraten Skobelew, berichtet Awilow, hätten die alliierten Imperialisten ausgelacht. Wenn ihr aber einen Block mit den Margarinedemokraten schließt, wäre die Sache des Friedens gesichert.

Es gibt zwei Wege im Kampfe um Frieden. Der eine Weg: den Regierungen der verbündeten und der feindlichen Länder die moralische und materielle. Macht der Revolution entgegenzustellen. Der zweite Weg: ein Block mit Skobeljew, was einen Block mit Tereschtschenko und völlige Unterwerfung unter den alliierten Imperialismus bedeutet. In unserem Friedensangebot wenden wir uns gleichzeitig an die Regierungen und an die Völker. Doch ist das nur eine formelle Symmetrie. Wir glauben selbstverständlich nicht, die imperialistischen Regierungen mit unseren Aufrufen beeinflussen zu können; aber solange sie existieren, können wir sie nicht ignorieren. Unsere ganze Hoffnung jedoch setzen wir darauf, dass unsere Revolution die europäische Revolution entfesseln wird. Werden die aufständischen Völker Europas den Imperialismus nicht erwürgen, dann werden wir erwürgt werden – das ist unbestreitbar. Entweder wird die russische Revolution einen Kampfwirbel im Westen hervorrufen, oder die Kapitalisten aller Länder werden unsere Revolution erdrosseln.“

Es gibt einen dritten Weg“, schallt es von einem Platze.

Der dritte Weg“, antwortet Trotzki, „ist der Weg des Zentral-Exekutivkomitees, das einerseits Delegationen zu den westeuropäischen Arbeitern schickt und andererseits ein Bündnis schließt mit den Kischkin und Konowalow. Das ist der Weg der Lüge und Heuchelei, den wir niemals beschreiten werden!

Selbstverständlich wollen wir nicht sagen, dass nur der Tag des Aufstandes der europäischen Arbeiter der Tag der Friedensunterzeichnung sein wird. Es ist auch möglich, dass die Bourgeoisie, eingeschüchtert durch den herannahenden Aufstand der Unterdrückten, sich beeilen wird, Frieden zu schließen. Termine sind hier nicht gegeben. Konkrete Formen vorauszusehen, ist nicht möglich. Aber es ist wichtig und notwendig, eine Kampfmethode zu bestimmen, die im Prinzip sich gleich bleibt in der Außen- wie Innenpolitik. Ein Bündnis der Unterdrückten überall und aller Orts – das ist unser Weg.“

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