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Leo Trotzki 19180708 Der Putsch der linken Sozialrevolutionäre

Leo Trotzki: Der Putsch der linken Sozialrevolutionäre

Offizielles Kommuniqué

[nach Leo Trotzki, Die Geburt der Roten Armee. Wien 1924, S. 83-85]

Der wahnwitzige Aufstand der sogenannten linken Sozialrevolutionäre ist liquidiert. Die gerichtliche Untersuchungsbehörde wird in den nächsten Tagen das genaue, tatsächliche Bild dieses beispiellosen Abenteuers aufrollen und den Grad der Verantwortlichkeit der einzelnen Teilnehmer feststellen. Aber der politische Sinn der Moskauer Ereignisse vom 6.-7. Juli ist auch in diesem Augenblick schon vollkommen klar.

Unter dem Druck der bürgerlichen Klassen machten die linken Sozialrevolutionäre in den letzten Wochen immer größere Anstrengungen, Russland in einen Krieg mit Deutschland zu verwickeln. Diese Bemühungen äußerten sich darin, dass sie nicht nur auf die außerordentlich schweren Bedingungen des Vertrages von Brest-Litowsk hinwiesen, sondern auch ungeheuerliche Gerüchte und Verdächtigungen fabrizierten und verbreiteten, die die Volksphantasie erregen sollten. Die klassenbewussten Arbeiter und Bauern sind sich natürlich vollkommen klar über die schweren Bedingungen des Vertrages von Brest-Litowsk. Und noch klarer sind sie sich darüber, welche verhängnisvollen Folgen es haben würde, wenn das erschöpfte und blutende Russland in ein imperialistisches Gemetzel hineingezogen würde. Deshalb sträubte sich auch die überwältigende Majorität der Arbeiter und Bauern bewusst gegen den Bruch des Brester Vertrages, den die Kadetten, die rechten Sozialrevolutionäre, die Menschewiki und die linken Sozialrevolutionäre so rabiat forderten.

Das Misslingen der demagogischen Agitation zugunsten eines Krieges hat die linken Sozialrevolutionäre auf den Weg des sinnlosen und ehrlosen Abenteuers getrieben: sie beschlossen, durch einen terroristischen Akt Russland in den Krieg zu zerren gegen den Willen der Arbeiter und Bauern. Nachdem der 5. Allrussische Sowjetkongress die Außenpolitik des Sowjets der Volkskommissare kategorisch gebilligt hatte, verübte ein gewisser Bljumkin auf Beschluss des Zentralkomitees der Partei der linken Sozialrevolutionäre das Attentat auf den deutschen Gesandten, den Grafen Mirbach.

Bei der Ausübung dieses provokatorischen Aktes stützten sich die linken Sozialrevolutionäre nicht so sehr auf ihren Parteiapparat, als auf die offizielle Stellung, die sie als Sowjet-Partei einnahmen. Mit Unterstützung seiner Partei drang Blumkin in die Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution ein. Er nutzte seine offizielle Stellung aus und bemächtigte sich gewisser Dokumente, fälschte andere, drang, indem er sich seiner offiziellen Stellung als Deckung bediente, in das Gebäude der deutschen Botschaft und verübte dort den ihm vom Zentralkomitee seiner Partei befohlenen Mord.

Gleichzeitig nahmen die linken Sozialrevolutionäre offen aufrührerische Handlungen vor, die zum Ziel hatten, die Staatsgewalt aus den Händen des Allrussischen Sowjetkongresses in die Hände jener Partei zu legen, die auf diesem Kongress in der Minorität geblieben war. Die Mitglieder des Zentralkomitees der linken Sozialrevolutionäre versuchten den Aufstand auszubreiten, gestützt auf einen Teil des Bataillons der Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution. Dieses Bataillon stand unter dem Kommando des linken Sozialrevolutionärs Poppow. Poppows Truppenteile, die in die Verschwörung verwickelt wurden, lieferten, verstärkt durch die demoralisierten Elemente der Schwarzmeerflotte, die Straßenposten und Patrouillen; sie verhafteten die einzelnen Vertreter der Sowjetregierung, entwaffneten und beschossen die einzelnen Truppen der Rotarmisten. Die Rebellen hatten Maschinengewehre, Geschütze und Panzerautos zur Verfügung.

So entfaltete sich am 7. Juli der Aufstand der Sowjetpartei, die in der Minderheit geblieben war, gegen die Macht der Sowjets.

Ein Erfolg des Aufstandes (wenn ein Abenteuer von Erfolg gekrönt sein kann) hätte den sofortigen Krieg mit Deutschland und den Zusammenbruch der Sowjetregierung bedeutet, denn kein Mensch mit gesundem Menschenverstand wird glauben, dass die linken Sozialrevolutionäre imstande waren, sei es auch nur 24 Stunden lang, die Regierungsgewalt zu behalten, die sie den Händen der Arbeiter-, Bauern- und Rotarmistensowjets entrissen hatten. Dem Wesen der ganzen Lage nach traten die linken Sozialrevolutionäre am 6. bis 7. Juli lediglich als Kampftrupp im Dienste der konterrevolutionären Bourgeoisie auf, der sie den Weg ebneten.

Unter diesen Umständen konnte der Sowjet der Volkskommissare nur einen Beschluss fassen: in kürzester Frist den Putsch zu unterdrücken, in dem sich Leichtsinn, Verrat und Provokation zu einem abscheulichen Ganzen paarten.

Energisches Einschreiten zeitigte in wenigen Stunden Resultate. Die linken Sozialrevolutionäre räumten die Post und das Telegraphenamt, wo sie zwei Stunden die Herren gespielt hatten. Unter dem Trupp Poppows begann nach der ersten Beschießung seitens der Sowjettruppen die Zersetzung. Ein großer Teil des Trupps drückte seine Empörung gegen das Abenteuer aus und stellte sich ganz auf die Seite der Vertreter der Sowjetregierung, die von den Rebellen gefangen genommen waren, nämlich der Genossen Dzierżyński, Lazis und Smidowitsch. Nur dank diesem Umstande wurde ihnen das Leben gerettet.

Die Liquidierung des Putsches war des ursprünglichen Plans und des ganzen Verlaufs dieses schmählichen Abenteuers durchaus würdig. Mit der völligen Kopflosigkeit des Stabs ging die Demoralisierung der Truppen Hand in Hand. Die Führer der linken Sozialrevolutionäre, die sich ein solches Ziel, wie die Eroberung der Staatsgewalt gesetzt hatten, hatten offenbar die Dimensionen dieser ihre Kräfte weit überragenden Aufgabe nicht richtig eingeschätzt. Die Rebellen begannen nach geringfügigen Versuchen des Widerstandes Parlamentäre nach verschiedenen Richtungen auszuschicken und traten dann einen ungeordneten Rückzug an.

Die Verfolgung der Flüchtenden vollzieht sich jetzt mit vollem Erfolg. Die Zahl der Personen, die wir gefangen genommen haben, beträgt jetzt schon mehrere Hundert. Genaue Angaben werden von der Regierung in der nächsten Sitzung des Allrussischen Sowjetkongresses vorgebracht werden, der sein entscheidendes Wort zu sagen haben wird, sowohl bezüglich des Putsches vom 6.–7. Juli, wie über das Geschick der sogenannten Partei der linken Sozialrevolutionäre überhaupt.

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