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Sommerberatung 1913

Die „Sommer"- oder „August"-Beratung des Zentralkomitees mit den Parteifunktionären im Jahre 1913 fand im dem galizischen Städtchen Poronin (Bezirk Krakau) statt, wo Lenin wohnte. Sie dauerte vom 5. bis zum 14. Oktober (neuen Stils) Als „Sommer"-Beratung wurde sie aus konspirativen Gründen bezeichnet. Der Beratung ging eine vorbereitende Beratung des ZK voraus.

An der Beratung von Poronin nahmen 22 Personen teil, von denen 17 beschließende und die übrigen beratende Stimme hatten. Ein Teil der Mitglieder des ZK konnte wegen polizeilicher Hindernisse an der Beratung nicht teilnehmen. Persönlich nahmen an der Beratung teil: Lenin und Sinowjew vom Zentralkomitee, L. B. Kamenew als Vertreter des Zentralorgans („Sozialdemokrat"), A. A. Trojanowski als Vertreter des legalen Organs des ZK, der Zeitschrift „Prosweschtschenije“ (Aufklärung“, erschien 1911-1914 als Monatsschrift), N. K. Krupskaja (Sekretärin des ZK), I. F. Armand als Vertreterin Petersburgs und des Organs des Zentralkomitees „Rabotniza" („Arbeiterin"- erschien bis zum Weltkrieg legal in Petersburg, wurde 1917-1918 wieder herausgegeben), die Mitglieder der sozialdemokratischen Dumafraktion, die zugleich auch Vertreter örtlicher Parteiorganisationen waren: A. E. Badajew von Petersburg, R. W. Malinowski (später als Lockspitzel entlarvt) von Moskau, M. K. Muranow von Charkow G. I. Petrowski von Jekaterinoslaw (heute: Dnjepropetrowsk), Schagow von Kostroma, Nowoschilow, E. A. Balaschow, A. I. Lobow (Lockspitzel), E. F. Rosmirowitsch von Kiew, S. Derjabina vom Ural A. W. Schotman von Petersburg. Mit beratender Stimme nahmen teil die Vertreter der oppositionellen Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens, die sogenannten „Spalter". J. S. Hanecki und G. Kamenski (Domski) von der sogenannten Gauverwaltung der polnischen Sozialdemokratie und J. M. Leschtschinski (Lenski) und „Andrei" (nach einigen Angaben das Pseudonym Wenzkowskis) vom Warschauer Komitee der Fraktion der „Spalter". An der Beratung nahm als zweiter Sekretär des Zentralkomitees auch S. I. Lilina teil.

Die Beratung wurde von Lenin eröffnet, zu Sekretären wurden gewählt Krupskaja Rosmirowitsch, Lilina und Trojanowski. In der Beratung wurden die folgenden Fragen behandelt: 1. Berichte der örtlichen Organisationen, Bericht über die Arbeit der Sozialdemokratie Polens und Litauens, Bericht über die Tätigkeit des auf der Prager Konferenz von 1912 gewählten Zentralkomitees; 2. Die nationale Frage; 3. Über die Arbeit in der Duma und die Lage in der Fraktion; 4. Über die Streikbewegung; 5. Über die legalen Vereinigungen und das Verhältnis zu den Liquidatoren; 6. Über die Narodniki; 7. Die Parteipresse; 8. Die Arbeit in den legalen Organisationen; 9. Der bevorstehende Internationale Sozialistenkongress (in Wien).

In den Berichten von den örtlichen Organisationen wurde die erfolgreiche Entwicklung der drei wichtigsten Arten der sozialdemokratischen Tätigkeit vermerkt: der „streng parteilichen Arbeit" der illegalen Organisationen, der „halb-parteilichen" Tätigkeit in den legalen Organisationen – den Gewerkschaften, Versicherungsorganisationen, Krankenkassen, Konsumvereinen usw. -, wo die legale Arbeit mit der illegalen Arbeit der Parteizellen in diesen Vereinigungen vereint wurde, und schließlich der Tätigkeit in den verschiedenen „freien" Vereinigungen, in den Klubs, Bildungsorganisationen usw., die keinen ausgeprägten sozialdemokratischen Charakter trugen, aber unter dem Einfluss der Parteiorganisationen standen. In den Berichten wurde ein Mangel an intellektuellen Kräften in den Organisationen festgestellt, der zur Herausgabe illegaler Flugblätter durch die Parteimitglieder aus den Reihen der Arbeiter selbst und zur Stellung von Organisatoren und Propagandisten ebenfalls aus den Reihen der Arbeiter geführt habe. Besonders vermerkt wurde die Tätigkeit der „Vertrauensleute des ZK“ an den einzelnen Orten; dieser maß die Beratung eine gewaltige Bedeutung bei In dem Berichte des Vertreters der Sozialdemokratie Polens und Litauens G Kamenskis, wurde die energische Arbeit der „Spalter" bei der Durchführung der Versicherungskampagne hervorgehoben. Besonders stark war der Einfluss der „Spalter" in den vier größten Industriegebieten: Warschau, Łódź, Dąbrowa und Kalisz.

Den Bericht über die Tätigkeit des ZK erstatteten Lenin, Sinowjew und Krupskaja. In diesem Berichte wurde die Tätigkeit der führenden Zentralstelle der Partei bei der Durchführung der Beschlüsse der Prager Konferenz von 1912 und die Arbeit der sogenannten „Februarberatung" des ZK mit den Parteifunktionären (die im Dezember 1912 stattfand) auf dem Gebiete der Zusammenfassung der allgemeinen Parteiarbeit beleuchtet, die auf dem Wege der Festigung der Verbindung zwischen den Parteizellen, der Organisation von Gebietszentren, der Veranstaltung einer Kampagne zur Vorbereitung des Parteitages, der Leitung der Versicherungskampagne und der Organisation der Parteipresse erfolgte. Krupskaja berichtete über die Finanzen des ZK. Sinowjew erstattete den Bericht über das Verhältnis des ZK zur legalen bolschewistischen Presse. Nach den Berichten der örtlichen Organisationen und des ZK wurden zwei Resolutionen – „Über die Aufgaben der Agitation im gegenwärtigen Augenblick" und „Über die Organisationsfrage und den Parteitag" – angenommen. Die Referate über den Reformismus und das Liquidatorentum sowie über die Arbeit in den legalen Vereinigungen erstattete Sinowjew. Berichterstatter über die Tätigkeit der Dumafraktion und die Beziehungen zwischen den bolschewistischen „Sechs" und den menschewistischen „Sieben" war Malinowski.

Im Mittelpunkte der Beratung stand u. a. die nationale Frage, über die Lenin referierte. Es wurde beschlossen, die nationale Frage auf dem nächsten Parteitag als besonderen Programmpunkt zu behandeln und eine breit angelegte Diskussion über diese Frage in der Partei einzuleiten. Unter anderem sprachen sich die polnischen Sozialdemokraten gegen das nationale Selbstbestimmungsrecht aus. Über das Verhältnis zu den Narodniki referierte Kamenew. Dieses Referat war im Zusammenhang mit der wahrzunehmenden Belebung der Tätigkeit der Sozialrevolutionäre unter den Arbeitern auf die Tagesordnung gestellt worden. Bei der Beratung der Frage der Parteipresse verwies man auf die Notwendigkeit der Festigung der legalen Publikationen und auf die Notwendigkeit der möglichsten Anpassung der legalen Zeitungen an die Zensurverhältnisse, was Lenin besonders energisch betonte. In der Debatte wurde die Vorliebe der Arbeiter für die illegale Parteipresse und die Notwendigkeit eines regelmäßigeren Erscheinens des Zentralorgans („Sozialdemokrat") betont. Bei der Besprechung der Streikbewegung stand die Frage des politischen Generalstreiks und der Demonstrationen für ganz Russland im Vordergrund, die am 22 (9.) Januar 1914 veranstaltet werden sollten. Von der Notwendigkeit der Vorbereitung eines Generalstreiks zeugte die ununterbrochen anwachsende Welle der politischen Streikbewegung.

In seinem Referat über den im Jahre 1914 bevorstehenden Internationalen Sozialistenkongress (in Wien) vermerkte Lenin, dass die SDAPR im Internationalen Sozialistischen Büro keine richtig organisierte Vertretung habe und dass auf dem bevorstehenden Sozialistenkongress die illegalen und legalen Organisationen der Partei in möglichst breitem Umfange vertreten sein sollen.

An der Abfassung der Resolutionen der „Sommer"-Beratung nahm Lenin den hervorragendsten Anteil. Er schrieb die Resolutionen zum größten Teil selbst, zum Teil wurden sie nach seinen Weisungen abgefasst, und alle wurden von ihm redigiert, so dass sie in den vorliegenden Band der Sämtlichen Werke aufgenommen wurden.

Über die „Sommer"-Beratung erschien im Auslande eine besondere Broschüre „Mitteilung und Resolutionen der Beratung des Zentralkomitees der SDAPR mit den Parteifunktionären im Sommer 1913". Herausgegeben vom Zentralkomitee 1913. Der Text der „Mitteilung" wurde von Sinowjew zusammengestellt. Die Resolutionen wurden in dieser Broschüre nicht vollinhaltlich abgedruckt, eine Reihe von Punkten (Punkt 6 der Resolution über die Streikbewegung und die Punkte 1 bis 5 der Resolution über die Parteipresse) wurden aus konspirativen Gründen weggelassen und ihr Text blieb lange Zeit unbekannt. Der vollständige Text der Resolutionen blieb in einem illegalen hektographierten Exemplar erhalten, das unter den Akten des Polizeidepartements gefunden wurde und in der Zentralstelle für Archivwesen aufbewahrt wird.

Das Zentralkomitee versandte einen ausführlichen Auszug des Berichts über die „Sommer"-Beralung (im Archiv des Lenin-Instituts aufbewahrt). Die Beratung von Poronin ist für die Geschichte der bolschewistischen Partei von hervorragender Bedeutung, und sie wird in der Parteiliteratur berechtigtermaßen einer Parteikonferenz gleichgestellt. [Band 17]

Die Sommer“-Beratung des ZK mit den Parteifunktionären fand im Jahre 1913 statt. Es nahmen an ihr 22 Personen teil, darunter die bolschewistischen Mitglieder der sozialdemokratischen Dumafraktion und die Vertreter der größten Parteiorganisationen. Die Beratung nahm den Bericht des ZK und die Berichte aus den einzelnen örtlichen Organisationen sowie mehrere Referate entgegen: über die Streikbewegung, die Aufgaben der Agitation in Verbindung mit der augenblicklichen Lage, die Dumaarbeit der Sozialdemokraten, die nationale und die Organisationsfrage usw. Die Frage der Dumafraktion erschien als die wichtigste, sowohl infolge der Meinungsverschiedenheiten zwischen der bolschewistischen „Sechs“ und der menschewistischen „Sieben“ innerhalb der Fraktion als auch wegen der Bedeutung und der Rolle der Arbeit der Partei in der Duma zu dieser Zeit. Die „Sieben“, von deren Angehörigen nur drei in der Arbeiterkurie gewählt worden waren, missbrauchte ihr Übergewicht in der Fraktion dazu, um die bolschewistische „Sechs“ der Möglichkeit des Auftretens in der Duma, der Teilnahme an den Kommissionen usw. zu berauben. Alle Versuche der „Sechs“, eine gemeinsame Arbeit der ganzen Fraktion zu erreichen, wurden von der „Sieben“ vereitelt. In der Resolution der „Sommer“-Beratung hieß es darüber

Die Konferenz protestiert auf das Entschiedenste gegen eine derartige Handlungsweise der sieben Abgeordneten. Die sechs Abgeordneten vertreten die gewaltige Mehrheit der Arbeiter Russlands und handeln in voller Übereinstimmung mit der politischen Linie ihres organisierten Vortrupps. Die Konferenz ist deshalb der Meinung, dass die Einheit der sozialdemokratischen Dumafraktion nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn beide Teile der Fraktion völlig gleichberechtigt sind und die sieben Abgeordneten auf die Politik der Vergewaltigung verzichten. Ungeachtet der unversöhnlichen Meinungsverschiedenheiten, die nicht nur auf dem Gebiete der Dumataktik vorhanden sind, fordert die Konferenz die Einheit der Fraktion auf der oben bezeichneten Grundlage der Gleichberechtigung ihrer beiden Teile. Die Konferenz fordert die klassenbewussten Arbeiter auf, ihre Meinung zu dieser wichtigen Frage zu äußern und mit allen Kräften zur Aufrechterhaltung dieser Einheit der Fraktion auf der einzig möglichen Grundlage der Gleichberechtigung der sechs Abgeordneten beizutragen“.

Diese Resolution der „Sommer“-Beratung war nach der Meinung Lenins von großer politischer Bedeutung, und zwar als Dokument für die Bereitwilligkeit der Bolschewiki, die Einheit der sozialdemokratischen Dumafraktion zu erhalten und zu festigen, und zwar auf der Grundlage der Partei und der Erfüllung der Parteibeschlüsse durch die „Sieben“. Die Ablehnung der Einhaltung dieser Beschlüsse durch die „Sieben“ und ihre fortgesetzte Spaltungspolitik führte im Oktober 1913 zur Spaltung der sozialdemokratischen Dumafraktion und zur Bildung der selbständigen bolschewistischen Dumafraktion der „Sechs“, die sich Sozialdemokratische Arbeiterfraktion Russlands nannte. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 95]

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