Karl Marx‎ > ‎1865‎ > ‎

Karl Marx 18650203 Brief an Friedrich Engels

Karl Marx: Brief an Friedrich Engels

in Manchester

[Nach Marx Engels Werke, Band 31, Berlin 1965, S. 52-54]

[London] 3. Febr. 1865

Dear Frederick,

Einliegend

1. Brief von Siebel, worin er Bericht abstattet über seine Zusammenkunft mit Klings, zu der ich ihn „beordert" hatte. Ich bemerke dazu nur, dass ich mich weiter nicht in die Sache mische. Wenn Klings es fertig bringt – ohne unser Zutun –, zusammen mit dem alten Saumensch den B. Becker und seine testamentliche Wichtigkeit zu beseitigen, so ist mir das recht. Es ist nichts zu machen mit dem Arbeiterverein, wie Baron Itzig ihn vermacht hat. Je rascher er aufgelöst wird, um so besser.

2. Rheinische Zeitung" mit Leitartikel, wahrscheinlich von Rotem Becker. Es ist dies ein Appeal ad misericordiam1 von Seite der „Fortschrittler".

Meine Ansicht ist nun die, dass wir beide eine Erklärung machen müssen und dass diese Krise grade uns Gelegenheit gibt, unsere „legitimate" Position wieder einzunehmen. Ich hatte vor about2 10 Tagen dem Schweitzer geschrieben, er müsse Front gegen Bismarck machen, auch der Schein der Koketterie der Arbeiterpartei mit B müsse wegfallen etc. Zum Dank hat er „allbereits" mehr denn je geliebeleit mit dem Pißmarck.

Hinwiederum" in Nr. 16 des „Soc.-Demok.", wo mit Druckfehlern gespickt mein Schreibebrief über Proudhon, denunziert Moses Hess „allbereits" zum zweiten Mal die „Internationale Assoziation". Ich habe darüber gestern einen wütenden Brief an Liebknecht geschrieben und ihm gesagt, dass er jetzt die allerletzte Warnung erhalten hat; dass ich keinen farthing gebe für einen „guten Willen", der die Taten des schlechten Willens verrichtet; dass ich den hiesigen Mitgliedern des „International Committee" nicht klarmachen kann, dass solche Dinge mit bonne foi3 aus reiner Dummheit passieren; dass ihr Saublatt, während es fortfährt, den Lassalle zu lobhudeln, obgleich sie jetzt wissen, welchen Verrat er im Schilde führte, und während es mit Bismarck feig kokettiert, uns hier die Schamlosigkeit hat, durch den Plonplonisten Hess des Plonplonismus bezichtigen zu lassen etc.

Meine Ansicht ist nun die. Man knüpft an Mosis' Denunziation oder Verdächtigung an, um d'abord4 ein paar Worte Kriegserklärung gegen Bon Plon-Plon anzubringen, bei der Gelegenheit auch des mit Moses befreundeten Rabbiners Ein-Horn in Ehren gedenkend. Dann benutzt man das, um sich ditto gegen Bismarck zu erklären, resp. gegen die Schufte oder Narren, die von einem Bündnis mit ihm für die Arbeiterklasse träumen oder faseln. Allerdings wäre dann am Schluss den Sau-Fortschrittlern zu sagen, dass sie einerseits durch ihre politische Feigheit und Hilfslosigkeit die Sache verrannt haben, andererseits, wenn sie Allianz mit der Arbeiterklasse gegen die Regierung verlangen – und diese sei allerdings im Moment das einzig Richtige –, so müssten sie den Arbeitern wenigstens die Konzessionen machen, die ihrem eignen Prinzip des „freetrade"5 und „Democratism" entsprechen, also Aufhebung sämtlicher Ausnahmsgesetze gegen die Arbeiter, wozu außer den Koalitionsgesetzen auch ganz spezifisch die jetzige preußische Pressegesetzgebung gehöre. Sie müssten ditto wenigstens als Tendenz aussprechen die Wiederherstellung des allgemeinen Wahlrechts, das durch coup d'etat in Preußen beseitigt worden. Dies sei das mindeste, was von ihnen zu erwarten. Über die Militärfrage wäre vielleicht auch einiges einzuschieben. Jedenfalls muss die Sache rasch abgemacht werden. Und Du musst Deine „Ideen" über die ganze Erklärung zu Papier werfen. Ich setze meins dann hinzu und knete es zusammen, schicke Dir das Ganze nochmals and so forth6. Mir scheint der Moment zu diesem „coup d'état" günstig. Wir können weder aus Rücksicht auf Liebknecht noch auf anybody else7 diesen Moment zu unserer „restitutio in integrum"8 verpassen.

At the same time9 musst Du nicht unterlassen, dem „Soc.-Demok." so soon as possible10 Deinen Artikel über die Militärfrage zukommen zu lassen.

Ich würde ihnen – quoad11 Erklärung – natürlich schreiben, dass wenn sie selbe nicht umgehend aufnehmen, selbe „allbereits" in andern Blättern erscheinen wird.

Nehmen sie sie auf, so gut, und es schadet selbst nichts, wenn das sie in die Luft sprengt. (Obgleich Bismarck sich hüten wird, in diesem Augenblick, vor Gewaltmaßregeln.) Nehmen sie sie nicht auf, so haben wir anständigen Vorwand, sie loszuwerden. Jedenfalls muss die Luft gereinigt und die Partei von dem hinterlassenen Lassallegestank gefegt werden.

Dein

K.M.

1 Aufruf zu Mildtätigkeit

2 ungefähr

3 gutem Glauben

4 zunächst

5 „Freihandels"

6 und so weiter

7 sonst jemand

8 „Wiedereinsetzung in alle Rechte"

9 Gleichzeitig

10 sobald wie möglich

11 bezüglich

Kommentare