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Wladimir I. Lenin 19020318 Bericht der Redaktion der „Iskra" an die Beratung der Komitees der SDAPR

Wladimir I. Lenin: Bericht der Redaktion der „Iskra" an die Beratung (Konferenz) der Komitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands1

[Zum ersten Mal veröffentlicht im Jahre 1923 in der ersten Ausgabe der Lenin-Werke, Band V. Nach Sämtliche Werke, Band 5, Wien-Berlin 1930, S. 93-104]

5. März 1902

Genossen! Erst vorgestern erhielten wir die Mitteilung von der Einberufung einer Konferenz zum 21. März, zusammen mit der ganz unerwarteten Nachricht, dass der ursprüngliche Plan der Einberufung einer Konferenz ersetzt worden ist durch den Plan, einen Parteitag abzuhalten. Von wem dieser plötzliche und unbegründete Beschluss ausgeht, wissen wir nicht. Wir finden ihn äußerst unglücklich, wir verwahren uns gegen so rasche Änderungen der Beschlüsse über so ungewöhnlich verwickelte und für die Partei wichtige Fragen, und wir raten entschieden, zu dem ursprünglichen Plan der Abhaltung einer Konferenz zurückzukehren.

Um zu erkennen, dass das notwendig ist, braucht man sich unseres Erachtens nur die Tagesordnung2 des Parteitages aufmerksam anzusehen, die uns ebenfalls erst vorgestern mitgeteilt worden ist, wobei wir nicht wissen, ob das nur der Entwurf einer Tagesordnung ist und ob ihn eine Organisation oder mehrere Organisationen vorschlagen. Die Tagesordnung enthält neun Fragen, über die der Parteitag beraten soll, und zwar in folgender Reihenfolge (ich lege den Inhalt der Fragen gekürzt dar): A) der wirtschaftliche Kampf; B) der politische Kampf; C) die politische Agitation; D) der 1. Mai; E) das Verhältnis zu den oppositionellen Kreisen; F) das Verhältnis zu den revolutionären Gruppen, die der Partei nicht angehören; G) die Organisation der Partei; H) das Zentralorgan und I) die Auslandsvertretung und die ausländischen Organisationen der Partei.

Erstens erweckt diese Tagesordnung durch ihren Aufbau und die Fassung der einzelnen Fragen unbedingt den Eindruck des „Ökonomismus". Wir meinen natürlich nicht, dass die Organisation, die diese Tagesordnung vorschlägt, auch heute noch „ökonomistischen" Anschauungen huldigt (obgleich das bis zu einem gewissen Grade auch nicht ganz unmöglich ist), aber wir bitten die Genossen, nicht zu vergessen, dass man auch die öffentliche Meinung der internationalen revolutionären Sozialdemokratie und die bei uns noch verbreiteten Überreste des „Ökonomismus" in Rechnung stellen muss. Man überlege nur: die fortgeschrittenste Partei des politischen Kampfes versammelt den Parteitag in einem Augenblick der höchsten Anspannung aller revolutionären und oppositionellen Kräfte des Landes, die zu einem offenen Angriff auf den Absolutismus übergegangen sind – und plötzlich stellen wir als Hauptfrage die Frage des „wirtschaftlichen Kampfes", dem die „Politik" erst folgt!! Ist das nicht eine Wiederholung des alten Fehlers unserer Ökonomisten, die glauben, die politische Agitation (oder der Kampf) müsse der ökonomischen folgen? Kann man sich denn vorstellen, dass es irgendeiner europäischen sozialdemokratischen Partei in einem revolutionären Augenblick einfallen würde, an die Spitze aller Fragen die Frage der Gewerkschaftsbewegung zu stellen? Oder man nehme die Trennung der Frage der politischen Agitation von der Frage des politischen Kampfes! Kommt da nicht der übliche Irrtum zum Vorschein, der die politische Agitation dem politischen Kampf als etwas grundsätzlich Verschiedenes, als etwas in eine andere Zeit Gehörendes entgegenstellt? Oder, schließlich, wie soll man es erklären, dass Demonstrationen in der Tagesordnung vor allem als Mittel des wirtschaftlichen Kampfes erscheinen? Man darf doch wirklich nicht vergessen, dass heute viele der Sozialdemokratie fremd gegenüberstehende Leute der gesamten Sozialdemokratie den Vorwurf des „Ökonomismus" machen: Dieser Vorwurf wird erhoben von dem „Nakanunje", dem „Wjestnik Russkoi Rewoluzii ", der „Swoboda", diesen Vorwurf erhebt sogar (sogar!) das „Russkoje Bogatstwo". Man darf nicht vergessen, dass, wie die Resolutionen der Konferenz auch sein mögen, schon allein die Tagesordnung ein geschichtliches Dokument bleibt, auf Grund dessen man die Höhe der politischen Entwicklung unserer ganzen Partei beurteilen wird.

Zweitens erregt die Tagesordnung dadurch Erstaunen, dass sie (wenige Tage vor dem Parteitag!) Fragen aufrollt, die erst nach gründlicher Vorbereitung, erst wenn es möglich ist, wirklich klare, wirklich verständliche Beschlüsse zu fassen, zu erörtern sind, – sonst wäre es besser, sie vorläufig überhaupt nicht zu erörtern. Die Punkte E und F z. B.: das Verhältnis zu den oppositionellen, zu den übrigen revolutionären Richtungen. Es ist notwendig, diese Frage vorher gründlich zu erörtern, Berichte über sie zu machen, den Unterschied der vorhandenen Schattierungen klarzulegen – und erst dann Resolutionen zu fassen, die tatsächlich etwas Neues geben, der ganzen Partei als wirklicher Leitfaden dienen und nicht nur irgendeinen traditionellen „Gemeinplatz" wiederholen würden. Man überlege in der Tat: können wir innerhalb weniger Tage einen ausführlichen, begründeten und allen praktischen Erfordernissen der Bewegung Rechnung tragenden Beschluss über die Frage des Verhältnisses zu der „revolutionär-sozialistischen Gruppe Swoboda" oder zu der neu auf der Bildfläche erschienenen „Partei der Sozialrevolutionäre" ausarbeiten? Wir sehen schon ganz davon ab, welchen zum Mindesten merkwürdigen Eindruck es auf alle machen wird, wenn man revolutionäre Gruppen erwähnt, die der Partei nicht angehören, und zugleich eine so wichtige Frage, wie das Verhältnis zum „Bund" und die Änderung der von ihm handelnden Paragraphen in den Beschlüssen des ersten Parteitages mit Schweigen übergeht?

Drittens – und das ist die Hauptsache – weist die Tagesordnung eine unverzeihliche Lücke auf: die grundsätzliche Stellung der heutigen revolutionären russischen Sozialdemokratie und ihr Parteiprogramm werden vollkommen mit Schweigen übergangen. In einem solchen Augenblick, wo die ganze Welt von der „Krise des Marxismus" und die ganze liberale russische Publizistik sogar von seinem Zerfall und Verschwinden redet, wo die Frage der „zwei Strömungen in der russischen Sozialdemokratie" nicht nur auf die Tagesordnung gestellt, sondern sogar schon in die verschiedenen Programme der planmäßigen Lektüre in Zirkeln, in die Programme der Propagandistenvorträge und des Unterrichts der Selbstbildungszirkel eingegangen ist, – in einem solchen Augenblick ist es ganz unmöglich, über diese Fragen mit Schweigen hinwegzugehen. Über uns, Genossen, wird ohnehin schon in der Presse unserer Gegner (siehe Nadjeschdin: „Der Vorabend der Revolution") spöttisch vermerkt, dass wir gewohnt seien, „Rapport zu erstatten: alles steht gut"! …

Alle erwähnten Mängel in der Tagesordnung sind, unseres Erachtens, ein überzeugender Beweis dafür, dass der Plan, die bereits einberufene Konferenz in einen Parteitag umzuwandeln, nicht zweckmäßig ist. Wir verstehen, selbstverständlich, wie sehr es von allen empfunden wird, dass seit dem Jahre 1898 kein Parteitag stattgefunden hat, wie verführerisch der Gedanke ist, die für die Organisierung der Konferenz angewandten Anstrengungen auszunutzen, um diesem Dasein der „Partei ohne Parteieinrichtungen" ein Ende zu setzen. Es wäre aber der größte Fehler, wollte man, um dieser praktischen Erwägungen willen, vergessen, dass alle jetzt von einem Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands Beschlüsse erwarten, die auf der Höhe aller revolutionären Aufgaben der Gegenwart stehen, dass wir, wenn wir jetzt, in einem so überaus ernsten Augenblick, versagen, – alle Hoffnungen der Sozialdemokratie auf die Führung im politischen Kampf begraben können, dass es besser wäre, die Ausgabe von ein paar Tausend Rubel und eine monatelange vorbereitende Organisationsarbeit nicht zu scheuen .und die jetzige Konferenz auszunutzen, um für den Sommer einen wirklichen Kongress der Gesamtpartei vorzubereiten, der fähig wäre, alle aktuellen Fragen sowohl der Theorie (den grundsätzlichen Teil des Programms) als auch des politischen Kampfes endgültig zu lösen.

Seht euch die Sozialrevolutionäre an, die unsere Mängel immer mehr und in immer geschickterer Weise ausnutzen und zum Schaden der Sozialdemokratie vorwärts marschieren. Sie haben eben erst eine „Partei" gegründet, sie geben ein theoretisches Organ heraus und haben beschlossen, eine monatlich erscheinende politische Zeitung ins Leben zu rufen. Was wird man von den Sozialdemokraten sagen, wenn sie nach einem solchen Ereignis auf ihrem Parteitag nicht einmal solche Ergebnisse erzielen? Müssen wir nicht gewärtigen, den Eindruck zu erwecken, dass die Sozialdemokraten hinsichtlich eines klar festgelegten Programms und der revolutionären Organisation nicht weiter sind als diese „Partei", die bewusst allerhand unentschlossene, unbestimmte und unbestimmbare Elemente um sich sammelt?

Angesichts all dessen glauben wir, dass die bevorstehende Zusammenkunft der Komiteevertreter nicht als zweiter ordentlicher Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, sondern als private Konferenz erklärt werden muss und dass die wichtigste und unmittelbare Aufgabe dieser Konferenz die Organisierung und Vorbereitung eines im Sommer abzuhaltenden wirklich allgemeinen Parteitages zu sein hat, der imstande wäre, das Parteiprogramm zu bestätigen, die Frage eines politischen Wochenblattes der Partei endgültig zu regeln und überhaupt die vollständige und tatsächliche Vereinigung aller Komitees und sogar aller Gruppen (der Druckereigruppen usw.) der Sozialdemokraten auf dem Boden der Prinzipientreue, des Festhaltens an den Grundgedanken der revolutionären Sozialdemokratie und der wirklichen Kampfbereitschaft zu offensiven politischen Aktionen zu erzielen.

Von diesem Grundgedanken ausgehend, erlauben wir uns, dem Urteil der Genossen folgende Tagesordnung für unsere Konferenz zu unterbreiten:

1. Prinzipielle Resolution. In dieser Resolution ist es notwendig, sich mit aller Klarheit gegen jene betrüblichen Versuche der Einengung unserer Theorie und unserer Aufgaben zu wenden, die in der jüngsten Vergangenheit oft genug vorkamen. Die Parteikonferenz wird, wenn sie jede solche Einengung in entschiedener Weise ablehnt, für die grundsätzliche Vereinigung aller Sozialdemokraten einen wichtigen Schritt tun und das erschütterte Ansehen des revolutionären Marxismus heben. Vielleicht werden verschiedene Genossen die Befürchtung äußern, dass eine prinzipielle Resolution langwierige Erörterungen hervorrufen und die Diskussion über die praktischen Fragen beeinträchtigen wird? Wir teilen diese Befürchtungen keineswegs, denn wir sind der Meinung, dass die langwierigen Erörterungen in der illegalen Presse die Frage soweit geklärt haben, dass wir uns über die Grundsätze der revolutionären Sozialdemokratie sehr rasch und sehr leicht verständigen werden. Auf eine prinzipielle Resolution zu verzichten wäre aber ganz unmöglich.

Außerdem würde die Streichung dieser Frage von der Tagesordnung der Konferenz ohnehin ihr Ziel nicht erreichen, denn bei der Erörterung der Resolution über den wirtschaftlichen Kampf, den politischen Kampf usw. würde unvermeidlich dieselbe Frage auftauchen, nur in mehr fragmentarischer Weise. Viel zweckmäßiger wird es darum sein, zunächst das zu Ende zu führen und unsere Resolutionen über politische Agitation, Streiks usw. nicht zu zerstückeln, sondern in zusammenhängender Weise die Ansicht über unsere grundlegenden Aufgaben auseinanderzusetzen.

Wir wollen von uns aus eine solche Resolution zu entwerfen versuchen und den Entwurf diesem Bericht als Anhang beifügen (wenn wir die Zeit dazu haben werden).

2. Der zweite ordentliche Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands. Wir haben hier die vorläufige (und natürlich bis zu einem gewissen Grade mutmaßliche) Entscheidung über die Frage des Zeitpunktes des Parteitages im Auge (Sommer oder spätestens Herbst, denn es wäre wünschenswert, zu Beginn der künftigen „Saison" fertig zu sein), des Tagungsortes (wobei die konspirativen Bedingungen sorgfältig erwogen werden müssen), der notwendigen Mittel für seine Organisierung (die „Iskra" ist bereit, für diesen Zweck 500 Rubel aus einer besonderen, ihr zugegangenen Spende zu geben; es ist möglich, dass wir sehr bald noch einmal so viel oder sogar noch mehr finden würden. Es muss besprochen werden, wie viel Tausende das ungefähr kosten wird und wie das fehlende Geld aufzubringen ist), – schließlich der allgemeinen Grundlagen und der möglichen Vollständigkeit der Vertretung (und zwar müssen die vorher genau bestimmten Komitees und gewisse Gruppen, vielleicht auch Zirkel der russischen Sozialdemokraten vertreten sein; abgesehen von der verhältnismäßig leichten Aufgabe, für beide sozialdemokratischen Auslandsorganisationen Vertretungen zu schicken; es muss auch festgelegt werden, in welcher Art und Weise die Frage der Einladung von Organisationen zum Parteitag zu erörtern ist, die in der Zeit zwischen der Konferenz und dem Parteitag entstehen sollten usw. usw.).

3. Die Wahl des Organisationskomitees. Aufgabe dieses Organisationskomitees wäre, allgemein gesprochen, die Durchführung der Konferenzbeschlüsse, die Vorbereitung und Veranstaltung des Parteitags, die endgültige Bestimmung seines Zeitpunktes und Ortes, seine praktische Organisierung, die Vorbereitung solcher Arbeiten, wie Versand, Errichtung von Parteidruckereien in Russland (mit Unterstützung der „Iskra" sind in Russland zwei, unseren Veröffentlichungen nahestehende, örtliche Druckereigruppen entstanden, die es fertiggebracht haben, in ihren zwei Druckereien neben einer Reihe von Flugblättern die Nummern 10 und 11 der „Iskra", die Broschüren „Was nun weiter?", „Der 10. Jahrestag des Morosowschen Streiks", die „Rede Peter Alexejews", den „Anklageakt des Obuchow-Prozesses" und viele andere Schriften herauszubringen. Wir hoffen, dass es den Vertretern dieser örtlichen Gruppen gelingen wird, an den Arbeiten der Konferenz teilzunehmen und dass sie die Durchführung der allgemeinen Parteiaufgaben in jeder Weise unterstützen werden), – dann die Hilfe für alle möglichen örtlichen, gewerkschaftlichen (proletarischen) Organisationen, für Studentenorganisationen usw. usw. Binnen drei, vier Monaten könnte dieses Organisationskomitee, unterstützt von allen Organisationen, den Boden für die Bildung eines wirklichen Zentralkomitees, das fähig wäre, den gesamten politischen Kampf unserer Partei de facto zu leiten, vollständig vorbereiten.

Angesichts der Kompliziertheit und der Vielseitigkeit der Aufgaben des Organisationskomitees müsste dieses, unseres Erachtens, aus nicht zu wenigen Genossen zusammengesetzt sein (57 Personen), die ein Büro zu wählen, die Arbeiten zu verteilen und vor dem Parteitag mehrfach Beratungen abzuhalten hätten.

4. Wahl einer Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfes zum Parteiprogramm. Da die Redaktion der „Iskra" (darunter auch die Gruppe „Befreiung der Arbeit") seit langem an dieser schwierigen Sache arbeitet, so möchten wir uns erlauben, den Genossen einen solchen Plan vorzuschlagen. Wir haben den ganzen Entwurf zum praktischen Teil des Programms, auch den Entwurf des Agrarprogramms, schon fertiggestellt, außerdem liegen zwei Fassungen des prinzipiellen Teils des Programms vor. Unser Vertreter wird die Konferenz mit diesen Entwürfen bekanntmachen, wenn das für notwendig befunden wird und wenn er selber keine Bedenken dagegen haben wird. Aus diesen beiden Fassungen fassen wir jetzt einen gemeinsamen Entwurf ab, den wir aber selbstverständlich unfertig, d. h. vor Beendigung dieser Arbeit, nicht veröffentlichen möchten. Wenn die Konferenz einige Genossen wählen wollte, damit diese sich unserer Redaktion anschließen, um gemeinsam das Programm auszuarbeiten, so wäre das vielleicht die zweckmäßigste Lösung der Frage.

Was uns anbelangt, so können wir uns jetzt jedenfalls sofort den Genossen gegenüber förmlich verpflichten, ihnen in mehreren Wochen den endgültigen Entwurf des Parteiprogramms vorzulegen, den wir zunächst in der „Iskra" veröffentlichen wollten, damit alle Genossen ihn kennenlernen und uns ihre Bemerkungen senden.

5. Das Zentralorgan. Angesichts der gewaltigen Schwierigkeiten, die sich der Schaffung eines regelmäßig erscheinenden und vom literarischen und technischen Standpunkt genügend ausgerüsteten periodischen Organs entgegenstellen, würde die Konferenz wahrscheinlich, nach dem Beispiel des ersten Parteitags, eins der bestehenden Organe wählen. Ob diese Frage so entschieden oder die Schaffung eines ganz neuen Organs ins Auge gefasst wird, jedenfalls wird man eine besondere Kommission, oder noch besser dasselbe Organisationskomitee damit beauftragen müssen, diese Sache vorzubereiten und sie zusammen mit der bereits bestehenden oder der neugewählten Redaktion von allen Seiten zu erörtern.

Zu diesen Besprechungen müsste man, unseres Erachtens, die Gruppe „Befreiung der Arbeit" heranziehen, ohne deren Mitarbeit und Führung wir uns keine richtige Organisierung einer prinzipienfesten und überhaupt alle Erfordernisse der Bewegung befriedigenden politischen Zeitschrift denken können.

Da bereits vor der Konferenz Versuche gemacht worden sind, ein vierzehntägig erscheinendes Blatt zu gründen, so müsste die Partei als ihre nächste Aufgabe die Gründung einer wöchentlich erscheinenden Zeitung festlegen: das wäre unter der Bedingung einer tatsächlich gemeinsamen Arbeit aller russischen Sozialdemokraten an einem solchen Blatt vollkommen möglich.

6. Vorbereitung der Tagesordnung für den Parteitag und der Berichte über die einzelnen Fragen. Die Konferenz müsste diese Tagesordnung zum Teil selber festsetzen, zum Teil das Organisationskomitee damit beauftragen und unbedingt für jede Frage einen Berichterstatter ernennen (oder: aussuchen). Nur wenn die Berichterstatter vorher bestimmt werden, kann eine tatsächlich umfassende Erörterung der Fragen (einige Berichte könnten vorher vollständig oder zum Teil veröffentlicht und in der Presse erörtert werden: so z. B. hoffen wir, den fast fertiggestellten Bericht eines der Redaktionsmitglieder über das Agrarprogramm der russischen Sozialdemokratie bald veröffentlichen zu können usw.) und ihre richtige Lösung auf dem Parteitag gesichert werden.

7. Die aktuellen praktischen Fragen der Bewegung, z. B.:

a) die Erörterung und Annahme eines Mai-Flugblattes (oder die Erörterung der Flugblattentwürfe, die die „Iskra" und andere Organisationen vorgelegt haben);

b) die Maidemonstration – Zeit und Art ihrer Veranstaltung;

c) Auftrag an das Organisationskomitee, die Organisierung von Boykottbewegungen, Demonstrationen usw. zu fördern, ferner allmähliche ideologische Schulung der Parteimitglieder, Vorbereitung der Kräfte und Mittel der Partei zum allgemeinen Volksaufstand;

d) verschiedene Finanzfragen, die Ausgaben für das Organisationskomitee usw.

Wir schließen damit unseren Bericht über die Fragen der Aufgaben und der Tagesordnung unseres Parteitages und wollen nur noch bemerken, dass es uns infolge äußersten Zeitmangels vollkommen unmöglich ist, einen ausführlichen Bericht über die Tätigkeit der „Iskra" anzufertigen. Wir sind darum gezwungen, uns auf den beigefügten kurzen Entwurf zu beschränken.

Entwurf einer Resolution

1. Die Konferenz lehnt alle Versuche, den Opportunismus in die revolutionäre Klassenbewegung des Proletariats hinein zu tragen – Versuche, die in der sogenannten „Kritik des Marxismus", im Bernsteinianertum und im Ökonomismus zum Ausdruck kommen – auf das Entschiedenste ab. Während die Bourgeoisie aller Länder über die berüchtigte „Krise im Sozialismus" frohlockt, erklärt die Konferenz im Namen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands ihre Solidarität mit der revolutionären internationalen Sozialdemokratie, und sie gibt ihrer tiefsten Überzeugung Ausdruck, dass die Sozialdemokratie aus dieser Krise noch mehr gestärkt und bereit zum rücksichtslosen Kampf für die Verwirklichung ihrer großen Ideale hervorgehen wird.

2. Die Konferenz erklärt sich einverstanden mit dem Manifest der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands und wiederholt, dass der Sturz des Absolutismus die nächste politische Aufgabe der Partei ist. Die Konferenz erklärt, dass die Sozialdemokratie an die Spitze ihrer Tätigkeit, die auf die Durchführung dieser nächsten Aufgabe wie auch auf die Erreichung ihres Endzieles gerichtet ist, die allseitige und im ganzen Volke betriebene politische Agitation stellt, die das Proletariat aufruft zum Kampf gegen alle Erscheinungen der wirtschaftlichen, politischen, nationalen und sozialen Unterdrückung, gegen welchen Teil der Bevölkerung diese Unterdrückung sich auch richten mag. Die Konferenz erklärt, dass die Partei jede revolutionäre und fortschrittlich-oppositionelle Bewegung gegen die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung unterstützen wird. Als zweckmäßiges Kampfmittel empfiehlt die Konferenz besonders die Organisierung von Boykottbewegungen, Manifestationen im Theater usw., ferner organisierte Massendemonstrationen. Die Konferenz gibt allen Komitees und Gruppen der Partei den Rat, auf die Notwendigkeit vorbereitender Maßnahmen zum allgemeinen bewaffneten Volksaufstand gegen den zaristischen Absolutismus ihre Aufmerksamkeit zu lenken.

3. Die Konferenz erklärt, dass die russische Sozialdemokratie nach wie vor den wirtschaftlichen Kampf des Proletariats leiten wird, dass sie Sorge tragen wird für seine Erweiterung und Vertiefung, für die Festigung seiner ideologischen und organisatorischen Verbindung mit der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, dass sie bestrebt sein wird, jede Erscheinung dieses Kampfes für die Entwicklung des politischen Bewusstseins des Proletariats und für seine Heranziehung zum politischen Kampf auszunutzen. Die Konferenz erklärt, dass keine Notwendigkeit besteht, zunächst nur auf ökonomischem Boden Agitation zu treiben oder überhaupt die ökonomische Agitation als das beste Mittel zur Hineinziehung der Massen in den politischen Kampf zu betrachten.

(NB.: Es ist sehr wichtig, auch hier das „Rabotscheje Djelo" noch einmal festzunageln!!)

4. (Hinsichtlich der Bauernschaft – vielleicht im Sinne unseres Agrarprogramms?

Ich werde mir Mühe geben, es fertigzustellen und gleich nachzuschicken.)

1 Der Bericht der „Iskra"-Redaktion war für die sogenannte Вiаlоstoker Konferenz bestimmt.

2Tagesordnung" bei Lenin deutsch.

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