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Wladimir I. Lenin 19021114 Vulgärsozialismus und Volkstümlerei

Wladimir I. Lenin: Vulgärsozialismus und Volkstümlerei, wiederbelebt durch die Sozialrevolutionäre

[Iskra“ Nr. 27, 1. November 1902. Nach Sämtliche Werke, Band 5, Wien-Berlin 1930, S. 283-291]

Der Spott zeigt seine nützliche Wirkung. In den Artikeln unter dem Titel „Revolutionäres Abenteurertum" gaben wir unserer festen Überzeugung Ausdruck, dass unsere Sozialrevolutionäre ihren theoretischen Standpunkt nie offen und genau bestimmen werden. Um diese boshafte und ungerechte Annahme zu widerlegen, eröffnet die „Rewoluzionnaja Rossija" in Nr. 11 eine Artikelreihe unter dem Titel „Programmfragen". Willkommen! Lieber spät als nie. Wir begrüßen im Voraus alle Artikel der „Rewoluzionnaja Rossija" über „Programmfragen" und versprechen, aufmerksam darauf zu achten, ob man aus ihnen tatsächlich irgendein Programm herauslesen kann.

Wir wollen uns zu diesem Zweck den ersten Artikel, „Der Klassenkampf im Dorf", näher ansehen, doch müssen wir vorher bemerken, dass unsere Gegner sich immer wieder zu sehr „hinreißen" lassen, wenn sie erklären (Nr. 11, S. 6), „unser Programm ist aufgestellt". Das stimmt ja nicht, ihr Herren! Ihr habt noch gar kein Programm aufgestellt, d. h. ihr habt nicht nur von Partei wegen keine endgültige Darlegung eurer Ansichten gegeben (eines Programmes im engeren Sinne oder wenigstens eines Programmentwurfes) , sondern ihr habt auch eure Stellung zu solchen Grundfragen des Programms", wie der Frage des Marxismus und der opportunistischen Kritik an ihm, des russischen Kapitalismus und der Lage, der Bedeutung und der Aufgaben des durch ihn entstandenen Proletariats usw., überhaupt nicht festgelegt. Alles, was wir von „eurem Programm" wissen, ist, dass ihr eine gänzlich unbestimmte Stellung einnehmt zwischen der revolutionären Sozialdemokratie und der opportunistischen Richtung einerseits, und zwischen dem russischen Marxismus und der russischen liberal-volkstümlerischen Richtung andererseits.

In welche unlösbaren Widersprüche ihr euch durch diese krampfhafte Anstrengung, euch zwischen zwei Stühle zu setzen, verstrickt, das werden wir euch auch in der von euch gewählten Frage gleich zeigen. „Nicht, dass wir die Zugehörigkeit der heutigen Bauernschaft als Ganzes zu den kleinbürgerlichen Schichten nicht verstünden, – wir erkennen sie nicht an" – schreibt die „Rewoluzionnaja Rossija" (Nr. 11).

Für uns ist die Bauernschaft in zwei grundsätzlich verschiedene Gruppen geteilt: 1. die werktätige Bauernschaft, die von der Ausbeutung der eigenen Arbeitskraft lebt (!??) und 2. die Dorfbourgeoisie – die mittlere und die kleine –, die in höherem oder geringerem Maße von der Ausbeutung fremder Arbeitskraft lebt."

Die Theoretiker der Sozialrevolutionäre, die das „wesentliche Unterscheidungsmerkmal" der Klasse der Bourgeoisie in der „Quelle des Einkommens" (die Ausnutzung der unbezahlten Arbeit anderer Menschen) erblicken, finden eine „ungeheure grundsätzliche Ähnlichkeit" zwischen dem Landproletariat und den „selbständigen Landwirten", die von ihrer eigenen Arbeit mit eigenen Produktionsmitteln leben.

Die Grundlage der Existenz dieser wie jener ist die Arbeit, als bestimmte volkswirtschaftliche Kategorie. Das ist das eine. Zweitens werden die einen wie die andern in den heute herrschenden Verhältnissen schonungslos ausgebeutet. Darum müssen sie in ein und derselben Kategorie der werktätigen Bauernschaft zusammengefasst werden.“

Wir haben absichtlich die Ausführungen der „Rewoluzionnaja Rossija" so ausführlich wiedergegeben, damit der Leser gut über sie nachdenken und ihre theoretischen Grundsätze richtig einschätzen kann. Die Unzulänglichkeit dieser Grundsätze springt in die Augen. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Gesellschaftsklassen in der Quelle ihres Einkommens suchen, heißt an die erste Stelle die Distributionsverhältnisse rücken, die doch in Wirklichkeit das Ergebnis der Produktionsverhältnisse sind. Marx hat vor langer Zeit auf diesen Fehler hingewiesen und die Leute, die ihn nicht sahen, Vulgärsozialisten genannt. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der Klassen ist ihr Platz in der gesellschaftlichen Produktion und, folglich, ihr Verhältnis zu den Produktionsmitteln. Die Aneignung des einen oder des anderen Teiles der gesellschaftlichen Mittel der Produktion und ihre Verwendung für die private Wirtschaft, für eine Wirtschaft, die das Produkt verkauft, – das ist der wesentliche Unterschied zwischen einer Klasse der modernen Gesellschaft der Bourgeoisie) und dem Proletariat, das der Produktionsmittel beraubt ist und seine Arbeitskraft verkauft.

Gehen wir weiter. „Die Grundlage der Existenz dieser wie jener ist die Arbeit, als bestimmte volkswirtschaftliche Kategorie." Eine bestimmte volkswirtschaftliche Kategorie ist nicht die Arbeit, sondern nur die gesellschaftliche Form der Arbeit, die gesellschaftliche Struktur der Arbeit, oder, mit anderen Worten: das Verhältnis zwischen den Menschen je nach ihrer Beteiligung an der gesellschaftlichen Arbeit. Es wird hier in anderer Form der gleiche Fehler des Vulgärsozialismus wiederholt, den wir bereits analysiert haben. Wenn die Sozialrevolutionäre erklären: „Das Wesen der Wechselbeziehungen zwischen Landwirt und Landarbeiter einerseits, zwischen dem selbständigen Landwirt und den Geldverleihern, den Kulaken, andererseits, ist ganz dasselbe", so wiederholen sie damit in vollem Umfang den Fehler etwa des deutschen Vulgärsozialismus, der, wie z. B. Mühlberger, erklärte, das Wesen der Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter sei dasselbe, wie das der Beziehungen zwischen Hausbesitzer und Mieter. Unsere Mühlberger sind ebenso unfähig, die wesentlichen und die abgeleiteten Formen der Ausbeutung voneinander zu trennen, und beschränken sich auf Redensarten über die „Ausbeutung" im Allgemeinen. Unsere Mühlberger verstehen ebenso wenig, dass gerade die Ausbeutung der Lohnarbeit die Grundlage der gesamten gegenwärtigen Raubwirtschaft darstellt, dass gerade sie die Teilung der Gesellschaft in Klassen, die in einem unversöhnlichen Gegensatz zueinander stehen, hervorruft und dass man nur vom Standpunkt dieses Klassenkampfes alle übrigen Erscheinungen der Ausbeutung folgerichtig bewerten kann, ohne in Verschwommenheit und Grundsatzlosigkeit zu verfallen. Unsere Mühlberger müssen daher bei den russischen Sozialisten, denen die Einheitlichkeit ihrer Bewegung und der „gute Name" ihres revolutionären Banners teuer sind, auf einen ebenso entschlossenen und schonungslosen Widerstand stoßen, wie ihn Mühlberger bei den deutschen Sozialisten gefunden hat.

Um die Verworrenheit der „Theorie" unserer Sozialrevolutionäre deutlicher zu zeigen, wollen wir an dieselbe Frage noch von der praktischen Seite herantreten und versuchen, die zur Erörterung stehende Frage durch konkrete Beispiele zu erläutern. Erstens arbeitet die gewaltige Mehrheit des Kleinbürgertums überall und immer, und überall und immer wird sie ausgebeutet. Warum sollte man es sonst zu den Übergangs- und Zwischenschichten rechnen? Zweitens arbeiten in der Gesellschaft der Warenwirtschaft, genau so wie die Bauern auch die kleinen Handwerker und Kaufleute und werden ebenso wie diese ausgebeutet. Wollen nun etwa unsere Sozialrevolutionäre auch eine „Kategorie" der „werktätigen" kaufmännisch-industriellen Bevölkerung schaffen, an Stelle der „engen" Kategorie des Proletariats? Drittens mögen die Sozialrevolutionäre einmal – um die Bedeutung des bei ihnen so wenig beliebten „Dogmas" zu verstehen – versuchen, sich den in einem Stadtvorort wohnenden Bauer vorzustellen, der, ohne Lohnarbeiter zu verwenden, von seiner Arbeit und dem Verkauf verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugnisse lebt. Wir dürfen wohl hoffen, dass selbst eingefleischte Volkstümler es kaum wagen werden, die Zugehörigkeit eines solchen Bauern zum Kleinbürgertum und die Unmöglichkeit, ihn in einer Klasse (wohlgemerkt, es handelt sich hier gerade um die Klasse, nicht um die Partei) mit den Lohnarbeitern zu „vereinigen", zu verneinen. Besteht aber irgendein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Lage eines in einem Stadtvorort wohnenden Krämer-Landwirtes und der Lage irgendeines kleinen Landwirtes in der Gesellschaft der sich entwickelnden Warenwirtschaft?

Es fragt sich nun, wodurch sich diese (mild ausgedrückt) Annäherung der Herren Sozialrevolutionäre an den Vulgärsozialismus erklären lässt? Ist es vielleicht eine zufällige Besonderheit des betreffenden Verfassers? Um diese Annahme zu widerlegen, braucht man nur folgende Stelle aus der Nr. 11 der „Rewoluzionnaja Rossija" anzuführen:

Es ist“ – so ruft der Verfasser aus –, „als handle es sich hier nur um den Umfang ein und derselben wirtschaftlichen Kategorie" (Groß- und Kleinbürger), „und nicht um einen grundsätzlichen Unterschied" (hört! hört!) zweier Kategorien: der Arbeitswirtschaft und der bürgerlich-kapitalistischen Wirtschaft!"

Wir können uns keine vollständigere und anschaulichere Bestätigung des von uns in dem Aufsatz „Revolutionäres Abenteurertum" Gesagten auch nur vorstellen: man kratze den Sozialrevolutionär ein wenig und zum Vorschein kommt der Herr W. W. Jedem, der die Entwicklung des russischen sozialpolitischen Denkens auch nur einigermaßen kennt, wird die Stellung der Sozialrevolutionäre aus diesem einen Satz klar. Bekanntlich lag jenem blassrosafarbenen Scheinsozialismus, mit dem sich die in unserer gebildeten Gesellschaft herrschende liberal-volkstümlerische Richtung schmückte (und auch jetzt noch schmückt), der Gedanke von dem schroffen Gegensatz zwischen der bäuerlichen „Arbeits-Wirtschaft" und der bürgerlichen Wirtschaft zugrunde. Dieser Gedanke, in seinen verschiedenen Abstufungen von den Herren Michailowski, W. W., Nik-on u. a. ausgearbeitet, war eine jener Grundfesten, gegen die sich die Kritik des russischen Marxismus richtete. Um der unterdrückten und vom Untergang bedrohten Bauernschaft zu helfen, sagten wir, muss man es verstehen, sich von Illusionen freizumachen und der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, die die unklaren Träume von einer Arbeitswirtschaft (oder „Volksindustrie"?) zerstört und uns die kleinbürgerliche Struktur der Bauernwirtschaft zeigt. Wie überall, so ist auch bei uns die Entwicklung und die Festigung der kleinen Arbeitswirtschaft nur auf dem Wege ihrer Verwandlung in eine kleinbürgerliche Wirtschaft möglich. Diese Verwandlung geht tatsächlich vor sich, und das wirkliсhe Bestreben der werktätigen Bauern, kleine Unternehmer zu werden, ist durch die Tatsachen des Lebens unwiderlegbar nachgewiesen. Wie alle Kleinproduzenten, fallen darum unsere Bauern unter die Kategorie der Kleinbürger, und zwar in dem Maße, wie sich die Warenwirtschaft entwickelt: sie spalten sich in die Minderheit der Unternehmer und die Masse des Proletariats, das mit den „Kleinbesitzern" durch eine ganze Reihe von Übergangsstufen der Halb-Arbeiter und Halb-Besitzer verbunden ist (diese Übergangsformen bestehen in allen kapitalistischen Ländern und in allen Zweigen der Industrie).

Wie haben sich nun die Sozialrevolutionäre zu dieser Ablösung einer Strömung des sozialistischen Gedankens durch eine andere, zum Kampfe zwischen dem alten russischen Sozialismus und dem Marxismus gestellt? Solange es möglich war, haben sie ganz einfach versucht, einer sachlichen Analyse der Frage aus dem Wege zu gehen. Als das aber nicht mehr ging, als man von den Leuten, die eine besondere „Partei" gründen wollten, bestimmte Erklärungen verlangte, als man sie – sowohl durch Spott als auch geradeheraus durch den Vorwurf der Grundsatzlosigkeit – zur Antwort zwang, da erst begannen sie, die alte volkstümlerische Theorie der „Arbeits-Wirtschaft" und die alten Fehler des Vulgärsozialismus zu wiederholen. Wir wiederholen: eine bessere Bestätigung unserer gegen die Sozialrevolutionäre gerichteten Beschuldigungen der vollständigen Grundsatzlosigkeit, als den Aufsatz in Nr. 11, der die Theorie der „Arbeits-Wirtschaft" und die Theorie des Klassenkampfes miteinander zu „vereinigen" sucht, – konnten wir wirklich nicht erwarten.

Als Kuriosum führen wir noch an, dass in Nr. 11 der „Rewoluzionnaja Rossija" der Versuch gemacht wird, den Beschluss, einer Polemik über die Grundsätze auszuweichen, mit scheinbar „guten" Gründen zu erklären. In dem Aufsatz „Revolutionäres Abenteurertum" habe die „Iskra" angeblich falsch zitiert. Zum Beispiel? Zum Beispiel lässt sie das Wort „stellenweise" weg (der Boden geht stellenweise vom Kapital an die Arbeit über). Wie entsetzlich! Man lässt ein nicht zur Sache gehörendes Wort weg! Oder will die „Rewoluzionnaja Rossija'" vielleicht behaupten, dass das Wort „stellenweise" auch nur in irgendeiner Beziehung stehe zu der Frage, wie man den Übergang des Bodens im Allgemeinen einschätzt (ob das ein bürgerlicher Prozess ist oder nicht) ? Mag sie es versuchen.

Weiter. Die „Iskra" hat ein Zitat bei den Worten „durch den Staat" abgebrochen, obgleich weiter steht: „natürlich nicht den gegenwärtigen". Die „Iskra" hat sogar noch bösartiger gehandelt (wollen wir von uns aus hinzufügen): sie hat sich erdreistet, diesen Staat einen Klassenstaat zu nennen. Vielleicht werden unsere in ihren „besten Gefühlen gekränkten" Gegner behaupten, dass in dem von uns analysierten „Mindestprogramm" die Rede von einem anderen als dem Klassenstaat sein konnte?

Endlich führte die „Iskra" noch das Flugblatt vom 3. April an, in dem die „Rewoluzionnaja Rossija" selber die Beurteilung des Terrors für „übertrieben" hielt. – Ja, auch wir haben diesen Vorbehalt der „Rewoluzionnaja Rossija" angeführt, aber von uns aus hinzugefügt, dass wir darin ein „Seiltänzerkunststück" und unklare Andeutungen erblickten. Die „Rewoluzionnaja Rossija" ist damit sehr unzufrieden und lässt sich auf Erklärungen und Mitteilungen von Einzelheiten ein (wodurch sie in der Tat beweist, dass eine Erklärungen heischende Unklarheit bestand). Und wie sind diese Erklärungen? In dem Flugblatt vom 3. April seien auf Verlangen der Partei Änderungen vorgenommen worden. Diese Änderungen habe man aber als ungenügend anerkannt" und darum aus dem Flugblatt die Worte „von der Partei" entfernt. Aber die Worte „Verlag der Partei" sind geblieben, und das andere (das „echte") Flugblatt, auch vom 3. April, erwähnt mit keinem Wort die Meinungsverschiedenheiten und Übertreibungen. Die „Rewoluzionnaja Rossija", die diese Erklärungen bringt und dabei fühlt, dass diese die Berechtigung der Forderung der „Iskra" (durch die Worte: Seiltänzerkunststück und Andeutungen), Erklärungen zu geben, nur bestätigen, fragt sich selbst: wie konnte die Partei in ihrer Druckerei ein Flugblatt herausbringen, mit dem sie nicht einverstanden ist? Die Antwort der „Rewoluzionnaja Rossija" lautet: Ganz ebenso wie das „Rabotscheje Djelo", die „Iskra", die „Rabotschaja Mysl" und die „Borjba" unter der Firma der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands gedruckt werden. Sehr gut! Aber, erstens, haben wir verschiedenartige Schriften, und gedruckt werden sie nicht in der Druckerei der „Partei", sondern in den Druckereien der Gruppen. Zweitens haben wir, als bei uns die „Rabotschaja Mysl", das „Rabotscheje Djelo" und die „Iskra" zusammen herauskamen, das selbst als Zerfahrenheit bezeichnet. Man betrachte, was sich dabei zeigt: die Sozialdemokratie deckt bei siсh die Zerfahrenheit selber auf und geißelt sie, sie bemüht sich, sie durch ernste theoretische Arbeit zu beseitigen; die Sozialrevolutionäre dagegen beginnen ihre Zerfahrenheit erst einzugestehen, nachdem sie einer solchen überführt sind, und prahlen noch überflüssigerweise mit ihrer Weitherzigkeit, die es ihnen erlaubt hat, aus Anlass ein und desselben politischen Ereignisses, an ein und demselben Tage zwei Flugblätter herauszugeben1, in denen die politische Bedeutung dieses Ereignisses (eines neuen Terroraktes) von geradezu entgegengesetzten Standpunkten ausgelegt wird. – Da die Sozialdemokraten wissen, dass aus einer ideologischen Zerfahrenheit nichts Gutes herauskommen kann, haben sie es vorgezogen, „sich erst voneinander abzugrenzen, um sich dann zu vereinigen", wodurch sie der späteren Vereinigung sowohl Dauerhaftigkeit als auch Fruchtbarkeit sicherten. Die Sozialrevolutionäre dagegen, die ihr „Programm" auf verschiedene Weise auslegen, „jeder, wie er es am besten kann"*, spielen mit dem Schein einer „praktischen" Einigkeit und erklären uns von oben herab: Nur bei euch Sozialdemokraten gibt es allerlei „Gruppen", wir aber haben eine Partei! Sehr richtig, ihr Herren, aber die Geschichte lehrt uns, dass das Verhältnis zwischen „Gruppen" und Parteien manchmal so ist, wie das Verhältnis zwischen den mageren und den fetten Kühen des Pharao. Gibt es doch verschiedene „Parteien". Es hat z. B. eine „Arbeiterpartei zur politischen Befreiung Russlands" gegeben, und doch ist ihr zweijähriges Bestehen ebenso spurlos vorbeigegangen, wie ihr Verschwinden.

1 Aus Anlass der Ermordung Sipjagins durch die Sozialrevolutionäre am 3. April 1902 erschienen zwei Flugblätter: eins mit der Unterschrift „Die Kampforganisation der Partei der Sozialrevolutionäre", und ein zweites, das eine Polemik zwischen Lenin und der „Rewoluzionnaja Rossija" hervorrief und von einer Gruppe von Sozialrevolutionären herausgegeben war.

* Man vergleiche nur „Unsere Aufgaben" des ehemaligen „Bundes der Sozialrevolutionäre" mit dem „Manifest" der ehemaligen „Partei der Sozialrevolutionäre" (darüber in Nr. 5 der „Iskra"), ferner mit der Redaktionsmitteilung in Nr. 1 des „Wjestnik Russkoi Rewoluzii", mit den „programmmatischen" Aufsätzen in Nr. 7–11 der „Rewoluzionnaja Rossija" und mit der broschüre „Freiheit", herausgegeben von der sogenannten „Arbeiterpartei zur politischen Befreiung Russlands", über deren Vereinigung mit der Partei der Sozialrevolutionäre in der „Rewoluzionnaja Rossija" vor kurzem berichtet wurde.

{Lenin meint folgende programmatische Erklärungen der verschiedenen Gruppen, die die Partei der Sozialrevolutionäre bildeten:

Unsere Aufgaben" (die Grundthesen des Programms des Bundes der Sozialrevolutionäre), im Jahre 1898 vom „Bund der Sozialrevolutionäre", dessen Zentrale sich in Saratow befand, hektographiert herausgegeben. „Unsere Aufgaben" wurden im Ausland mit einem Nachwort von S. Grigorowitsch (Ch. Shitlowski) neu verlegt.

Das „Manifest der Partei der Sozialrevolutionäre", angenommen auf dem Cbarkower Kongress (1900) mehrerer revolutionärer Gruppen des Südens (die einflussreichste war die von Woronesch), die die „Partei" der Sozialrevolutionäre bildeten. Später stellte diese „Partei" des Südens einen Teil der Partei der Sozialrevolutionäre dar, die aus der Vereinigung der verschiedenen Gruppen entstanden war; darum spricht Lenin von ihr als von einer „ehemaligen" Partei. Auszüge aus dem „Manifest" enthält der Artikel G. Plechanows „Neuer Wein in alten Schläuchen" („Iskra" Nr. 5, Juni 1901).

Unser Programm" ist ein redaktioneller Artikel in Nr. 1 des „Wjestnik Busskoi Rewoluzii" (Juli 1901).

Die „Programmfragen" sind in folgenden Artikeln der „Rewoluzionnaja Rossija" beleuchtet: „Das terroristische Element in unserm Programm" (Nr. 7, Juni 1902). „Der Bauernbund der Sozialrevolutionären Partei an alle, die in Russland für den revolutionären Sozialismus arbeiten" (Nr. 8, 25. Juni 1902). „Programmfragen: Der Klassenkampf auf dem Lande" (Nr. 11, September 1902).

Die Broschüre „Freiheit", von L. Klatschko-Rodionowa geschrieben und von A. Gerschuni redigiert, wurde im Jahre 1900 in Minsk von der „Arbeiterpartei zur politischen Befreiung Russlands" herausgegeben.

Die Notiz über die Vereinigung der „Arbeiterpartei zur politischen Befreiung Russlands" mit der Sozialrevolutionären Partei erschien in Nr. 9 der „Rewoluzionnaja Rossija" (Juli 1902) in der Rubrik „Aus der Tätigkeit der Partei".}

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