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Wladimir I. Lenin 19031108 Brief an G. M. Krschischanowski

Wladimir I. Lenin: Brief an G. M. Krschischanowski1

[Zum ersten Mal veröffentlicht im Jahre 1928 im „Leninskij Sbornik" Nr. 7. Nach Sämtliche Werke, Band 6, Wien-Berlin 1930, S. 137 f.]

An Smit

8. November 1903

Lieber Freund! Ich bitte noch einmal dringend, dass Du herkommst, gerade Du und dann noch einer oder zwei aus dem Zentralkomitee. Das ist unbedingt und sofort notwendig. Plechanow hat uns verraten, die Erbitterung in unserem Lager ist ungeheuer groß; alle sind empört darüber, dass Plechanow wegen der Skandalgeschichten in der Liga es zugelassen hat, die Parteitagsbeschlüsse umzustoßen. Ich habe die Redaktion endgültig verlassen. Es kann sein, dass die „Iskra" eingeht. Die Krise ist in vollem Gange und furchtbar. Vergiss nicht, dass ich jetzt nicht um die Redaktion des Zentralorgans kämpfe, ich habe mich vollständig damit abgefunden, dass Plechanow ein Fünferkollegium ohne mich zustande bringt. Aber ich kämpfe um das Zentralkomitee, von dem die nach dem feigen Verrat Plechanows frech gewordenen Martowleute ebenfalls Besitz ergreifen wollen. Sie fordern, dass ihre Leute ins Zentralkomitee kooptiert werden, und sagen nicht einmal, wie viele!! Der Kampf um die Redaktion des Zentralorgans ist infolge des Verrats Plechanows unwiderruflich verloren. Die einzige Aussicht auf Frieden wäre die: man versucht, ihnen die Redaktion des Zentralorgans zu überlassen und sich selbst das Zentralkomitee zu sichern. Das ist sehr schwer (vielleicht ist sogar auch dies schon zu spät), doch muss der Versuch gemacht werden. Notwendig ist, dass gerade Smit herkommt und am besten noch zwei in Russland lebende Zentralkomiteemitglieder, die am meisten Eindruck machen (keine Damen; z. B. Boris und Doktor). Plechanow droht, auszuscheiden, wenn das Zentralkomitee nicht nachgibt: um Gottes willen, glaubt seinen Drohungen nicht; man muss ihn ducken, ihm Schrecken einjagen. Es ist notwendig, dass sich die in Russland lebenden Genossen, sich mit der Übergabe der Redaktion des Zentralorgans abfindend, entschieden für das Zentralkomitee einsetzen. Hier werden neue Leute aus dem Zentralkomitee gebraucht, sonst ist niemand da, der mit den Martowleuten verhandeln könnte. Smits Anwesenheit ist besonders dringend erforderlich. Ich wiederhole die „Bedingungen" der Martowleute: 1. Verhandlungen im Namen der Redaktion des Zentralorgans und des Zentralkomitees, 2. sechs in die Redaktion des Zentralorgans, 3. ? in das Zentralkomitee. Einstellung der Kooptation in das Zentralkomitee, 4. zwei Sitze im Rat, 5 Desavouierung des Vorgehens des Zentralkomitees in der Liga, Anerkennung ihres Kongresses als rechtmäßig. Das sind doch Friedensbedingungen, die Sieger Besiegten stellen!!

1 Die an G. Krschischanowski (Smit), der sich zu der Zeit in Russland befand, adressierten Briefe waren tatsächlich für das Zentralkomitee bestimmt, das damals aus folgenden Mitgliedern bestand: Krschischanowski, Noskow (Boris), Lengnik, Kurz (war zu der Zeit im Auslande), Krassin, Semljatschka, Essen und Gussarow („Doktor"). Auf Drängen Lenins kam Krschischanowski, ausgerüstet mit Vollmachten von den übrigen Zentralkomitee-Mitgliedern, nach Genf (Ende November), wo er an der Ausarbeitung eines Ultimatums des Zentralkomitees an die Minderheit mitarbeitete (siehe Anmerkung 98).

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