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Wladimir I. Lenin 19051116 Die Entscheidung naht

Wladimir I. Lenin: Die Entscheidung naht1

[Proletarij", Nr. 25, 3./16. November 1905. Nach Sämtliche Werke, Band 8, S. 495-503]

Die Kräfte halten sich die Wage – schrieben wir vor zwei Wochen bei den ersten Nachrichten über den allrussischen politischen Streik, als bemerkbar wurde, dass die Regierung es nicht wagt, ihre ganze Militärgewalt auf einmal in Aktion zu setzen.

Die Kräfte halten sich die Wage – wiederholten wir vor einer Woche, als das Manifest vom 17./30. Oktober, dieses „letzte Wort" der politischen Neuigkeiten, dem ganzen Volke und der ganzen Welt die Unentschlossenheit des Zarismus und seinen Rückzug vordemonstrierte.

Aber dass die Kräfte einander die Wage halten, schließt den Kampf keineswegs aus, sondern macht ihn im Gegenteil noch schärfer. Wir sagten schon, dass der Rückzug der Regierung nur das Beziehen einer neuen, von ihrem Gesichtspunkt vorteilhafteren und für den Kampf geeigneteren Stellung sei. Die Proklamation der „Freiheiten", die das Blatt Papier, genannt Manifest vom 17. Oktober, ziert, ist lediglich ein Versuch, die für den Kampf gegen die Revolution erforderlichen moralischen Voraussetzungen zu schaffen, während Trepow zu derselben Zeit an der Spitze der allrussischen Schwarzhunderter die materiellen Voraussetzungen dieses Kampfes vorbereitet.

Die Entscheidung naht. Die neue politische Situation zeigt mit erstaunlicher, nur revolutionären Epochen eigener Geschwindigkeit ihre Konturen. Die Regierung trat in Worten einen Rückzug an und begann gleichzeitig in der Tat den Angriff vorzubereiten. Den konstitutionellen Versprechungen folgten die wildesten und abscheulichsten Gewaltakte, wie um dem Volke die ganze reale Bedeutung der realen Macht des Absolutismus noch anschaulicher zu Gemüte zu führen. Der Widerspruch zwischen Versprechungen, Worten, papierenen Maßnahmen und der Wirklichkeit wurde unendlich fühlbar. Die Ereignisse begannen jene Wahrheit glänzend zu bestätigen, die wir unseren Lesern schon so oft gesagt haben und die wir immer wieder wiederholen werden: so lange die faktische Macht des Zarismus nicht gestürzt ist, werden alle seine Zugeständnisse, sogar einschließlich der „Konstituante", Blendwerk, Trugbild, Mystifikation bleiben.

Das haben die revolutionären Arbeiter Petersburgs mit erstaunlicher Klarheit in einem jener Tagesbulletins zum Ausdruck gebracht, die uns noch nicht erreicht haben, von denen aber die von der Macht des Proletariats ganz betroffenen und erschreckten ausländischen Zeitungen immer häufiger zu berichten wissen.

Uns ist Versammlungsfreiheit gewährt worden," schrieb das Streikkomitee, „aber unsere Versammlungen werden von Truppen umzingelt. Uns ist Pressefreiheit gewährt worden, aber die Zensur besteht weiter. Uns ist die Freiheit der Wissenschaft versprochen worden, aber die Universität ist von Soldaten besetzt. Uns ist die Unantastbarkeit der Persönlichkeit gewährt worden, aber die Gefängnisse sind mit Verhafteten überfüllt. Uns ist Witte gewährt worden, aber Trepow besteht weiter. Uns ist eine Verfassung gewährt worden, aber der Absolutismus besteht weiter. Man hat uns alles gegeben, aber wir haben nichts."2

Das „Manifest" wird von Trepow suspendiert. Die Verfassung wird von Trepow zurückbehalten. Die wirkliche Gestalt der Freiheiten wird von demselben Trepow bestimmt. Die Amnestie wird von Trepow verstümmelt.

Wer ist nun dieser Trepow? Eine ungewöhnliche Persönlichkeit, die unbedingt beseitigt werden muss? Keineswegs. Er ist der allergewöhnlichste Polizist, der die alltägliche Arbeit des Absolutismus besorgt und über Truppen und Polizei verfügt.

Warum haben nun dieser allergewöhnlichste Polizist und seine alltägliche „Arbeit" auf einmal eine solche unfassbar große Bedeutung gewonnen? Weil die Revolution einen unfassbar großen Schritt vorwärts gemacht und die wirkliche Entscheidung näher gebracht hat. Das vom Proletariat geführte Volk reift politisch nicht täglich, sondern stündlich oder, wenn man will, nicht von Jahr zu Jahr, sondern von Woche zu Woche. Und wenn Trepow bei einem politisch noch schlafenden Volke ein ganz gewöhnlicher Polizist war, so wurde er angesichts des seiner politischen Kraft bewusst gewordenen Volkes unmöglich, denn er verkörperte das ganze wilde, verbrecherische und sinnlose Wesen des Zarismus.

Die Revolution lehrt. Sie erteilt allen Klassen des Volkes und allen Völkern Russlands ausgezeichneten Anschauungsunterricht über das Wesen der Verfassung. Die Revolution lehrt, indem sie die zu lösenden aktuellen Aufgaben der Politik in ihrer anschaulichsten, greifbarsten Gestalt hervorhebt, die Volksmassen zwingt, sich in diese Aufgaben einzufühlen, und indem sie die eigentliche Existenz eines Volkes von der Lösung dieser Aufgaben abhängig macht und die tatsächliche Untauglichkeit aller Deckungsmanöver, Ausflüchte, Zusicherungen und Anerkennungen entlarvt. „Man hat uns alles gegeben, aber wir haben nichts." Denn „gegeben" hat man uns nur Zusicherungen; eine wirkliche Macht haben wir nicht. Wir sind dicht an die Freiheit herangekommen, wir haben alle und alles, sogar den Zaren gezwungen, die Notwendigkeit der Freiheit anzuerkennen. Aber wir brauchen nicht die Anerkennung der Freiheit, sondern die Freiheit selbst. Wir brauchen nicht ein Stückchen Papier, das den Volksvertretern gesetzgeberische Rechte verspricht. Wir brauchen die tatsächliche Souveränität des Volkes. Je mehr wir uns ihr nähern, desto unerträglicher wird ihr Ausbleiben. Je verlockender die Zarenmanifeste, desto unmöglicher die Zarenmacht.

Der Kampf nähert sich der Entscheidung, der Beantwortung der Frage, ob die reale Macht in der Hand der zaristischen Regierung bleibt. Was die Anerkennung der Revolution betrifft, so ist diese jetzt schon von allen anerkannt. Es ist schon recht lange her, dass sie von Herrn Struve und den Oswoboschdjenije-Leuten anerkannt wurde; jetzt hat sie Herr Witte anerkannt und auch von Nikolai Romanow ist sie anerkannt worden. Ich verspreche euch alles, was ihr wollt, sagt der Zar, aber erhaltet mir meine Macht, gestattet mir, meine Versprechungen selbst zu erfüllen. Darauf läuft im Wesentlichen das Zarenmanifest hinaus, und es ist begreiflich, dass es zum entschlossenen Kampf führen musste. Alles gewähre ich, außer der Macht – erklärt der Zarismus. Alles ist Blendwerk, außer der Macht –- erwidert das revolutionäre Volk.

Die wirkliche Bedeutung jener Sinnlosigkeit, die jetzt in den russischen Angelegenheiten zu herrschen scheint, besteht in dem Bestreben des Zarismus, die Revolution zu betrügen, durch einen Pakt mit der Bourgeoisie zu umgehen. Der Zar verspricht der Bourgeoisie immer mehr und mehr – vielleicht erreicht er es, dass eine massenhafte Umkehr der besitzenden Klassen in der Richtung zur „Ordnung" beginnt. Aber solange sich diese „Ordnung" in den Exzessen Trepows und seiner Schwarzen Hunderte verkörpert, läuft der Aufruf des Zaren Gefahr, die Stimme des Predigers in der Wüste zu bleiben. Der Zar braucht sowohl Witte als auch Trepow: Witte, um die einen zu locken, Trepow um die anderen zurückzuhalten; Witte für die Versprechungen, Trepow für die Taten; Witte für die Bourgeoisie, Trepow für das Proletariat. Und wieder entfaltet sich vor uns, aber auf einer unvergleichlich höheren Entwicklungsstufe, das gleiche Bild, das wir am Anfang des Moskauer Streiks sahen: die Liberalen verhandeln, die Arbeiter kämpfen.

Trepow hat seine Rolle und seine eigentliche Bedeutung ausgezeichnet begriffen. Er hat sich vom Standpunkt des diplomatischen Witte vielleicht ein wenig zu sehr beeilt, aber er fürchtete eben, sich zu verspäten, als er sah, wie schnell die Revolution fortschreitet. Trepow sah sich sogar zur Eile gezwungen, denn er fühlte, dass die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte schwinden.

Mit dem Verfassungsmanifest des Absolutismus begannen auch die absolutistischen Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Verfassung. Die Schwarzen Hunderte entwickelten eine Aktivität, wie es Russland noch nicht gesehen hat. Berichte von Gemetzeln, Pogromen, von unerhörten Bestialitäten kommen haufenweise aus allen Gegenden Russlands. Es herrscht der weiße Terror. Überall, wo nur irgend möglich, mobilisiert und organisiert die Polizei den Bodensatz der kapitalistischen Gesellschaft zu Raub und Gewalttaten, versorgt sie den Abschaum der städtischen Bevölkerung mit Alkohol, inszeniert sie Judenprogrome, hetzt sie zu Misshandlungen der „Studenten" und Verschwörer, hilft sie, die Semstwo-Männer zu „belehren". Die Konterrevolution arbeitet mit Volldampf. Trepow „macht sich bezahlt". Man schießt mit Maschinengewehren (Odessa), sticht Augen aus (Kiew), wirft vom fünften Stockwerk auf die Straße, stürmt Häuser und liefert sie der Plünderung aus, legt Feuer an und hindert am Löschen, erschießt alle, die es wagen, den Schwarzen Hunderten Widerstand zu leisten. Von Polen bis Sibirien, von den Ufern des Finnischen Meerbusens bis zum Schwarzen Meer – überall das gleiche Bild.

Aber neben diesem Wüten der Schwarzen Hunderte, dieser Orgie der absolutistischen Macht, dieser letzten Agonie des zaristischen Ungetüms, macht sich immer deutlicher das neue Vordrängen des Proletariats bemerkbar, das wie immer nach einem Aufstieg der Bewegung scheinbar stiller wird, in Wirklichkeit aber Kräfte sammelt und sich auf den entscheidenden Schlag vorbereitet. Die Exzesse der Polizei haben in Russland jetzt aus den oben genannten Gründen einen ganz anderen Charakter als früher angenommen. Gleichzeitig mit den Ausbrüchen der Kosakenrache und der Trepowschen „Revanche" macht die Zersetzung der Zarenmacht immer größere Fortschritte. Das sieht man in der Provinz, in Finnland und in Petersburg, das zeigt sich auch überall da, wo das Volk am meisten niedergedrückt und die politische Entwicklung am schwächsten ist, sowohl in den Randgebieten mit fremdstämmiger Bevölkerung als auch in der Hauptstadt, wo sich jetzt das größte Drama der Revolution abzuspielen verspricht.

In der Tat, man vergleiche hier die beiden Telegramme, die wir einer uns vorliegenden Wiener bürgerlich-liberalen Zeitung entnehmen:3

In Twer wurde das Semstwoamt in Gegenwart des Gouverneurs Slepzow vom Mob überfallen und erobert. Das Haus wurde darauf an allen Ecken vom Pöbel angezündet. Die Feuerwehr weigerte sich, zu löschen, das anwesende Militär stand untätig zur Seite" (wir bürgen natürlich nicht für die volle Wahrheit gerade dieser Nachricht, aber dass solche und hundertmal schlimmere Dinge allenthalben geschehen, ist eine unbestrittene Tatsache). „In Kasan wurde die Polizei vom Volke entwaffnet, die Waffen an die Bevölkerung verteilt und eine Volksmiliz gebildet. Jetzt herrschte dort völlige Ruhe und Ordnung."

Ist es nicht lehrreich, diese beiden Bilder gegeneinander zu halten? Rache, Exzesse, Pogrome. Niederwerfung der zaristischen Macht und Organisierung des siegreichen Aufstandes.

Finnland zeigt uns dieselben Erscheinungen in unvergleichlich größerem Umfange. Der Vertreter des Zaren ist vertrieben. Die lakaienhaften Senatoren sind vom Volke abgesetzt. Die russischen Gendarmen werden hinausgeworfen. Sie versuchen, sich durch Zerstörung der Eisenbahnverbindung zu rächen (Telegramm aus Haparanda vom 4. November n. St.). Darauf werden Abteilungen bewaffneter Volksmiliz ausgesandt, um die tobenden Gendarmen zu verhaften. Die Bürgerversammlung in Torneo beschließt, die Einfuhr von Waffen und freiheitlicher Literatur zu organisieren. Tausende und Abertausende schreiben sich in Städten und Dörfern in die finnländische Miliz ein. Man berichtet, dass die russische Garnison einer starken Festung (Sveaborg) dem empörten Volke ihre Sympathien ausgedrückt und die Festung der Volksmiliz übergeben hat. Finnland jubelt. Der Zar macht Zugeständnisse, ist bereit, den Landtag einzuberufen, hebt das gesetzwidrige Manifest vom 15./27. Februar 1899 auf, nimmt die „Demission" der vom Volke vertriebenen Senatoren an. Und zu derselben Zeit erteilt das „Nowoje Wremja" den Rat, alle finnländischen Häfen zu blockieren und den Aufstand mit Waffengewalt niederzuschlagen.4 Die Telegramme ausländischer Zeitungen berichten, dass in Helsingfors viele russische Truppen einquartiert seien (man weiß nicht, inwieweit sie für die Unterdrückung des Aufstandes geeignet sind). Die russischen Kriegsschiffe sollen in den inneren Hafen von Helsingfors eingelaufen sein.

Petersburg. Trepow rächt sich für den Triumph des revolutionären Volkes (anlässlich der dem Zaren abgerungenen Zugeständnisse). Die Kosaken wüten. Die Gemetzel nehmen zu. Die Polizei organisiert offen Schwarze Hunderte. Die Arbeiter wollten am Sonntag, den 23. Oktober/5. November, eine ungeheure Demonstration organisieren. Sie hatten die Absicht, das Andenken ihrer Genossen, der im Kampfe für die Freiheit gefallenen Helden öffentlich zu ehren. Die Regierung bereitete ihrerseits ein ungeheures Blutvergießen vor. Sie bereitete für Petersburg dasselbe vor, was sich in Moskau in kleineren Dimensionen abgespielt hatte (die Metzelei bei der Beerdigung des Arbeiterführers Bauman). Trepow wollte den Moment ausnützen, wo er seine Truppen noch nicht durch die Entsendung eines Teils nach Finnland zersplittert hatte – den Augenblick, wo die Arbeiter im Begriff waren, zu manifestieren und nicht sich zu schlagen.

Die Petersburger Arbeiter erkannten die Absicht des Gegners. Die Demonstration wurde abgesagt. Das Arbeiterkomitee beschloss, die letzte Schlacht nicht in dem Augenblick zu liefern, den Trepow für sie zu bestimmen geruht hat. Das Arbeiterkomitee kalkulierte richtig, dass eine ganze Reihe von Ursachen (darunter der Aufstand in Finnland) einen Aufschub des Kampfes für Trepow unvorteilhaft, für uns vorteilhaft macht. Inzwischen aber wird die Bewaffnung energisch vorbereitet. Die Propaganda unter den Truppen macht ausgezeichnete Fortschritte. Man berichtet von der Verhaftung von 150 Matrosen der 14. und 18. Marineformation, von 92 in den letzten anderthalb Wochen eingereichten Beschwerden gegen Offiziere wegen Sympathien für die Revolutionäre.

Proklamationen, die die Truppen auffordern, auf die Seite des Volkes zu treten, werden sogar unter die Petersburg „bewachenden" Patrouillen verteilt. Die mächtige Hand des revolutionären Proletariats erweitert die von Trepow festgesetzten Grenzen der versprochenen Pressefreiheit. Wie die ausländischen Zeitungen berichten, sind am Sonnabend, den 22. Oktober/4. November, nur jene Petersburger Zeitungen erschienen, die sich bereit erklärten, die Zensur zu ignorieren, wie es die Arbeiter forderten. Zwei deutsche Petersburger Zeitungen, die „loyal" (knechtisch) zu bleiben wünschten, konnten nicht erscheinen. Die „legalen" Zeitungen begannen in dem Augenblick, als die Grenzen des Legalen nicht mehr von Trepow, sondern vom Verband der Petersburger streikenden Arbeiter festgelegt wurden, eine ungewöhnlich mutige Sprache zu führen.

Der Streik, zeitweilig aufgeschoben," telegraphiert man am 22. Oktober/4. November der „Neuen Freien Presse", „wird, wie erklärt wird, wieder eintreten, sobald die Zeit gekommen sein werde, den letzten Schlag gegen das alte Regime zu führen. Auf das Proletariat machte keine der Konzessionen der Regierung Eindruck. Die Lage ist sehr unklar und gefahrdrohend, da die Revolutionsidee weiter greift und die Arbeiterschaft sich als Beherrscherin der Situation fühlt. Von hier (aus Petersburg) beginnt eine Massenflucht. Man besorgt eine Katastrophe."

Die Entscheidung naht. Der Sieg des Volksaufstandes ist nicht mehr fern. Die Losungen der revolutionären Sozialdemokratie setzen sich mit unerwarteter Schnelligkeit in die Praxis um. Mag Trepow noch eine Weile zwischen dem revolutionären Finnland und dem revolutionären Petersburg, zwischen den revolutionären Randgebieten und der revolutionären Provinz hin und her zappeln. Mag er versuchen, wenigstens einen einzigen sicheren, für freie militärische Operationen geeigneten Ort zu finden. Möge das Zarenmanifest noch weitere Verbreitung finden, möge die Nachricht von den Ereignissen in den revolutionären Zentren noch mehr verbreitet werden – das wird uns neue Anhänger zuführen und neues Schwanken, neue Zersetzungen in die schwindende Zahl der Anhänger des Zarismus bringen.

Der allrussische politische Streik hat sein Werk ausgezeichnet getan, denn er hat den Aufstand weiter getrieben, dem Zarismus furchtbare Wunden geschlagen und die niederträchtige Komödie der niederträchtigen Reichsduma aufgedeckt. Die Generalprobe ist beendet. Wir stehen allem Anschein nach am Vorabend des eigentlichen Dramas. Witte schwimmt in einem Strom von Worten. Trepow schwimmt in einem Strom von Blut. Dem Zaren bleiben nicht mehr viele Versprechungen übrig, die er noch zu vergeben hätte. Trepow bleiben nicht mehr viele Schwarzhundert-Truppen übrig, die er noch in den letzten Kampf werfen könnte. Die Reihen des revolutionären Heeres aber wachsen, die Kräfte stählen sich in einzelnen Scharmützeln, das rote Banner erhebt sich immer höher und höher über dem neuen Russland.

1 Der Artikel „Die Entscheidung naht“ wurde in Nummer 25 des „Proletarij“ vom 3./16. November 1905 veröffentlicht und gibt eine Einschätzung der Lage, wie sie sich unmittelbar nach dem Generalstreik vom Oktober und nach dem Zarenmanifest vom 17./30. Oktober mit den trügerischen Versprechungen der „Freiheit“ und einer Volksvertretung herausgebildet hatte. [Anmerkung 89 der „Ausgewählten Werke“, Band 3]

2 Die von den englischen Zeitungen zitierten Zeilen sind aus einem ungezeichneten und nicht überschriebenen Artikel Trotzkis in Nr. 3 der „Nachrichten des Arbeiterdeputiertenrats" vom 20. Oktober/2. November 1905 entnommen.

3 Alle hier angeführten Zitate und Berufungen beziehen sich auf die Nummern 14.800 und 14.801 des Blattes vom 4. und 5. November 1905. Nr. 14.800 (Abendblatt vom 4. November) brachte die Meldungen über Twer und Kasan sowie die Mitteilung aus Haparanda: „Eisenbahnattentat der verjagten Gendarmen." In Nr. 14.801 waren die Meldungen „Bildung von Nationalgarden", „Einberufung des finnländischen Landtages", „Massenverhaftungen von Matrosen", „Radikale Strömungen in Petersburg" und „Die Volkserhebung in Finnland".

4 Gemeint ist der nicht gezeichnete Artikel „Die Revolution in Finnland" im „Nowoje Wremja", Nr. 10.639 vom 23. Oktober/5. November 1905.

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