Karl Liebknecht‎ > ‎1914‎ > ‎

Karl Liebknecht 19140511 Der Teufelstrust der internationalen Rüstungsindustrie

Karl Liebknecht: Der Teufelstrust der internationalen Rüstungsindustrie

Reden im Deutschen Reichstag zur Beratung des Reichshaushaltsetats für 1914, 11.und 13. Mai 1914)

[Nach Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Bd. 295, Berlin 1914, S. 8699-8713, 8720-8722, 8725-8728, 8729, 8755, 8791/8792 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 7, S. 241-309]

I

11. Mai 1914

Meine Herren, wenn ich nur die zwölf bekanntesten deutschen Firmen der Waffen- und Munitionsindustrie ins Auge fasse, so repräsentieren sie ein nominelles Aktienkapital von zusammen rund 255 Millionen, und jetzt, nach der Kapitalserhöhung einer der bekanntesten Gesellschaften, von rund 270 Millionen. Der wirkliche Wert beläuft sich auf mindestens eine halbe Milliarde. Die Firmen der schweren Rüstungsindustrie sind in erster Linie neben Krupp Ehrhardt und Dillingen, von denen die letztere ja bekanntlich hauptsächlich für die Marine in Frage kommt.

Gestatten Sie einen kurzen Blick auf die Aufsichtsräte und Direktoren des Kruppschen Werkes. Ich will nur streifen den Namen des früheren Vorsitzenden des Kruppschen Direktoriums, des jetzigen Hauptleiters des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, Rötger, und den Namen des Bruders des früher hier tätig gewesenen Generals Wandel, der ja Syndikus bei Krupp ist, und hinweisen auf die Tatsache – die natürlich auch nicht unbekannt ist –, dass der gegenwärtige Vorsitzende des Direktoriums, der auf Rötger gefolgt ist, Geheimer Finanzrat Hugenberg, früher vortragender Rat im Kriegsministerium war, dass der Assessor Eccius, der bekanntlich jüngst verurteilt worden ist1, im Auswärtigen Amte tätig war und dass der Direktor Dreger, der gleichfalls im Krupp-Prozess eine Rolle gespielt hat, früher Dezernent im Kriegsministerium gewesen ist. Der Vizeadmiral Sack wurde von dem konservativen „Türmer" im Juli 1913 folgendermaßen gekennzeichnet:

Er sitzt im Aufsichtsrat von Krupp. Ich wiederhole, dass es nicht geduldet werden darf, dass ein Admiral, der Pension bezieht, Aufsichtsratsstellungen bei Monopolfirmen annimmt, mit denen er jahrelang als Dezernent im Marineamt Geschäfte über riesige Summen für das Reich abgeschlossen hat."

Bekanntlich sitzt der frühere Admiral Sack außerdem im Aufsichtsrat der Waffen- und Munitionsfabriken und der Köln-Rottweiler Pulverfabriken. Meine Herren, von den anderen Persönlichkeiten will ich vollkommen absehen.

Die vielfach vertretene Auffassung, als konzentriere sich Krupp aus geschäftlichen oder höheren politischen Gründen zwar nicht im Handel – denn der ist bei ihm auf das internationalste geregelt –, aber wenigstens in der Produktion auf Deutschland, kann vor einer sorgfältigen Prüfung nicht standhalten. Zunächst gehört Krupp – wenn ich diesen kurzen Ausdruck gebrauchen darf – zu den Matadoren des internationalen Sprengstoffrings und ist schon dadurch und durch andere Fäden verknüpft mit dem höchst internationalen Loewe-Konzern, von dem ich nachher zu sprechen haben werde. Er steht gleichfalls in enger Beziehung zu dem internationalen AEG-Konzern und ebenso zu dem internationalsten Unternehmen der optischen Kriegsindustrie, Goerz. Er spielt eine entscheidende Rolle in der kriegstechnisch ungemein wichtigen Internationale für Dieselmotoren. Natürlich ist er auch das einflussreichste Mitglied in dem internationalen Panzerplattentrust und in der internationalen Munitionskonvention, auf die ich noch zu kommen habe. Er würde zweifellos auch in dem geplanten Schiffsbaukartell eine besondere Rolle spielen.

Wenn man von einer Konkurrenz zwischen der Dillinger Hütte und den Kruppschen Werken in Bezug auf die Panzerplattenfabrikation vielleicht früher sprechen konnte, so ist bekanntlich diese Konkurrenz längst durch ein Kartellverhältnis zwischen diesen beiden größten Panzerplattenfabriken Deutschlands beseitigt.

Von Wichtigkeit ist der enge Konnex, in den neuestens das deutsche Kruppsche Unternehmen mit dem österreichischen Zweig der Krupp-Dynastie, Arthur Krupp, getreten ist, der allerdings mit der Kriegsindustrie bislang nichts zu tun hat. Wohl aber gehört unmittelbar in das Gebiet des internationalen Kriegstrusts der schweren Rüstungsindustrie die enge Verbindung, in der Krupp-Essen sich mit dem größten österreichischen Unternehmen der schweren Rüstungsindustrie, mit den Skodawerken, befindet. Die Beziehungen zwischen diesen beiden Werken bestehen bereits längere Zeit. Im Jahre 1913 sind sie aber so intim geworden, dass man von einem Kartell oder einem Konzern sprechen muss. An den Skodawerken ist Krupp nicht nur finanziell beteiligt, er steht mit ihnen auch in Verbindung in Bezug auf die Patentlieferung und den Patentaustausch. Die Skodawerke wiederum, mit denen Krupp in dieser engen Beziehung steht, haben sich anfangs 1914 mit russischem und französischem Kapital verbunden,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

um in Creusot, dem Sitz der französischen Kanonenfirma Schneider, eine Stahlhütte zu errichten, zu der diese französische Kanonenfirma Schneider die technischen Einrichtungen zu liefern hat. Die Firma Schneider, mit der auf diese Weise Skoda-Krupp in Verbindung getreten ist, hat in verschiedenen ausländischen Staaten, wie bekannt, ihre Zweigniederlassungen und ist besonders in Russland neuestens an den Putilow-Werken und anderwärts auf das Stärkste interessiert.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Bei der Putilow-Affäre ist weiter die intime Beziehung zwischen Krupp und großen englischen Rüstungsfirmen und ebenso zwischen Krupp und dem russischen Rüstungskapital hervorgetreten. Wir stehen hier vor einer Kanoneninternationale in Reinkultur.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich spreche jetzt von der Putilow-Affäre, Als im Jahre 1914 das „Echo de Paris" die bekannte Sensationsmeldung über die Absicht Krupps brachte, die Putilow-Werke mit Vickers zusammen zu erwerben, kam ja das übliche Dementierspiel und halbe Bestätigungsspiel, amtlich, halbamtlich, nichtamtlich und all dergleichen. Man kann aus all dem Spiel hin und her immerhin gewisse Schlussfolgerungen ziehen, die man auf eine gute Basis fundieren kann. Die „Kölnische Zeitung", die häufig von Krupp gut informiert ist, meldete am 31. Januar dieses Jahres: „Dass Krupp mit Putilow seit langer Zeit in geschäftlicher Beziehung steht, ist übrigens kein Geheimnis."

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich will mich aber auf eine Autorität berufen, die der Rechten dieses Hauses ganz gewiss maßgebend genug ist, nämlich auf zwei Artikel der „Deutschen Tageszeitung". Die „Deutsche Tageszeitung" hat unter dem 6. Februar 1914 einen Artikel gebracht, in dem mitgeteilt wird, dass die österreichischen Skodawerke – also wiederum Krupp –, die auch die Aktien der mit der Baltischen Schiffswerft verbundenen Newski-Schiffswerft erworben haben, also einer russischen Kriegsschiffswerft, auch die Putilow-Werke in ihre Hände zu bekommen versucht haben. In einem weiteren Artikel vom 9. Februar 1914 hat die „Deutsche Tageszeitung" berichtet, die Putilow-Werke wollten zur Geschützfabrikation übergehen; da sie aber außer Geld auch noch sonst allerhand brauchten, um moderne Geschütze herzustellen, haben sie sich an die bedeutendsten Geschützfabriken um Geld und Hergabe von Konstruktionen gewandt. In dem Artikel wird weiter triumphierend berichtet, dass das Material, mit dem Putilow seine Kanonen herstellt, richtiger Krupp-Tiegelstahl ist.

Es ist hiernach also ganz offensichtlich – das darf man nach derartigen autoritativen Quellen wohl sagen –, es ist danach sicherlich nicht in das Gebiet der Phantasie zurückzuweisen, wenn man sagt, dass die Putilow-Affäre einen engen Zusammenhang zwischen dem deutschen Kapital der schweren Rüstungsindustrie, insbesondere Krupp, und dem russischen und englischen Kriegskapital aufgedeckt hat.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Dafür sprechen auch trotz aller Dementis, die in derartigen Dingen nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind, auch die mehr oder weniger amtlichen Äußerungen, die im französischen und englischen Parlament darüber abgegeben sind, obwohl ich natürlich auf derartige amtliche Mitteilungen in auswärtigen Parlamenten, auch wenn sie von den Regierungen ausgehen, kein besonders großes Gewicht lege, sowenig, wie man besonders großes Gewicht legen könnte auf irgendwelche Äußerung, die in derartigen intrikaten Fragen über die Dessous unserer Rüstungsindustrie etwa von unserer Regierung abgegeben werden würde.

Meine Herren, ich will mich mit einigen Worten zu Ehrhardt wenden. In der Ehrhardtschen Fabrik sitzt im Aufsichtsrat, abgesehen von unserem allverehrten Herrn Geheimrat Paasche, der frühere Oberpräsident von Loebell, jetzt preußischer Minister des Innern;

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

außerdem der Generalleutnant z. D. Ernst von Reichenau. Er ist also recht gut mit Konnexionen versorgt, und, das darf man sagen, er braucht sie auch, um gegen das mächtige Krupp-Monopol anzukommen. Schließlich kann es auch bei derartigen Konnexionen nicht fehlen. In dem Duell Krupp-Ehrhardt hat sich in der letzten Zeit eine Wendung vollzogen, wenn sich natürlich auch die Sache nach kapitalistischer Gangart entwickelt hat. Es ist Ihnen bekannt, wie ein wohl informiertes Blatt im vergangenen Jahre zu berichten wusste, dass Krupp durch geheime Aktienkäufe sich in den Stand gesetzt hatte, eine Kapitalerhöhung bei Ehrhardt zu verhindern, die Ehrhardt dringend notwendig hatte, und dass in diesem Jahre eine Einigung zwischen Krupp und Ehrhardt stattgefunden hat, was darauf schließen lässt, dass man von Ehrhardt sagen kann: laudabiliter se subjecit, er hat sich löblich unterworfen. Der Gegensatz ist ausgeglichen; nach dem Sturm ist anscheinend jetzt Frieden eingetreten.

Ich komme zum Loewe-Konzern. Er ist eines der interessantesten industriellen und finanziellen Unternehmungen, die es wohl auf der ganzen Erde gibt. Das Stammhaus Loewe hat die Waffen- und Munitionsfabrikation völlig aufgegeben. Es kommen dafür die folgenden Firmen in Betracht: die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, Mauser, Dürener Metallwerke AG, Gustav Genschow; ferner von ausländischen die Fabrique nationale d'armes de guerre in Herstal; in Frankreich die Compagnie Anonyme Française pour la Fabrication des roulements à billes in Paris; in Italien die Società Metallurgica Bresciana in Brescia. Halb in Österreich und halb in Deutschland ist die Firma Gebrüder Böhler; jetzt hat sie nominell ihren Sitz in Deutschland, ist aber im Wesentlichen eine österreichische Gründung; ihre Hauptgeschäftsstelle ist jetzt noch dort. Gustav Genschow hat preußische Tochtergesellschaften außer in Deutschland auch noch in Belgien: Gustav Genschow & Co. Société Anonyme in Herstal, und in Österreich Gustav Genschow & Co. Die Gebrüder Böbler, von denen ich sprach, sind, abgesehen von einigen anderen hier nicht interessierenden Gesellschaften, in Italien beteiligt und haben Niederlassungen in Prag, Budapest, Mailand, Brüssel, Paris, Sheffield, Petersburg, Moskau, Jekaterinenburg, Shanghai, Tokio und Osaka; das heißt in Österreich, Italien, Belgien, Frankreich, England, Russland, China und Japan. Der Loewe-Konzern ist also einer der größten, weltumfassendsten Kriegsrüstungsunternehmungen.

Abgesehen davon bestehen enge Beziehungen zwischen dem Loewe-Konzern, soweit er Waffen- und Munitionsfabrikation betreibt, und der Sprengstoffindustrie, insbesondere den Köln-Rottweiler Pulverfabriken, dem größten deutschen Unternehmen dieser Branche. Damit sind Beziehungen zum Nobel-Trust und zum internationalen Sprengstoffring angeknüpft und durch den Nobel-Trust wieder Beziehungen zu zwei englischen Waffen- und Munitionsfabriken in Birmingham, deren Namen ich noch an anderer Stelle nennen werde. Die Internationalität des Handels des Loewe-Konzerns werde ich noch an anderer Stelle darlegen. Triumphierend wird in Salings Börsenjahrbuch für dieses Jahr berichtet, dass über 50 Prozent der gesamten Produktion der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken ins Ausland ging!

Meine Herren, damit sind wir aber mit dem Loewe-Trust noch nicht fertig. Ich will von den Fäden, die zu der Motorenindustrie, insbesondere Daimler, und der optischen Industrie, insbesondere Goerz, hinüber reichen, nicht näher sprechen. Auch diese Unternehmungen reichen über Deutschland weit hinaus, sind international, ganz im Sinne des Loewe-Konzerns. Hier interessiert uns folgendes. Anfang April 1914 hören wir, dass die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin mit der österreichischen Waffenfabrik in Steyr, der berühmtesten und größten Waffenfabrik – nicht der schweren Rüstungsindustrie – der Donaumonarchie, 200.000 Gewehre an Serbien lieferte, also an den größten politischen Erbfeind Österreichs, unseres Verbündeten. Dabei tritt zutage, dass zwischen beiden Firmen ein Kartellverhältnis besteht. In der Generalversammlung der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken vom 3. April dieses Jahres wird mitgeteilt, dass diese Firma mit dem Stahlwerk Becker in Willich bei Krefeld, das gleichfalls Kriegsgerät herstellt, eine Interessengemeinschaft abgeschlossen hat über die Beteiligung an der von der russischen Regierung genehmigten Gesellschaft „Parabellum" in St. Petersburg.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Die Interessengemeinschaft geht dahin, dass die beiden deutschen Waffenfabriken ihre sämtlichen Erfahrungen, Patente usw. in das neue russische Unternehmen hineinzubringen haben.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Zweck der Gesellschaft „Parabellum" ist nach der „Deutschen Tageszeitung" vom 3. April 1914, die Erzeugnisse beider deutschen Werke in Russland zu vertreiben, jedoch in erster Linie Kriegsmaterial herzustellen.

Meine Herren, damit ist der Kreis geschlossen, und man kann in der Tat nur von einem internationalen Kriegstrust auch des Loewe-Konzerns sprechen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Die Firmen dieses Konzerns haben den ganzen Erdball in Interessensphären zur Exploitation unter sich geteilt. Es ist der Völkermord in Entreprise über die ganze Erde hin gegeben.

(„Hört! Hört!")

Meine Herren, ich darf auf den Vertrag verweisen, den ich am 26. April 1913 in seinem wesentlichen Inhalt hier vortrug und der sich bezog auf das Kartellverhältnis zwischen mehreren zum Loewe-Konzern gehörigen Waffenfabriken. Damals konnte schwarz auf weiß dargelegt werden, in welcher Weise – ich will nicht sagen: hochverräterischer oder landesverräterischer, aber jedenfalls nicht-patriotischer Weise – diese Firmen sich zusammengetan haben, um Geld zu münzen aus dem Völkermord, aus der Zwietracht der Völker.

Meine Herren, um die Sache zu krönen: Wer steht in erster Linie hinter dem Loewe-Konzern? Man darf wohl sagen: Abgesehen von anderen Banken – denn die Loewe-Gruppe der Banken ist ja außerordentlich wandelbar –, spielt gegenwärtig die stärkste Rolle die jetzige 300-Millionen-Bank der Disconto-Gesellschaft und des Schaaffhausenschen Bankvereins.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, eine 300-Millionen-Bank! Das erklärt auch die Zuversichtlichkeit, mit der der Loewe-Konzern allen Anfeindungen in der Öffentlichkeit getrotzt hat. Außerdem ist natürlich auch die Nationalbank im Loewe-Konzern vertreten. Ich halte das für besonders wichtig, weil ich mich mit dem Herrn Witting, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Nationalbank, nachher noch kurz zu beschäftigen haben werde.

Meine Herren, der Sprengstoßring ist ja bereits früher einmal literarisch bearbeitet worden. Feuchters Buch2 über den deutschen Pulverring aus dem Jahre 1896 ist durch die weitere Entwicklung schon lange überholt. Der Ring ist inzwischen völlig international geworden. Er steht unter den Auspizien der Nobel Dynamite Trust Company Limited in London, die aber auch in Deutschland ihren Sitz hat.

Meine Herren, ich könnte Ihnen alle die einzelnen Firmen, die dazu gehören, aufführen. Es sind insgesamt nicht weniger als 33 verschiedene Firmen in Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Schweden, Italien, Amerika, Australien, Südamerika, Russland – kurzum wohin man überhaupt blickt. Nennen Sie nur ein Land der Welt, wo der Nobel-Trust nicht Fuß gefasst hätte. In Deutschland gehören zu dem Nobel-Trust insbesondere die Dynamitgesellschaft Alfred Nobel, die wiederum unter anderem direkt an der British South African Explosives Co. beteiligt ist, die Rheinische Dynamitfabrik, die Deutsche Sprengstoff Aktiengesellschaft, die Dresdner Dynamitfabrik. Daneben steht der sogenannte Pulverring unter der Führung der Vereinigten Köln-Rottweiler. Einige andere Firmen gehören dazu. Diese stehen wieder in engster Beziehung, abgesehen von dem Nobel-Trust, zur Union Espagnole des Explosifes, zu der British South African Explosives Co., von der ich eben gesprochen habe, und zu der Russischen Gesellschaft für Pulverfabrikation. Das ist das nationalste deutsche Pulverunternehmen, die Vereinigten Köln-Rottweiler Fabriken! Diese Verbindungen werden offiziell in den Börsenbüchern als Beteiligungen der Köln-Rottweiler Fabriken aufgeführt! Meine Herren, die Rhein-Siegener Gruppe steht daneben. Und schließlich: Die anderen Fabriken – es kommen noch ungefähr sechs in Betracht – sind durch enge persönliche und unterirdische Beziehungen mit den vorerwähnten Gruppen verknüpft, so dass wir sagen können: 17 deutsche Pulverfabriken gehören zu dem internationalen Sprengstoffring! Dazu kommen die ausländischen Gesellschaften in Luxemburg, Wien, Lüttich, Südafrika, Glasgow, London, Japan, Transvaal, Russland, Spanien usw.

Meine Herren, hierzu gehören auch die beiden Waffenfabriken, von denen ich vorhin bereits sprach, die Birmingham Small Arms and Metal Company und die Birmingham Metal and Munitions Company Limited. Damit ist, wie ich vorhin bereits ausführte, die enge Verbindung der englischen Waffenindustrie auch mit dem Loewe-Konzern hergestellt.

Meine Herren, Einzelheiten der Entwicklung des Loewe-Konzerns will ich hier nicht vortragen; ich wäre in der Lage, Ihnen die dokumentarischen Nachweise dafür zu bringen. Ich möchte hier nur noch erwähnen, dass, was nicht ohne Interesse ist, im Aufsichtsrat des Nobel-Trusts und unserer deutschen Dynamitgesellschaft Alfred Nobel ein gewisser Anstruther sitzt, ein Engländer in der deutschen Fabrik, der Mitglied des Direktoriums der Bank of Scotland in Edinburgh und der Nordischen Actienbank für Handel und Industrie in Wiborg ist, auf dass auch die skandinavischen Länder in dem Sprengstoffring nicht fehlen.

Meine Herren, Feuchter hat bereits darauf hingewiesen, in welcher Weise die Köln-Rottweiler Fabriken die Konkurrenz und etwa auftretende Konkurrenzprojekte systematisch überwachen. Es ist das ein besonderes System. Wir haben noch einige Fabriken, von denen mehrere sogar gut gehen, die Westfälisch-Anhaltische zum Beispiel, die formal außerhalb des Sprengstoffrings stehen. Man darf wohl nicht daran zweifeln, dass, sei es, bereits unterirdische Verbindungen auch da hergestellt sind, sei es, soweit sie noch nicht hergestellt sind, solche in absehbarer Zeit geschaffen werden.

Meine Herren, leider ist es ja in Deutschland nicht möglich, die ungemein wichtige Frage zu beantworten, in welchem Umfange sich Aktien, Obligationen, Genussscheine, Beteiligungen usw. von industriellen Unternehmungen in den Händen von Angehörigen der Bürokratie, in den Händen insbesondere höherer Regierungsbeamten, in den Händen von Offizieren und Parlamentariern, in den Händen von Zeitungsbesitzern, Politikern usw. befinden. In anderen Ländern ist das etwas leichter, nämlich dort, wo die Offenlegung des Aktienbesitzes gesetzlich vorgeschrieben ist wie insbesondere in England. Bei uns können ja derartige Verbindungen in der ungeniertesten Weise stattfinden, ohne dass dem Gesetz ein Schnippchen geschlagen zu werden braucht. Diese Verbindungen festzustellen wäre notwendig, um nachzuweisen, in welchem Umfange unsere Staatsverwaltung und auch unsere Parlamente durch derartige persönliche Einwirkungen von dem Großkapital beeinflusst werden.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, Sie wissen, dass Untersuchungen ähnlicher Art im Auslande bereits angestellt sind. Insbesondere habe ich im vergangenen Jahre auf die Schrift eines Freundes von mir – Delaisi3 – über die französischen Verhältnisse hingewiesen. Wenn in England bei dem Marconi-Skandal die Verbindungen aufgedeckt werden konnten – weshalb war dies möglich? Weil dort der Aktienbesitz offen liegt. Wer weiß, wie es in anderen Ländern aussieht. Wir können es bei der Heimlichkeit unserer Zustände nicht beurteilen. Es ist aber heute bereits in der Tat zur Erkenntnis des politischen Charakters eines Ministers oder eines sonstigen höheren Beamten, eines Parlamentariers oder Politikers überhaupt von größtem Interesse, sich das Adressbuch der Direktoren und Aufsichtsräte der Aktiengesellschaften anzusehen, das in gewissem Sinne als ein Vademekum zu betrachten ist, insbesondere für jeden sozialistischen Politiker, wenn es auch allerdings nur die aller-plumpsten und aufdringlichsten Beziehungen aufdeckt. Ich hebe noch hervor, dass nach meiner Überzeugung das Gefährliche bei diesen personellen Verbindungen, insbesondere bei dem Hinüberwechseln zwischen der Privatindustrie und den staatlichen Stellungen, nicht so sehr oder jedenfalls nicht allein darin liegt, dass die Privatindustrie auf diese Weise die Möglichkeit gewinnt, auf Schleichwegen Aufträge zu ergattern, sondern insbesondere darin, dass die Möglichkeit eines solchen Avancements aus den staatlichen Stellungen in die Privatindustrie korrumpierend wirken muss oder wenigstens wirken kann auf die Amtstätigkeit der Betreffenden, solange sie sich noch in amtlichen Stellen befinden. Ich spreche natürlich keine allgemeine Verdächtigung aus, aber dass diese Gefahr vorhanden ist, darüber kann kein Zweifel obwalten. Ich behalte mir vor, bei anderer Gelegenheit nähere Details vorzutragen, die mir allerdings zu Gebote stehen.

Ich verweise auf das von dem Herrn Abgeordneten Erzberger als sehr auffällig empfundene Hinüberwechseln des früheren Direktors der Spandauer staatlichen Pulverfabrik in die Köln-Rottweiler Pulverfabrik. Im Übrigen darf ich erwähnen, dass in den Köln-Rottweiler Pulverfabriken auch Exzellenz von Becker sitzt, Ministerialdirektor Hoeter bei Böhler & Co., bei der Rheinisch-Westfälischen Sprengstoff-Aktiengesellschaft, bei Ludwig Loewe & Co., General Köhne bei Carl Berg AG. Es sind das nur wenige Stichproben, die ich hier herausnehme. Ich erwähne hier wieder den jetzigen Minister des Innern, von Loebell, als bei Ehrhardt sitzend, und es darf auch vielleicht erinnert werden, dass unser allverehrter Geheimrat Paasche sich auch in den für die Kriegsmaterialienindustrie nicht unwichtigen Howaldtswerken als Aufsichtsrat befindet. Generalleutnant z. D. Exzellenz von Reichenau ist, wie ich schon erwähnte, ebenfalls bei Ehrhardt. In drei großen Fabriken – Krupp, Waffen- und Munitionsfabriken, Köln-Rottweiler Pulverfabriken – sitzt Vizeadmiral Sack, Vizeadmiral von Schimmelmann in der Sprengstoff-AG Carbonit, Admiral Thomson in den Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken.

Ich will hier auf weitere Einzelheiten nicht eingehen, aber Ausländer in der deutschen Waffen- und Sprengstoffindustrie sind doch vielleicht ein Kapitel, über das sich ein Wörtlein lohnt. Ich hebe hervor, dass in den Alfred-Nobel-Werken, einer der wichtigsten deutschen Sprengstoffgesellschaften, Sir Baronet Anstruther, Balcaskie, sitzt, ferner Edward Kraftmeier, London, in der Deutschen Sprengstoff-Aktiengesellschaft und den Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken, George Rolphe, London, ist in der Sprengstoff-Aktiengesellschaft, Dr. Nahnsen und Walker, Birmingham, in der Deutschen Sprengstoff-Aktiengesellschaft, alle gleichfalls zum Sprengstoffring gehörig. Ich will gar nicht von dem Mitglied des österreichischen Herrenhauses Hugo von Noot, Wien, reden, durch den wieder starke Verbindungen nach allerhand ausländischen Kapitalgesellschaften geschaffen sind.

Wenn ich mit wenigen Worten auf die Panzerplattenfabrikation und auf die Kriegswerften eingehen darf, so fasse ich ungefähr 20 Gesellschaften mit zirka 100 Millionen Nominalaktien- und 45 Millionen Anleihekapital für Deutschland ins Auge, wobei Blohm & Voß als zweitgrößte Gründung in Betracht kommt, aber Krupp (Germaniawerft) natürlich nicht nochmals berücksichtigt wird. In diesen Gesellschaften sitzen folgende hohe Militärs: Vizeadmiral Ahlefeld, Bremen

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

in der Aktiengesellschaft „Weser", Vizeadmiral von Basse in den Howaldtswerken Kiel, Konteradmiral Paschen in der „Neptun" Schiffswerft Rostock und in der „Turbinia", die eine besondere Rolle spielt, Vizeadmiral Valois in der „Turbinia", die damit gleichzeitig zwei Admirale hat. Außerdem kommt der Ministerialdirektor Hoeter in Betracht, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der „Turbinia" ist und dort neben den Admiralen Valois und Paschen sitzt. Von Herrn Geheimrat Paasche habe ich bereits gesprochen. Die Howaldtswerke befinden sich im Wesentlichen in den Händen einer schweizerischen Firma, die allerdings ihre Finger auch nach Deutschland hinüber streckt, nämlich der Firma Brown Boveri & Cie., die auch in Deutschland, speziell in Mannheim, angesiedelt ist. Die „Turbinia" ist wieder vollständig in den Händen der Howaldtswerke, die so international fundiert sind.

Ich habe bereits im vergangenen Jahre von dem Marineverständigungskonzern gesprochen. Ich möchte hervorheben, dass der Direktor dieser rüstungspatriotischen Vereinigung, Gutheil, in seiner Antwort auf die „Vorwärts"-Veröffentlichung vom 14. April 1913 mitteilte, dass der frühere Stahlformgussverband bereits eine ganz ähnliche Vereinbarung enthalten hat über die – wie soll ich mich ausdrücken – über die Bewucherung unserer Marine- und Militärbehörden. Das legt den Verdacht sehr nahe – wir können ja hinter die Kulissen nicht schauen –, dass all die großen Verbände, die nicht speziell in ihrem Namen die Pointe auf die Rüstungsindustrie tragen, doch für alle Fälle Bestimmungen für die Rüstungsprodukte, für die Aufträge unserer Marine und unserer Armee mit enthalten.

Sehr interessant ist das Schiffbaustahl-Kontor, von dem Direktor Gutheil in der Veröffentlichung geplaudert hat, von der ich eben sprach. Er betont, dass dieses Kontor allgemein als segensreiche Einrichtung anerkannt sei. Wir können ja nicht hinter die Kulissen sehen. Er wird jedenfalls meinen, dass das Schiffbaustahl-Kontor den Zweck verfolge, die Preise niedrig zu halten. Wer's glaubt, wird selig. Wir glauben es wahrscheinlich alle zusammen nicht, sondern glauben, dass mit der Kartellierung andere Zwecke verfolgt werden. Wenn jüngst von einem Vertreter der Regierung gesagt wurde, dass nach seiner Meinung das Schiffbaukartell gescheitert wäre, während er zugeben musste, dass die Preise der Kreuzer in die Höhe gegangen seien, dann möchte ich darauf hinweisen, dass der Panzerplattentrust, das Schiffbaustahl-Kontor, der Marineverständigungskonzern, der Konzern der Dieselmotorenfabriken in Verbindung mit all den anderen Dingen und der monopolistischen Entwicklung unserer ganzen Kriegsschiffindustrie doch bereits so viele materielle Verwirklichung einer Schiffbaukartellierung enthält, dass man wirklich kaum mehr wünschen kann. Ich habe nicht nötig, mich hier noch näher mit den besonderen Beziehungen gerade in der Schiffbauindustrie zu befassen, die durch die Putilow-Affäre aufgedeckt worden sind, insbesondere den zwischen den Skodawerken, von denen ich vorhin bereits sprach, und den russischen Werften – nur das möchte ich allerdings noch hervorheben: Die „Berliner Neuesten Nachrichten", die es doch wissen müssen, haben es bestätigt, dass zwischen den Putilow-Werken und der deutschen Werft von Blohm & Voß enge Beziehungen bestehen; die Schiffswerften der Putilow-Werke seien tatsächlich in deutschen Händen und ebenso die russischen Konstruktionswerften in Riga und Reval. Die „Deutsche Tageszeitung" teilt mit, dass die Baltische Schiffswerft in Reval im Besitz von Blohm & Voß war. Allerdings soll eine mit Skoda verbundene russische Werft die russischen Regierungsaufträge entzogen bekommen haben; aber man weiß ja, dass solche Dinge öffentlich und geheim gemacht werden können und dass darum noch längst nicht gesagt ist, dass, wenn etwa öffentlich Vereinbarungen abgebrochen sind, geheime Vereinbarungen nicht weiterlaufen.

Meine Herren, es wäre hierzu noch mancherlei zu sagen. Ich will mich aber auch mit dem interessanten anekdotischen Material, das ich zur Verfügung habe, nicht mehr befassen. Wir haben ja im vergangenen Jahre bereits gehört, dass in den Dillinger Hüttenwerken ein französischer Offizier René de Bobet sitzt. Es ist hier noch hinzuzufügen, dass das Direktionsmitglied Fritz Settel bei der Dillinger Hütte von der Harvey United Steels Company (Amerika) übernommen worden ist.

Meine Herren, in Bezug auf die so ungemein wichtige und immer wichtiger werdende Motorenindustrie, bei der für mich hier ungefähr 30 Gesellschaften in Frage kommen – in Bezug auf Kriegslieferungen –, die zusammen 117 Millionen Mark Nominalaktienkapital und 25 Millionen Mark Anleihekapital repräsentieren und sich insbesondere immer stärker auf militärische Flugzeuge werfen, wenige Daten. Dabei sehe ich ab von den zum AEG-Konzern und dem Siemens-Schuckert-Konzern gehörigen Flugzeugwerken. Eine besondere Rolle spielt dabei die Daimler-Motoren-Gesellschaft, in der unter anderen der Generalmajor Becker sitzt. Sehr interessant ist, dass im Aufsichtsrat der Deutschen Luftschifffahrtsgesellschaft ein gewisser Jean Andreae sitzt, der gleichzeitig stellvertretender Aufsichtsrat der Banque internationale de Bruxelles und Aufsichtsrat der Amsterdamschen Bank ist. Sie sehen – ausländisches Kapital in unserer Motorenindustrie.

Meine Herren, die Wege, die zu anderem ausländischen Kapital, insbesondere zu italienischem, führen durch die jetzt von dem Daimler-Konzern abgetrennte österreichische Daimler-Motoren-Gesellschaft, will ich nicht näher betrachten. Die Daimler-Motoren-Gesellschaft ist insbesondere durch Alfred von Kauila, den Aufsichtsratsvorsitzenden, der außerdem in der Banque française pour le commerce et l'industrie in Paris sitzt, stark internationalisiert. Im Übrigen, meine Herren, besteht eine Anzahl von Daimler-Gesellschaften im Auslande. Zum Beispiel existiert in Paris eine besondere Daimler-Gesellschaft, die sich allerdings zum Teil historisch erklärt, und ebenso in England. Die Namen brauche ich nicht anzuführen. Abgesehen davon haben die in Bezug auf diese Industrie besonders wichtigen Adlerwerke und ebenso Benz & Cie. und schließlich die Gebrüder Körting eine gewaltige internationale Verbindung. Sie wissen, dass sich Körting in der neuesten Zeit ganz besonders auf militärische Flugzeuge geworfen hat. Meine Herren, er hat seine Niederlassungen in Spanien, Frankreich, Russland, Italien, Österreich, überhaupt in allen Ländern der Welt.

Nicht minder ist die optische Kriegsindustrie internationalisiert, insbesondere durch die Firma Goerz, von der ich vorhin schon sprach, die ja bekanntlich mit der Firma Hahn gegenwärtig liiert ist, und zwar auf Grund eines – wie soll ich sagen – eines echten Halsabschneidevertrags – ich möchte das Wort aber ohne irgendeine beleidigende Nebenbedeutung gebrauchen –.

(Heiterkeit.)

Meine Herren, die Goerz-Gesellschaft hat in London die Firma Goerz Optical Works, in Wien eine Tochtergesellschaft, in New York eine Fabrikationsverkaufsgesellschaft, dann Fabriken und Verkaufsgesellschaften als Zweigniederlassungen in Petersburg, Riga, Pressburg und Paris. Es zeigt sich hier der Typus der Entwicklung des Loewe-Konzerns, mit dem auch Beziehungen bestehen. Und dieser Goerz-Konzern ist von der Militärverwaltung geradezu groß gepäppelt worden. Offiziere in der deutschen optischen Kriegsindustrie gibt es in hinreichender Zahl. Ich möchte mich hier nur mit Goerz befassen. Im Aufsichtsrat sitzt jetzt noch der Generalleutnant von Nieber. Leiter der Militärabteilung ist ein Oberleutnant a. D. Hahn, allerdings durch verwandtschaftliche Bande mit der gleichnamigen und kartellierten Kasseler Firma verknüpft. Von Interesse ist ferner Oberleutnant Edler von Görbitz, der als ein Artillerist mit besonders guten Beziehungen zum Kriegsministerium galt, besonders mit einem Herrn, den ich nicht nennen will. Ferner nenne ich den Hauptmann Arthur Bönicke, der früher Referent bei der Gewehrprüfungskommission in Spandau-Ruhleben war, die mit der Abnahme von Feldstechern usw. zu tun hat. Von dem bereits seit Jahren ausgeschiedenen Rittmeister Kießling will ich nicht weiter sprechen, auch nicht davon, dass ein Bruder des Herrn von Bohlen und Halbach mit bei Goerz gesessen hat.

Über das Monopol in der optischen Industrie werde ich gleich ein paar Worte zu sagen haben. Ich will auch nicht von der Verbindung zwischen Krupp und Goerz ausführlich sprechen. Die Verbindung ist ein enge. Krupp liefert in verschiedene Staaten zugleich mit den Geschützen die Panoramafernrohre. Es ist kein Wunder, dass zwischen beiden Firmen mannigfache Fäden persönlicher und kapitalistischer Art bestehen.

Noch ein paar zusammenfassende Bemerkungen über die Internationale der Rüstungsindustrie, den Teufelstrust. Es ist von besonderem Interesse, zu sehen, wie nahezu alle fremden Staaten durch ihre Konsuln in der deutschen Rüstungsindustrie vertreten sind. So ist – ein besonders beachtenswertes Faktum! – der Direktor der deutschen Dieselmotoren-Gesellschaft, deren internationale Bedeutung ich bereits berührt habe, Guggenheimer, gleichfalls französischer Konsularagent; die Büros der französischen Konsulatsagentur befinden sich in den Geschäftsräumen der deutschen Fabrik. Der schwedische Generalkonsul Kölle ist Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken. Der großbritannische Generalkonsul Paul von Schwabach (Bleichröder) ist zugleich im Loewe- und AEG-Konzern tätig. Der italienische Generalkonsul, jetzt a. D., Emil von Oppenheim, sitzt im Loewe-Konzern, im Sprengstoffring, im AEG-Konzern. Der spanische Generalkonsul Eugen Landau sitzt in den Mars-Werken; der türkische Generalkonsul Reiß bei Benz & Cie.; der italienische Konsul Metzler in den Stettiner Oderwerken; der Vizekonsul der Vereinigten Staaten Wätjen in der Tecklenburg Schiffswerft. Ich darf wohl noch hervorheben, dass im Verwaltungsrate des Stahlwerks Becker, von dessen Verbindung mit den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken zur Gründung des „Parabellum" in Petersburg ich vorhin gesprochen habe, ein gewisser Le Gallais in Luxemburg sitzt, der auch dem Verwaltungsrat der internationalen Bank in Luxemburg angehört.

Meine Herren, die Rüstungsinternationale ist, abgesehen von diesen personellen Verbindungen, zunächst in Bezug auf die Produktion vorhanden, einmal insofern die einzelnen Rüstungsunternehmungen selbst international ausgestaltet sind – sie haben Anlagen, Tochtergesellschaften usw. in auswärtigen Staaten –, weiter insofern sich die einheimischen Rüstungsunternehmungen mit Kapital, mit Patenten usw. an ausländischen Rüstungsunternehmungen beteiligen und schließlich indem die einzelnen deutschen Rüstungsunternehmungen sich den internationalen Verbänden, Kartells, Trust usw. anschließen.

Dazu tritt die Internationale des Rüstungshandels und die Internationale des Handels mit militärischen Konstruktionen, Patenten, Lizenzen, Erfindungen. Und schließlich die Internationale des Finanzkapitals in der Rüstungsindustrie, die gewissermaßen die Krönung bildet.

Natürlich lassen sich die internationalen Verbindungen nur sehr schwer feststellen. Zumeist sind sie unterirdisch. Immerhin glaube ich Ihnen doch wohl gegenwärtig bereits manches dargelegt zu haben.

Noch einiges wenige. Abgesehen vom Loewe-Konzern, von Krupp, der Internationale des Nobel Dynamite Trusts, des Elektrizitäts-Trusts, der Munitionskonvention, der Internationale der optischen Kriegsindustrie usw., verdient das Kartell der Dieselmotoren Beachtung. Die Allgemeine Gesellschaft für Dieselmotoren in Augsburg, zu der die Augsburg-Nürnberger Maschinenfabrik gehört und der insbesondere auch Krupp nahesteht, hat in allen Ländern verstreut Lizenznehmer. Meine Herren, zu den Verpflichtungen dieser Lizenznehmer gehört, dass sie die von ihnen erfundenen Verbesserungen des Dieselmotors den anderen Lizenznehmern zur Ausnützung in ihrem jeweiligen Lizenzgebiet zur Verfügung stellen. Diese Bestimmung bezieht sich auch auf militärische Einrichtungen. Von Frankreich wurde gelegentlich einmal opponiert, auch von Russland; aber insbesondere Krupp bestand mit Energie darauf, dass diese Bestimmung des internationalen Kartellvertrags aufrechterhalten wurde. Meine Herren, es ist Tatsache, dass die deutsche Dieselmotoren-Gesellschaft dem Auslande die grundlegende Idee für die Unterseeboot- und Kriegsschiffmotoren geliefert hat,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und dass in der Augsburger Maschinenfabrik Ölmotoren für französische Unterseeboote selbst hergestellt sind.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das kann freilich um so weniger wundernehmen, da der Direktor Guggenheimer zugleich französischer Konsularagent ist.

Meine Herren, über die Munitionskonvention, von der ich vorhin sprach, habe ich bis dahin nichts Näheres gewusst. Es wird ja vielleicht manchen im Hause geben, der darüber Näheres gewusst hat. Ich habe die Kenntnis davon nur aus einer etwas unvorsichtigen Mitteilung bekommen, die sich in Salings Börsenjahrbuch für 1914 befindet. Die Firma Genschow & Co., die zum Loewe-Konzern gehört, teilt dort mit, dass die Firma der deutsch-österreichischen Munitionskonvention und der internationalen Munitionskonvention angehört, zu der seit 1909 alle deutschen Munitionsfabriken gehören; und es wird hinzugefügt, dass diese Vereinigung, die sich von Jahr zu Jahr erneuere, die Verkaufspreise international festsetzt.

Meine Herren, über die Internationale des Rüstungshandels einige wenige Bemerkungen. Nach offiziellen Ziffern sollen an Feuerwaffen im Jahre 1913 – ich will die früheren Jahre nicht erwähnen – „nur" für ungefähr 15 oder 16 Millionen Mark ausgeführt worden sein. Der Generalmajor Bahn berechnet in der „Täglichen Rundschau" vom 26. Februar 1914, dass die statistisch nachgewiesene Waffenausfuhr für 1911 auf insgesamt 50 Millionen zu bemessen sei. Er fügt aber gleich hinzu, dass das nur der kleinste Teil des Exports ist, da die wertvollsten Artikel – Geschützrohre, Lafetten, Panzerplatten, Panzertürme, Artilleriemunition, Feldtelegraphen – aus Rücksicht auf die beziehenden Staaten nicht im Einzelnen ausgewiesen werden.

Wiederum hören wir von den Waffen- und Munitionsfabriken, dass mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes ins Ausland geht.

Das Kapital betrug faktisch bisher bei den Waffen- und Munitionsfabriken 90 Millionen Mark – nominell 15 Millionen Mark, aber 600 Prozent Kurs, meine Herren! –, und es ist ja jetzt verdoppelt worden. Nach Thesaurierung von fast 6 Millionen Mark für 1915 ist noch ein Bruttogewinn von beinahe 8 Millionen Mark bei einem Nominalkapital von 15 Millionen Mark gemacht worden. Es ist danach ersichtlich, wie ungeheuer viel höher der deutsche Waffenexport ins Ausland ist, als die Statistik erkennen lässt. Man kann in der Tat sagen, dass Deutschland ein Weltversorger mit Kriegsmaterial ist.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Dabei sind die Kriegsschiffe noch gar nicht beachtet. Anekdotisch mag hervorgehoben werden die Waffenlieferung nach Ulster, die ja anscheinend auch von der deutschen Rüstungsindustrie ausgegangen ist, um die Revolution in England zu unterstützen. Es sollen auch deutsche Gewehre gewesen sein, die nach Afrika, nach Abessinien geschickt worden sind und die insbesondere dem Widerstand gegen England bei dessen jüngsten kolonialen Auseinandersetzungen in Afrika so außerordentliche Kraft verliehen haben. Details will ich über dieses geschäftliche Unternehmen in diesem Zusammenhange nicht vortragen. Ich verweise hierfür auf die Akten des Landgerichts III, Berlin, 27 O 550, 1913: Rein gegen Sinnekogel, wo am 4. April 1914 ein Urteil ergangen ist.

Meine Herren, dass die deutsche Kriegsflugzeugindustrie sich ein besonderes Vergnügen daraus macht, ihre Produkte nach dem Ausland zu schaffen und damit die besten deutschen Erfindungen, die für die deutsche Kriegsindustrie wichtig sind, dem Auslande preiszugeben, ist nach alledem nur natürlich. In anderen Ländern macht man's natürlich nicht besser. Von den deutschen Flugzeugwerken in Leipzig, den Albatros-Werken, der Firma Rumpier, von allen wird ja triumphierend mitgeteilt, dass sie jetzt in stärkerem Maße insbesondere für die russische Marine und das russische Landheer herangezogen worden sind.

Dass das Auslandsgeschäft sehr glänzend floriert, beweisen zahlreiche Äußerungen aus den Generalversammlungen und den Geschäftsberichten der deutschen und ausländischen Rüstungsunternehmungen aus der letzten Zeit. Ich will Einzelheiten darüber nicht vortragen; aber nicht ohne Interesse ist, was der Generalmajor Bahn in der „Täglichen Rundschau" vom 26. Februar dieses Jahres sagt, indem er einen Gesichtspunkt aufgreift, den bereits der militärische Sachverständige im Krupp-Prozess mit hervorgehoben hat, nämlich: das Vertrauen, das das Ausland der deutschen Rüstungsindustrie schenkt, ist begründet in dem Vertrauen, das das Deutsche Reich dieser Industrie schenkt. Vorbedingung für Auslandsbestellungen ist also, dass die betreffende Fabrik den gleichen Gegenstand schon dem Deutschen Reich zur Zufriedenheit geliefert hat.

(„Sehr richtig!")

Mit Rücksicht darauf wehrt sich der Herr General von Bahn mit rücksichtsloser Energie dagegen, dass man etwa die deutsche Kriegsindustrie verstaatliche, weil dann natürlich den Privaten, denen vom Deutschen Reiche nichts mehr abgenommen würde, damit auch die Reklame für das Ausland genommen würde, die darin besteht, dass das Deutsche Reich ihnen abkauft. Ist denn ein bösartigerer Gedanke überhaupt denkbar?

(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Der Mann fordert vom Deutschen Reich, dass es durch Abnahme von Kriegsmaterial für die deutschen Rüstungsfirmen Reklame mache, damit das Ausland für die gleichen kriegsindustriellen Erzeugnisse, mit denen es dann Deutschland Konkurrenz macht, den nötigen Appetit bekommt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Es ist wahrhaftig nicht nötig, darüber ein weiteres Wort zu verlieren. Es ist ja nicht möglich, meine Herren, jede Einzelheit, die ich hier vortrage, bei der Fülle der Einzelheiten mit dem erforderlichen Kommentar zu versehen.

Über den internationalen Handel mit militärischen Konstruktionen und Patenten will ich auch nichts Näheres ausführen. Ich wäre in der Lage, Ihnen da eine große Anzahl von Details zu bringen. Ich möchte mir aber die kleine Anfrage gestatten, inwieweit es auf Wahrheit beruht, dass auf dem Umwege über Italien – wie ja in Frankreich behauptet ist; das interessiert uns Deutsche – von Krupp das neue französische Geschützdeport angekauft ist. Vielleicht hören wir darüber etwas.

Meine Herren, wenn man zu alledem, was ich eben gesagt habe, noch die internationale Spionage rechnet, von der man allerdings gar nicht weiß, wo sie unter diesen Umständen noch das nötige Feld zur Betätigung findet,

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

dann ergibt sich als Schluss die resignierte Feststellung, dass ein wohlorganisiertes, tadellos funktionierendes internationales Clearingsystem existiert in Bezug auf die Fortschritte der Kriegstechnik.

Meine Herren, das Verhältnis zwischen der Rüstungsindustrie und den Banken im Einzelnen hier auseinanderzusetzen geht natürlich auch nicht an. Aber ich darf erwähnen, dass die Bank, die den schönen Titel „Nationalbank" führt, die ja bekanntlich auch am internationalen Loewe-Konzern und am internationalen Sprengstoffring stark beteiligt ist – dass diese Nationalbank an großen englischen Rüstungsfirmen ganz unmittelbar interessiert sein soll. Eventuell könnte darüber das dokumentarische Material beigebracht werden.

Das militärische Bindeglied des internationalen Waffen- und Sprengstoffrings ist unser viel gerühmter Vizeadmiral Sack, den man am Anfang und Ende aller Erörterungen erwähnen darf. Man kann wohl sagen, wenn man den Herrn so betrachtet als die personifizierte Dreieinigkeit unserer Kriegsindustrie in Deutschland: alles in einem Sack.

Meine Herren, ich komme jetzt zu einigen anderen Dingen, zunächst zu den Krupp-Prozessen. Meine Herren, ich erwarte natürlich hier aus dem Hause entsprechend dem Vorspiel vom Dezember vorigen Jahres Dithyramben auf Krupp. Das erwarte ich, und das ist Ihre Pflicht und Schuldigkeit. Wir werden uns ja damit abzufinden wissen. In den drei Krupp-Prozessen mit vier Verhandlungen beschränkten sich die Gerichte mit peinlicher Ängstlichkeit nur gerade auf das unmittelbar zur Aburteilung Stehende im engsten Sinne. Es wurde gar manches, was wohl zur Sache gehört hätte, in den Gerichtsverhandlungen beiseite geschoben. Lassen wir dies!

Das Brandtsche Büro ist nach den Feststellungen der Gerichte eine echte Bestechungsfabrik gewesen, die seit Jahren bestand.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Die Tätigkeit dieser Fabrik charakterisiert sich am besten durch ihre geschäftlichen Erfolge; aus dem Jahre 1910 bis zum Herbst 1912 konnten 750 Geheimberichte beschlagnahmt werden, die Bezug haben auf die Militärverwaltung.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Aus dem Notizbuch4 darf nach den Worten des Oberstaatsanwalts geschlossen werden, dass in den vorangegangenen Jahren wenigstens ebenso viele geschrieben sind, so dass in den sechseinhalb Jahren schätzungsweise 1500 durch Bestechung erlangte Geheimberichte nach Essen gesandt sind.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Oberstaatsanwalt charakterisierte das, was in diesen Geheimberichten sich befindet, mit folgenden Worten – meine Herren, ich entnehme diese Worte dem Ihnen ja wohlbekannten kruppoffiziös herausgegebenen Berichte eines gewissen Zimmermann –:

Das ganze Material ist, wenn man es heute rückschauend in die Hand nimmt und zusammenfassend betrachtet, eine Übersicht über die gesamte Tätigkeit des Kriegsministeriums, der Feldzeugmeisterei und der Artillerieprüfungskomission auf dem Gebiet der Beschaffung von artilleristischem Material, über die gesamte Tätigkeit dieser drei Behörden in ihrem Verkehr mit anderen Firmen, über die gesamte Tätigkeit dieser anderen Firmen, soweit sie eben in Fühlung standen mit dem Kriegsministerium und seinen Behörden, und über die gesamten Beziehungen zwischen dem Kriegsministerium und den anderen Militärbehörden einerseits und den anderen Firmen andererseits. Es ist“

so sagt der Herr Oberstaatsanwalt von Chrzescinski –

eine so vollkommene Übersicht, dass man sich sagen muss: Die Firma Krupp war über die Lage des ganzen artilleristischen Geschäftsbetriebes auf dem Gebiete der Beschaffung von artilleristischem Material so eingehend unterrichtet, wie es nur irgend gewünscht werden kann.“

Hinzufügen darf man noch, dass sich diese Übersicht auch auf Konstruktionen der Behörden, der privaten Konkurrenz und die Ergebnisse von Versuchen erstreckte ~ genauso, wie ich es am 18. April5 im Reichstag behauptet habe

Darüber hat der Linke-Prozess6 – Linke-Prozess wurde er in der Presse schamhaft genannt – einiges Interessante ergeben. In diesem Linke-Prozess hat – ich nhme den Pressbericht der „Täglichen Rundschau" vom 14. Oktober 1913 – der Verhandlungsleiter dem Angeklagten vorgehalten, dass er sich bei seinen Indiskretionen um geheime Versuche der Artillerieprüfungskommission gehandelt habe, um Versuche von Geschützen auf dem Kummersdorfer Übungsplatz, um einen neuen Patronenwagen, um Versuche mit neuen Geschossen, um die Ergebnisse neuer Doppelzünder, um Versuche mit neuen Geschossen bei Schießübungen in Jüterbog, um neue Gewehre usw., um die verschiedensten Feldapparate und Geschosse, wiederum um Versuche bei der Artillerieprüfungskommission, um verschiedene Versuche in Spandau, um Angabe von Geschützteilen, um Karabiner, Lafettenräder und Mörser. Meine Herren, sind das keine militärischen Geheimnisse?

In Bezug auf die Marineverwaltung betone ich nur das eine: Dort hat Brandt zweifellos auch eine äußerst intensive Tätigkeit entfaltet. Wenn versucht worden ist, diese Tätigkeit oder die angeblichen Bestechungen des Brandt in der Marineverwaltung dadurch ins Lächerliche zu ziehen, dass man mit einer demonstrativen Betonung auf die „Dreimarkgeschenke" des Brandt an untere Kanzleibeamte – die vielleicht auch gar nicht ganz unbedenklich gewesen sein mögen – hinwies – Geschenke übrigens, von denen ich natürlich nie gesprochen habe –, dann merkt man die Absicht und kann verstimmt werden. Aber es ist doch bezeichnend, dass schließlich sowohl in dem Krupp-Prozess wie auch in der Reichstagsverhandlung von dem Herrn Marinestaatssekretär am Schlusse in einem Relativsatz hat zugegeben werden müssen, dass gegen zwei mittlere Beamte ein Disziplinarverfahren schwebe wegen mangelnder Diskretion, das heißt wegen Verrates von Geheimnissen, wenn auch nicht in dem technischen, strafrechtlichen Sinne. Es handelt sich da um recht prominente Herren, soweit man von Subalternbeamten, die sich in einflussreicher Stellung befinden, dieses Wort gebrauchen kann; es sind der Rechnungsrat Böttcher von der Geheimexpedition des Reichsmarineamts und der Rechnungsrat Julius Herzberg. Es kann noch sehr fraglich sein, ob da in puncto „Unentgeltlichkeit" alles so ganz richtig ist. Aber ich will mich da auf Einzelheiten nicht weiter einlassen; mir genügt es vollkommen, dass diese beiden an sehr wichtigen Stellen sitzenden Subalternbeamten, durch deren Hände alles Geheimste geht, erwiesenermaßen zu den Informatoren von Brandt gehört haben. Dass aber die Brandt-Informatoren noch nicht vollständig ermittelt sind, meine Herren, das sollte sich doch jeder vergegenwärtigen, dem es Ernst ist, hier nicht zu vertuschen, sondern die Wahrheit aufzudecken. Das beweist kein anderer als der Kriegsgerichtsrat Welt im Linke-Prozess, der damals den Brandt ins Kreuzverhör nahm – der Herr hat sich ja auf begrenztem Gebiet einige Mühe gegeben – und schließlich trotz der Gedächtnisschwäche des Brandt und seinem offensichtlichen Bemühen, zu verdecken, einiges herausgeholt hat, nämlich, dass es noch andere gibt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Kriegsgerichtsrat Welt seufzte unter anderem: Also gibt es doch noch einen, also haben wir doch noch nicht alle.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ganz verzweifelt stellte das der Herr Kriegsgerichtsrat Welt fest. Wir wissen auch, dass wir sie noch längst nicht alle haben. Nach den einzelnen Äußerungen aus dem ersten Tilian-Prozess7 – nachher ist ja alles abgedämpft worden –, wo im ersten Schreck die Leute einiges zugegeben haben, was sie nachher abzustreiten suchten, ist ja noch gar manches angedeutet, noch gar mancher Fingerzeig gegeben worden, und zwar auch nach höher hinauf. Der Kürze halber – ich habe das zum Teil literarisch verarbeitet – werde ich mich hier nicht weiter damit befassen, weil mir das, was gerichtlich festgestellt ist, über und über genügt.

Ich brauche nicht von dem Fall Schleuder zu sprechen und dem interessanten Brief, den er von seiner Herzliebsten bekommen hat. Es war ja sonst – bis die Metzenschen Briefe kamen – gar kein dokumentarisches Material außer den Kornwalzern8 selbst vorhanden.

In Bezug auf die für die Bestechung angewandten Mittel ist ja auch nur das festgestellt, was die Angeklagten eingeräumt haben. Wer wagt es denn, hier aufzutreten und zu sagen, dass das alles sei.

(Zuruf aus dem Zentrum: „Umgekehrt!")

Ganz gewiss, umgekehrt, Sie haben recht, Herr Erzberger. Ich stelle auch gar keine Behauptungen auf, aber ein gewisses Misstrauen nach verschiedenen Richtungen werden auch Sie mir wohl zubilligen. So ist von einem Zeugen ausgesagt worden, dass ein bestimmter Herr unter anderem 200 Mark auf einmal bekommen hat, dass indirekte Wege gewählt worden sind, der Weg der Geschenke und Gegengeschenke. So heißt es, dass ein Herr in einer subalternen Stellung, aber einflussreich, sich dadurch warmhalten ließ, dass er immer rechtzeitig vor Weihnachten und anderen Festen dem Brandt ein Geschenk machte, um auf diese Weise dann zu dem Feste von Brandt ein entsprechend größeres Gegengeschenk zu bekommen.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Das sind so Methoden, mit denen man Bestechungen verschleiert.

Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Wenn mich aber etwas misstrauisch gestimmt hat, so ist es das Jubelgeschrei der Krupp-Presse darüber, dass nicht mehr als nur die lumpigen paar tausend Mark pro Jahr als Bestechungsgeld vom Gericht festgestellt worden seien. Was mögen die Herren sonst noch alles für möglich gehalten haben! hat die „Frankfurter Zeitung" ganz mit Recht gefragt.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Was haben denn die unglückseligen Karlshorster Gendarmen gekriegt, die man auf Jahre ins Gefängnis gesperrt hat? Haben die etwa mehr bekommen als diese Opfer des Brandt? Und was haben die Leute in Köln und die Leute in Frankfurt bekommen? Haben die mehr bekommen? In Deutschland ist es eben noch ziemlich billig mit dem Bestechen. Das ist die ganze Geschichte.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten. Heiterkeit.)

Aber die Preise werden sich vielleicht noch steigern, meine Herren.

(Lachen rechts und im Zentrum.)

Was aber das Wesentlichste ist, das ist, dass es sich hier nicht um Vorgänge an der Peripherie unseres Staatswesens handelt, nicht um Vorgänge an der Peripherie unseres größten deutschen Rüstungsunternehmens, sondern dass es sich um beginnende Kernfäule, wenn ich mich so ausdrücken darf, in unserem Kriegsministerium und in der Marineverwaltung handelt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Denn es handelte sich um Leute, die unmittelbar in der Zentrale gesessen haben. Man bohrt in die Zentrale unserer Verwaltung hinein. Das ist viel wichtiger, als wenn an der Peripherie der Polizeiverwaltung in der Provinz oder bei einem einzelnen Beamten irgend etwas passiert; es ist, als ob im Ministerium des Innern, in der Zentrale der Polizeiverwaltung derartige Dinge festgestellt werden.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich habe dem Kriegsminister im vorigen Jahre so viele Elogen über die Energie gesagt, mit der er eingegriffen hat, dass es zu absurd wäre, mir jetzt zu unterstellen, als ob ich mit meiner Kritik der Vorgänge beabsichtigt hätte, die Person des Kriegsministers oder die Leitung unserer Militärverwaltung zu treffen. Ich habe im Gegenteil darauf hingewiesen, dass diese Herren mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft sich gegen die beginnende Korruption im Kriegsministerium gewandt haben. Es ist zu bedauern, dass ich nicht die gleiche Energie in der Marineverwaltung gefunden habe. So steht die Sache. Und wie steht es mit Krupp? War Brandt der Schuldige? Der Kriegsminister halste ja im vorigen Jahre noch alles einem untergeordneten Beamten von Krupp auf.

War es nur Brandt? Wer wagt das jetzt noch auszusprechen? Eccius ist mit verurteilt worden; mit angeklagt war Marquardt, und nicht vereidigt worden sind eine ganze Anzahl von Herren, die im Direktorium von Krupp gesessen haben und noch sitzen, –

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Leute, die die ganze Verantwortung für den Geschäftsbetrieb tragen. Das Gericht hat einwandfrei festgestellt – was wohl von niemand bestritten werden kann, und wenn er noch so kruppoffiziös ist –, dass in der Zentralleitung von Krupp das fressende Übel gesessen hat,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

dass es sich nicht um Übergriffe eines untergeordneten Beamten handelte. Wer wagt es, aufzutreten und das zu sagen? Hat man doch in der jüngsten Zeit behauptet, die Nichtvereidigung des Herrn Rötger habe sich als ganz unzutreffend herausgestellt. Wenn sich doch die betreffenden Herren, die dergleichen Behauptungen aufstellen, einmal etwas näher mit dem Material befassen würden!

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Oberstaatsanwalt von Chrzescinski hat, als er die Nichtbeeidigung des Herrn Rötger beantragte, die Einzelheiten der Feststellungen aus den Akten verlesen. Daraus geht hervor, dass Rötger bereits 1906 durch von Schütz ziemlich unverblümt über die Schmierereien Brandts orientiert worden war. Ferner ergab die Verhandlung, dass ihn Dreger bereits im Jahre 1909 darauf aufmerksam gemacht hat, dass in Berlin im Büro des Brandt Dinge vor sich gingen, die anscheinend, wie man sich vorsichtig ausdrückte, unter das Gesetz, betreffend den unlauteren Wettbewerb, fallen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das war der Grund, weshalb die Vereidigung des Herrn Rötger nicht erfolgte. Wenn man jetzt sagt, weil derjenige, der in Bezug auf den Herrn Rötger eingewirkt haben soll, vom Oberkriegsgericht freigesprochen worden sei, deshalb sei die Unschuld Rötgers bewiesen, so stelle ich fest, dass die Freisprechung des Mannes nicht erfolgt ist, weil er unschuldig ist, sondern wegen Verjährung.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das muss festgehalten werden. Und damit entpuppt sich als Hokuspokus, wenn Sie sich für diesen Mann bemühen.

Ich möchte noch auf zwei Dinge hinweisen, die den Zorn des Staatsanwalts und das Erstaunen des Gerichts im Brandt-Prozess hervorgerufen haben. Entsinnen sich die Herren wohl jenes Briefes, den von Metzen nach dem Essener Direktorium geschickt hat und in dem es hieß: Wenn ihr dem Brandt jetzt die 3500 Mark Zulage erhöht – er fordert immer mehr, es ist eine Schraube ohne Ende –, dann wird sich „die Fiktion nicht mehr aufrechterhalten lassen", dass es sich um eine Repräsentationszulage handelt. Das Wort von der „Fiktion" einer „Repräsentationszulage" in einem Briefe an das Direktorium in Essen! Und weiter, denken Sie an das Schlimmste vielleicht, was in dem Prozess zutage getreten ist, an jenen französischen Brief des Brandt, in dem er mitteilt, dass es ihm gelungen sei, einen Mann seines Vertrauens in eine verantwortliche Stelle, nämlich in die Artillerieprüfungskommission, zu lancieren.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der betreffende Passus dieses Briefes begann mit den Worten:

J'ai réussi à placer" usw.

Meine Herren, diese Bemerkung muss festgehalten werden. Es ist richtig, dass die Beweiserhebung darüber, ob Hoge – um den soll es sich gehandelt haben – vielleicht wirklich auf diesem Umwege lanciert worden ist, nichts ergeben hat und ins Wasser gefallen ist. Das ist schon recht; aber es muss daran festgehalten werden – worauf auch der Oberstaatsanwalt schon hinwies –, darauf kommt es an, dass dieser Brief überhaupt geschrieben werden konnte, dass dieser Brief in die Hände des Direktoriums kam, dass das Direktorium dem Brandt nicht den Stuhl vor die Tür setzte und sagte: Mensch, was machst du? Du suchst Leute unseres Vertrauens bei den militärischen Kontrollbehörden in verantwortliche Stellen zu lancieren, um unsere Interessen in der militärischen Zentralbehörde zu fördern? – Meine Herren, ich meine, die Tatsache, dass die Kruppsche Direktion diesen Mann daraufhin nicht hinausgeworfen hat, dass sie diesen Brief behielt und sich über das Resultat freute, das, wenn auch nicht wirklich, so doch vermeintlich eingetreten war, spricht Bände.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das beweist den Willen zur Korruption, die Bereitschaft zur Korruption in der bösartigsten Form. Ich möchte den bitten aufzustehen, der bestreiten will, dass das wohl das Bösartigste an Korruption der Bürokratie ist, was man sich denken kann, wenn eine derartige Privatfirma Leute ihres Vertrauens, gekaufte Persönlichkeiten, lanciert, so wie das hier der Wille des Krupp-Subjekts Brandt gewesen war, und zwar unter Billigung der Krupp-Direktion.

Meine Herren, ich kann mich ja nicht mit allen Einzelheiten befassen, es gibt ja noch Tausende. Durch die Krupp-Prozesse ist noch längst nicht alles festgestellt, nicht alles erörtert, was hier von Interesse ist. Das Kruppsche Traktiersystem konnte ja im Mai vorigen Jahres der „Vorwärts"9 aufdecken. Dieses Traktiersystem hat jetzt angeblich aufgehört, es soll aber in einer etwas anderen Form noch länger fortbestanden haben, als die Militärverwaltung gewusst hat.

Auch die Dinge mit dem Kruppschen Nachrichtenbüro sind nicht ohne Interesse. Es ist zwar richtig, dass sich Krupp bei der „Post" und den „Neuesten Nachrichten" die Finger verbrannt hat, dass er Tageszeitungen gegenwärtig unmittelbar wohl nicht mehr dirigiert; aber es ist doch bekannt, dass Krupp gegenwärtig seine Finger sehr stark im „Lokal-Anzeiger" hat und dass Herr von Gottberg als Exponent der Krupp-Interessen betrachtet werden darf.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Von Interesse sind ja auch die engen Beziehungen, die Krupp zu dem Wolffschen Büro unterhält. Es ist bekannt, dass sich ja gerade wegen dieser speziellen Krupp-Interessiertheit des Wolffschen Büros scharfe Gegensätze zu den anderen Telegrafenbüros herausgebildet haben.

Ich will diese Dinge hier nicht näher erörtern, aber bevor ich, um den Umfang des korrumpierenden Einflusses zu kennzeichnen, auf die Geschäftspraktiken im Auslande eingehe, möchte ich noch darauf hinweisen, dass Krupp ja bekanntlich seinen besonderen parlamentarischen Berichterstatter im Reichstag hat, der auch wiederum in sehr engen Beziehungen zum Wolffschen Büro steht. Wenn aber im Ausland ein Auftrag in Aussicht steht, dann ist es bei Krupp – und bei anderen Firmen wird es nicht anders sein – die Regel, dass zunächst einmal versucht wird, dort die Presse zu kaufen. Das ist insbesondere in Belgien im Jahre 1910 geschehen. Es ist damals „Etoile Belge", das bekannte Organ, gekauft worden, gekauft worden so, dass es alle Krupp-Nachrichten aufnahm; und in Italien hat als Krupp-Agent für die Presse eine unheilvolle Rolle der Oberst von Roquette gespielt. Von dem Fall Wangemann, der ja von großem Interesse ist, soll hier nicht näher gehandelt werden. Dieser Fall hat das besondere Interesse – ich will das Typische nur hervorheben –, dass hier ein Militär, der auch aus einer einflussreichen und für Krupp sehr wichtigen Stellung beim Militär hervorgegangen ist und schon früher in seiner amtlichen Dienstzeit mit Krupp eine allerdings angeblich harmlose Verbindung gehabt hat, dann unter dem Deckmantel literarischer Unabhängigkeit als bezahlter militärischer Krupp-Agent literarisch aufgetreten ist.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das haben die Krupp-Prozesse ergeben! Daraus, meine Herren – das ist nur ein Symptom –, kann man schließen, was sonst noch für Dinge vorliegen mögen.

Ich will von Bestechungen im Auslande nicht näher sprechen, zum Beispiel von Argentinien im Jahre 1910. Im Jahre 1911 hat sich in Schweden eine recht unangenehme Sache mit dem dortigen Kruppschen Vertreter ereignet. Auch auf das Verhältnis zwischen Herrn Eccius und dem chilenischen Gesandten Don Agosto di Matte kann ich mich nicht näher einlassen. Aber ich darf auf eines hinweisen: Im Jahre 1910 und das ist vielleicht nicht ohne Wichtigkeit – haben sich in dem Kruppschen Nachrichtenbüro als besonders gute Beute einige ganz neue, gerade erst aus der Presse hervorgegangene, kaum getrocknete Pläne von neuen österreichischen Schiffen gefunden, also von Schiffen unserer Verbündeten.

Meine Herren, es soll damit sein Bewenden haben. Der Grundsatz, den viele Herren vertreten, heißt heute nicht mehr: „Right or wrong, my country", sondern: „Right or wrong, my money" – ob schlecht oder gut, es handelt sich um den Geldbeutel. Von diesem Gesichtspunkte aus ist ja die Rettungskampagne für Krupp geführt worden.

Meine Herren, unmittelbar im Anschluss an meine Ausführungen vom 18. April vorigen Jahres, längst bevor ich das zweite Mal darauf zurückkam am 19. April, längst bevor das Wort „Panama"10 gefallen war – an diesen Strohhalm klammert sich nachher alles mit der geschickten Demagogie

(Lachen rechts und im Zentrum.)

Sie bestätigen damit die Demagogie! – –

(Zurufe.)

Meine Herren, ich sage Ihnen: Längst bevor dieses Wort, das Sie verdrehen und verzerren, um dann daran Ihre Schlussfolgerungen zu knüpfen – –

(Heiterkeit und Zurufe.)

Gott, meine Herren, machen Sie keine Geschichten! Das Wort ist schon berechtigt und bleibt berechtigt, ich nehme das Wort nicht zurück, und dieses Wort ist von Ihrer eigenen Presse ja aufgegriffen worden. Wenn es sich um den – unendlich ungefährlicheren – Lipton-Skandal in England handelt, wegen dessen jetzt ein gründliches Prozessverfahren stattfindet, um einen Lieferanten von Nahrungsmitteln für die englische Armee und Marine, da schreiben die deutschen Zeitungen, die nationalliberalen, konservativen: „Das englische Armee-Panama!" Also, meine Herren, lassen Sie das! – Da traten die Herren Gotting, Pfeiffer und andere auf und sagten, wenn von dem, was ich gesagt hatte, nur ein Teil richtig sei, wenn auch nur richtig sei, was der Kriegsminister damals schon zugegeben hatte – also viel weniger als erwiesen worden ist –, so wäre das ein gewaltiger Skandal.

Und, meine Herren, jetzt wollen wir weitersehen. Es kam da damals unmittelbar nach dem 18. April das Verlegenheitsstammeln des Krupp-Direktoriums, verbreitet vom Wolffschen Büro; die Rüstungspresse schwieg noch einigermaßen. Das Kriegsministerium entschuldigte die Firma Krupp insoweit, als sie eben ein Loblied auf die patriotischen Interessen der Firma sang und die Sache auf einen unteren Beamten abzuwälzen suchte; sie bekämpfte die Einsetzung der Rüstungskommission. Das Kriegsgericht erster Instanz in Sachen Tilian und Genossen verhandelt unter der Parole: „Kein Panama!" und „Gegen die feilen Schreiberseelen!", und dabei war der Kriegsgerichtsrat Welt immer noch der Tapferste von allen. Die Presse, insbesondere auch die liberale Presse, beginnt Krupp ostentativ in Schutz zu nehmen. Die Skandalosa sucht man als lächerliche Bagatellen hinzustellen. Es kommt dann zu dem lustigen Versuch eines Krupp-Direktors, mich zum Duell zu fordern und niederzuknallen.

(Heiterkeit.)

Ich will den Namen des betreffenden Herrn hier nicht erwähnen. Dann kommt wieder der etwas frischere Auftakt des Prozesses Linke, von dem ich vorhin sprach. In dem Brandt-Prozess die Brandmarkung der Kruppschen Machenschaften, nur zu einem Teil natürlich. Bei dem Versuch, die Dinge weiter zu erörtern, in Bezug auf andere Rüstungsfirmen und in Bezug auf andere, nicht gerade die dort angeklagten Krupp-Angestellten, wird einem die Tür vor der Nase zugeschlagen. Während des Prozesses und schon vor dem Prozesse die tolle Hetze gegen den von Metzen und alsbald auch gegen den Staatsanwalt Chrzescinski, weil er nicht ganz so wollte, wie die Krupp-Interessenten wollten, eine wüste Hatz gegen diesen Vertreter der preußischen Justizhoheit. Dann wiederum die Solidarität der Staatsanwaltschaft mit den Angeklagten beim Verzicht auf die Revision im Brandt-Prozess. Dann das Pronunziamento des Zentralverbandes der Industriellen gegen den Oberstaatsanwalt, gegen das Gericht, gegen die heilige preußische Justiz von wegen der Nichtvereidigung des Herrn Rötger. Und dann, meine Herren, meine Ausschließung aus der Rüstungskommission, die Verhandlung im Reichstag am 12. Dezember [1913] und dabei jene Verkündung des Herrn Schiffer, jene Verkündung der Moral der strammen Knie, der Moral der Rhinozeroshaut: „Nur kein Zittern in den Knien!" Kurzum, meine Herren, nicht Beseitigung der Korruption, sagt Schiffer, sondern eine Kaltwasserkur zur Abstumpfung des Gefühls für die Korruption; das ist seine Moral von der Geschicht.

Meine Herren, ich will nicht weiter sprechen von den Verhandlungen bei dem preußischen Justizetat. Damals brachte es bekanntlich der preußische Justizminister fertig, aus Leibeskräften zu spotten – ganz nach der Tonart der Krupp-Presse zu spotten – über meine angeblich weggeschwommenen Felle. Eine solche Solidarisierung des höchsten Vertreters der Justizverwaltung in Preußen mit der Kruppschen Bestechungsmoral darf als ein erfreuliches Symptom nicht bezeichnet werden.

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, wegen der Äußerung über den preußischen Justizminister muss ich Sie zur Ordnung rufen!

Liebknecht: Und dann: Wo ist die Anklage gegen die übrigen Krupp-Direktoren und von Metzen? Sind sie der Mittäterschaft nicht dringend genug verdächtig, wenn nicht geständig?

Meine Herren, die reine Formel der Krupp-Moral ist von zwei Gebrüdern aufgestellt worden, das ist das edle Bruderpaar Wittkowski, von denen der eine, wenn ich nicht irre, Witting heißt, der „temperamentvolle" Vorsitzende des Aufsichtsrats der Nationalbank, und der andere Maximilian Harden, der nicht minder temperamentvolle Herausgeber der „Zukunft". Herr Richard Witting, der Repräsentant der Nationalbank, die eifrig an den Waffen- und Munitionsfabriken mitwirkt und ebenso, abgesehen von dem Loewe-Konzern, an dem internationalen Sprengstoffring, die auch bei der englischen Kriegsindustrie beteiligt ist – dieser Herr Witting verkündete aus einem Gutachten vom 11. November 1915: „Dieser Krupp-Prozess durfte nicht geführt werden." Kurz und gut! Weshalb? Weil das „Staatswohl" in Frage kam, nämlich das Interesse der Rüstungsindustriellen. Krupp ist der Staat! Witting schrieb Worte von der „Art von Symbiose zwischen Privatunternehmern und Reichsbehörden", die ihre volle Berechtigung habe, jenes Wort, das Professor Hans Delbrück und Professor Brentano Anlass zu außerordentlich erregten Entgegnungen über diese Depravierung der Moral gaben. Und dann kommt Herr Harden, der andere des par nobile fratrum, und sagt in einer zweistündigen Rede, die er wenige Wochen nach dem Brandt-Prozess in Köln gehalten hat:

Man muss lügen, viel mehr lügen im Interesse des Reiches."

(Lebhafte Rufe: „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das ist das elfte Gebot des Herrn Harden und der ganzen kapitalistisch-imperialistischen Moral. Es ist das elfte und nicht das geringste Gebot. Es kommt ihm nur das andere gleich, nämlich das: Enrichissez vous! Bereichert euch! Daneben ist der Herr von Gottberg, der immerhin eine ehrenvolle Erwähnung verdient, ein Waisenknabe.

Besonders schön nahm es sich aus, als der Prinzregent des Kruppschen Unternehmens, Herr von Bohlen und Halbach, zu Kaisers Geburtstag dieses Jahres offenbarte, nicht Profitgier sei die Triebkraft des Unternehmens, sondern „das Gefühl voll bewusster Verantwortung für das Gemeinwohl". Das sagt die Firma Krupp, die Weltlieferantin von Waffen und Kriegsschiffen, die ihre Geschütze Napoleon III. schweifwedelnd anbot, die seine Protektion erbettelte, die Firma, von der die Geschütze stammen, mit denen man im Chinafeldzug unsere Schiffe und Soldaten beschoss, und die dem Deutschen Reiche für Panzerplatten die bekannten Wucherpreise abgefordert hat, die Firma, die allen erdenklichen internationalen Konzernen angehört und für die Verstärkung der Rüstungen der Feinde Deutschlands Erhebliches geleistet hat, mehr als irgendeine andere Firma der Welt, die Firma, deren Verbindung mit französischem, russischem und englischem Kapital nachgewiesen ist. Das sagt die Firma, deren Angestellte sich hier mit Willen des Direktoriums drauf und dran gemacht haben, Kernfäule in das Zentrum der Militärverwaltung hinein zutragen Das sagt die Firma, die im Jahre 1913 nicht weniger als 43 Millionen Reingewinn gemacht hat,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und zwar nach Abzug von Abschreibungen in Höhe von 20 Millionen Mark.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Also man kann sagen: bei einem Aktienkapital von nominal 180 Millionen Mark einen Reingewinn von etwa 63 Millionen Mark. Wer weiß, was sonst noch in Frage kommt!

Ich will nur das eine noch hervorheben. Die Bedeutung der Krupp-Affäre liegt nicht nur in dem, was ich eben erwähnt habe, sondern auch in der Wirkung der Affäre auf die Justiz, in der Verunreinigung der deutschen öffentlichen Meinung. Wenn man sagt, es gibt nur eine Jungfräulichkeit, so gilt das auch für die Integrität des Beamtentums. Und der gewaltige Eifer, mit dem hier verkündet worden ist und sogleich wieder posaunt werden wird, dass es sich um lächerliche Bagatellen gehandelt habe, der Eifer, mit dem auch diese Dinge zum Teil auch von Behörden ähnlich bearbeitet worden sind, kann gar zu leicht bewirken, dass Hemmungen, die bisher wohl vielleicht hier und da bestanden haben, Hemmungen gegen böse Versuchungen, vermindert, geschwächt werden können. Damit ist die Gefahr einer Verbreitung der Korruption noch dringender geworden. Professor Delbrück sagte nach dem Krupp-Prozess, wenn man da nicht eingreife, so bestünde die Gefahr, dass wir in Deutschland bald einen Tammany Hall11 hätten. Meine Herren, wenn die Krupp-Prozesse abschreckend gewirkt hätten, allgemeine Entrüstung hervorgerufen hätten, so dass damit ein Schutzwall vor ähnlichen Dingen aufgerichtet worden wäre, wenn sich die öffentliche Meinung der kapitalistischen Presse der Sache mit derjenigen Stimmung angenommen hätte, mit der viel unerheblichere Bestechungen von Gendarmen, Schutzleuten usw. behandelt zu werden pflegen, dann, meine Herren, würde der Krupp-Prozess in diesem Sinne gewirkt haben können. Aber nachdem jetzt auf die Krupp-Prozesse diese demoralisierende Moral allenthalben verkündet worden ist, ist die Schlusswirkung der Krupp-Prozesse, dass sich die Widerstände gegen die Krupp-Moral verringern.

Meine Herren, ich will mich nicht mehr mit dem allgemeinen Übel der Bestechlichkeit, des Schmiergelderwesens in unserer Rüstungsindustrie befassen. Ich will nicht einzelne Fälle, die in der Budgetkommission Gegenstand der Erörterungen waren, anführen. Speziell der Herr Abgeordnete Erzberger hat ein paar ganz interessante Dinge vorgebracht, so den Fall mit den Viehhändlern Isaak und Koch und die Geschichte von dem Graudenzer Festungsbau Vielleicht wird nachher Herr Erzberger darauf zurückkommen. Die „Deutsche Tageszeitung" und die „Berliner Neuesten Nachrichten" brachten vor wenigen Monaten eine interessante Mitteilung, wonach im Jahre 1913 rund 30.000 Mark Geldgeschenke unbekannter Geldgeber an die Reichskasse abgeführt worden seien, Geldgeschenke, die in der Hauptsache Schmiergelder von Lieferanten für staatliche Behörden und Beamte seien.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Die „Berliner Neuesten Nachrichten" selbst, vom 27. Januar 1914, meinten, es sei nur ein schwacher Anhalt zu gewinnen, wie viele solcher Schmiergelder den einzelstaatlichen, nicht den Reichsbeamten zugegangen sein mögen und wie viel den Reichsbeamten außerdem noch; denn bei weitem nicht der größte Teil werde abgeliefert. Die gleiche Zeitung bemerkt, dass diese Schmiergelder am häufigsten im Bereiche der Militärverwaltung vorkommen: „Vor allem werden Zahlmeister, Bezirksfeldwebel, Frontfeldwebel, seltener Offiziere durch Schmiergelder zu beeinflussen" gesucht.

(Abgeordneter Dr. Oertel: „Wer hat das geschrieben?")

Das haben die „Berliner Neuesten Nachrichten" geschrieben. In der „Deutschen Tageszeitung" befand sich ein Artikel am 23. Januar dieses Jahres, in dem auf ähnliche Dinge eingegangen ist

(Abgeordneter Dr. Oertel: „Ähnliche!")

und resigniert bemerkt wurde, man solle sich nicht über die tatsächliche Ausbreitung dieser krankhaften Erscheinung in unserem Erwerbsleben hinwegtäuschen. Wenn Sie der Artikel weiter interessiert, Sie können ihn ja vielleicht nachlesen.

(Abgeordneter Dr. Oertel: „Ich danke!" – Heiterkeit. – Zuruf von den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich will jetzt mit einigen Worten auf den Fall der Waffen- und Munitionsfabriken eingehen, den „Figaro"-Brief. Meine Herren, in den Jahren 1911 und 1913 wurden vom Kriegsminister zu diesem Briefe Erklärungen abgegeben, die angeblich auf Informationen der Generaldirektion der Waffen- und Munitionsfabriken zurückführten, in denen zwischen den Zeilen zugegeben wurde, der Brief sei in Paris erschienen, und nur entschuldigend bemerkt wurde, dass der Brief lediglich den Zweck hatte, bestimmte Anhaltspunkte über die Ansichten der französischen Heeresverwaltung durch Widerspruch dagegen aufrechtzuerhalten. Meine Herren, demgegenüber wurden im Jahre 1913, nachdem die wiederholte Erwähnung des „Figaro"-Briefs in dem Hause nach der damaligen psychologischen Situation eine größere Aufregung hervorgerufen hatte als 1911, nun alsbald Beschönigungsversuche unternommen, zunächst im „Berliner Tageblatt", in dem erklärt wurde, die Notiz sei niemals erschienen, der Brief sei nicht einmal abgesandt an den Freiherrn von Brandenstein in Paris. Meine Herren, das wäre an sich vollkommen gleichgültig. Denn dass der Brief geschrieben und von den Herren Gontard und Kosegarten unterzeichnet und zur Absendung mindestens fertig war, hat nie bestritten werden können. Es steht jedenfalls fest, dass das Telegramm: „Abwarten, bis der Brief kommt", an Herrn von Brandenstein abgeschickt worden ist. Das Telegramm ist ja im Text des Briefes wiederholt. Er beginnt: „Wir telegraphierten soeben" usw. Im Übrigen hebe ich hervor, dass man unserer Leichtgläubigkeit in dieser Komödie der Irrungen nicht allzu viel zumuten sollte, wenn man uns glauben machen will, dass die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken die Absichten der französischen Heeresverwaltung hätten erkunden wollen. Als ob von unserer deutschen Heeresverwaltung auf einen solchen Widerspruch eine Spur Gewicht gelegt worden wäre und sie ein solches Dementi nicht in den Papierkorb geworfen hätte! Meine Herren, das ist, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, eine ganz faule Ausrede und als solche auch im vorigen Jahre von dem Herrn Abgeordneten Erzberger anerkannt worden, der darauf hinwies, dass im Jahre 1907 gerade Neubestellungen von Maschinengewehren in Frage kamen. Ich wundere mich nur über den Mut, mit dem die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken es gewagt haben, diese Märchen der deutschen Rüstungskommission noch einmal zu erzählen. Die Rüstungskommission, wenn man dem offiziellen Bericht glauben soll, ist darauf hineingefallen; denn da heißt es, ganz einwandfrei sei festgestellt worden, dass der Brief nie zur Absendung gelangt sei. Meine Herren, das kann gar nicht richtig sein; denn dieser Brief ist nicht etwa im Konzept, im Entwurf in den Händen dieses Angestellten namens Schopp gewesen, sondern in einem Durchschlag, und er war bereits unterschrieben, wie ich noch einmal hervorhebe, und zwar von beiden Generaldirektoren. Es handelt sich also um eine deutliche Irreführung.

Besonders charakteristisch für die smarte Art der Geschäftsführung des Loewe-Konzerns, speziell der Waffen- und Munitionsfabriken, sind die Börsenmanöver, die diese Fabrik im Jahre 1913 alsbald nach unseren Verhandlungen gemacht hat. Es hieß damals, dass die Verwaltung das Kapital verdoppeln und dass sie dieses neue Kapital den bisherigen Aktienbesitzern al pari geben wolle. Damals standen die Aktien zirka 550 Prozent. Das bedeutete also ein Geschenk in der Höhe des Viereinhalbfachen des Nominalbetrages, das man den Aktionären machen wollte. Natürlich stiegen die Kurse darauf nach einer zeitweiligen Senkung sprunghaft um 50 Prozent auf über 600 Prozent. Jetzt erst ist diese Kapitalverdopplung verwirklicht worden. Meine Herren, ich meine, einer Firma, die in solch geschäftstüchtiger Weise arbeitet und die so internationalisiert ist, kann man alles zutrauen.

Meine Herren! Peccatur intra et extra. Ich habe niemals die Behauptung aufgestellt, dass nur bei Krupp und bei den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken Korruption bestünde, sondern ich habe stets gesagt: Das sind Symptome! Und in der Tat, wir sehen dieselben jetzt überall heraustreten. Wir haben jetzt den Beweis für Ehrhardt und die Marineverwaltung. Der frühere Kapitän von der Goltz sollte anfangs Landesverrat begangen haben. Er wurde verhaftet; die Sache wurde vom Reichsgericht bearbeitet. Er hat wichtige Dinge verraten, nämlich Schusstafeln, Durchschnittsbreite usw., sein Gehilfe war ein Korvettenkapitän von Hoffmann. Meine Herren, wichtig ist dabei, welch tiefes Verständnis das Gericht hier für die kapitalistische Psychologie zeigte. Es war ein Zivilgericht, ein Landgericht zu Berlin. Es hat den Mann nur zur Ehrenhaft, zur Festungshaft verurteilt, so dass er seines Offizierstitels nicht verlustig gehen wird. Dieser Mann ist milder beurteilt worden, weil es – so sagt das Urteil – selbstverständlich seine Aufgabe war, seiner Firma nach besten Kräften zu dienen. Es wurde berücksichtigt, dass er sich in seiner Stellung befestigen wollte und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Firma zu heben gedachte und damit dem Reiche gute Dienste leistete. Meine Herren, man kann sehen, wie sich das Verständnis der Gerichte für diese kapitalistische Psychologie fabelhaft rasch entwickelt hat. Was beim Krupp-Prozess vom Gericht noch mit Hängen und Würgen geschluckt wurde, das ist hier schon spielend bewältigt worden. Der geschäftstüchtige Offizier hat nur drei Monate Festung bekommen; eine Bestechung soll nicht nachgewiesen sein.

Aber von der Goltz hat auch in Bezug auf die militärischen Geheimnisse, die ihm während seiner Dienstzeit anvertraut waren, gegenüber der Firma Ehrhardt nicht dichtgehalten. Er hat also das, was er in seiner dienstlichen Stellung erfahren hatte, verraten.

Meine Herren, dieser Fall ist symptomatisch dafür, was ein früherer Offizier beim Hinüberwechseln in eine Rüstungsfabrik einzuwerfen hat, was man von ihm erwartet – nämlich Kenntnis von Geheimnissen der Militärverwaltung – und aus welchen Motiven die Übernahme früherer Offiziere in die Rüstungsfirmen stattzufinden pflegt. Wenn man da von besonderer Sachkunde spricht, meine Herren – jawohl, aber die Sachkunde wird in den meisten Fällen eine Sachkunde sein, auf die zu spekulieren bereits an und für sich eine gefährliche Korruption bedeutet.

Ich komme zu einer anderen Angelegenheit. In den Akten der Staatsanwaltschaft am Landgericht II Berlin, 1 J 501/1912, befindet sich ein geradezu niederschmetterndes Material über das Geschäftsgebaren und die geschäftlichen Grundsätze der Firma Goerz, die unter anderem die Panoramafernrohre, die unter anderem zu unseren Geschützen gehören und in der Militärverwaltung in größtem Umfange abgenommen werden, in erster Linie produziert. Ich glaube, es werden 63 Prozent aller vergebenen Panoramarohre von Goerz bezogen. Der Leiter dieser Firma hat nach einer eidlichen Aussage, die sich in den Akten befindet, die charakteristische Wendung gebraucht: „In Geschäften darf man die Ehrlichkeit nicht zu weit treiben",

(„Sehr gut!" und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

und der Leiter der Militärabteilung dieser Firma hat – ebenfalls nach eidlicher Aussage – erklärt: „ja, in Geschäften muss man ein Gummiherz haben."

(Heiterkeit und „Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich will von anderen Dingen hierbei nicht sprechen. Unzweideutige Beweise liegen dafür vor, dass diese Firma systematisch geschmiert und bestochen hat, und zwar speziell in ihrer Militärabteilung nach dem Grundsatz ihres Chefs: „Geschmiert wird überall." Der Leiter der Militärabteilung hat bei der Vernehmung eingeräumt, dass Bewirtungen und Andenken, wie Busennadeln usw., ebenso Fernrohre und optische Instrumente gegenüber den Abnahmebeamten und anderen Beamten ganz allgemein üblich seien, denn das sei auch anderweit üblich, zum Beispiel auch bei Krupp. Zahlreiche Zeugenvernehmungen haben stattgefunden. Natürlich ergaben solche Zeugenvernehmungen niemals ein widerspruchsloses Material.

Man braucht ja nur an die Beweisaufnahme im Gendarmenbuchmacherprozess zu erinnern, der jüngst in Berlin stattgefunden hat. Natürlich werden Bestechungen geleugnet von denen, die sie begangen haben, und von denen, die sie empfangen haben. Ich will nicht sprechen von Bestechungen gegenüber Privaten. Ein früheres Direktionsmitglied von Goerz namens Rinnebach, der zunächst bestritten hatte, etwas von Bestechungen zu wissen, hat nachher – als Zeuge – seine Aussage in Bezug auf die Bestechung des Rechnungsrats Martini vom Kriegsministerium und eines Leutnants der Gewehrprüfungskommission verweigert mit der ausdrücklichen Begründung, dass er sich durch eine wahrheitsgemäße Aussage der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Rechnungsrat Martini, um den es sich hierbei handelt, hat den Spitznamen „Kriegsminister in Zivil". Von einem anderen Angestellten der Firma ist eidlich erklärt worden, dass aus der Hauptkasse der Firma Goerz an die Vorstandskasse größere Beträge überwiesen wurden, deren Verwendung als Schmiergelder zweifelsfrei gewesen sei, wenngleich sie in Form von Provision für Vermittlungen von Aufträgen zur Auszahlung gelangten. Nach einer anderen eidlichen Aussage sollen bei diesen Bestechungssummen Posten bis zu 2000 Mark in Frage kommen. Damit ist – ich berufe mich auf diese Akten, obwohl sich bisher die Staatsanwaltschaft geweigert hat einzuschreiten – für jeden Menschen mit gesunden fünf Sinnen festgestellt, dass in der von mir beschriebenen Weise von der Firma Bestechungen der Militärverwaltungen, und zwar wiederum von Zentralbeamten, vorgenommen worden sind.

Bereits im vergangenen Jahre ist von dem Herrn Abgeordneten Erzberger in der Budgetkommission erwähnt worden, in welcher Weise die Firma Goerz durch ihre Preise das Reich zu schädigen sich bemüht hat. Diese Affäre ist noch keineswegs zu Ende. Die Firma hatte bekanntlich zuerst 625 Mark für das Panoramafernrohr gefordert, sie war dann auf 575 Mark hinuntergegangen, und als Konkurrenz von Zeiss drohte, ist sie dann auf 475 Mark – also um weitere 100 Mark – heruntergegangen, insgesamt gegenüber dem ersten Angebot um 150 Mark pro Stück des Panoramafernrohrs.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Über 10.000 solcher Panoramafernrohre sind vergeben und sind noch zu vergeben. Das macht insgesamt 150 Mark Überforderung bei jedem dieser Panoramafernrohre! – an die 1,5 Millionen Mark – wenn ich in aller Kürze rasch überschlage –, um die die Militärverwaltung nach dem Willen der Firma Goerz gegen den jetzt von der Firma geforderten Preis begaunert werden sollte. Damit ist die Sache aber noch nicht zu Ende. In denselben Akten, von denen ich vorhin sprach, ist bereits – wie mir scheint einwandfrei – dargetan, dass die Selbstkosten des Panoramafernrohrs nicht mehr als 260 Mark – heißt es – betragen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Die Firma Goerz selbst hatte früher nur 540 Mark verlangt. Danach ergibt sich, wenn man den Selbstkostenpreis von 260 Mark zugrunde legt, der einen Normalverdienst von 20 Prozent zubilligt, bei 10.000 Stück die Gefahr einer Schädigung des Reiches, die bei der Differenz gegenüber dem anfangs geforderten Preis von 625 Mark 3 Millionen übersteigt – bei einem gesamten Geschäft von über 6 Millionen; und im Verhältnis zu dem wirklich vereinbarten Preis von 475 Mark bei 4000 Stück eine Überforderung von zirka 600 000 Mark, bei 10.000 Stück von 1,5 Millionen.

Nun, meine Herren, obwohl diese Vorgänge der Militärverwaltung bekannt sind, hat die Firma Goerz allerneuestens wieder große Aufträge bekommen, und sie ist nach wie vor bei der Gesamtbestellung der Panoramafernrohre mit 65 Prozent beteiligt, obwohl es andere Firmen gibt, die in der Lage und bereit sind, die Militärverwaltung in dieser Beziehung angemessen zu versorgen. Nun, meine Herren, die Militärverwaltung hätte ja die Möglichkeit gehabt, nach diesen geschäftlichen Gepflogenheiten der Firma Goerz sogar die früheren Verträge abzurufen und die Patente und Lizenzen zu expropriieren im Interesse der Militärverwaltung; statt dessen hat die Militärverwaltung der Firma weitere Aufträge gegeben!

Eine weitere Angelegenheit, die für uns Deutsche von allergrößter Wichtigkeit ist, das ist die Angelegenheit der Siemens-Schuckert-Werke, die für die deutsche Rüstungsindustrie gleichfalls in der vordersten Reihe steht, aber auch in der Rüstungsinternationale eine gewaltige Rolle spielt. Meine Herren, in einem Prozess, der anfangs dieses Jahres geschwebt hat, ist ein Material über die Gepflogenheiten dieser Firma in ihren Geschäftsbeziehungen zu den ausländischen Behörden, speziell zu den japanischen Behörden, zutage gefördert worden, das geradezu zum Himmel schreit. Daraus geht hervor, mit welchen Mitteln diese Firma ein Monopol in Japan anstrebt. Aber natürlich wird genau mit denselben Mitteln bei uns in Deutschland gearbeitet. Wir dürfen aus diesen Symptomen auf die gesamten geschäftlichen Praktiken dieser Firmen schließen. Meine Herren, es wird als Ziel der Arbeit der Agenten, der Bestechung durch die Agenten der Firma Siemens-Schuckert aufgestellt, dass in der japanischen Marineverwaltung die Vorschrift getroffen werde: Siemensfabrikate müssen genommen werden, das heißt, es muss ein Monopol geschaffen werden. Es wird dann davon gesprochen, dass der Admiral Fujii in das Interesse der Firma herein gezogen ist und ständige Provisionen von der Firma bekommt; es ist ein Abkommen mit ihm getroffen von fünf Prozent auf die Lieferungen für das in England im Bau befindliche Schiff und zweieinhalb Prozent für alle anderen Lieferungen für die Marine. Es wird dann gesprochen von einem anderen Admiral, Sawasaki, dessen Einfluss auch wohl zu beachten sei, der auch in das Interesse der Firma hineingezogen und bestochen sei. Es werden die Summen, mit denen der Sawasaki bestochen ist, der auch in der Zentrale der Marineverwaltung sitzt, einzeln angegeben. Schließlich wird auch einer der weiteren Leiter des Marineamts in Tokio, der Admiral Murakami, als in das Interesse der Firma gezogen, als zu ihren Gunsten beeinflusst bezeichnet und rühmend hervorgehoben, dass diese Verbindung gut funktioniert. Es wird da gesagt, dass man auf diese Weise einen guten Nutzen habe, wenn auch die Admirale dann und wann doppelte Kommissionen von den verschiedensten Firmen, auch anderer Staaten, einstecken.

Dann, meine Herren – und das ist das Allerinteressanteste –, taucht plötzlich ein japanischer Offizier auf – Ide mit Namen –, der nicht so will, wie die Firma Siemens-Schuckert will, und da heißt es:

Der eine und andere Beamte der japanischen Marinekommission kann uns in große Verlegenheit bringen, wenn er eingehende Qualitäts- und Preisvergleiche anstellt.“

Es heißt weiter:

Wir müssen also möglicherweise unsere Preise herabsetzen.“

Davor wird wiederum in der Korrespondenz gewarnt: Das sei nicht nötig; denn schließlich werde in Tokio entschieden, und in Tokio habe man die maßgebenden Beamten gekauft, so dass dort keine Schwierigkeiten gemacht würden. Dann heißt es: Kapitän Ide, dieser bisher unbestochene Beamte – – –

Präsident: Herr Abgeordneter, es handelt sich bei diesen Ihren Darlegungen um japanische Angelegenheiten, die doch nicht hierher gehören!

Liebknecht: Meine Herren, es sind Praktiken einer deutschen Rüstungsfirma,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

die ganz gleiche Praktiken, wie wir vermuten dürfen, unter Umständen auch in Deutschland anwenden wird.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. – Unruhe. – Zurufe rechts.)

Ja, meine Herren, woher sollen wir diese Korruptionsmoral kennenlernen, da sie uns nicht überall aufgedeckt wird? Nur dann und wann können wir einen Zipfel heben; deshalb müssen wir auch die Gelegenheit benutzen, um die Praktiken dieser Firmen im Auslande zu beleuchten.

Ich fahre fort. In einem Briefe heißt es: Diesen Kapitän Ide jetzt noch in das Interesse der Firma zu ziehen, was das klügste gewesen wäre, das heißt, ihn zu kaufen, sei jetzt wohl zu spät, das hätte früher geschehen müssen. Und dann heißt es weiter – und das ist das Wichtigste –:

Wenn dieser oder jener Mann nicht in unserem Sinne arbeitet und uns dauernd lästig fällt, dann muss er fallen, und auch das wird nicht schwer sein zu erreichen.“

Weiter heißt es:

Joshida ist Vertreter von Siemens-Schuckert, muss die Leute ausfinden, die nicht für uns und im Sinne seiner hiesigen Freunde arbeiten, für deren Entfernung oder Unschädlichmachung er sorgen muss.“

Also alle die anständigen Leute werden aus der Verwaltung dort herausgebracht mit terroristischen Mitteln und mit den Mitteln der Bestechung! Eine bösartigere Korruption kann man sich nicht wohl denken!

(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Die Korruption wird nicht besser dadurch, dass sie noch einen größeren Umfang hat, als ich eben erwähnt habe; ich kann ja aber das auf andere Teile der Staatsverwaltung – außer der Militärverwaltung – bezügliche Material hier nicht vortragen. Es ist aber von größter Bedeutung, dass diese Praktiken in ihrem Schlussresultat hinauslaufen und abzielen auf die Herstellung eines Monopols für diese Firma Siemens-Schuckert.

Meine Herren, es wäre von großem Interesse – und es wird noch an anderer Stelle Gelegenheit sein, darauf einzugehen –, wie sich die deutsche Regierung in dieser Sache verhalten hat. Das Auswärtige Amt hat, um die Firma Siemens-Schuckert in ihren Bestechungsmanövern zu schützen,

(Große Unruhe.)

eine Denkschrift ausgearbeitet und die Staatsanwaltschaft in Berlin auf den in Japan tätig gewesenen Angestellten der Firma, der Dokumente über diese Korruption entwendet hatte, gehetzt, so dass dieser Mann an der Grenze von Deutschland verhaftet wurde – – –

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – Andauernde Unruhe. – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, Sie haben soeben den Ausdruck gebraucht: Um die Bestechungsmanöver der Firma Siemens-Schuckert zu fördern, habe das Auswärtige Amt

(Abgeordneter Dr. Liebknecht: „Das habe ich so nicht gemeint!" – Lachen rechts.)

eine Denkschrift ausarbeiten lassen. Das ist ein unerhörter Vorwurf für das Auswärtige Amt, und ich rufe Sie deshalb zur Ordnung!

Liebknecht: Meine Herren, ich will nur noch hervorheben, dass die Staatsanwaltschaft – ich erwähne nur Tatsachen – diesem Manne die Briefe konfiszierte, und zwar angeblich, weil sie nötig seien als Material für die Aufhellung der Strafsache gegen den Mann. Kaum hatte die Staatsanwaltschaft aber die Papiere in den Händen, als sie sie wieder aus den Akten entnahm, in den Geheimschrank des Staatsanwalts Simon verschwinden ließ und damit der Verteidigung und auch dem Gericht entzog,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

so dass der Schlusseffekt dieser angeblich im Interesse der Wahrheit, der Aufhellung der Wahrheit erfolgten Beschlagnahme nichts anderes war, als dass die der Firma Siemens-Schuckert unbequemen Papiere in deren Interesse sichergestellt waren, der Verfügung des Angeklagten und anderer Leute entzogen wurden, die diese Papiere –

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, dieser Vorwurf gegenüber der Staatsanwaltschaft ist unerhört. Ich muss sie dieserhalb nochmals zur Ordnung rufen!

(„Bravo!" Zurufe: „Das dritte Mal!")

Liebknecht: Meine Herren, ich hebe ausdrücklich hervor, dass ich nur von dem Schlusseffekt dieses Vorgehens gesprochen habe und dass das aktenkundig ist, was ich eben gesagt habe.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich werde mich auf die Einzelheiten dieses Falles hier nicht weiter einlassen, ich werde das bei einer anderen Gelegenheit tun. Es ist schwer, über diesen Fall zu sprechen, ohne scharfe Worte zu gebrauchen. Ich behaupte aber, dass der französische Rochette-Skandal12 weit hinter diesem Skandal zurücktritt.

Nun noch eines; ich komme alsbald zum Schluss.

(„Bravo!" rechts.)

Um dasjenige zu charakterisieren, was man als wirkliche Korruption bezeichnen könnte, ist in dem Tilian-Prozess13 von dem Kriegsgerichtsrat Welt gesagt, man hätte dabei wohl an eine Korruption bis zum Kriegsminister hinauf denken müssen.

(„Oho!" rechts.)

Ja, der Kriegsgerichtsrat Welt hat das gesagt – ich rekapituliere das –, und er hat dann gesagt: Unser Kriegsministerium ist vollkommen rein – was ich doch stets behauptet habe.

Ich möchte aber auf etwas anderes kommen. Es wurde vor kurzem in der letzten Zeit unter den Aspiranten auf den Posten des Kriegsministers wiederholt der Generalleutnant von Lindenau erwähnt. Meine Herren, dieser Herr ist schließlich als einer der begabtesten und einer der beliebtesten Offiziere, wie es überall in den Pressenachrufen hieß, der Gouverneur von Metz geworden. Er ist im Februar, allenthalben betrauert, gestorben. Zu seinem Tode ist ein Telegramm vom Kaiser geschickt worden. Er hat Seiner Majestät sehr nahegestanden, wie überall hervorgehoben wurde usw. Nun, meine Herren, wenn Sie sich einmal die Akten der Konkurssache gegen Lindenau N. 8, 14 des Amtsgerichts Trier betrachten wollen, so werden Sie daraus entnehmen, dass dieser Herr einen einträglichen Handel mit der – –

(Große Unruhe. – Lebhafte Zurufe: „Ist doch tot!" – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, das kann mich nicht hindern, Ihnen zu sagen, dass es nicht Brauch dieses Hauses ist, auf Tote derartige Vorwürfe zu häufen.

(Lebhafte Zustimmung und Beifall.)

Liebknecht: Meine Herren, worum handelt es sich denn? Wir haben hier eine ernste, sachliche Erörterung, bei der es unbedingt notwendig ist, dass ich auch hierauf zu sprechen komme. Ich bedaure lebhaft, dass der Herr nicht mehr lebt.

(Lachen rechts.)

Es wäre mir unendlich viel lieber, wenn er noch leben würde. Ich hebe also hervor, dass dieser Herr einen einträglichen Handel mit der Gunst Seiner Majestät des Kaisers getrieben hat,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – Unruhe und Bewegung.)

indem er Titel und dergleichen gegen klingende Münze verkauft hat.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – Stürmische Zurufe rechts, aus dem Zentrum und links. Große Unruhe. – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, ich muss wiederholen, dass es durchaus gegen die Gebräuche dieses Hauses ist, auf einen Toten derartige Vorwürfe zu häufen. Ich muss Sie bitten, diesen Gegenstand zu verlassen!

(Lebhafter Beifall rechts, im Zentrum und links. – Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Liebknecht: Meine Herren, ich wäre imstande, Ihnen die Abschrift eines Verpflichtungsscheines dieses Herren vorzulegen.

(Stürmische Rufe: „Ruhig! Ruhig!" – „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Ich muss Sie bitten, sich meinen Anordnungen zu fügen!

(Rufe rechts: „Runter von der Tribüne!")

Liebknecht: Das dokumentarische Material wird der Öffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben.

(Rufe: „Schluss!")

Meine Herren, ich habe das Recht und die Pflicht – –

(Rufe rechts und im Zentrum: „Nein! Nein!" – Rufe von den Sozialdemokraten: „Jawohl!")

Sie wissen ja noch gar nicht, wovon ich rede.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts und im Zentrum.

Ich habe das Recht und die Pflicht, Dinge, die das öffentliche Interesse berühren, zu erwähnen und aufzudecken.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts und im Zentrum.)

Es befand sich in der „Deutschen Tageszeitung" vom 23. Januar die Wendung: Wo öffentliche Interessen in Frage kommen, müsse schonungslos jede Korruption aufgedeckt werden.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir müssen diese Korruption hier aufdecken. Es ist töricht, wenn man uns hier vorwirft, dass wir gegen das Vaterland wüteten und dem Auslande damit Freude bereiten. Dieser Vorwurf ist von Ihrer (zur Rechten) eigenen Presse bei verschiedenen Gelegenheiten auf seine völlige Sinnlosigkeit zurückgeführt. Wir haben als Deutsche das Recht und die Pflicht, zu fordern, dass die deutsche Industrie, das große Ansehen, das sie im Auslande genießt, verdient, indem sie mit honorigen Mitteln arbeitet. Deshalb befassen wir uns auch mit der Tätigkeit der deutschen Industrie im Auslande. Wir haben keine Lust zu dulden, dass irgendwelche Korruption der deutschen Industrie zur Schädigung anderer Völker wirkt, dass andere Völker der Korruption der deutschen Rüstungsfirmen ausgeliefert werden: Das muss letzten Endes zum Schaden für das deutsche Volk ausschlagen.

Meine Herren, ich könnte noch einiges über die internationale Politik des Rüstungskapitals, das ich zu kennzeichnen mir gestattet habe, anführen. Das Material lässt sich natürlich nicht vollkommen ausbreiten. Sie wollen ja Material; sonst reden Sie wieder von „Redensarten" usw. Aber ich will es mir hier versagen.

Es ist bekannt, dass die auswärtige Politik unserer jetzigen Epoche schon längst nicht mehr in den Auswärtigen Ämtern gemacht wird, sondern in den Fabrik- und Bankkontoren, und dass ihre Mittel weit weniger diplomatische Noten als andere Noten sind.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. Zurufe rechts.)

Ich will nicht eingehend davon sprechen, welche gewaltige Gefahr darin liegt, dass jede direkte oder indirekte Förderung ausländischer Rüstungen durch allerhand politische Mittel und durch die einheimische Rüstungsindustrie stets bedeutet, dass damit auch wiederum die einheimischen Rüstungen herauf getrieben werden.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Das ist der Circulus vitiosus. Liefern unsere Firmen immer bessere Waffen nach dem Auslande, feuern sie dort erfolgreich an zu vermehrten Rüstungen, indem sie aus Deutschland hetzen – dann bedeutet das wieder: Also müssen wir hier im Inland unsere Rüstungen gleichfalls vermehren! So ergibt sich die Schraube ohne Ende. Bald heißt es: Unsere deutschen Rüstungen sind besser als die ausländischen. Das bedeutet natürlich: Ausland, nimm dich in acht, rüste weiter – oder man sagt, unsere deutschen Rüstungen sind schlechter als die Rüstungen des Auslandes, dann muss wieder in Deutschland gerüstet werden, damit das Ausland uns nicht überlegen ist.

Daneben steht der unheimliche Eifer der Rüstungsindustrie auf dem Gebiet der technischen Fortentwicklung. Neben der quantitativen Entwicklung der Rüstungen steht ihre qualitative Entwicklung, und jede neue Erfindung, die von einer großen Rüstungsfirma gemacht wird, bedeutet nicht nur für das Inland eine Aussicht auf neue Bestellungen, sondern auch einen Druck auf das Ausland in Bezug auf die Fortentwicklung der Technik und der Rüstungen – und daher die Schraube ohne Ende –, in Bezug auf die Entwicklung der Rüstungstechnik und in Bezug auf Neurüstungen.

Meine Herren, es wäre wohl nötig, über den Profit der Rüstungsindustrie noch ein Wörtlein zu reden. Von der Firma Krupp habe ich bereits gesprochen, von den Waffen- und Munitionsfabriken, die 32 Prozent Dividende ausgeschüttet haben, habe ich bereits gesprochen. Es ergibt sich daraus, dass selbst dann, wenn die Staatsbetriebe um 50 Prozent teurer arbeiten würden als die Privatindustrie, wir dann doch noch einen erklecklichen Gewinn haben würden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich will nicht näher von den günstigen Auspizien sprechen, die sich gerade in diesem unserem unglückseligen kriegerischen Zeitalter, in dem es allenthalben nach Blut riecht, für die Rüstungsindustrie ergeben. Es liegt mir darüber das Material vor. Sie haben heute wieder in der Presse die „erfreulichen" Berichte über die Lage der zum Loewe-Konzern gehörenden Firma Gebrüder Böhler & Co. gelesen. Die Geschäfte müssen da außerordentlich gut gehen. Wie gesagt, ich will mich hier nicht näher darauf einlassen. Dass die Kriegsindustrie goldene Früchte trägt, das ist eine Tatsache, die längst bekannt ist und die es begreiflich erscheinen lässt, weshalb mit einer solch ungeheuren Gier, mit solchen Mitteln der rücksichtslosesten Vergewaltigung in der Kriegsindustrie gearbeitet wird. Man kann sagen: Die Rüstungsindustriellen pflücken goldene Äpfel im Garten der Hesperiden, während die Völker allenthalben im Elend dahinleben, bedrängt von Kriegsgefahren, sie pflücken goldene Äpfel, goldene Erisäpfel, aber goldene.

Und noch eins möchte ich Ihnen und auch dem Herrn Kriegsminister sagen: Ich befinde mich nicht einen Moment im Zweifel darüber, dass die Gegentendenzen, die ja allenthalben im Hause bei den kapitalistischen Parteien und der Regierung notwendig vorhanden sind, gegen ein Eingeständnis der vorhandenen Korruption – ich meine Gegentendenzen, die unterhalb der Bewusstseinsschwelle vorhanden sind – außerordentlich groß sind. Ich gebe mich auch keinerlei Täuschung darüber hin, als könnte ich etwa heute von Ihnen erwarten, dass Sie wiederum wie in jenem ganz einzigartigen psychologischen Moment im vergangenen Jahr, hingerissen von dem Ernst der politischen Situation, die Wichtigkeit, die Bedeutsamkeit der einzelnen Korruptionstatsachen zugeben werden. Meine Herren, wenn der Kriegsgerichtsrat Welt in Bezug auf die Tilian-Bestechungen sagte: „Das riecht zehn Meter gegen den Wind nach Bestechung", so, glaube ich, kann das, wie ich eben gezeigt habe, verallgemeinert werden auf ein viel weiteres Gebiet.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, im vergangenen Jahre stimmten Sie mit dieser Auffassung des Kriegsgerichtsrats Welt noch überein. In der Zwischenzeit ist die Korruption nicht geringer geworden; der Geruch ist auch nicht geringer geworden, es hat sich nur etwas verändert: Ihre Nasen sind unempfindlicher geworden. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, nun mögen meine Nachredner, nun möge der Herr Kriegsminister das Wort nehmen zur höheren Ehre Krupps und der deutschen Rüstungsindustrie!

(Beifall bei den Sozialdemokraten. – Zischen rechts und im Zentrum.)

II

Meine Herren, zunächst ein Wort zu der Behauptung, dass ich angegeben hätte, der Herr Kriegsgerichtsrat Welt habe von einer Korruption bis zum Kriegsminister hinauf gesprochen. Das ist ein Missverständnis – möglich, dass auch die Herren Stenographen sich in dieser Beziehung verhört haben –; ich habe gesagt, dass der Kriegsgerichtsrat Welt erklärt habe: Wenn man von einer großen Korruption in dem Sinne spreche, wie ich es nach seiner Auffassung getan hätte, dann verstehe man darunter eine Korruption bis zum Kriegsminister hinauf. Und nun fragt er: Ist eine solche Korruption bis zum Kriegsminister hinauf erwiesen? Da sage ich: Ich habe eine solche Korruption niemals behauptet. Also ich habe nicht daran gedacht, dabei etwas dergleichen zu behaupten, wie der Herr Präsident wohl gehört hatte.

Meine Herren, der Herr Regierungsvertreter General Wild von Hohenborn hat mich darüber belehrt, dass die Militärverwaltung mit Schiffen nur insoweit zu tun habe, als Pontons in Frage kämen. Ich brauche ihm für die Belehrung nicht einmal zu danken, da ich als Pionier mit Pontons ziemlich viel zu tun gehabt habe.

(„Sehr gut!" und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Herr Wild von Hohenborn hat weiterhin kurz im Kommandoton festgestellt, dass die Preise von Goerz richtig kalkuliert sind. Sela! Er hat gesprochen, fertig! Ist aber nicht richtig. Die Bestimmtheit, mit der Herr General Wild von Hohenborn gesprochen hat, steht im umgekehrten Verhältnis zur Richtigkeit dessen, was er gesagt hat. Ich komme darauf noch zurück.

Der Herr Abgeordnete Erzberger hat nun auf allen Flöten, auf allen Instrumenten – wie soll ich sagen? – der „Demagogie" darf man hier im Hause nicht sagen – Sie wissen also, was ich meine –

(Große Heiterkeit.)

geblasen, um zu rügen, dass ich von einem Verstorbenen gesprochen habe. Meine Herren, es ist einfach nicht richtig, dass der Brauch besteht, über Verstorbene nicht zu sprechen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Sobald die Behandlung eines Verstorbenen ein allgemeines öffentliches Interesse berührt, bleibt es verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich mit der Person des Betreffenden zu befassen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abgeordnete Erzberger hat selbst den Schatten unseres Freundes Bebel heraufbeschworen. Er war sehr unvorsichtig.

(Zuruf aus dem Zentrum.)

Nun gut, da fragen Sie einmal Ihre Freunde im preußischen Abgeordnetenhause. Gerade vor kurzem bei der Beratung des Kultusetats haben sie auf unseren Freund Bebel losgeschlagen, in Abwehr darauf hat dann mein Freund Hoffmann von Herrn Kardinal Kopp gesprochen. Also, bitte, zupfen Sie Ihre Partei an der eigenen Nase,

(Große Heiterkeit.)

wenn ich mich so ausdrücken darf!

Der Herr Abgeordnete Erzberger hat mich in zwei Punkten der Sachunkunde überführen wollen. Ich glaube, es ist ihm in beiden Punkten durchaus misslungen. Ich lasse mich nicht bluffen, Herr Erzberger. Was zunächst einmal den Brief der Waffen- und Munitionsfabriken anlangt, so sind wir doch im Wesentlichen ganz darüber einig, trotz der Art, in der Sie heute darüber geredet haben. Herr Erzberger, Sie denken doch wohl noch genauso darüber wie im vergangenen Jahre, nämlich über die Motive dieses Vorgehens. Das ist das Wesentliche. Die Frage, ob der Brief vorher oder nachher unterschlagen ist, ob er nach Paris gesandt ist oder nicht, spielt, wie ich deutlich und wiederholt hervorgehoben habe, eine relativ sekundäre Rolle. Aber es ist insofern nicht ganz unwesentlich, als man aus den Auslassungen der Firma zu diesem Punkte auf ihre Wahrheitsliebe schließen kann. Da betone ich, dass die Waffen- und Munitionsfabriken nach dem April 1913 erst danach! – in wiederholten loeweoffiziösen Notizen – ich kann sie Ihnen, wenn Sie Lust haben, vorlesen – im „Tageblatt" und anderen Zeitungen und auch jetzt neuestens in Mitteilungen in der Presse betont haben, es sei festgestellt, dass dieser Brief überhaupt nicht abgesandt sei.

(„Hört! Hört!")

Bitte sehr, darum handelt es sich – er sei im Konzept unterschlagen worden, ohne dass das Konzept habe ausgeführt werden können.

(Zuruf aus dem Zentrum: „Abschrift!")

Gewiss. Soll ich Sie auf das „Tageblatt" verweisen? Unter dem 5. Mai 1913 hat das „Tageblatt" eine offiziöse Mitteilung der Leitung der Waffen- und Munitionsfabriken über diesen Fall gebracht. Da heißt es, die Notiz sei niemals im „Figaro" noch in irgendeiner anderen französischen Zeitung erschienen, der Brief sei nicht einmal an Herrn von Brandenstein zur Absendung gelangt, nur das Telegramm sei befördert, das Konzept des Briefes sei von einem Angestellten der Firma vorher gestohlen worden. Ich halte es für nötig, das festzustellen, um daran zu demonstrieren, wie wenig man Veranlassung hat, diesen Äußerungen der Werksleitung ohne weiteres Glauben zu schenken.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Man soll sich hier die Tatsachen ansehen und soll diese unbestreitbaren Tatsachen so interpretieren, wie es der gesunde Menschenverstand jedem Politiker ohne weiteres auferlegt. Daraus ergibt sich die Konsequenz einer Beurteilung, wie ich sie getroffen habe.

In Bezug auf Goerz! Es ist ein großer Irrtum des Herrn Kollegen Erzberger, dass höhere Preise nur für sechs Stück gefordert gewesen seien.

(Zuruf aus dem Zentrum: „Minderzahl!")

Eine Minderzahl! Wissen Sie, wie viel es gewesen sind? Es waren 4000 Stück!

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Da sagt der Herr Abgeordnete Erzberger: Sechs Stück! Es waren zunächst 4000 Stück zu vergeben, und für diese 4000 Stück hat Herr Goerz den Engrospreis von 625 Mark gefordert, und dieser Preis war bereits gemacht worden mit der Aussicht auf Weiterbestellung. Es sollten insgesamt 10.000 Stück vergeben werden und noch darüber. Das war schon damals unter der Hand sicher. Ich glaube, Herr Erzberger ist über den Inhalt der Akten, die ich zitiert habe, orientiert, und es ist mir unbegreiflich, wie er derartige Behauptungen aufstellen kann.

Herr Erzberger hat ferner die Behauptung aufgestellt, dass ein Verrat militärischer Geheimnisse nicht nachgewiesen sei. Natürlich ist Verrat militärischer Geheimnisse nachgewiesen worden, und zwar ganz unstreitig. Es bleibt nur die Frage, ob es Verrat militärischer Geheimnisse in kriminellem Sinne war, das heißt, ob im besonderen Falle durch die Art der Bekanntmachung des unzweifelhaften Geheimnisses – darum dreht es sich – eine Gefahr für die Sicherheit des Reiches eingetreten ist. Das Kriegsgericht hat zunächst festgestellt: Jawohl, es liege eine solche Gefahr vor, die Geheimnisse hätten aus den Händen der Firma herauskommen können, und es wurde auf Beispiele hingewiesen. Später haben die Gerichte gesagt: Nein, bei der Firma Krupp war das Geheimnis gut aufgehoben, und daher liegt kein Verrat militärischer Geheimnisse in kriminellem Sinne vor. Ich habe im vergangenen Jahre nicht ein einziges Mal von der juristischen Qualifikation in diesem Sinne gesprochen.

(Zurufe aus dem Zentrum.)

Bitte, betrachten Sie die Verurteilung des Linke: Der ist wegen Verrats militärischer Geheimnisse rechtskräftig verurteilt worden. Später hat sich der juristische Scharfsinn auf das gesattelte Ross gesetzt und mit allem Geschick den kriminellen Begriff des militärischen Geheimnisses weg disputiert, während Verrat militärischer Geheimnisse in dem Sinne des einfachen Menschenverstandes überall festgestellt war und die Grundlage des ganzen Verfahrens gebildet hat.

Dann hat der Herr Abgeordnete Erzberger gemeint, es habe sich nur bei alledem um einzelne Personen gehandelt. Ja, gewiss, es sind einzelne Personen; jede Zahl setzt sich aus einzelnen zusammen. Das Symptomatische an der Sache kann nur der verkennen, der es verkennen will.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Darin liegt die Bedeutung der Sache. Herr Erzberger hat das Symptomatische im vorigen Jahre erkannt und mit Emphase vorgetragen, und heute sind es einzelne Fälle. Es sind Leute im Offiziersrange dabei gewesen Wollen Sie das bestreiten? Und es sind Leute von Offiziersrange zu custodia honesta verurteilt worden, und sie dürfen trotz klar nachgewiesener Bestechung Offiziere bleiben.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das war so etwas, was einem durch Mark und Bein ging. Dergleichen hat man früher bei deutschen Gerichten nicht erlebt. So hat die Krupp-Moral devastierend gewirkt!

(Zuruf rechts.)

Nun, beschönigen Sie sie nur ruhig weiter.

Der Herr Abgeordnete Erzberger hat die Behauptung aufgestellt, es handle sich im Grunde genommen um einen Kampf gegen die Interessen der deutschen Arbeiterschaft, den ich hier führe.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. – Zurufe aus dem Zentrum.)

Ach Gott, Herr Abgeordneter Erzberger, wenn wir Ratschläge von Ihrer Partei über die Wahrnehmung der Interessen der deutschen Arbeiter bekommen, dann sind wir schon dann, wenn sie geschickter und richtiger sind als dieser Ratschlag, immer außerordentlich misstrauisch. Wir könnten uns keinen schlechteren Ratgeber auf diesem Gebiete denken.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Was Sie berufen hat, als Vertreter der Arbeiter zu sprechen, das weiß ich nicht; das weiß wahrscheinlich hier niemand im Saal. Aber darauf möchte ich doch zum Verständnis dieses unseres Kampfes hinweisen: Ich habe zunächst einmal bereits vorhin unter Berufung auf die „Deutsche Tageszeitung" und andere bürgerliche Organe, unter Berufung auf Hans Delbrück, auf Professor Brentano gesagt: Was soll es mit dem Vorwurf, dass man der deutschen Industrie im Ausland schadet? Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, Schäden in der deutschen Industrie, Schäden im deutschen Staatswesen aufzudecken, auch dann, wenn wir wissen, dass das zunächst einmal einen peinlichen Eindruck im Ausland macht,

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

weil wir die Pflicht und Schuldigkeit haben, im Innern rein zu halten! Und glauben Sie, dass wir damit dem deutschen Volk nützen, wenn wir die Korruption fort fressen lassen?

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Denken Sie doch daran, dass es auf das Ende ankommt und nicht auf den Anfang, und dass man einem Staat, von dem man weiß, dass er rücksichtslos das Übel ausbrennt, wo er es findet, eine stärkere Lebenskraft auch nach außen hin zutraut als einem Staat, der das fressende Übel in sich stillschweigend duldet, aus Angst, dass ihm das im Ausland irgendwie nachteilig sein könnte.

So liegt die Sache, und nun möchte ich wissen: Wer wagt es, mir einen Vorwurf zu machen?

(Zuruf rechts: „Wir, wegen Ihrer Übertreibung!")

Ja, schön, erheben Sie nur Ihre Vorwürfe weiter! Wem die Vorwürfe schaden werden, werden wir ja sehen. – Nun aber das eine: Die deutschen Arbeiter werden nicht geschädigt. Meine Herren, wenn es einmal dazu kommen sollte, dass die Rüstungsindustrie vom Boden verschwindet – ein Ziel, das wir alle anstreben –, glauben Sie, die Leute, die bis dahin in der Rüstungsindustrie gearbeitet haben, werden von da an verhungern? Werden ihre Hände und Arbeitskräfte nicht für bessere Zwecke, für die Gesamtkultur nützlicher, verwendet werden?

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Bilden Sie sich ein, dass wir einen Arbeiter arbeitslos machen möchten?

Meine Herren, und dann noch das eine – und darauf weise ich besonders hin –: Kämpfen wir nicht gerade – um ein näheres Ziel ins Auge zu fassen – um die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie? Richtet sich unser Kampf in diesem Fall nicht gerade gegen die Schäden in der Rüstungsindustrie, soweit sie aus ihrem Charakter als einer Privatindustrie mit all ihren bösen kapitalistischen Eigenschaften hervorgehen?

(Erneute lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Dem, der es anstrebt, eine Art von Staatsmonopol auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie in Deutschland im Interesse der Allgemeinheit zur Durchführung zu bringen, dem wollen Sie zum Vorwurf machen, dass er damit den deutschen Arbeiter schädigen wolle!

Meine Herren, schließlich noch eins. Den Kampf gegen die private Rüstungsindustrie führe ich nicht etwa allein, dieser Kampf wird von der internationalen Sozialdemokratie in allen Ländern zugleich geführt,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

in England, in Frankreich, überall, wo wir Einfluss haben, mit der gleichen Energie. Wir wissen, dass das Übel nicht in Deutschland allein sitzt, sondern überall. Wir bekämpfen deshalb den internationalen Kriegstrust, und wir wissen genau, dass es uns gelingen wird, mit dieser Korruption fertig zu werden.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. – Zurufe rechts.)

Meine Herren, ich habe vergessen, von Herrn Rötger zu sprechen. Ich will den Herrn Abgeordneten Schultz, der einmal wiederum den Advocatus diaboli gemacht hat, nur auf die Seiten 236/7 des Berichtes, den er ja auch hat, verweisen, wo der Oberstaatsanwalt die Gründe vorliest, aus denen er damals die Einstellung des Verfahrens gegen Rötger verfügt hat, obwohl schwerster Verdacht gegen ihn vorlag.

(Beifall bei den Sozialdemokraten.)

III

Meine Herren, dem Herrn Abgeordneten Liesching zunächst einmal das Zugeständnis, dass ich an seinem guten Willen nicht im Entferntesten mir zu zweifeln gestatte und dass ich es infolgedessen weit von mir weise, dass ich gegen ihn persönliche Vorwürfe erhoben hätte. Ich möchte überhaupt hervorheben, dass es eine politische Erörterung ernstesten Charakters auf das Niveau einer persönlichen Zänkerei herabwürdigen heißt, wenn man Vorwürfe, die sich auf die Sozialpsychologie von Klassen und Parteien beziehen, in dem Sinne eines Vorwurfs irgendeiner persönlichen Erbärmlichkeit ausdeutet. Wenn Sie unsere Presse und unsere Art, die Schäden der herrschenden Gesellschaftsordnung zu betrachten, kennen,

(Zurufe rechts.)

so werden Sie wohl soviel wissen, dass es uns nie darauf ankommt, die schlechten Eigenschaften oder Handlungen einer einzelnen Person an und für sich irgendwie zu erörtern,

(Zuruf des Abgeordneten Grafen von Westarp: „Donnerwetter!" – Große Heiterkeit.)

sondern dass es uns nur dann darauf ankommt, dergleichen Dinge, die an und für sich privat sind, zu erörtern, wenn sie durch den besonderen Charakter, den sie annehmen, das öffentliche Interesse berühren. Das ist unser allgemeiner Standpunkt, unsere allgemeine Taktik.

(Zurufe und Lachen rechts.)

Meine Herren, was sind das für sonderbare Vorwürfe, die Sie da erheben; ich befasse mich mit derartigen Zwischenrufen nicht.

(Heiterkeit.)

Der Herr Abgeordnete Liesching hat sich mit der Produktion für das Ausland befasst, ebenso nachher der Herr Abgeordnete Erzberger. Meine Herren, es ist ja zweifellos richtig, dass bei einer oberflächlichen Betrachtung es scheinen könnte, als ob, wenn man eine Verstaatlichung der Rüstungsindustrie vornehmen würde, damit in gewissem Umfange eine Arbeitslosigkeit eintreten werde. Dass dies eine oberflächliche Betrachtung ist, glaubte ich Ihnen doch vorher bereits durch Hervorhebung einiger Gesichtspunkte klargemacht zu haben. Es scheint mir aber, Sie sind für diese Gesichtspunkte einfach nicht empfänglich.

(Zuruf rechts: „Nein!")

Die Sache liegt doch so, dass die deutsche Industrie nicht zur Untätigkeit verdammt werden würde, wenn die Mordindustrie, die Kriegsindustrie nachlassen würde. Dann müssten Sie doch konsequent sein und sagen: Es gibt kein größeres Heil für die Völker der Erde, als wenn tüchtig gerüstet wird, möglichst viel Waffen produziert werden, denn die Arbeitskräfte können gar nicht anders beschäftigt werden

(Zurufe rechts.)

darauf läuft es doch hinaus –, während doch das Abc der Nationalökonomie ergibt, dass menschliche Arbeitskräfte, die an einer Stelle frei werden, an einer andern Stelle beschäftigt werden können. Ich möchte wissen, ob die Beschäftigung nicht in jedem anderen Produktionszweig nützlicher wäre für die Allgemeinheit und wo sie weniger nützlich sein kann als in der Rüstungsindustrie? Glauben Sie denn, dass unsere Industrie irgendwelchen Mangel haben wird an Beschäftigung mit anderen, mit Friedensartikeln?

Und was hat es auf sich mit diesem Gerede für die deutschen Arbeiter? Die hunderttausend Arbeiter,

(Zurufe rechts.)

von denen der Herr Abgeordnete Erzberger sprach, die nach seinem Galimathias arbeitslos würden, sind gegenüber der Zahl der ausländischen Arbeiter, die die deutsche Industrie und Landwirtschaft ständig nach Deutschland zieht, ja doch nur ein kleiner Teil, und ebenso – kann man wohl sagen – sind sie nur ein geringer Teil im Verhältnis zu den deutschen Arbeitern, die ins Ausland gejagt werden. Aber all das kommt gar nicht in Betracht; es handelt sich um einen nationalökonomischen Galimathias grober Art.

Der Herr Abgeordnete Liesching hat weiter gemeint, es sei das erste Mal, dass ich mich auf die Autorität eines Staatsanwalts berufen hätte! Meine Herren, ich berufe mich auf die Autorität des Staatsanwalts in diesem Falle,

(Zurufe rechts.)

weil der Staatsanwalt hierbei Feststellungen getroffen hat über die Schäden in der Rüstungsindustrie und in der Staatsverwaltung und weil ich der Auffassung bin, so parteiisch und so unzuverlässig ein Staatsanwalt ist, wenn er zum Beispiel die Arbeiterbewegung, die Sozialdemokratie als seine Feinde bekämpft, so vorsichtig, so vorsichtig wie möglich wird er sein und lieber zu wenig als zu viel zugeben, wenn es sich darum handelt, Schäden festzustellen, die den Großkapitalismus, die Missbräuche einer Firma von der Bedeutung Krupps betreffen, deren Glanz zeitweilig ja fast den Glanz der deutschen Kaiserkrone überstrahlt hat. Wenn ein Staatsanwalt und ein Gericht durch die Macht der Tatsachen so weit gezwungen werden, dass sie trotz all des instinktiven, intensiven, inneren Widerstrebens solche Feststellungen gegen eine solche Firma treffen müssen, wie es in diesem Falle geschehen ist, dann muss das Material gewaltig und so zwingend sein, dass es gar kein Ausweichen gibt.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Das ist es, wovon ich spreche. Überdies habe ich mich gegenüber Herrn Bötger nicht nur auf die Äußerung des Staatsanwalts, sondern auch auf den Beschluss des Gerichts berufen.

(Zurufe rechts: „Welchen Beschluss?")

Na, auf den Beschluss wegen der Nichtvereidigung des Herrn Rötger!

(Zurufe rechts: „Was bedeutet das?")

Das bedeutet, dass vom Gericht der Verdacht seiner Mittäterschaft bei den Bestechungen autoritativ festgelegt ist. Und da mögen Sie sich noch so bemühen, den Herrn Rötger heraus zuhauen, es wird Ihnen nicht gelingen, obwohl er Ihr Idol ist als Leiter aller preußischen und deutschen Scharfmacher.

(Zurufe rechts.)

Der Herr Abgeordnete Erzberger hat gesagt, meine Behauptung, dass ein Kartell für die Vergebung von Kriegsschiffen existiere, sei unzutreffend. Er hat sogar als Sendbote des Herrn Abgeordneten Dr. Pfleger geruht, mir das mitzuteilen. Der einzige Fehler an dieser Bemerkung des Herrn Abgeordneten Erzberger ist, dass ich eine solche Behauptung nie aufgestellt, im Gegenteil rekapituliert habe, dass der Herr Staatssekretär des Reichsmarineamts mitgeteilt hat, dass eine derartige Kartellierung als gescheitert zu betrachten sei; ich habe meine unmaßgebliche Meinung daran geknüpft, dass auf dem Gebiete des Schiffbaus im Einzelnen schon so viel kartelliert sei und der Drang zu einer Kartellierung im Ganzen so unwiderstehlich sei, dass auf dieses Dementi des Herrn Marinestaatssekretärs nicht viel zu geben sei. Damit kann ich das ja wohl verlassen.

Wenn der Herr Abgeordnete Erzberger meint, in Bezug auf die Beziehungen Brandts zur Marine wiederum sagen zu müssen, ähnlich wie das zunächst im Prozess Brandt geschah und dann durch den Staatssekretär der Marine hier im Hause, es ist nichts weiter vorgekommen als die Geschichte mit den drei oder fünf Mark – ich habe über diese Dinge überhaupt gar nicht gesprochen, wie Sie wissen –, so halte ich es wiederholt für nötig festzustellen, dass – von diesen Trinkgeldern, die ich nie gemeint habe, abgesehen – von dem Herrn Staatssekretär des Reichsmarineamts in einem Relativsatz zugegeben worden ist, dass gegen zwei mittlere Beamten hat eingeschritten werden müssen, denen allerdings nicht Bestechung nachgewiesen sei, wohl aber der Verrat von Geheimnissen, die übliche „Indiskretion". Die Namen der betreffenden Beamten habe ich genannt und gezeigt, dass diese Beamten in der Zentrale, der Geheimzentrale unseres Reichsmarineamts sitzen. Das sind alles Spiegelfechtereien, damit führen Sie uns nicht von dem wesentlichen Punkte ab in die Irre.

Was die Firma Goerz anbelangt, so ist Herr Erzberger ein Meister der Spiegel – nein, das darf ich ja hier nicht sagen!

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, Sie haben von einem Abgeordneten gesagt, er sei ein Meister der Spiegelfechterei.

(Liebknecht: „Nein, ich habe nur ,'Spiegel' gesagt!")

Das ist egal, Sie haben es gemeint. Ich bitte, das zu unterlassen!

Liebknecht: Der Herr Abgeordnete Erzberger ist kein Advokat.

(Abgeordneter Erzberger: „Gott sei Dank!" – Heiterkeit.)

Er hat mir gesagt, dass er juristische Finessen – er vermutete dahinter juristische Finessen – nicht verstünde. Ja, ich weiß nicht, ich glaube, manch ein Advokat in dem üblichen Sinne – Sie wissen, wie man das Wort gebraucht – könnte Herrn Erzberger wohl beneiden um seine außerordentliche Geschicklichkeit, dasjenige, worauf es gerade ankommt, verschwinden zu lassen. In Bezug auf den Fall Goerz sagte er zunächst, es waren nur sechs Panoramafernrohre. Jetzt sind es bereits 400.

(Erzberger: „Für das Ausland; es war eine Verwechslung; das gab ich ja sofort zu!")

Das war eine Verwechslung, ganz natürlich, ein Missverständnis; es werden bald mehr werden.

(Widerspruch des Abgeordneten Erzberger.)

Herr Abgeordneter Erzberger, Ihre Panoramafernrohre vermehren sich geschwinder als die Steifleinenen von Falstaff. Wir werden es schon noch erleben, dass es eine ganze Anzahl mehr werden. Richtig ist, dass unmittelbar im ersten Fall in Auftrag gegeben so viele waren; der Gesamtauftrag, um den es sich aber handelte und von dem schließlich die 63 Prozent vergeben sind, betraf diejenige Ziffer, von der ich gesprochen habe. Das hat auch der Herr Vertreter des Kriegsministeriums zugegeben.

(Erzberger: „Zu niedrigerem Preise!")

Wer will uns denn hier etwa sagen, dass, wenn dergleichen neue Dinge eingeführt werden und ein Angebot von einer privaten Firma gefordert wird, dass dann die private Firma sich sagte, es könnte vielleicht nur ein Dutzend werden, und deshalb richte ich meinen Preis danach ein?

(Erzberger: „Das geschieht sehr oft, das ist selbstverständlich!")

Das ist nicht selbstverständlich, und das kann sich jedes Kind an den fünf Fingern abzählen, dass das Panoramafernrohr allgemein eingeführt wird und es sich um eine Bestellung größten Stils handelt.

(Erzberger: „Es handelte sich um Probestücke!")

Es handelt sich nicht um Probestücke. Der Preis von 625 Mark ist nicht bei Probestücken gefordert worden, sondern er ist auch nachher noch gefordert worden. Geben Sie das zu?

(Erzberger: „Wie viel?")

Es handelt sich bereits um die große Vergebung, Herr Erzberger, es sind insgesamt 4000 Stück vergeben worden, von denen 63 Prozent die Firma Goerz bekommen hat.

(Erzberger: „Aber nicht zu dem hohen Preis!")

Meine Herren, haben Sie den Willen, die Sache zu verstehen? Was habe ich gesagt? Ich habe gesagt: Es sind von Goerz zunächst 625 Mark gefordert worden, und zwar, als es sich um die große Bestellung handelte; und dann hat Goerz den Preis, bereits auf Drängen der Heeresverwaltung, auf 575 Mark ermäßigt, und dann, als die Konkurrenz von Zeiss drohte, hat er ihn weiter um volle 100 Mark ermäßigt auf 475 Mark.

(Zuruf des Abgeordneten Erzberger.)

Herr Erzberger, wenn Sie wissen wollen, was ich gesagt habe –: Ich habe gesagt: Bei dem Gesamtbedarf der Militärverwaltung handelte es sich um 10.000 Stück, die noch nicht vergeben sind, worauf aber jetzt weitere Vergebungen erfolgt sind. Das Heruntergehen des Preises von 625 Mark auf 575 Mark und schließlich auf 475 Mark bezog sich bereits auf einen Zustand, in dem klar war, dass die großen Vergebungen entsprechend diesem Preise eingerichtet werden sollten.

(Erzberger: „Vorhin sprachen Sie von 10,000 Stück!")

Das ist ja einfach nicht richtig, Herr Abgeordneter Erzberger, es ist kein Wort davon richtig! Ich habe gesagt: 10.000 Stück kommen in Frage insgesamt für die gesamte Vergebung; 4000 davon sind zunächst vergeben worden. Aber es hat ja gar keinen Sinn, mit Ihnen weiter darüber zu reden!

(Heiterkeit und Unruhe.)

Herr Abgeordneter Erzberger, es ist jeder Buchstabe von dem, was ich gesagt habe, richtig.

(Lachen im Zentrum und rechts.)

Der Herr Abgeordnete Erzberger hat es dann für zweckmäßig gehalten, auf die Treuhandgesellschaft zurückzugreifen, die angeblich noch gar bestätigt habe, dass Goerz es besonders billig mache.

(Erzberger: „Davon habe ich nichts gesagt!")

Ja, Sie haben immer nichts gesagt! Der Herr Abgeordnete Erzberger hat da vollkommen unrecht; denn die Treuhandgesellschaft hat nur eine rein kaufmännische Kalkulation vornehmen können, und in Bezug auf diese rein kaufmännische, nicht technische Kalkulation mag in den Akten nachgelesen werden, wie von Vertretern der Firma das Eingreifen der Treuhandgesellschaft gewünscht worden ist, und zwar mit der ausgeprägten Absicht, nicht die Wahrheit zu sagen, sondern das Kriegsministerium irrezuführen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Mögen die Akten darüber vom Kriegsministerium eingezogen werden, wenn sie da nicht bereits bekannt sind!

Dann komme ich auf den „Figaro"-Brief. Da ist es mir unbegreiflich, was der Herr Abgeordnete Liesching vorhin gewollt hat. Es handelt sich für uns doch nicht darum, ob der Brief in den „Figaro" aufgenommen worden ist. Die Behauptung, dass der Brief in den „Figaro" aufgenommen worden sei, ist von keiner Seite jemals aufgestellt worden. Der Brief, der von Berlin nach Paris an Herrn von Brandenstein gegangen ist, ist in der Presse aller Parteien als der sogenannte „Figaro"-Brief bezeichnet worden. Dieser Brief ist, wie man jetzt von Herrn Erzberger gehört hat, wie die Firma eingesteht, von Berlin nach Paris geschickt worden, und zwar mit dem Auftrag, dass Herr von Brandenstein in Paris den Versuch unternehme, diese Nachricht in die französische Presse zu lancieren. Dies allein ist entscheidend!

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. – Erzberger: „Die Motive!")

Die Motive! Herr Erzberger, mit derartig geheimnisvollen Andeutungen überzeugen Sie mich noch weniger, als wenn Sie mit deutlichen – und darum noch nicht richtigen – Worten zu sprechen belieben!

(Zuruf des Abgeordneten Erzberger.)

Der Herr Abgeordnete Erzberger und der Abgeordnete Liesching werden niemanden durch diese Andeutungen überzeugen,

(„Oho!" rechts.)

das heißt niemanden, der objektiv urteilen will.

(Zuruf aus dem Zentrum: „Wille gehört zu allem!" – Heiterkeit.)

Dann hat der Herr Abgeordnete Erzberger die Behauptung aufgestellt, ich hätte die Arbeiter in Essen geschädigt, und es seien schon in Essen lebhafte Stimmen gegen mein Vorgehen gegen Krupp laut geworden. Ja, gewiss, Herr Abgeordneter Erzberger, in Ihren Zentrumskreisen! Das heißt ja, die Wurst nach der Speckseite werfen.

(Widerspruch im Zentrum.)

Das macht einen außerordentlich geringen Eindruck. Im übrigen weise ich darauf hin: Krupp ist geschädigt?! Die Firma Krupp, die in diesem Jahre 63 Millionen Mark Reingewinn machen konnte!

(Zuruf rechts: „In diesem Jahre?")

In diesem Jahre, im Jahre 1913, 63 Millionen Mark. Das Jahr 1913 umfasst die Zeit des Krupp-Krachs, um dieses Wort zu gebrauchen. Davon sind allerdings 20 Millionen Mark zu Abschreibungen benutzt worden. Was das bedeutet, wissen wir. Der arme Krupp! Höchstbesteuerter in Deutschland! Den höchsten Wehrbeitrag! Der arme, unglückliche Krupp! Es geht ihm schon noch gerade gut genug.

(Zuruf aus dem Zentrum: „Arbeiter entlassen!")

Es ist nicht wahr, dass Arbeiter entlassen worden sind. Ja, es sind Arbeiter entlassen worden, nachdem eine Zeitlang das Werk in intensiver Steigerung gearbeitet hat. Es sind Arbeiter entlassen worden, wie in den Staatswerkstätten Arbeiter entlassen worden sind. Wir kommen nachher auf den Punkt zu sprechen. In den Staatswerkstätten hat eine kolossale Überarbeit, eine kolossale Einstellung von Arbeitskräften im vergangenen Jahre stattgefunden infolge der neuen Wehrvorlage, und jetzt haben Arbeiter entlassen werden müssen. Genauso bei Krupp! Das wollen Sie also doch wohl nicht als Argument benutzen!

Schließlich hat der Herr Abgeordnete Erzberger, indem er sich als gelehriger Schüler des Herrn Abgeordneten Graf von Westarp betätigt hat, von irgendwelchen talmudistischen Deutungen in Bezug auf die Militärgeheimnisse gesprochen. Der Scharfsinn, den der Herr Abgeordneter Erzberger hierbei entpuppt hat, ist ebenso wenig talmudistisch noch überhaupt scharfsinnig, wie ich und mein Blut irgend etwas mit jüdischem Blut und talmudistischen Dingen zu tun habe.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. – Zuruf aus dem Zentrum: „Habe ich gar nicht behauptet!")

Aber das möchte ich doch wohl bemerken: Ich habe im vergangenen Jahre bereits ausdrücklich gesagt, dass es sich nicht um den Verrat militärischer Geheimnisse an einen fremden Staat handle. Das möchte ich auch dem Herrn Kriegsminister sagen. Ich habe ganz ausdrücklich gesagt, Landesverrat komme nicht in Frage. Heute sucht es der Herr Kriegsminister so hinzustellen, als ob das der Grund der damaligen Aufregung gewesen sei. Ich habe damals gesagt: „Es muss unterschieden werden, ob es sich um den Verrat militärischer Geheimnisse an einen fremden Staat oder um den Verrat militärischer Geheimnisse an eine Privatperson handelt; Verrat letzterer Art ist unzweifelhaft geschehen auf Anstiftung Kruppscher Angestellter." Und das ist unzweifelhaft richtig. Wenn die Herren jetzt triumphieren und wenn der Herr Abgeordnete Erzberger in schöner Begeisterung das Lied vom gedämpften Trommelklang zitiert hat, wenn der Herr Abgeordnete Erzberger zweimal, der Herr Kriegsminister einmal, der Herr Wild von Hohenborn zweimal meine gänzliche Niederlage konstatiert haben – ei, meine Herren, bescheinigen Sie sich Ihren Sieg noch tausendmal: Wo die Wahrheit ist, das wissen Sie selbst genau genug;

(„Sehr richtig!" rechts und im Zentrum; „Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

und alle Ihre Versuche, durch derartige Wendungen einen Angriff in einen Rückzug umzuzaubern und das Augenmerk von den ernsten Dingen abzulenken, die hier vorgebracht werden müssen, werden nie und nimmer Erfolg haben; und der Versuch, meine heutige erneute Attacke, die nicht nur auf Salings Börsenhandbuch, das anscheinend Herr Erzberger allein kennt, beruht, sondern auf noch gar manchem anderem, als eine Bagatelle zu bezeichnen, kann nur einen einzigen Effekt haben, nämlich, dass Sie allesamt als Mitschuldige und Hehler dieser Korruption erscheinen.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten. „Hurra!" und Lachen rechts, im Zentrum und links.)

Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, wegen dieser Äußerung muss ich Sie zur Ordnung rufen!

IV

Meine Herren, gegenüber den letzten Bemerkungen erübrigt es sich, irgendeine Antwort zu geben. Ich habe das Wort nur ergriffen, um dem Abgeordneten Erzberger noch zu sagen: Lesen Sie die „Humanité" vom letzten Jahre, lesen Sie die französischen Kammerdebatten, lesen Sie die Ausführungen meines Freundes Morizet, die sich in rücksichtslosester Weise gegen Schneider-Creusot und deren Machenschaften wenden, lesen Sie die Flugschriften meines Freundes Newbold aus England, der sich in rücksichtslosester Weise gegen die englischen Firmen Vickers, Maxim, und wie sie alle heißen, gerichtet hat! Eine Broschüre lege ich Ihnen besonders ans Herz, „War trust exposed", die in 100,000 Exemplaren von der Independent Labour Party verbreitet worden ist und die dem Zweck dient, die englischen Rüstungsfirmen vor aller Welt zu denunzieren als die Mitschuldigen an der internationalen Rüstungstreiberei, als Mitglieder – wie ein englischer Lord es jüngst genannt hat – einer internationalen Verschwörung, einer internationalen Räuberbande.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten. – Zuruf und Lachen rechts.)

V14

Persönliche Bemerkung

Liebknecht: Ich stelle fest, dass ich von vornherein – das wird das Stenogramm beweisen – nichts anderes gesagt hae, als dass zunächst von der Firma ein Betrag von 625 Mark gefordert worden ist, und dass sie sie demnächst in der von mir geschilderten Weise heruntergegangen ist. Ich habe dann ausgerechnet, um wie viel nach dem Willen der Firma, wenn sie ihren ersten Preis durchgesetzt hätte und nicht besondere Umstände sie gehindert hätten, dass dieser Preis gezahlt worden wäre, der Staat geschädigt worden wäre.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Es ist unbegreiflich, wie Herr Erzberger derartige Dinge nicht verstehen will und kann.

VI15

12. Mai 1914

Zur Geschäftsordnung

Liebknecht: Meine Herren, ich bedaure, durch den Schluss der Debatte gehindert zu sein, einige Angelegenheiten aus der Artilleriewerkstatt, der Pulverfabrik und der Geschossfabrik in Spandau vorzubringen, mich insbesondere näher zu befassen mit den unerträglichen Arbeitsräumen auf der Artilleriewerkstatt, speziell dem Gewerk C 2. Ich hoffe im nächsten Jahre Gelegenheit zu haben, diese Dinge hier vorzubringen.

(Heiterkeit.)

VII

13. Mai 1914

Erklärung

Meine Herren, Herr Abgeordneter Erzberger hat in der gestrigen Sitzung als Berichterstatter, und ohne mich vorher zu unterrichten, in meiner Abwesenheit nach dem „Lokal-Anzeiger" erklärt:

Auf Grund einer Denunziation eines früheren Direktors von Goerz hat die Staatsanwaltschaft eingehende Ermittlungen angestellt, aber zweimal ein Einschreiten abgelehnt. Davon hat Dr. Liebknecht gestern kein Wort gesagt usw."

Ich bemerke demgegenüber:

Erstens: Die Staatsanwaltschaft ist nicht auf Grund der Anzeige eines früheren Direktors der Firma Goerz eingeschritten.

Zweitens: Ich habe in meiner Rede am Montag ausdrücklich erwähnt, dass sich die Staatsanwaltschaft bisher trotz des schweren Belastungsmaterials geweigert hat einzuschreiten.

Drittens: Tatsächlich schwebt das Verfahren gegen Goerz noch jetzt vor der Staatsanwaltschaft des Königlichen Landgerichts II in den Akten I J 501-12.

Viertens: Ich habe meine Angriffe gegen die Praktiken der Firma Goerz gestützt auf die eidlichen Zeugenaussagen in den eben genannten Akten der Staatsanwaltschaft des Königlichen Landgerichts II und nichts davon zurückzunehmen.

1 Vor der 11. Strafkammer des Landgerichts I Berlin-Moabit fand vom 23. Oktober bis 8. November 1913 der zweite Krupp-Prozess gegen den Berliner Krupp-Agenten M. Brandt und den Krupp-Direktor O. Eccius, Leiter der Abteilung Ausländische Lieferungen, statt. Karl Liebknechts Versuch, dem Gericht weiteres Belastungsmaterial vorzutragen, wurde abgewiesen. Brandt wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten. Eccius erhielt lediglich eine Geldstrafe von 1200,- Mark.

2 G. Feuchter: Der Deutsche Pulver-Ring und das Militär-Pulvergeschäft, Göppingen 1896. Die Red.

3 Im Original: Delais. Die Red.

4 Gemeint ist ein bei M. Brandt beschlagnahmtes Notizbuch, in dem sich das Verzeichnis der Geheimberichte, die unter dem Decknamen „Kornwalzer" liefen, befand. Die Red.

5 Im Original: 8. April. Die Red.

6 Linke, ein nachträglich ermittelter Helfer M. Brandts, gegen den Mitte Oktober 1913 ein Prozess geführt worden war. Die Red.

7 Auf Grund der Enthüllungen Karl Liebknechts am 18., 19. und 26. April 1913 im Reichstag fand vom 31. Juli bis 5. August 1913 vor dem Berliner Kriegsgericht der erste Krupp-Prozess statt. Angeklagt waren sieben Militärbeamte, darunter als Hauptverantwortlicher der Zeugleutnant Tilian, wegen Verrats militärischer Geheimnisse und Bestechung. Das Gericht verurteilte unter Ausschluss der Öffentlichkeit vier Angeklagte zu geringfügigen Freiheitsstrafen.

8 Karl Liebknecht bezeichnet damit das System und die Methoden der im Auftrag der Firma Krupp durchgeführten Spionage. Unter dem Decknamen „Kornwalzer" wurden die Spionageberichte nach Essen gesandt.

9 Unter dem Titel „Krupp traktiert!" enthüllte der „Vorwärts" am 30. April, 5. und 9. Mai 1913 in mehreren Artikeln das undurchsichtige System, das vorwiegend zur indirekten Bestechung von Offizieren und Reichsbeamten, die zur Abnahme und Materialprüfung für längere Zeit in Essen weilten, angewandt wurde.

10 Synonym für große Betrugsaffären, abgeleitet aus den beiden großen Betrugs- und Bestechungsprozessen 1893/1894 in Frankreich im Zusammenhang mit dem Bau des Panamakanals (Panamaskandal).

11 Versammlungsgebäude des Tammany-Ringes in New York, einer 1789 gegründeten politischen Organisation, die sich der Demokratischen Partei anschloss. Diese Organisation übte durch Bestechung und politischen Terror großen Einfluss auf die Stadtverwaltung von New York und oftmals auch auf die Unionspolitik aus. Der Begriff Tammany Hall, zumeist im übertragenen Sinne für die Organisation gebraucht, wurde zum Inbegriff für Korruption großen Stils, besonders für die Käuflichkeit der Ämter und Wahlstimmen.

12 Es handelt sich um Börsenmanöver mit Rochette-Papieren, die am 20. und 21. März 1908 massenhaft verkauft worden waren. In diesen Skandal waren verschiedene bürgerliche französische Politiker verwickelt. Die Untersuchungen des Falles Rochette zogen sich bis 1914 hin.

13 Auf Grund der Enthüllungen Karl Liebknechts am 18., 19. und 26. April 1913 im Reichstag fand vom 31. Juli bis 5. August 1913 vor dem Berliner Kriegsgericht der erste Krupp-Prozess statt. Angeklagt waren sieben Militärbeamte, darunter als Hauptverantwortlicher der Zeugleutnant Tilian, wegen Verrats militärischer Geheimnisse und Bestechung. Das Gericht verurteilte unter Ausschluss der Öffentlichkeit vier Angeklagte zu geringfügigen Freiheitsstrafen.

14 Diese persönliche Bemerkung fehlt in den „Reden und Schriften“

15 Diese Bemerkung zur Geschäftsordnung fehlt in den „Reden und Schriften“

Kommentare