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Rosa Luxemburg 19010131 Brief an Eva und Franz Mehring

Rosa Luxemburg: Brief an Eva und Franz Mehring

[Nach Rosa Luxemburg, Briefe, Band 1, Berlin 1982, S. 512 f.]

[Friedenau, Ende Januar 1901]

Meine lieben Freunde!

Da ich über die Nase in der Arbeit vergraben bin und meinen Wunsch, Sie in diesem Augenbhck zu sehen, nicht befriedigen kann, so will ich wenigstens einige Worte an Sie kritzeln.

Gestern war ich bei Kautsky und erfuhr, dass ihm Bebel, Klara und »viele andere« »den Kopf gewaschen haben« dafür, dass er nicht selbst Vollmar antwortete, sondern mich antworten ließ. Ich kam mir angesichts Karls leidender Miene vor, wie wenn ich ihm etwas gestohlen oder ihn tückisch in eine Falle gelockt hätte. Ich hatte wohl was zu antworten, aber der Missmut verschloss mir den Mund, und ich kam nach Hause mit großem Katzenjammer. Es ist einem überhaupt am wohlsten, wenn man in seinem Schneckenhaus sitzt und mit der Außenwelt wenig in Berührung kommt.

Kautsky hatte mich Bebel vorgeschlagen, sich aber dann doch selbst zur Übernahme der Broschüre entschlossen. Wir haben also alle Ursache, zufrieden zu sein: Wenigstens diese wichtige Arbeit bleibt in den Händen unserer Richtung und nicht etwa in Calwers Händen.

Ich erfuhr von Kautsky, dass Sie, wie ich auch schon vermutete, in der »Leipziger Volkszeitung« schreiben. Welches Glück! Wir gewinnen also ein Blatt wieder, und in Ihren Händen ist es ja gut aufgehoben. Auch für den armen Schoenl ist das als politischer Rückhalt famos. Die weiteren Heldentaten Katzensteins und ihren Reflex im »Ulk« haben Sie wahrscheinlich beachtet. Es ist furchtbar peinlich, eine solche Gemeinheit zu sehen und nichts dagegen tun zu können.

Leben Sie wohl! Sobald ich ein wenig frei bin, werde ich Sie überfallen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Rosa Luxemburg

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