Permanente Revolution 19310900 Gegen Nationalkommunismus

Permanente Revolution: Gegen Nationalkommunismus

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 3 (September 1931), S. 1-2]

Als im Jahre 1923 die russische Opposition unter Führung des Gen. Trotzki den Kampf gegen die Epigonen begann, als sie die Politik Stalins, Sinowjews, Bucharins u. a. einer scharfen marxistischen Kritik unterzogen hat, als sie damals den Beginn des Abgleitens der WKP und der Komintern von den marxistischen Gleisen signalisierte, glaubten sogar viele linke Genossen, dass die scharfen Formulierungen mehr ein Produkt der Hitze des Gefechtes waren. Die Geschichte der letzten 8 Jahre hat nicht nur die Richtigkeit des Kampfes der russischen Linken bestätigt, sondern bewiesen, dass das Abgleiten der heutigen Führung der Kommunistischen Weltpartei von der marxistischen Linie alle Vermutungen übertroffen hat.

Vieles hat sich seit jener Zeit ereignet. Seit der geschichtlichen Niederlage des deutschen Proletariats im Jahre 1923 folgten unter der Führung der Epigonen weitere. Die glänzenden revolutionären Positionen des chinesischen Proletariats, die chinesische Revolution, wurden Tschiang Kai-schek ausgeliefert. Niederlagen in Bulgarien, Polen, Estland und England und zuletzt in Finnland, begleiteten die Niedergangsperiode unter der Epigonenherrschaft. Die objektiven Schwierigkeiten im proletarischen Staat wurden durch die subjektiven gesteigert. Trotz des Hurra-Geschreies der Zentristen aller Nationen hat sich die Lage in der Sowjetunion kritisch verschärft.

In diesen 8 Jahren hat sich die Politik der heutigen Führung unter dem Druck der objektiven Schwierigkeiten und der Peitsche der Kritik der Linken Opposition mehrmals geändert. Von einem Extrem in das andere, im Zickzack, entwickelte sich die politische Linie des Zentrismus.

Auch in den Reihen der Linken Opposition hat sich vieles verändert. Die Verbrauchten und Schwankenden haben bei jeder neuen «Wendung» der zentristischen Führung den einfacheren Weg gesucht und liefen unter Verspottung ihrer eigenen politischen Bekenntnisse ins Lager des Zentrismus hinüber. Manche glaubten, dass die heutige Führung der Komintern den marxistischen Weg wieder gefunden hat, andere hofften in der Partei die Politik des Zentrismus zu korrigieren. Wo sind die Prophezeiungen Sinowjews, Kamenews, Radeks u. a. von der Möglichkeit des Zurückdrängens der Epigonen auf die marxistischen Bahnen geblieben? Wo sind die Versprechungen der schwankenden Geister und der langbeinigen Kapitulanten geblieben, die davon träumten, dass Stalin, Thälmann, Semard u. a. mit ihrer Mithilfe revolutionäre Möglichkeiten und Situationen werden ausnützen können? Ist denn die heutige Weltkrise nicht voll objektiver revolutionärer Möglichkeiten? Geht es nicht mit dem Kapitalismus katastrophal genug bergab? Gibt es nicht genügend Beweise auch für diejenigen Massen, die noch vor kurzem dem Kommunismus fremd gegenüberstanden, dass es so nicht weiter gehen kann, dass nur die revolutionäre Lösung sie vor Elend und Barbarei retten kann? Wo bleibt die gemeinsame Aktion des proletarischen Staates und der kommunistischen Weltpartei, die, wenn sie eine richtige Politik geführt hätte, die Mehrheit der Arbeiterklasse erobern konnte – dafür waren alle objektiven Voraussetzungen gegeben – und der kapitalistischen Gesellschaftsordnung heute den Strich unter die geschichtliche Bilanz gezogen hätte. Und dennoch geschieht nichts! Ein Wunder müsste geschehen, wenn die Komintern unter ihrer jetzigen Leitung zur Führerin der Weltrevolution werden sollte. Ohne marxistische Politik keine entscheidenden Siege des Proletariats über die Bourgeoisie!

Als die russische Opposition unter Führung des Genossen Trotzki den schärfsten Kampf der Theorie vom «Aufbau des Sozialismus in einem Lande» ansagte, als sie dieses Abgleiten von der marxistischen Linie als National-Kommunismus bezeichnete, glaubten viele, dass es sich um einen übertriebenen Kampf um eine belanglose Frage handelt. Wenn die Zentristen aller Länder von der neuen «marxistischen Entdeckung» Bucharin-Stalins begeistert waren, so sagten uns die Rechten, die Brandlerianer: Ihr habt diese Frage, die keine Bedeutung hat, deshalb zu einem wichtigen Streitpunkt gemacht, weil ihr nichts anderes zu sagen habt.

War es wirklich nur ein Streit um eine belanglose Formulierung? War es wirklich eine Frage, um die das Streiten keinen Wert hatte? Besonders wir, die deutsche Linke, haben heute diese Frage zu untersuchen. Hat nicht die reaktionäre Theorie vom «Aufbau des Sozialismus in einem Lande» zu verheerenden Folgen für die kommunistische Idee in Deutschland geführt?

Kurz vor den Wahlen zum Reichstag im September 1930 beglückte die Thälmannsche Führung unsere Partei mit dem «Programm zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes», einem Produkt geistiger Verwirrung, einer verbrecherischen Revision des Kommunismus, derengleichen die Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung nicht kennt, einem Dokument des katastrophalen Abgleitens vom Klassenstandpunkt des Marxismus, einem offenen Ruck zum National-Kommunismus. Die Führung einer kommunistischen Partei in Europa macht den nationalen Befreiungskampf zur Achse ihrer Politik. Der Klassenbegriff Proletariat wird durch Volk ersetzt. Was hat dieses «Programm» mit Kommunismus gemein? Seit wann hat der revolutionäre Marxismus die Befreiung der Arbeiterklasse, die sozialistische Revolution in nationalen Rahmen gestellt? Wieso sind die Thälmänner & Co. zu dieser Weisheit gekommen? Sie ist der «Theorie des Sozialismus in einem Lande» entlehnt. Wenn Stalin den Sozialismus in Russland aufbauen kann, so darf Thälmann den nationalen Befreiungskampf Deutschland proklamieren. «Volksrevolution» in Deutschland wird jetzt als wahrer Marxismus-Leninismus gepredigt – Vereinigte sozialistische Sowjet-Staaten» als «Trotzkismus» gebrandmarkt. Von der Theorie vom «Sozialismus in einem Lande» über das «Programm der nationalen und sozialen Befreiung» des deutschen Volkes bis zum gemeinsamen Volksentscheid mit den Faschisten spielte sich das politische Verbrechen des Zentrismus ab. Vom «nationalen Programm» bis zum roten Volksentscheid war kein großer Sprung mehr zu machen. Gibt es noch ein klareres Beispiel für den ideologischen Verfall des Zentrismus in den verflossenen 8 Jahren, für den tiefgehenden Unterschied zwischen zwei strategischen Linien: National-Kommunismus einerseits, revolutionärer Internationalismus anderseits!

Es geht aber nicht mehr allein um einen theoretischen Streit. Tatsachen, Erscheinungen häufen sich, die gefährliche Tendenzen für die weitere Entwicklung des Kommunismus aufweisen. Die Partei wird durch Elemente verseucht, die nichts gemein mit dem Kommunismus haben, mit Klassenfeinden des Proletariats. Offizieren und Grafen werden die Tore der Partei geöffnet, weil sie erklären, dass sie die Kommunistische Partei und Sowjetrussland als Mittel zum Revanchekrieg betrachten und weil für sie die Kommunistische Partei die einzige Partei in Deutschland ist, die keine Juden in ihrem Zentralkomitee hat. Die Arbeiterjugend, die Kader der zukünftigen proletarischen Revolution werden nicht mehr gemäß den Grundsätzen des revolutionären Marxismus erzogen, sondern mit Schlagworten, die dem Nationalsozialismus entlehnt worden sind. Die ideologischen Grenzen zwischen Kommunismus und National-Sozialismus werden verwischt. Der zentristische Vernichtungsfeldzug gegen die marxistische Ideologie in der Partei hat schon solche Früchte gebracht, dass fast keine einzige Stimme in der Partei sich gegen den verbrecherischen Schritt der heutigen Parteiführung – gemeinsamer Volksentscheid mit den Faschisten – erhoben hat. Geistiger Verfall der Parteireihen ist das Ergebnis derjenigen Revision des Marxismus-Leninismus unter Führung Stalins, die in der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung das Kapitel National-Kommunismus beanspruchen wird. Es gilt unsere ganze Kraft gegen die nationalistische Verseuchung in der Partei einzusetzen, es gilt um die Gehirne der Parteimitglieder zu kämpfen. Es gilt jetzt, Kader revolutionärer Internationalisten zu erziehen. Diese Aufgabe kann und muss die Linke Opposition lösen.

Kommentare