Lenin‎ > ‎1903‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19031200 Warum ich aus der Redaktion der „Iskra" ausgetreten bin

Wladimir I. Lenin: Warum ich aus der Redaktion der „Iskra" ausgetreten bin*1

Brief an die Redaktion der Iskra"

[Geschrieben Anfang Dezember 1903 Veröffentlicht als Sonderdruck im Dezember 1903. Nach Sämtliche Werke, Band 6, Wien-Berlin 1930, S. 160-167]

Es handelt sich hier keineswegs um eine persönliche Frage. Es handelt sich um die Frage der Beziehungen zwischen der Mehrheit und der Minderheit unseres Parteitages. Ich bin verpflichtet, sofort und offen auf diese Frage zu antworten; ich bin nicht nur dazu verpflichtet, weil die Delegierten der Mehrheit mich mit Anfragen überschütten, sondern auch weil der Aufsatz „Unser Parteitag" in Nr. 53 der „Iskra" die nicht sehr tiefgehende, aber sehr desorganisierend wirkende Spaltung in den Reihen der Iskristen, zu der der Parteitag geführt hat, ganz falsch beleuchtet hat.

Der Aufsatz stellt die Sache in einer Weise dar, dass niemand selbst mit der Lupe auch nur einen wirklich ernsten Grund für die Trennung, auch nur den Schatten einer Erklärung für eine solche Erscheinung wie die Veränderung in der Zusammensetzung der Redaktion des Zentralorgans, auch nur die leiseste Andeutung der schwerwiegenden Gründe für meinen Austritt aus dem Redaktionskollegium finden kann. Wir stimmten, sagt der Verfasser des Aufsatzes, nicht überein in der Frage der Zusammensetzung der zentralen Körperschaften der Partei, in den Fragen des Verhältnisses zwischen dem Zentralorgan und dem Zentralkomitee, der Methode zur Durchführung des Zentralismus, der Grenzen und des Charakters der möglichen und nützlichen Zentralisierung, der Schädlichkeit des bürokratischen Formalismus.

Ist dem tatsächlich so? Gingen wir nicht vielmehr auseinander in der Frage der persönlichen Zusammensetzung der zentralen Körperschaften, in der Frage, ob ein Boykott dieser Körperschaften aus Unzufriedenheit mit ihrer vom Parteitag beschlossenen Zusammensetzung, ob die Desorganisierung der praktischen Arbeit, die Umstoßung der Parteitagsbeschlüsse irgendeinem Zirkel im Ausland lebender Sozialdemokraten, wie z. B. der Mehrheit der Liga, zuliebe zulässig sei?

Ihr wisst sehr gut, Genossen, dass die Sache sich gerade so verhielt. Aber die überwiegende Mehrheit der einflussreichsten und tätigsten Parteiarbeiter weiß das noch nicht, und darum will ich die Haupttatsachen kurz angeben, – nur kurz, weil, wie in Nr. 53 der „Iskra" angekündigt wird, bald das vollständige Material zur Geschichte unserer Trennung veröffentlicht werden soll.2

Wie sowohl der Verfasser des Aufsatzes, von dem hier die Rede ist, als auch die „Bund"-Delegation in ihrem eben erschienenen Bericht richtig feststellen, waren die Iskristen auf unserem Parteitag in bedeutender Mehrheit; meines Erachtens hatten sie sogar, noch bevor die Delegierten des „Bund" und des „Rabotscheje Djelo" den Parteitag verließen, rund drei Fünftel der Stimmen. Während der ersten Hälfte des Parteitages standen die Iskristen geschlossen gegen alle Anti-Iskristen und inkonsequenten Iskristen. Das kam während der ersten Parteitagshälfte besonders deutlich zum Vorschein bei zwei Zwischenfällen, die für das Verständnis unserer Trennung wichtig sind: bei dem Vorfall mit dem Organisationskomitee und bei dem Vorfall, der sich während der Debatte über die Gleichberechtigung der Sprachen ereignete (in diesem letzteren Fall sank die kompakte Mehrheit der Iskristen ein einziges Mal von drei Fünfteln auf die Hälfte herab). Während der zweiten Parteitagshälfte begannen die Iskristen in ihren Meinungen auseinanderzugehen, und gegen Ende des Parteitages waren sie endgültig getrennt. Der Streit über den § 1 des Parteistatuts und über die Wahlen zu den zentralen Körperschaften zeigt deutlich den Charakter dieser Trennung: die Minderheit der Iskristen (mit Martow an der Spitze) sammelt allmählich eine immer größere Zahl von Nichtiskristen und von unentschlossenen Leuten um sich und nimmt gegen die Mehrheit der Iskristen (zu denen Plechanow und ich gehörten) Stellung. Bei der Debatte über den § 1 des Statuts hatte diese Gruppierung noch keine endgültige Form angenommen, dennoch gaben die Stimmen der Bundisten und der zwei (von drei) Anhänger des „Rabotscheje Djelo" der „Iskra"-Minderheit das Übergewicht. Bei den Wahlen zu den zentralen Körperschaften wurde die „Iskra-Mehrheit (dank dem Umstand, dass fünf Bundisten und zwei Anhänger des „Rabotscheje Djelo" den Parteitag verlassen hatten) zur Mehrheit des Parteitages. Und da erst gingen wir im wahren Sinne des Wortes auseinander.

Uns trennt eine tiefe Kluft vor allem in der Frage der Zusammensetzung des Zentralkomitees. Schon nach dem Vorfall mit dem Organisationskomitee ganz zu Anfang des Parteitages, erörterten die Iskristen mit großer Leidenschaft die Kandidatur der verschiedenen Mitglieder (und Nichtmitglieder) des Organisationskomitees für das Zentralkomitee und lehnten mit neun gegen vier Stimmen bei drei Stimmenthaltungen in den nichtoffiziellen Versammlungen der „Iskra"-Organisation nach langen und heißen Debatten eine der von Martow unterstützten Kandidaturen ab; mit zehn gegen zwei Stimmen bei vier Stimmenthaltungen gelangte die Liste der fünf Mitglieder zur Annahme, in die auf meinen Vorschlag hin ein führender Genosse, der nicht zu den Iskristen gehört, und ein Mitglied der „Iskra"-Minderheit aufgenommen wurden. Doch bestand die Minderheit darauf, unter den fünf Mitgliedern des Zentralkomitees drei von ihren Leuten zu haben; und darum erlitt sie auf dem Parteitag eine völlige Niederlage. Ebenso ging der große Kampf aus, der um die Frage: Bestätigung des alten Sechserkollegiums oder Neuwahl eines Dreierkollegiums für die Redaktion des Zentralorgans auf dem Parteitag entbrannte.**

Erst von diesem Augenblick an wird die Trennung so vollständig, dass der Gedanke an eine Spaltung auftaucht; erst von diesem Augenblick an setzt die bis dahin auf einem Parteitag nie dagewesene Stimmenthaltung der Minderheit ein (die sich schon in eine wirklich „kompakte" Minderheit verwandelt). Dieser Bruch nimmt nach dem Parteitag immer schärfere Formen an. Die unzufriedene Minderheit schreitet zum Boykott, der monatelang dauert.3 Dass die auf diesem Boden gewachsenen Anschuldigungen, wir seien formalistische Bürokraten, wir forderten unbedingte mechanische Unterordnung, und ähnlicher Unsinn nur ein Versuch sind, den Spieß umzudrehen, das ist ganz klar und wird auch z. B. durch folgenden typischen Vorfall zur Genüge bewiesen. Die neue Redaktion (d. h. Plechanow und ich) fordert alle alten Redakteure zur Mitarbeit auf, und zwar tut sie es natürlich zunächst ohne jeden „Formalismus", mündlich. Sie erhält eine Absage. Daraufhin schreiben wir (Bürokraten!) einen „Zettel" an die „werten Genossen" und bitten um ihre Mitarbeit im Allgemeinen, bitten sie aber insbesondere darum, ihre abweichenden Ansichten in den Spalten der von uns redigierten Publikationen darzulegen. Wir erhalten die formelle Erklärung, dass sie nicht gewillt seien, in irgendeiner Form an der „Iskra" mitzuarbeiten. Monatelang arbeitet auch niemand, der nicht zum Redaktionsstab gehört, an der „Iskra" mit. Die Beziehungen gestalten sich ausschließlich formal-bürokratisch, – und auf wessen „Initiative" hin?

Man beginnt eine unterirdische Literatur zu schaffen, die das Ausland überschwemmt, an die Komitees gesandt wird und heute zum Teil bereits aus Russland ins Ausland zurückkehrt. Der Bericht des sibirischen Delegierten, der Brief von -n über die Losungen der „Opposition", „Noch einmal in der Minderheit" von Martow strotzen von den ergötzlichsten Anschuldigungen gegen Lenin wegen seiner „Selbstherrschaft", wegen der Errichtung eines Robespierreschen Regimes von Hinrichtungen (sic!), wegen der Veranstaltung von politischen Begräbnissen für alte Genossen (dass diese Genossen nicht in die zentralen Körperschaften gewählt wurden, soll ein Begräbnis sein!) usw.4. Durch den Lauf der Dinge lässt sich die Opposition dazu verleiten, in organisatorischen Fragen „grundsätzliche" Meinungsverschiedenheiten zu entdecken, die eine gemeinsame Arbeit nicht zulassen. Besonders heftig angegriffen wird dabei das berühmte „fünfte Mitglied" des Parteirates. Der Parteirat wird in allen erwähnten Schriften als diplomatischer Schachzug oder als ein Taschenspielerkunststück Lenins dargestellt, als ein Werkzeug zur Unterdrückung des russischen Zentralkomitees durch das ausländische Zentralorgan – genau so, wie die Delegation des „Bund" in ihrem Bericht über den Parteitag die Sache darstellt. Es ist überflüssig, zu sagen, dass diese grundsätzliche Meinungsverschiedenheit ein ebensolcher Unsinn ist wie der berühmte bürokratische Formalismus: das fünfte Mitglied wird vom Parteitag gewählt; folglich handelt es sich um den Genossen, der das größte Vertrauen der Mehrheit verdient; der Wille der Mehrheit eines Parteitages aber kommt stets bei jeder Organisierung von zentralen Körperschaften in der Auslese bestimmter Genossen zum Ausdruck.

Eine wie weite Verbreitung diese Literatur im Auslande gefunden hat, geht daraus hervor, dass sogar der gute Parvus einen Feldzug eröffnet gegen das Bestreben, alle Fäden in einer Hand zu vereinigen und die Arbeiter von irgendeinem Genf aus „kommandieren" (sic!) zu wollen („Aus der Weltpolitik", 5. Jahrgang, Nr. 48, 30. November 1903). Ein, zwei Monate werden vergehen, unser neuer Gegner der „Selbstherrschaft" wird Gelegenheit haben, die Protokolle des Parteitages und des Liga-Kongresses zu lesen, und er wird sich davon überzeugen, wie leicht man lächerlich werden kann, wenn man jeden Parteiklatsch5 für bare Münze nimmt.

Die kriegerischen Handlungen der Opposition gegen die zentralen Körperschaften fanden ihren Höhepunkt in dem Kongress der „Liga". Aus seinen Protokollen werden die Leser ersehen, ob jene recht hatten, die ihn als Kampfplatz für die Abrechnung mit dem Parteitag bezeichneten, ob es im Angriff der Opposition etwas gegeben hat, was das Zentralkomitee zu ganz besonderen Maßnahmen herausforderte (wie sich das Zentralkomitee selber ausdrückte, als die Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion auf Herstellung des Friedens in der Partei hoffen ließ6). Die Resolutionen dieses Kongresses zeigen, welchen Charakter die „grundsätzlichen" Meinungsverschiedenheiten in der Frage des selbstherrlichen Bürokratismus tragen.

Die Atmosphäre der Spaltung rückte nach dem Kongress der Liga in so bedrohliche Nähe, dass Plechanow den Entschluss fasste, die alte Redaktion zu kooptieren. Ich sah voraus, dass die Opposition sich damit nicht zufrieden geben würde, und hielt es nicht für möglich, einem Zirkel zuliebe den Beschluss des Parteitages umzustoßen. Noch weniger zulässig schien es mir, einem möglichen Frieden in der Partei im Wege zu stehen, und darum trat ich nach Erscheinen der Nr. 51 der „Iskra" aus der Redaktion aus, wobei ich erklärte, dass ich auf die Mitarbeit nicht verzichte und nicht einmal auf der Bekanntmachung meines Austritts bestehe, wenn ein guter Friede in der Partei hergestellt wird. Die Opposition forderte (nicht die Änderung des Systems des gar nicht vorhandenen Bürokratismus, Formalismus, Autokratismus, Mechanismus und dergl., sondern) die Wiedereinsetzung der alten Redaktion, die Kooptation von Vertretern der Opposition in das Zentralkomitee, zwei Sitze im Parteirat und die Anerkennung der Gesetzmäßigkeit des „Liga"-Kongresses. Der Vorschlag des Zentralkomitees zur Sicherung des Friedens ging dahin, dass es zustimmte, zwei Mitglieder der Opposition in das Zentralkomitee zu kooptieren, ihnen einen Sitz im Parteirat zu geben und die Liga allmählich zu reorganisieren. Die Opposition hat auch diese Bedingungen abgelehnt. Die Redaktion würde kooptiert, die Frage des Friedens aber blieb offen. So war die Lage, als Nr. 53 der „Iskra" erschien.

Dass die Partei Frieden und positive Arbeit will, daran kann wohl kaum gezweifelt werden. Solche Artikel aber, wie „Unser Kongress", verhindern die Herstellung des Friedens, sie verhindern ihn, weil sie nur Anspielungen und einzelne Bruchstücke der Fragen bringen, die unverständlich sind und unverständlich bleiben müssen, wenn nicht alle Einzelheiten des Bruches erschöpfend dargelegt sind; sie verhindern den Frieden, weil sie die Schuld eines Auslandszirkels auf unsere Parteizentrale abwälzen, die mit der schwierigen und harten Arbeit beschäftigt ist, die Partei tatsächlich zu einigen, und ohnehin bei ihren Bemühungen, den Zentralismus zu verwirklichen, auf viele Hindernisse stieß und noch stößt. Die russischen Komitees kämpfen gegen die jede Arbeit hemmende, desorganisierende Tätigkeit der Minderheit und gegen ihren Boykott. Resolutionen in diesem Sinne sind bereits von den Komitees von Petersburg, Moskau, Nischni-Nowgorod, Twer, Odessa, Tula und von dem „Nord-Bund" eingetroffen.

Genug mit dem ausländischen Literatengezänk7! Mögen die in Russland arbeitenden Genossen aus ihm lernen, „was man nicht tun soll"! Möge die Redaktion des Zentralorgans der Partei alle auffordern, jeden Boykott, von welcher Seite er auch kommen mag, einzustellen und unter der Leitung des Zentralkomitees kameradschaftlich zusammenzuarbeiten!

Und die Unterschiede in den Schattierungen der Iskristen? wird der Leser fragen. Erstens, antworten wir darauf, besteht der Unterschied darin, dass man nach Meinung der Mehrheit unabhängig von der Änderung in der Zusammensetzung der zentralen Körperschaften seine Auffassungen in der Partei zur Geltung bringen kann und soll. Jeder Zirkel, sei es auch ein „Rabotscheje Djelo"-Zirkel, hat das Recht, wenn er der Partei angehört, die Möglichkeit der freien Äußerung und Vertretung seiner Auffassungen zu verlangen, aber kein Zirkel, auch nicht ein Zirkel der Generale, hat das Recht, eine Vertretung in den zentralen Körperschaften zu fordern. Zweitens besteht der Unterschied darin, dass nach der Meinung der Mehrheit die Schuld des Formalismus und des Bürokratismus auf den fällt, der durch die Ablehnung der Arbeit unter Leitung der zentralen Körperschaften die Möglichkeit einer nicht-formalistischen Führung der Geschäfte erschwerte. Drittens kenne ich eine und nur eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit in den organisatorischen Fragen, eben jene, die in den Debatten über den § 1 des Parteistatuts zum Ausdruck gekommen ist. Nach Erscheinen der Parteitagsprotokolle werden wir auf diese Frage noch zurückkommen. Wir werden dann zeigen, dass Martows Formulierung nicht zufällig dank der Unterstützung durch die Nichtiskristen und die quasi-Iskristen zur Annahme gelangt ist, sondern weil sie einen Schritt zum Opportunismus bedeutet, einen Schritt, den wir noch anschaulicher in -ns Brief und in „Noch einmal in der Minderheit" sehen.*** Die Protokolle werden zeigen, wie falsch die Ansicht des Verfassers des Aufsatzes „Unser Kongress" ist, dass sich „bei der Erörterung des Parteistatuts der Streit fast ausschließlich um die Organisierung der zentralen Körperschaften der Partei gedreht" habe. Gerade das Gegenteil war der Fall. Der einzige wirklich grundsätzliche Streit, der beide „Lager" (d. h. die Mehrheit und die Minderheit der Iskristen) einigermaßen klar voneinander trennte, war der Streit um den § 1 des Parteistatuts. Der Streit aber über die Zusammensetzung des Parteirates, über die Kooptation in die zentralen Körperschaften usw. war ein Streit zwischen einzelnen Delegierten, zwischen mir und Martow usw. Dieser Streit ging um verhältnismäßig sehr private Einzelheiten und hatte keine bestimmte Gruppierung der Iskristen zur Folge; diese beschränkten sich darauf, durch Abgabe ihrer Stimmen die Übertreibungen bald des einen, bald des andern von uns zu korrigieren. In diesen Streitigkeiten die Quelle der Meinungsverschiedenheiten über die Methoden der Durchführung des Zentralismus, über seine Grenzen, seinen Charakter usw. suchen, heißt ganz einfach die Stellung der Minderheit und die Methoden des Kampfes beschönigen, den sie für die Änderung in der Zusammensetzung der zentralen Körperschaften geführt und der einzig und allein einen Bruch im vollen Sinn dieses Wortes verursacht hat.

* Diesen Brief sandte ich an die Redaktion der „Iskra" unmittelbar nach Erscheinen der Nr. 53. Die Redaktion lehnte es ab, ihn in Nr. 54 zu veröffentlichen, und so bin ich gezwungen, ein besonderes Flugblatt herauszugeben.

1 Der Brief an die Redaktion der „Iskra" („Warum ich aus der Redaktion der ,Iskra' ausgetreten bin") ist von Martow mit der Broschüre „Der Kampf gegen den ,Belagerungszustand' in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Antwort auf den Brief N. Lenins)" 1904 beantwortet worden.

2 In Nr. 53 der „Iskra" vom 25. November 1903, in der Rubrik „Briefkasten", war das bevorstehende Erscheinen („vollständig", nur ohne die Berichte aus den einzelnen Orten) der Protokolle des 2. Parteitages und des Ligakongresses angezeigt.

** Angesichts der unermesslichen Zahl von Gerüchten und schiefen Darstellungen, die dieses berühmt gewordene „Dreierkollegium" hervorgerufen hat, will ich gleich bemerken, dass mein Kommentar zu dem Entwurf der Tagesordnung für den Parteitag allen halbwegs nahestehenden Genossen längst bekannt war. In diesem Kommentar, der auf dem Parteitag von Hand zu Hand ging, heißt es: „Der Parteitag wählt drei Genossen in die Redaktion des Zentralorgans und drei Genossen in das Zentralkomitee. Diese sechs Genossen zusammen ergänzen, wenn es notwendig ist, auf Beschluss einer Zweidrittelmehrheit den Redaktionsstab des Zentralorgans und das Zentralkomitee durch Kooptation und erstatten hierüber dem Parteitag Bericht. Ist dieser Bericht vom Parteitag bestätigt, so erfolgt die weitere Kooptation durch die Redaktion des Zentralorgans und durch das Zentralkomitee getrennt voneinander.

3 Bald nach dem Parteitag, Mitte September 1903, fand in Genf unter Geheimhaltung vor der Parteimehrheit und ihren führenden Organen eine Fraktionsberatung von 17 Menschewiki statt (mit Martow, Potressow u. a. führenden Menschewiki an der Spitze), die eine taktische Plattform der Minderheit zu Fragen innerparteilichen Charakters ausarbeitete. Unter den Maßnahmen, die die Minderheit für den Kampf um „die Änderung in der Zusammensetzung der obersten Parteikörperschaften" empfahl, stand an hervorragender Stelle die Taktik des Boykotts der zentralen Parteikörperschaften. Die in der Beratung angenommene Resolution ist im theoretischen Teil von Trotzki, im praktischen Teil von Martow geschrieben. Diese Resolution ist zum ersten Male im Jahre 1924 veröffentlicht worden.

4 Lenin meint folgende „unterirdische Literatur" der Minderheit, die vor Nr. 53 der „Iskra" (25. November 1903) erschienen ist: 1. Bericht des sibirischen Delegierten oder vielmehr „Bericht der sibirischen Delegierten", hektographiert herausgegeben; Verfasser N. Trotzki (L. Trotzki). Sehr bald (noch im Jahre 1903) wurde der etwas abgeänderte Bericht (zum Beispiel wurden die Ausfälle gegen Plechanow weggelassen, der zu der Zeit viel alte Redaktionsmitglieder in die Redaktion kooptiert hatte) unter folgendem Titel veröffentlicht: N. Trotzki, „Der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands. Bericht der sibirischen Delegation". Das von Trotzki speziell für die gedruckte Ausgabe geschriebene Nachwort („Zwei Worte anstatt eines Schlusswortes") war gegen den Brief Lenins an die Redaktion der „Iskra" (Warum ich aus der Redaktion der „Iskra" ausgetreten bin) gerichtet; 2. „Noch einmal in der Minderheit", eine hektographierte Broschüre L. Martows; ist nicht mehr abgedruckt worden. Martow arbeitete sie nachher zu dem Artikel „Unser Parteitag" um, der in Nr. 53 der „Iskra" veröffentlicht wurde; 3. Brief Th. Dans, als Manuskript oder hektographiert verbreitet, wurde zum ersten Male in der Beilage zur Broschüre Martows „Der Kampf gegen den Belagerungszustand' in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands" veröffentlicht (Genf 1904), mit einem Vorwort von Th. Dan; der Brief hatte keine Überschrift.

5 „Parteiklatsch" bei Lenin deutsch. Die Red.

6 Nach der Kooptation der „vier" in die Redaktion der „Iskra" macht das Zentralkomitee (G. Krschischanowski, der die Stimmen von 5 Mitgliedern hatte, Galperin, Lengnik, Lenin) im Interesse eines „guten Friedens" in der Partei der Liga Zugeständnisse; es bestätigte in einem besonderen Brief an sie (vom 29. November 1903) das Statut der Liga und erkannte faktisch die Administration der Liga an, indem es erklärte, dass die „der Liga gegenüber getroffenen Maßnahmen" (d. h. die Ungültigerklärung des Kongresses der Liga und der auf ihm gewählten Administration) „ausschließlich durch Umstände hervorgerufen waren, die jetzt weggefallen sind". Die Anhänger der Mehrheit waren mit diesem Schritt des Zentralkomitees unzufrieden und betrachteten ihn (in den „Kommentaren zu den Protokollen des 2. Kongresses der Liga", 1904) als einen „politischen Fehler". Zweifellos war der Beschluss des Zentralkomitees ohne Zustimmung Lenins gefasst worden. Der Initiator dieses Beschlusses war Krschischanowski.

7 „Literatengezänk" bei Lenin deutsch. Die Red.

*** Wir werden dann auch bitten, zu erklären, was die im Aufsatz „Unser Kongress" enthaltenen Hinweise auf die ungerechtfertigte Missachtung der Nichtiskristen, die Hinweise auf das Missverhältnis zwischen den strengen Punkten des Statuts und dem wirklichen Kräfteverhältnis in der Partei bedeuten. Worauf beziehen sich diese Hinweise?

Kommentare