Lenin‎ > ‎1905‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19051010 Die Vertretung der SDAPR im Internationalen Sozialistischen Büro

Wladimir I. Lenin: Die Vertretung der SDAPR

im Internationalen Sozialistischen Büro1

[Proletarij", Nr. 20, 27. September/10. Oktober 1905. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 8, Wien-Berlin 1931, S. 370-372]

Die „Konstituierende Konferenz des Südens" der Menschewiki hat zu dieser Frage die folgende Resolution angenommen:

Nach Kenntnisnahme der Dokumente, aus denen hervorgeht, dass Genosse Lenin, ohne in der Frage der Vertretung der SDAPR im Internationalen Büro irgendwelche Schritte zur Verständigung mit der ,Minderheit' unternommen zu haben, diese Frage dort zum Kampfobjekt der beiden Teile der Partei gemacht und belanglose fraktionelle Meinungsverschiedenheiten in den Vordergrund gestellt hat, drückt die Konferenz der Organisationen des Südens ihr tiefes Bedauern darüber aus, bittet gleichzeitig den Genossen Plechanow, unseren Teil der Partei im Internationalen Büro weiter zu vertreten, und wendet sich an alle Organisationen der ,Mehrheit' mit dem Vorschlage, sich sofort über diese Frage zu äußern und Genossen Plechanow sowohl im Interesse der von uns angestrebten Einheit als auch um das uns allen gleich teure Prestige der SDAPR in den Augen aller übrigen sozialistischen Parteien der anderen Länder zu wahren, mit dieser Vertretung zu betrauen."

Diese Resolution macht es dem Unterzeichneten zur Pflicht, mit einer faktischen Darstellung der Dinge hervorzutreten:

1. Den Menschewiki kann nicht unbekannt sein, dass jedes Abkommen von dem in Russland befindlichen ZK abhängt. Wenn sie absichtlich nur von „Genossen Lenin" sprechen, sagen sie die Unwahrheit.

2. Zwei russische ZK-Mitglieder wandten sich gleich nach dem 3. Parteitag persönlich an Plechanow und drückten den Wunsch aus, ihn sowohl als Vertreter der SDAPR im Internationalen Büro wie als Redakteur des wissenschaftlichen Organs zu sehen. Plechanow lehnte ab. Der Satz „ … keinerlei Schritte…" weicht also von der Wahrheit ab.

3. Als Plechanow nach dieser Ablehnung aus der Redaktion der „Iskra" austrat, erklärte er (am 29. Mai), ohne sich an das ZK der SDAPR zu wenden, in der Presse, dass er nur beide Teile der SDAPR zu vertreten bereit sei, und ersuchte, ebenfalls durch die Presse, die den 3. Parteitag anerkennenden Genossen um ihre Zustimmung.

4. Die Redaktion des „Proletarij" hat die Erklärung Plechanows sofort (in Nr. 5 vom 13./26. Juni) abgedruckt und hinzugefügt, dass die Entscheidung der Frage dem ZK überlassen werde.

5. Vor der Entscheidung der Frage durch das Zentralkomitee habe ich mich im Namen des ZK mit dem Internationalen Büro in Verbindung gesetzt, um das Internationale Büro über den 3. Parteitag und das ZK über die Arbeit des Internationalen Büros zu informieren, wobei ich erklärte, dass die Frage der Vertretung der SDAPR im Internationalen Büro noch nicht entschieden sei. Mit anderen Worten: Das ZK hat sich mit dem Internationalen Büro durch seinen ausländischen Vertreter wegen eines besonderen Vertreters im Büro bis zur endgültigen Entscheidung der Frage in Verbindung gesetzt.

6. Als ich das Internationale Büro über den provisorischen Charakter meiner Beziehungen zu ihm genau und unzweideutig informierte, berührte ich keinerlei Frage des „Kampfes" und „Meinungsverschiedenheiten", sondern beschränkte mich lediglich auf die Mitteilung des Beschlusses des 3. Parteitages, wozu ich unbedingt verpflichtet war.

7. Plechanow schickte dem Internationalen Büro am 3./16. Juni einen Brief, in dem er a) irrtümlich behauptete, dass er bereits von beiden Fraktionen bevollmächtigt sei, sie zu vertreten, und b) die Geschichte der Spaltung seit dem 2. Parteitage schilderte, und zwar mit mehreren Abweichungen von der Wahrheit, ganz im menschewistischen Geiste, indem er die Einberufung des 3. Parteitages durch das Zentralkomitee als einen „durchaus willkürlichen Akt" bezeichnete, die Versöhnler in unserer Partei für den „Sumpf" erklärte und behauptete, dass auf dem Parteitage „kaum die Hälfte der ,voll berechtigten' Organisationen" vertreten, dass der Parteitag eine „Vereinigung der Ultrazentralisten und des Sumpfes" gewesen sei usw.

8. Dieser Brief von Plechanow wurde von mir in dem Briefe an das Internationale Büro vom 11./24. Juli 1905 Punkt für Punkt widerlegt (von dem Plechanowschen Briefe erfuhr ich erst einen Monat nach seiner Absendung durch Plechanow, als das Internationale Büro mir eine Abschrift seines Briefes sandte). Zur Frage des „Sumpfes" schrieb ich in meinem Briefe:

Es ist wahr, dass es in unserer Partei Genossen gibt, die scherzweise der ,Sumpf genannt werden. Die Mitglieder dieses ,Sumpfes' sind im Verlaufe der Auseinandersetzungen im Schoße unserer Partei ständig von einer Seite auf die andere übergegangen. Der erste dieser Überläufer war Genosse Plechanow, der bereits im November 1903 von der ,Mehrheit' zur ,Minderheit' überging, um im Mai dieses Jahres die ,Minderheit' von Neuem zu verlassen, indem er aus der Redaktion der ,Iskra' austrat. Wir heißen solche Schwankungen in keiner Weise gut, doch glauben wir, dass man es uns nicht als Schuld anrechnen kann, wenn die Genossen vom ,Sumpf' nach endlosem Schwanken beschlossen haben, sich uns anzuschließen."

Zur Frage der Situation nach der Spaltung wies ich in demselben Briefe darauf hin, dass das Internationale Büro unbedingt „eine vollständige Übersetzung aller Konferenzresolutionen" haben müsse. „Wenn die ,Iskra' sie aber dem Büro nicht zustellen will", fügte ich hinzu, „so sind wir bereit, dies auf uns zu nehmen."

Mögen jetzt die Leser darüber urteilen, ob das Verhalten Plechanows unvoreingenommen und die Darstellung der Angelegenheit durch die neue Konferenz als wahr bezeichnet werden kann. Wer ist schuld an der Schädigung des Prestiges der SDAPR? Wer ergriff die Initiative zur Informierung des Internationalen Büros über die Geschichte der Spaltung nach dem 2. Parteitag? Wer ist schuld an der Hervorhebung der „Fraktionsdifferenzen"?

N. Lenin

P. S. Gemäß dem Wunsch der Konferenz des Südens, über die Auffassung der Organisationen der Mehrheit informiert zu werden, wird weiter unten die uns im August 1905 zugegangene Resolution des Komitees der SDAPR in Kostroma abgedruckt. Andere Resolutionen über diese Frage sind der Redaktion nicht zugegangen.

1 Wie aus dem Manuskript zu ersehen ist, ist der ganze Artikel von Lenin geschrieben; nur die letzte Zeile des Nachworts und einige unbedeutende Korrekturen stammen von Olminski.

Kommentare