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Wladimir I. Lenin 19180223 Äußerungen Lenins in der Sitzung des ZK der SDAPR(B)

Wladimir I. Lenin: Äußerungen Lenins in der Sitzung des ZK der SDAPR(B)

23. Februar 1918. Protokollarische Aufzeichnungen

[Zum ersten Mal veröffentlicht in N. Lenin, Gesammelte Werke, Bd. XV, 1922. Nach Sämtliche Werke, Band 22, Zürich 1934, S. 297-299]

I

Lenin ist der Auffassung, dass es mit der Politik der revolutionären Phrase zu Ende ist. Wird diese Politik jetzt fortgeführt, so tritt er sowohl aus der Regierung als auch aus dem ZK aus. Für einen revolutionären Krieg brauchen wir eine Armee, haben aber keine. Also müssen wir die Friedensbedingungen annehmen.1

II

Einige haben mir wegen des Ultimatums Vorwürfe gemacht. Ich stelle es nur im äußersten Falle. Wenn unsere ZK-Mitglieder von einem internationalen Bürgerkrieg reden, so ist das ein Hohn. Wir haben den Bürgerkrieg in Russland, nicht aber in Deutschland. Unsere Agitation geht weiter, aber wir agitieren nicht mit Worten, sondern mit der Revolution. Und das bleibt. Stalin hat unrecht, wenn er sagt, dass man nicht zu unterzeichnen braucht.2 Wir müssen diese Bedingungen unterzeichnen. Tut ihr das nicht, so werdet ihr in drei Wochen das Todesurteil für die Sowjetmacht unterzeichnen. Diese Bedingungen tasten die Sowjetmacht nicht an. Ich schwanke nicht im Geringsten. Ich stelle das Ultimatum nicht, um es wieder zurückzuziehen. Ich will keine revolutionäre Phrase. Die deutsche Revolution ist noch nicht herangereift. Das erfordert Monate. Man muss die Bedingungen annehmen. Wenn dann ein neues Ultimatum kommt, werden wir eine neue Situation haben.

III

Ich halte es auch für notwendig, den revolutionären Krieg vorzubereiten. Den Vertrag kann man auslegen, und wir werden ihn auslegen. Die Demobilisierung ist hier in rein militärischem Sinne gemeint. Vor dem Krieg hatten wir auch eine Armee. Zum revolutionären Krieg muss man sich ernsthaft vorbereiten. Ich zweifele keinen Augenblick daran, dass die Masse für den Frieden ist.

IV

Lenin beantragt, darüber abzustimmen: 1. ob man sofort die deutschen Vorschläge annehmen soll, 2. ob man sofort den revolutionären Krieg vorbereiten soll, 3. ob man sofort die Wähler der Sowjets in Petrograd und Moskau befragen soll.

V

G. Lomow stellt die Frage, ob Lenin eine versteckte oder offene Agitation gegen die Unterzeichnung des Friedens für zulässig hält.

Lenin bejaht das.

VI

Infolge des Einlaufens einer Erklärung einiger Mitglieder des ZK über ihren Rücktritt von allen verantwortlichen Posten in den Sowjets und in der Partei beantragt J. Swerdlow, dass die Mitglieder des ZK bis zum Parteitag auf ihren Posten bleiben und in den Parteikreisen ihre Agitation treiben.

Lenin ist dafür, dass man die von Swerdlow gestellte Frage diskutiert, da 1. für die Unterzeichnung eine Frist von drei Tagen, 2. für die Ratifikation eine Frist von zwölf Tagen vorhanden ist. Folglich kann man die Meinung der Partei in Erfahrung bringen. Wenn sie sich gegen eine Unterzeichnung ausspricht, so wird keine Ratifikation erfolgen, da aber heute wenig Zeit zur Verfügung steht, so schlägt er vor, die Frage auf morgen zu verschieben.

VII

Stalin stellt die Frage, ob nicht der Rücktritt von den Posten faktisch den Austritt aus der Partei bedeutet.

Lenin erklärt, dass der Austritt aus dem ZK nicht gleichbedeutend ist mit dem Austritt aus der Partei.

VIII

Lenin schlägt den Genossen vor, während der Abstimmung die Sitzungen zu verlassen und keine Dokumente zu unterzeichnen, damit sie nicht die Verantwortung zu tragen brauchen, empiehlt ihnen aber, die Arbeit im Rat der Volkskommissare nicht hinzuwerfen.

1 Die Frage der Annahme der deutschen Friedensbedingungen wurde am 23. Februar zuerst in der Sitzung des ZK der Partei, dann in einer gemeinsamen Sitzung der ZKs der Bolschewiki und linken Sozialrevolutionäre, in einer gemeinsamen Sitzung der Fraktionen der Bolschewiki und der linken Sozialrevolutionäre im Allruss. Zentralexekutivkomitee und schließlich, in der Plenarsitzung des Allruss. Zentralexekutivkomitees behandelt.

In der Sitzung des ZK der Partei stimmten für die Annahme der Bedingungen und für die Unterzeichnung des Friedens Lenin, Sinowjew, Swerdlow und Sokolnikow: gegen Bucharin, Dzierżyński, Urizki und Lomow. Trotzki erklärte: „Wenn bei uns Einmütigkeit bestünde, könnten wir an die Organisierung der Verteidigung gehen und würden damit fertig werden. Aber dazu bedarf es einer maximalen Einigkeit. Da diese Einigkeit aber nicht vorhanden ist, so kann ich nicht die Verantwortung übernehmen für den Krieg zu stimmen." Das ZK beschloss mit 7 Stimmen gegen 4, bei 4 Stimmenthaltungen: 1. den deutschen Vorschlag sofort anzunehmen, 2. (einstimmig) sofort einen revolutionären Krieg vorzubereiten und 3. (einstimmig bei 3 Stimmenthaltungen) sofort die Wähler in Petrograd und Moskau zu befragen, um die Stellung der Massen zum Abschluss des Friedens zu erfahren.

Die gemeinsame Sitzung der Fraktionen der Bolschewiki und der linken Sozialrevolutionäre im Allrussischen Zentralexekutivkomitee fand am Abend des 23. Februar statt. Für die Annahme der deutschen Bedingungen sprach Lenin, gegen die Annahme sprachen Radek und Rjasanow. In dieser gemeinsamen Sitzung wurden keine Resolutionen angenommen. Nachher fanden Sondersitzungen der Fraktionen der Bolschewiki und der linken Sozialrevolutionäre statt. Die Plenarsitzung des Allrussischen Zentralexekutivkomitees wurde erst am 23. Februar um 3 Uhr nachts eröffnet. Nach dem Referat Lenins über die deutschen Friedensbedingungen und der Debatte, in der gegen die Unterzeichnung des Friedens von den Menschewiki Martow, von den rechten Sozialrevolutionären Lichatsch, von den Anarcho-Kommunisten A. Geys, von den linken Sozialrevolutionären B. Kamkow auftraten, wurde die von der Fraktion der Bolschewiki vorgeschlagene Resolution mit 116 gegen 84 Stimmen, bei 26 Stimmenthaltungen, angenommen. Ein großer Teil der Bolschewiki, die Gegner der Unterzeichnung des Friedens waren, verließ den Sitzungssaal vor der Abstimmung. N. Bucharin, Wetoschkin, D. Rjasanow und Sachs stimmten dagegen; Delj, Pedjurin und Fabrizius enthielten sich der Stimme.

2 J. Stalin erklärte in der Sitzung des ZK vom 23. Februar: „Man braucht nicht zu unterzeichnen, kann aber Friedensverhandlungen anfangen." (Siehe „Protokolle des ZK".)

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