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Leo Trotzki 19171025 Bericht auf der Sitzung des Sowjetkongresses des Nordbezirks über den aktuellen Moment

Leo Trotzki: Bericht auf der Sitzung des Sowjetkongresses

des Nordbezirks über den aktuellen Moment

(12. Oktober)

[„Rabotschij Putj" Nr. 38, 17./30. Oktober 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

Genossen! Die Revolution zeigt sich uns als ein komplexer, widersprüchlicher und schmerzhafter Prozess.

Es stellt sich heraus, dass sich die Ereignisse schneller entfalten als das menschliche Denken.

Dies erklärt den schmerzvollen Charakter unserer Revolution.

Eine Revolution ist ein Kampf, in dem sich den Klassen die Frage der Macht endgültig stellt.

Das Proletariat hat noch keinen ausreichenden Willen zur Machtübernahme gefunden, obwohl alle Umstände dies erfordern.

Die Bourgeoisie war darauf immer ausreichend vorbereitet. Zu Beginn der Revolution ergriff sie die Macht, und das Proletariat hielt sie nicht auf. Das Kleinbürgertum wurde an die Macht gesetzt, indem es sich auf breite Schichten stützte, da die Bauernschaft in die Armee organisiert war, bevor das Bewusstsein ihrer Interessen organisiert war. Die Bauern haben ihre Interessen den kleinbürgerlichen Elementen anvertraut, die immer noch für sie sprechen und sie zur Vereitelung des Allrussischen Sowjetkongresses benutzen, der nicht zu deren Gunsten ist.

Der Grund für alle gegenwärtigen Krisen ist, dass das Proletariat in den ersten Tagen der Revolution nicht die Macht in die Hand nahm.

Zu Beginn der Revolution ergriff die Bourgeoisie die Macht, um ihre imperialistischen Ziele zu verwirklichen. Am 20. April schob die Revolution sie beiseite. Das Volk bot den Menschewiki – der damaligen Sowjetmehrheit – die Macht, aber sie hatten nicht den Mut, über diesen Schritt zu entscheiden – und eine Koalitionsregierung wurde gebildet. Es war eine diebische Machtverlagerung in die Hände der Bourgeoisie.

Diese Koalitionsregierung setzte die Politik der ersten Regierung fort und führte uns zu dem schrecklichsten Ereignis, von dem alle nachfolgenden Katastrophen ausgehen.

Wir haben gemahnt, gewarnt, vorausgesagt, dass das alles Wilhelm den Stoß in den Rücken der deutschen Demokratie erleichtern würde, sprachen über die Herrschaft der Stäbe – nichts half.

Kerenski sagte, dass aus den Ereignissen vom 3. – 5. Juli die Kornilowiade erwuchs. Er sagte dies im Provisorischen Rat der Russischen Republik. Er wird von der „Iswestija ZIK" wiederholt.

Nein, die Kornilowiade ist aus jenem unglückseligen 18. Juni entstanden.

Trotz unserer wiederholten Aufforderung an Kerenski (mögen die Mitarbeiter der bürgerlichen Zeitungen hier wenigstens einmal meine Worte richtig aufschreiben!), hat er noch keine Liste der Opfer der Ereignisse vom 3.-5. Juli veröffentlicht.

Hätte er wenigstens nackte Zahlen gebracht, wie es unter dem zaristischen Regime der Fall war, so hätte man gesehen, dass am 3. und 5. Juli kein Aufstand stattfand, sondern eine rein spontane Bewegung.

Sie ist aus der dreimal verfluchten Offensive vom 18. Juni erwachsen.

Die Opfer des 3. bis 5. Juli sind nichts im Vergleich zu den Opfern des 18. Juni.

Doch als Kornilow sich erhob, wankten die revolutionäre Armee und das Volk nicht von Kerenski zurück, sondern richtete die revolutionären Front aus und gab Kornilow eine heroische Abfuhr.

Die Vaterlandsverteidiger selbst haben gesagt, dass wir diese Einheit der Front festigen müssen, und was tun sie?

Sie beriefen die Demokratische Beratung ein, die darauf beruht, dass die Soldaten sie in den Tagen Kornilows unterstützten. Ja, in diesen Tagen, als sie wirklich bedroht waren, wurden die Kronstädter Genossen beschworen, und die Matrosen der Aurora bewachten das Winterpalais ...

Die Demokratische Beratung sollte also die Macht schaffen, eine Macht, die die Kornilows bekämpfen und den Krieg beseitigen würde.

Aber das kann nur durch eine Macht geschehen, die sich auf die Armee stützt, d. h. auf die Sowjetmacht.

Wir protestierten, kämpften gegen das Zusammenschieben der Zusammensetzung der Versammlung.

Es war eine boshafte und übelwillige Schiebung der inneren Kräfte der russischen Revolution.

Jetzt folgen alle Volksmassen den Bolschewiki und den linken Sozialrevolutionären. Das bedeutet, dass das revolutionäre Bewusstsein der Menschen schnell anwächst.

Der Vorsitzende der Moskauer Stadtduma, Minor, hält das Ergebnis der letzten Wahlen für willkürlich, das den Bolschewiki überall den Sieg gibt.

Wir halten dies für einen ganz natürlichen Prozess.

Die Macht war zaristisch, sie ging an die Bourgeoisie über, diese wurde vom Kleinbürgertum in Gestalt der Menschewiki und der rechten Sozialrevolutionäre abgelöst, und schließlich, als das revolutionäre Bewusstsein der Menschen reifte, stimmte das ganze Volk für die Bolschewiki. Das Volk vertraut uns und beauftragt uns, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen.

Wir sagen auch, dass nur diejenigen in der gegenwärtigen Situation Macht begründen können, die sich auf die breiten Massen stützen.

In der jüngsten Ausgabe der Iswestija schreibt ein Leitartikel den Sowjet ab und überträgt seinen ganzen Einfluss auf das Vorparlament, auf Semstwos und Stadtdumas.

Aber das ist der letzte Bankrott der Kompromisspolitik, zumal auch die Menschewiki und Sozialrevolutionäre, nachdem sie eine Koalitionsregierung geschaffen hatten, ihre offiziellen Vertreter nicht in die Regierung schickten. Für sie war diese Macht zu schlecht.

Aber ihrer Meinung nach sollte die Macht, die für das Zentralkomitee ihrer Parteien schlecht ist, für Russland gut sein.

Wir erklären dieser Macht den unversöhnlichen Kampf.

Entweder wird die russische Revolution erdrosselt oder durch die Heldentaten der Sowjets gerettet!

Die Kompromissler als politische Partei existieren nicht mehr!

Die Revolution verwandelt sich in ein tödliches Duell der Revolution mit der Konterrevolution und ihrem Gehilfen Kerenski.

Die ganze Lage des Landes sagt uns: Ihr seid verpflichtet, die Aufgabe zu lösen, vor der das Land steht, und selbst um den Preis des Lebens alle Macht in eure eigenen Hände zu nehmen!

Unser Kongress muss zeigen, dass wir nicht nur Worte, sondern auch materielle Stärke haben!

Genosse Trotzki schlägt vor, die Resolution zu verabschieden und beendet seine Rede mit den folgenden Worten:

Ich bitte Sie, meine Resolution einstimmig anzunehmen. Die Annahme dieser Resolution bedeutet einen Übergang von Worten zu Taten.

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